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Full text of "Jahrbuch der Kais. Kön. Geologischen Reichs-Anstalt"

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JAHRBUCH 


DER 


- KAISERLICH-KÖNIGLICHEN 


bEULDGISLHEN RBICHSANSTALT 


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LIV. BAND 1904. 


Mit 16 Tafeln. 


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Wien, 1905. 


Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt. 


In Kommission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. k. Hofbuchhandlung, 
I., Graben 31. 


Inhalt. 


Personalstand der k. k. geologischen Reichsanstalt (20. Februar 1905) . 
Korrespondenten der k. k. geologischen Reichsanstalt 


Heft 1. 


Geologische Beobachtungen auf einer Reise in die Gegend von Silistria und 
in die Dobrudscha im Jahre 1892. Von Franz Toula. Mit drei 
lithographierten Tafeln (Nr. I—-III) und 19 Textfiguren 


Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. Von Dr. W. 
Petrascheck. Mit einer Tafel (Nr. IV) und einer Textfigur 


Einige neue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. Von 


Br Vlsund Ri Zunkotspien. Im Text . u. 2 u na en. nen a 


Über eine neue Krabbe (Cancer Bittneri n. sp.) aus dem miozänen Sand- 
steine von Kalksburg bei Wien. Von Franz Toula. Mit fünf Text- 


ERANEEE ee le kur a LE RE Sr ee a me A a 
Heft 2. 
Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. Von K. Richter. 


Nuarer Zinkoty pien sims Text u. aan ala: wa ee 

Geologische Beschreibung der Mosor planina. Von Dr. Fritz v. Kerner. 
Mit einer geologischen Karte in Farbendruck und zwei Profiltafelu 
NE VEORL  VELE [II] 7. 08" ee. 


Heft 3 und 4. 

Die Neokombildungen bei Kaltenleutgeben. Von P. Steph. Richarz. S. V.D. 
Mit einer lithographierten Tafel (Nr. IX) und zwei Zinkotypien im 
ee ee en. Er öre : 

Kritische Besprechung einiger im Verlaufe der letzten Jahre erschienenen 
Arbeiten über Fucoiden. Von Theodor Fuchs. Mit einer Lichtdruck- 
KASTEN ee N ee N he, se 

Das Grundgebirge im Kartenblatte St, Pölten. Von Dr. Franz E. Suess. 
Mit zwei Zinkotypien im Text . 


169 


215 


343 


359 


389 


IN 


Über Perthitfeldspäte aus kristallinischen Schiefergesteinen. Von Dr. Franz 
E. Suess. Mit einer Lichtdrucktafel (Nr. XI) und fünf Zinkotypien 
im Text 04... ve a ee ee 
Geologisch-petrographische Mitteilungen aus dem Gebiete des Kartenblattes 
Böhm.-Leipa und Dauba, Zone 3, Kol. XI der österr. Spezialkarte. Von 
H. V. Graber in Böhm.-Leipa. Mit drei Zinkotypien im Text . 
Das Verbreitungsgebiet der Prominaschichten im Kartenblatte Novigrad— 
Benkovac (Norddalmatien). Von R. J. Schubert. Mit einer geo- 
logischen Übersichtskarte (Tafel Nr. XD). .... 2... ....., 
Zur neuesten Literatur über das böhmisch-schlesische Grenzgebiet. Von Dr. W. 
Petrasfcheck..Mit zwei’ Ziukotypien im Text un er 
Die kristallinen Alpen des Ultentales. II. Das Gebirge nördlich der Faltschauer, 
Von Dr.W. Hammer. Mit einer Tafel (Nr. XIII) und 13 Zinkotypien 
im. Text. -.... 600% wen ee a re 
Beitrag zur Säugetierfauna von Leoben. Von A. Hofmann und A. Zdarsky. 
Mit: drei Lichtdrucktafeln (Nr. XIV xy ze 
Beiträge zur Kenntnis der geologischen Verhältnisse Ostböhmens. II. Teil. 
Das kristallinische Gebiet bei Reichenau a. d. Kn., Blatt Reichenau— 
Tynist, Zone 5, Kol. XIV. Von Dr. Karl Hinterlechner 


Verzeichnis der Tafeln: 
I-II zu: Franz Toula: Geologische Beobachtungen auf einer Reise 
in .die Dobrudschar. v0. ren. re 


IV zu: Dr. W. Petrascheck: Über Gesteine der Brixener Masse 
und ihrer Randbildungen . 


V zu: Dr. OÖ. Ampferer: Studien über die Inntalterrassen 
VI—VII zu: Dr. F. v. Kerner: Geologische Beschreibung der Mosor 
planina .. “u 22 la, a ß 
IX zu: P. Stephan Richarz: Neokombildungen bei Kaltenleut- 
Beben. = eye ee I 2 ro teste 
x zu: Theodor Fuchs: Kritische Besprechung einiger Arbeiten 
über Fucoiden . .» “Rue ra er ES ee 
| XI zu: Dr. F. E. Suess: Über Perthitfeldspäte . . 222.2... 
XU zu: R. J. Schubert: Das Verbreitungsgebiet der Promina- 
schichten im Blatte Novigrad— Benkovac. . . 2... 


XIII zu: Dr. W. Hammer: Die kristallinen Alpen des Ultentales 


XIV—XVI zu: A. Hofmann und A. Zdarsky: Beitrag zur Säugetier- 
fauna von .Leoben..ı. . . Vai 


Seite 


431 


Personalstand 


der 


raesnloerschen KReichsanstalt 


Direktor: 

Tietze Emil, Ritter des österr. kaiserl. Ordens der Eisernen Krone 
III. Kl., Besitzer des kaiserl. russischen Set. Stanislausordens 
II. Kl. und des Komturkreuzes II. Kl. des königl. schwedischen 
Nordsternordens, Ritter des königl. portugiesischen Set. Jakobs- 
ordens und des montenegrinischen Daniloordens, Phil. Dr., k. k. 
Hofrat, Mitglied der kaiserl. Leop. Carol. deutschen Aka- 
demie der Naturforscher in Halle, Präsident der k. k. Geogra- 
phischen Gesellschaft in Wien, Ehrenmitglied der Societe geo- 
logique de Belgique in Lüttich, der königl. serbischen Akademie 
der Wissenschaften in Belgrad, der uralischen Gesellschaft von 
Freunden der Naturwissenschaften in Jekaterinenburg, der Gesell- 
schaft für Erdkunde in Berlin, der rumänischen Geographischen 
Gesellschaft in Bukarest und der schlesischen Gesellschaft für 
vaterländische Kultur in Breslau, korrespondierendes Mitglied 
der Geological Society of London, der Societe Belge de Ge&ologie, 
de Pal&ontologie et d’Hydrologie in Brüssel, der Geographischen 
Gesellschaft in Leipzig ete., III., Hauptstraße Nr. 6. 


Vizedirektor: 
Vacek Michael, IlI., Erdbergerlände Nr. 4. 


Chefgeologen: 


Teller Friedrich, Phil. Dr. hon. causa, k. k. Bergrat, korr. Mitglied 
der kais. Akademie der Wissenschaften, III., Kollergasse Nr. 6. 

Geyer Georg, III, Hoernesgasse Nr. 9. 

Bukowski Gejza v., III., Hansalgasse Nr. 3. 

Rosiwal August, a. 0. Professor an der k. k. Technischen Hochschule, 
IIl., Bechardgasse Nr. 10. 


VI 


Vorstand des chemischen Laboratoriums: 

John von Johnesberg Konrad, k. k. Regierungsrat, Mitglied der 
kaiserl. Leop. Carol. deutschen Akademie der Naturforscher in 
Halle, korr. Mitglied der Gesellschaft zur . örderung deutscher 
Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen etc., II., Paffrath- 
gasse Nr. 6. 


Geologe: 
Dreger Julius, Phil. Dr., IL, Ungargasse Nr. 63. 


Chemiker: 
Eichleiter Friedrich, II, Seidlgasse Nr. 37. 


Adjunkten: 


Kerner von Marilaun Fritz, Med. U. Dr., XIII, Penzingerstraße 
Nr L2RS. 

Suess Franz Eduard, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. Universität, 
II., Afrikanergasse Nr. 9. 

Kossmat Franz, Phil. Dr., Privatdozent an der k. k. Universität, 
III., Metternichgasse Nr. 5. 

Abel Othenio, Phil. Dr., Honorardozent an der k. k. Universität, korr. 
Mitglied der Soc. Belge de Geologie, de Pal&ontologie et d’Hydro- 
logie in Brüssel, XIII, Jenullgasse Nr. 2. 

Hinterlechner Karl, Phil. Dr., XVIIL, Klostergasse Nr. 37. 


Bibliothekar: 
Matosch Anton, Phil. Dr., III., Hauptstraße Nr. 33. 


Assistenten: 


Hammer Wilhelm, Phil. Dr., DI., Blattgasse Nr. 8. 

Schubert Richard Johann, Phil. Dr., HI., Rasumofskygasse Nr. 2. 
Waagen Lukas, Phil. Dr., III., Sophienbrückengasse Nr. 10. 
Ampferer Otto, Phil. Dr., XVIIL, Haizingerstraße Nr. 49. 
Petrascheck Wilhelm, Phil. Dr., III., Geusaugasse Nr. 31. 


Praktikanten: 


Trener Giovanni Battista, Phil. Dr., III, Untere Viaduktgasse Nr. 1. 
OÖhnesorge Theodor, Phil. Dr., UI., Geusaugasse Nr. 43. 


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Für das Museum: 
Zelizko Johann, Amtsassistent, 1II., Löwengasse Nr. 37. 


Für die Kartensammlung: 
Aeichner: 
Jahn Eduard, Besitzer des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone, 
III., Messenhausergasse Nr. 8. 


Skala Guido, III, Hauptstraße Nr. 81. 
Lauf Oskar, VII., Kaiserstraße Nr. 8. 


Für die Kanzlei: 
Girardi Ernst, k. k. Rechnungsrat, III, Marxergasse Nr. 23. 


In zeitlicher Verwendung: 
Frenzl Olga, III., Eslarngasse Nr. 8. 


Diener: 


Erster Amtsdiener: Schreiner Rudolf, 
Besitzer des silbernen Verdienstkreuzes mit 
der Krone 


Laborant: Kalunder Franz 

Zweiter Amtsdiener: Palme Franz 
Dritter Amtsdiener: Ulbing Johann 
Präparator: Spatny Franz 


III., Rasumofsky- 
gasse Nr. 23 u. 25. 


Amtsdienergehilfe für das Laboratorium: 
Felix Johann 


Amtsdienergehilfe für das Museum: 
Kreyda Alois J 


Portier: 
Schmid Josef, k. u. k. Invaliden-Feldwebel, III., Hauptstraße Nr. 1. 


VII 


Korrespondenten 


der 
k.k. geologischen Reichsap. oa 
1902--1904. 


Johann Krahuletz, k. k. Aichmeister i. P. und Vorstand des 
städtischen Museums in Eggenburg, Niederösterreich. 


Dr. Karl Hintze, Professor der Mineralogie an der kgel. Univer- 
sität in Breslau. 


Dr. Anton Rzehak, a. o. Professor an der k. k. deutschen tech- 
nischen Hochschule in Brünn. 


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ISERLICH-KÖ 


JAHRGANG 1904. z 
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a  Milon, 1904. 
> 2 Verlag der R. k. geologischen Reichsanstalt. 


In Kommission bei R. Lechner (Wilh. Müller), k. u. &. Hofbuchhandlung, 
A u "4 2 "1, Graben 31. 


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‚Ausgegeben am 15. September 1904. | 
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Geologische Beobachtungen auf einer Reise in 
die Gegend von Silistria und in die Dobrudscha 
im Jahre 1892. 


Von Franz Toula. 
Mit 3 lithographierten Tafeln (Nr. I—III) und 19 Textfiguren. 


Der erste, welcher in neuerer Zeit auf die Wichtigkeit von 
Untersuchungen über die ‚geologische Beschaffenheit der südlich von 
der unteren Donau gelegenen Länder und deren Gebirge hingewiesen 
hat, war Karl F. Peters. In einem kurzen Aufsatze „Über die 
Bedeutung der Balkanhalbinsel als Festland in der Liasperiode“ 
(Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch., 19. Nov. 1863) hat er 
die Aufmerksamkeit der kais. Akademie auf jene Gebiete gelenkt 
und erreichte damit, daß ihm der Auftrag zuteil wurde, die Lösung 
der offenen Fragen in Angriff zu nehmen und zu erheben, ob und 
inwieweit die geologischen Formationen jener Länder in der Tat 
„denselben Charakter an sich tragen“, der die „Alpen- und Karpathen- 
distrikte so auffallend von den westeuropäischen Ländern scheidet“. 
Er durfte es damals noch unangefochten aussprechen, daß diese Er- 
hebungen „eine natürliche Aufgabe österreichischer Geologen seien“. 

Peters wählte sich die östlichen Landstriche am Schwarzen 
Meere zum Ausgange seiner Studien und schenkte uns darüber seine 
„Grundlinien zur Geographie und Geologie der Dobrudscha*, ein 
Werk, auf das wir österreichischen Geologen immer mit berechtigtem 
Stolze blicken werden, da es trotz der einen und anderen Ergänzung 
und Veränderung der Auffassung mustergültig geblieben ist. 

Und doch war die Wahl für den zu erreichenden Zweck eigent- 
lich eine nicht ganz glückliche, denn das kleine Inselgebirge spielt 
eine ganz absonderliche Rolle sowohl dem Karpathen- als dem 
Balkansystem gegenüber; es ist, wie sich Suess (Antlitz der Erde 
I, S. 613 [1885]) ausdrückte, „ein ganz unaufgeklärtes Rätsel“, da 
es seiner Entstehung nach viel älter ist sowohl als die genannten 
Systeme als auch der Kaukasus, trotz der „kaukasischen“ Streichungs- 
richtung. Es zeigt dies nur aufs neue, wie wenig unter Umständen 
solche tektonische Erscheinungen benützbar sein können und wie 
verwirrend es sein kann, solche UÜbereinstimmungen besonders zu 
betonen. 

Peters verbrauchte seine Kraft an der hochinteressanten 
kleinen und alten Gebirgsscholle, seine Gesundheit wurde unter- 


aırbarı d k.k. gel. Rzichsanstalt, 1994 54 Band, 1, left. (F. Toula.) 1 


2 Franz Toula. [2] 


graben und an eine Fortsetzung seiner Aufnahmsarbeiten konnte 
fürderhin nicht gedacht werden. 


Erst ziemlich lange nach v. Hochstetters erfolgreicher Reise 
nach Mösien, Rumelien und Thrakien im Jahre 18691) gelang es mir, 
meinen Lehrer und ehemaligen Vorstand Prof. Dr. Ferd. v. Hoch- 
stetter zu bewegen, das Interesse der kais. Akademie der Wissen- 
schaften in Wien für die Fortsetzung der von Peters so erfolgreich 
inaugurierten Untersuchungen zu bestimmen, und ich erhielt im Jahre 
1875 in der Tat den ehrenvollen Auftrag, nach dem von mir ent- 
worfenen Plane eine „geologische Durchforschung des Balkangebietes“ 
in Angriff zu nehmen und im westlichen Balkan zu beginnen (1875 
und 1880), welche herrliche Aufgabe ich nach dem vorzeitigen Hin- 
sange des Förderers derselben (v. Hochstetter starb 1883) mit 
Unterstützung der Boue-Kommission der kais. Akademie (1884) und 
des Unterrichtsministeriums (1884, 1883 und 1890) glücklich zum 
Abschlusse bringen konnte. Ohne die Förderung von seiten des 
Ministeriums wäre die Untersuchung des zentralen Balkans, sowie 
jene des östlichen Teiles dieses Gebirges, unmöglich geworden und 
meine Arbeit ein Torso geblieben. 


Bei dieser Arbeit stellte sich die Wichtiekeit heraus, welche es 
für mich haben mußte, auch die benachbarten Gebirge einer ver- 
gleichenden Untersuchung zu unterziehen, und war es auch in diesem 
Falle das k. k. Unterrichtsministerium, welches mir diese Studien 
auszuführen ermöglichte, wogegen ich meine gesamten, auf den 
Balkanreisen gemachten Aufsammlungen dem hohen Ministerium 
behufs Ubergabe an das k. k. naturhistorische Hofmuseum überließ. 


Auf diese Weise wurde es mir auch möglich gemacht, die 
Dobrudscha zu durchreisen, den Jaila Dagh in der Krim kennen 
zu lernen, sowie an der unteren Donau und in den Östkarpathen 
Studien anzustellen. Bei meiner Bereisung des transsylvanischen 
Gebirges erfreute ich mich außerdem eines Zuschusses von seiten 
des königlich rumänischen Domänenministeriums. Meine weiter aus- 
blickenden Arbeiten in Kleinasien 1895 wurden mir durch ver- 
schiedene Umstände nach einem in wissenschaftlicher Beziehung 
nicht unerfreulichen Beginn verleidet. 


Im nachfolgenden beginne ich mit der Bearbeitung der reich- 
haltigen und mannigfaltigen Aufsammlungen, welche ich während 
dieser Reisen zusammenzubringen imstande war. Die Materialien der 
kleinasiatischen Reisen sind bereits bearbeitet. (Beiträge zur Palä- 
ontologie und Geologie Osterreich-Ungarns und des Orients. X. 1896 
und XII. Bd. 1900.) 


Eine Schilderung meiner Reisewege in der Dobrudscha gab ich 
in einem Vortrage im Vereine zur Verbreitung naturwissenschaftlicher 
Kenntnisse in Wien (8. März 1895). 


!) Die ersten Meldungen finden sich in den Verhandlungen der k. k. geol. 
R.-A. 1869, S. 285 u. S. 352—356, während die beiden aufs neue bahnbrechenden 
Abhandlungen in den Jahrbüchern dieser Anstalt erschienen: 1870, S. 265 —461 
und 1872, S. 331--388. 


u ati un 


[3] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 3 


Im nachfolgenden werde ich nach den Aufzeichnungen des 
Reisetagebuches und nach Durcharbeitung der gemachten Aufsamm- 
lungen die Ergebnisse darzulegen versuchen, wobei ich sofort unum- 
wunden erkläre, daß ich die Peters’schen Darlegungen in den weit- 
aus vorherrschenden Fällen als vollkommen richtig und zutreffend 
zu bestätigen habe. Die Angaben der geologischen Karte sind von 
einer fast durchweg mustergültigen Schärfe und Genauigkeit und 
nur intensive Detailarbeit könnte die von ihm gemachten Angaben 
vertiefen und verbreitern. 

Diese Aufgabe hatte ich mir von vornherein nicht gestellt und 
bei der Kürze der für meine Besichtigungen zur Verfügung stehenden 
Zeit — es waren nur wenige Wochen — wäre dies auch ganz und 
sar unmöglich gewesen und mußte ich mich darauf beschränken, die 
zu einer schließlichen zusammenfassenden und vergleichenden Studie 
nötigen eigenen Beobachtungen anzustellen. 

Nach mir wurde die Dobrudscha mehrfach besucht, so von den 
Herren V. Anastasiu, Dr. Redlich und von Kustos E. Kittl. 

Meine Reisen in die Dobrudscha trat ich von Rustschuk aus an, 
wo mir von seiten des Brunnenbauunternehmers F. Brocks mehr- 
fache Freundlichkeit erwiesen wurde. Diesem Herrn verdanke ich 
auch die Mitteilung, daß im Kanal von Giurgewo zwei Meter unter 
dem Nullwasserstande dieselben Requinienkalke anstehend gefunden 
wurden, wie ich sie am Gestade von Rustschuk angetroffen habe. Ich 
fand bei Giurgewo zwar keine Fossilien, doch ist der petrographische 
Charakter des Gesteines in der Tat in schönster Übereinstimmung mit 
jenem bei Rustschuk. 


1. Beobachtungen in der Gegend von Silistria. 
(Fig. 1.) 

Auf der Fahrt nach Silistria sieht man am rechten Steilufer der 
Donau an zwei Stellen horizontal gelagerte Kalkbänke mit mürben 
Zwischenmitteln, und zwar zuerst etwa auf halbem Wege zwischen 
Tutrokan (Turtu Kai) und Silistria und bald darauf vor Popina, wo 
zu oberst eine weiße Kalkbank zu liegen scheint. Es werden dies 
wohl Anzeichen einer Fortsetzung der Rustschuker Kreidetafel gegen 
Osten sein, deren Vorkommen bei Silistria selbst, und zwar südlich 
davon, ich bald sicherstellen konnte. Vor Popina ist das Steilufer 
besonders hoch und gleichfalls horizontal geschichtet unter den die 
Höhe einnehmenden schönen Tumulis. 

Ob diese Kreidetafel oberhalb Silistria gleichfalls eine jüngere 
Decke trägt (unter den Lößbildungen), wird noch sicherzustellen sein. 

Als Bausteine fand ich in Silistria helle oolithische Kalke 
in Anwendung neben dichten Nerineenkalken. Die ersteren sind reich 
an zum Teil stark abgerollten, zum Teil aber doch sehr wohlerhaltenen 
kleinen Fossilien, die sich aus dem weniger festgebundenen Material 
leicht herausbringen lassen. Von den durchweg sehr kleinen Dingen 
sind die überaus spärlichen und abgescheuerten Orbitolinen das be- 
zeichnendste, so daß kein Zweifel bestehen kann, daß man es mit 

1* 


4 Franz Toula. [4] 


ganz ähnlichen Gesteinen zu tun habe, wie sie in der Nähe von Rus- 
tschuk in den Steinbrüchen am Lom so schön aufgeschlossen vorliegen. 
Außerdem fand ich in dem Probestück Reste von walzlichästigen 
Bryozoenstöckchen, kleine Gastropoden, winzige Bivalven und ebenso 
winzige Terebrateln (Taf. I, Fig. 9). Auch spätige Stückchen (Reste 
von Echinidenstacheln) sind hie und da sichtbar. Die walzlichästigen 
Bryozoen erinnern mit ihren einfachen, in Quinkunx stehenden 
Grübchen an gewisse Vinculauria-Formen, zum Beispiel an V. dubia 


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Fig. 1. 


d’Orb. (Pal. france. Terr. Cret., Taf. 601, Fig. 14 und 15); feinere 
Details sind verwischt. 

Mehrere sehr kleine Scheibchen (1’5—2'4 mm Durchmesser) 
mit sehr zierlicher fünfzähliger Furchung und kleinen zentralen 
Knötchen dürfen wohl als Steinkerne winziger Echiniden, ähnlich 
etwa mit Discoidea subucutus Klein (Galerites subuculus Quenst.), ge- 
deutet werden. 

Im Nerineenkalk der Bausteine von Silistria findet sich der 
Steinkern einer hochgewundenen Nerinea, welche in der Form der 
Einschnürung und nach dem Querschnitte der Umgänge an Nerinea 
Crozetensis Pictet et Camp. von St. Croix (Taf. LXVUI, Fig. 3) 


[5] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 5 


erinnert, also in dieselbe Gruppe mit Nerinea Coquandana d’Orb. 
(ebenda Taf. LXII, Fig. 1) aus dem Urgon zu stellen sein dürfte, 

Außerdem liegen zwei Gastropoden in verhältnismäßig wohl- 
ausgeprägten Abdrücken vor. Der eine Abdruck ist hochgewunden 
und hat eine an Fusus oder Murex erinnernde Skulptur mit kräftigen, 
etwas schräg stehenden Querwülsten und scharf ausgeprägten Spiral- 
linien, der zweite stammt von einer ovalen Schale mit großem letzten, 
schön gerundeten Umgang und scharf und etwas treppenförmig ab- 
gesetzten Windungen, von welchen sechs erkennbar sind. In der 
Spindel erscheint die ganz glatte Schale etwas ausgezogen, ähnlich 
so wie es Quenstedt (Gastropoden Taf. 202, Fig. 116) von Actaeon 
Staszycii zeichnet. Auch die Form der Außenlippe hat Ähnlichkeit. 
Man könnte auch vielleicht an T’ylostoma denken. Ob jene Bau- 
steine aus der Gegend von Silistria stammen, ist nicht sicher, obwohl 
ich dieselben Kalke südlich von Silistria wiedergesehen habe. Es 
wäre aber sehr leicht möglich, daß sie den großen Steinbrüchen bei 
Rustschuk entnommen sind, deren Material leicht verfrachtet werden 
kann und auch tatsächlich verfrachtet wird. 


8 Strasse 


Fig. 2. 


Östlich von Silistria, gleich außerhalb der Stadt, und ganz 
nahe an der Grenze von Rumänien befindet sich ein Aufschluß in 
offenbar jungtertiären Ablagerungen. 

Zu oberst liegt (Fig. 2) ein mergeliger Lehm (1.), darunter 
(zirka 0'8 m) gelbe mürbe Mergel (2.), dann 0'8 m blaugraue sandig- 
tonige, im Aussehen an den Silt erinnernde Ablagerungen mit kleinen 
Konkretionen und zahlreichen ansehnlich großen Planorbis- Schalen 
und -Steinkernen (3.), darunter lagert 12 m mächtiger gelber, etwas 
toniger Sand (4.) und zu unterst liegt der verwendbare gelbliche 
Sand (5.), der undeutliche, stark verwitterte Cardien enthält und 
etwa 4 m tief aufgeschlossen war. Plattige Konkretionen sind darin 
recht häufig. | CH 

Diese Konkretionen enthalten stellenweise eine Menge von 
Cardien, vorwaltend kleine Formen von geringer Höhe (bis 7 mn) und 
großer Breite (bis 11 mm). Die rückwärtige Hälfte der Schale ist, 
ähnlich so wie bei gewissen kleinen Formen von Cardıum obsoletum 
(Taf. I, Fig. 5), am Stirnrande gegen rückwärts etwas. verlängert, 
vorn abgerundet. Die ganze Schale ist gleichmäßig mit zarten Radial- 
rippen und mit noch zarteren Anwachslinien bedeckt. Unter. den mir 
bekannt gewordenen Abbildungen ist jene von Cardium (Monodacna) 
simplexe Th. Fuchs aus den „Congerienschichten von -Radmanest 


6 Franz Toula. [6] 


im Banate“ (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1870, S. 359, Taf. XV, 
Fig. 4-6) am ähnlichsten. Unsere Form ist nur wenig größer, die 
Rippen aber sind zarter. Da mir nur Steinkerne und Abdrücke vor- 
liegen, kann ich an keine nähere Bestimmung denken. Fuchs er- 
wähnt, daß Cardium (Monodacna) pseudocatillus Abich aus dem Kalk- 
steine von Odessa sich durch eine bedeutendere Ungleichseitigkeit 
von Cardium simplex unterscheidet. Eines meiner Stücke unterscheidet 
sich ebenfalls durch besonders auffallende Ungleichseitigkeit, so daß 
man dabei an die Odessaer Form denken könnte. Ein Steinkern 
(Taf, I, Fig. 6) ist 22 mm breit und 14 mm hoch, also ziemlich genau 
doppelt so groß. Stammt wohl aus naher Verwandtschaft. Ein anderer 
Steinkern ist leider auf der rückwärtigen Seite abgebrochen. Er 
stammt von einer viel stärker gewölbten Form her. Die Steinkern- 
höhe einer Klappe beträgt über 21 mm. Auch hier erscheint eine 
ziemlich gleichmäßige Rippung. Vielleicht könnte man an Cardium 
banaticum Fuchs erinnert werden. (Ebenda Taf. XV, Fig. 9.) 

Diese Vorkommnisse erinnern an jene, welche Peters (l. e. 
S. 197) in der Gegend von Rassova an der Donau, westlich von 
'Kokerlenj, angetroffen hat und welche schon Spratt (Quart. Journ. 
XVI, 1860, S, 282) erwähnt hat nach Mitteilungen, die ihm durch Kapt. 
Leford geworden sind, und welche er mit den von ihm am Yalpuksee 
am linken Ufer der Donau oberhalb Ismail gefundenen verglichen hat. 
In der Tat beschreibt er ein Profil aus der Gegend von Bolgrod (Bol- 
grad), wo offenbar ganz ähnliche Sande und sandige Mergel mit Süß- 
wasser-Schaltierresten, über Sanden und Mergeln mit Cardien, ver- 
zeichnet wurden. Bei „Inputsitza“ weiter unterhalb wurde in sandigen 
Mergeln, über „Cardium oder Didacna“ führenden Lagen, das Vor- 
kommen von Planorbis corneus und Lymnaea peregra, Dreissena poly- 
morpha (nach S. P. Woodwards Bestimmung, ebend. S. 286) an- 
geführt. 

Ich führe diese Beobachtung hier an, weil Peters („Grund- 
linien* II, S. 53) bei der Besprechung der „miocänen Süßwasserstufe*“ 
aus der Gegend von Rassova an der Donau auf die Wahrscheinlichkeit 
hingewiesen hat, daß gerade bei Silistria bessere Aufschlüsse zu er- 
hoffen seien. Wie diese eine von mir erbrachte Beobachtung zeigt, 
hat Peters ganz richtig geschlossen. Solche Aufschlüsse werden in der 
weiteren Umgebung von Silistria gewiß noch manche zu finden sein. 

Kapt. Spratts Mitteilungen über die Freshwater-Deposits 
(Quart. Journ. XIII, S. 204 u. S. 312 und XVI S. 281) sind noch 
immer die wichtigsten. An der unteren Donau hat er solche zum 
Beispiel beschrieben vom Yalpuksee östlich von der Pruthmündung, 
wo er sie in Sandsteinen und sandigen Mergeln antraf (l. ec. XVI, 
S. 285 ff). In einer Liegendschichte fanden sich auch Cardien. 
Die Ablagerungen daselbst scheinen auch petrographisch jenen von 
Silistria ähnlich zu sein. 

Peters führt aus der Gegend von Rassova an .der Donau 
gegen Kokerlenj, hier unter Löß und Lokalschotter, Sande (,„Drift- 
bildung“ ?) und sandige Mergeln mit Cyprisschälchen an, unter welchen 
Sande folgen, die er mit ungarischen Congerienschichten (von rn 
bei Fünfkirchen) in Vergleich gebracht hat. 


[7] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 7 


In den grauen, feinglimmerigen, sandigen Tonen 
von Silistria (3.) liegen Planorbis - Steinkerne mit stark ver- 
witterten Schalenresten in großer Zahl vor; es sind fast durchweg 
große Exemplare (Taf. I, Fig. 1), welche in den meisten Stücken 
auf das beste mit Planorbis cornu Brongniart aus dem „Obermiocän“ 
übereinstimmen. (Sandberger, Land- und Süßwasserkonchylien, 
S. 577, Taf. XXVIII, Fig. 18.) Neumayr hat diese Art von Mioeic 
in Dalmatien aus dem Süßwassermergel angeführt (Jahrb. d. k. k. geol. 
R.-A. 1869, XIX, S. 366, Taf. 12, Fig. 21). Unsere Stücke erreichen 
Schalendurchmesser bis über 30 mm. 

Neben dieser Art finden sich auch sehr stark aufgebläht er- 
scheinende Stücke, die wohl nur durch Druck veränderte, besonders 
große Exemplare vorstellen. Außerdem fand sich in meinem ziemlich 
reichlichen Material nur noch ein einziges Stück einer ZLymnaea 
(Taf. I, Fig. 2), ein ziemlich ansehnliches Exemplar, welches jedoch 
zu wenig gut erhalten ist, um es mit Sicherheit bestimmen zu können. 
Es fällt durch die schlanke Schale auf, die auch im letzten Umgange 
keine sonderliche Aufblähung erkennen läßt. 

Das Land an der Grenze ist auf der Höhe, bis zu 80 m über 
der Donau, tafelflach und mit Lößlehm überdeckt. Bei Birtschma 
(Burtschima klang der Name), etwa 10 km im SSO von Silistria, 
treten unter dem Löß und Jungtertiär — gelbe und grauweiße Sande, 
welche in den oberen Partien reich sind an Kalkkonkretionen und 
mit den Ablagerungen bei Silistria übereinstimmen — helle, dichte, 
zum Teil porzellanartige und löcherige Kalke auf, welche in den 
Tälern gegen Süd und Südost beiderseits Steilwände bilden. Sie sind 
von lichtgelblicher Färbung und enthalten in den unteren Lagen 
große Nerineen. Ich fand nur übersinterte Steinkerne, während in 
den oberen Bänken kleine stumpfe Nerineen und Bivalven auftreten. 
Es fand sich auch ein vereinzeltes Kelchstück einer Koralle von 
elliptischem Querschnitt mit hoch hinaufragenden Sternleisten, etwa 
44 an der Zahl, und einem langgestreckten hohlen Mittelsäulchen. 
(Vgl. Taf. I, Fig. 14.) Sie erinnert an die von Quenstedt als 
Anthophyllum bezeichneten Formen, läßt jedoch keine genaue Be- 
stimmung zu. 

In dem cafionartigen Tale bei Birtschma fand ich in dem er- 
wähnten gelblichen, dichten, porzellanartigen und löcherigen Kalke 
vor allem eine Menge von großen hochgewundenen Nerineen. Aber 
auch Monopleuren fehlen nicht, wenn es mir auch nicht gelang, an 
dieser Stelle besseres Material davon zu finden. 

Der beste meiner Nerineensteinkerne gehört zweifellos in die- 
selbe Gruppe mit Nerinea Coquandana d’Orb. (St. Croix, Taf. LXVIL, 
Fig. 1, 2) und Nerinea Traversensis Pict. et Camp. (St. Croix, 
Taf. LXVII, Fig. 4), und zwar nach dem Querschnitte der Röhre 
mehr der letzteren Form angenähert, so daß ich das Stück als 
Nerinea spec. (cf. Traversensis) bezeichnen will. (Vgl. Taf. I, Fig. 7.) 
Die Einschnürung an der Außenseite ist auch etwas stärker als bei 
der angeführten Art (l. ce. Fig. 4 e). 

Der Querschnitt der Spindel ist groß. Zwischen die beiden 
angeführten Urgonarten dürfte unsere Nerinea zu stehen kommen. 


g | Franz Toula. [8] 


Auch die von Sharpe aus Portugal beschriebene Nerinea Olisiponensis 
(Quart. Journ. VI. 1850 S. 114, Taf. XII, Fig. 3) gehört in dieselbe 
Gruppe, doch reichen die Falten auffallend tief in die Röhre und 
sind die Umgänge viel enger aneinander gerückt. 

Auch mehrere Abdrücke einer kleinen hochgewundenen Nerinea 
liegen vor, mit schön gewölbten Umgängen und feinen Spirallinien, 
deren oberste leieht gekörnt erscheint. Beim Anblicke der Abdrücke 
allein. wird. man an gewisse jüngere Tuırritellen erinnert. (Vgl. Taf. I, 
Fig. 13.) Einer der Reste weist aber auch ein Stück des einge- 
schnürten Steinkernes auf, so daß an der Bestimmung als Nerinea 
nicht gezweifelt werden kann. Mir ist eine derartige Form nicht 
bekannt, doch ist das vorliegende Material nicht ausreichend, um 
daraufhin eine neue Form zu gründen. Dies mag besseren Funden 
vorbehalten bleiben. 

Auch ein Bivalvensteinkern liegt mir von derselben Lokalität 
vor, der eine sichere Bestimmung leider gleichfalls nicht zuläßt. 
Der Umriß ist fast kreisförmig. Das Schloß der linken Klappe läßt 
zwei kräftige Zähne erkennen, etwa so wie bei der jüngeren Corbis 
rotundata. Ein vorderer Seitenzahn ist deutlich erkennbar, während 
rückwärts eine scharf ausgeprägte Längsfurche auf der Area verläuft. 

Der Talboden bei Birtschma scheint streckenweise 
förmlich ohne Gefälle zu sein. Es lag derselbe zur Zeit meines 
Besuches (am 7. Juni 1892) bis auf vereinzelte Pfützen und ver- 
sumpfte Stellen trocken und ist weithin von dichtem Eichenbuschwerk 
bedeckt, das den ganzen Talgrund überzieht. Ich verfolgte das weit 
nach Süden reichende, allenthalben (canonartig) steilwandig begrenzte 
trockene Tal bis über Atlatlar. 

An einer Stelle zwischen Birtschma und Aflatlar fand 
ich einen hellfarbigen, oolithischen, löcherigen Kalk mit vielen un- 
deutlichen Fossilien, darunter eine kleine hochgewundene Nerinea, 

In einem Seitentale gegen Aflatlar tritt im Hangenden der Tafel- 
kalke ein ungemein feinkörniger, weißer und mürber Oolith auf, der 
gleichfalls Fossilien führt, darunter eine kleine Auster, welche in die 
Formengruppe der Exogyra plicata Goldf. (Petref. germ. 37 [5—7]) 
gehören dürfte. Die stark gewölbte Schale zeigt gegen den Stirn- 
rand grobe Falten und ist gegen den Wirbel zu faltenlos und 
nur mit Anwachsstreifen versehen. Ostrea flabellata d’Orb. hat große 
Ähnlichkeit. Auch ein Pectenbruchstück liegt vor. 

Die Fahrt war nichtsweniger als angenehm, da der Buschwald 
von Prozessionsspinnenraupen über und über besetzt war, die ihn 
weithin kahl fraßen und vor denen man sich bei dem Passieren der 
Büsche kaum bewahren. konnte. 

Bei Aflatlar (Afatlar) liegt unter dem Löß, der reich an 
„Lößkindeln“ ist, ein roter Lehm und unter diesem ein dünnplattiger 
Kalk. Fast jede der dünnen Bänke ist in der Mitte dicht und kieselig. 
Cardien und Cerithien finden sich darin. (Fig. 3.) 

Die Lage 3 bei Aflatlar besteht aus gelbem, dichtem, etwas 
oolithischem Kalk der sarmatischen Stufe. Derselbe enthält eine 
Menge von Abdrücken und Steinkernen von Gastropoden, deren Ab- 
formung vor allem das Vorkommen des typischen Cerithium pictum 


[9] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 9 


Bast., auf das beste übereinstimmend mit der von M. Hoernes 
(Foss. Moll. des Wiener Beckens, Taf. 41, Fig. 17) abgebildeten 
schlanken Form nachweisen ließ. Weniger häufig ist eine etwas 
gedrungene Varietät, bei welcher, unter der derben Knotenreihe an 
der Naht, nur leichte Andeutungen von weiteren Spirallinien auftreten. 
Außerdem liegt nur noch ein Abdruck vor, der auf das Vorkommen 
der kleinen Paludina Frauenfeldi M. Hoernes hindeutet (l. c. pag. 582, 
Taf. 47, Fig. 28). 

Echte typische Monopleurenkalke mit zahllosen Exemplaren der 
kleinen Monopleura trilobata d’Orb. in Steinkernen und Abdrücken, 
die auf das beste übereinstimmen mit den von Matheron abge- 
bildeten Formen (Rech. paleont. dans le Midi de la France, III. Part, 
Taf. 12, Fig. 5) bilden das Liegende. 

Aber auch eine Form mit etwas gewundenem Wirbel der großen 
Klappe ließ sich durch einen Abdruck feststellen, wodurch man an 
Monopleura varians Math. (1. e. Taf. 12, Fig. 3) erinnert wird; freilich 
ist die Windung nicht so beträchtlich wie bei dieser Form. Eine 
zarte, aber deutliche Kante läuft gegen den Wirbel. Auf demselben 


Fig. 3. 
Brunnengrabung. 


1. Löß mit vielen Lößkonkretionen. — 2. Roter Lehm (Terra rossa-Material. — 
3. Dünnplattige, dichte Kalke des Sarmatischen. — 4. Oolithische Monopleuren- 
Nerineenkaike. 


Handstück findet sich auch ein Eindruck, der sich ganz gut abformen 
ließ und das Vorkommen einer hochwirbeligen Bivalve ergab, die 
ich jedoch nicht näher zu bestimmen vermag. — 

Nun fuhren wir nach SW gegen Anadschik. Auf dem Wege 
dahin kamen wir über mürbe, zum Teil förmlich aufgelöste Mono- 
pleurenkalke. 

Allenthalben herrscht hier Wassermangel und wurden vielfach 
tiefe Brunnen abgeteuft bis auf 25 m Tiefe. 

Bei Akkandelar wandten wir uns wieder gegen NW und fuhren 
über Balabanlar. Auch hier war man im Graben, NW von diesem 
Orte, mit einer Brunnengrabung beschäftigt und hatte 22 m Tiefe 
erreicht. Dabei kam man durch grellroten und gelben Lehm und 
nach Durchschlagung einer festen Bank jenes löcherigen dichten 
Kalkes auf weiße, ganz mürbe, mergelige Kalke mit Monopleuren, 
Nerineen und Cardien, die über festem, splitterigem Kalke mit 


Jahrbuch d. k,k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (F, Toula.) 2 


10 Franz Toula. [10] 


spärlichen Abdrücken und Steinkernen von Fossilien lagern. Der 
weiße mürbe Kalk enthält dunkle Punkte, die wohl nichts anderes 
sind als vereinzelte zersetzte glaukonitische Körnchen. Aus diesem 
weißen mürben Kalke gelang es mir, ein Bruchstück einer kleinen, 
scharf gekielten ZRequienia herauszupräparieren, welche an die von 
d’Orbigny (Terr. eretace, Taf. 576, Fig. 5) abgebildete Form an- 
schließen dürfte, welche er als Varietät der Regwienia Lonsdalii be- 
zeichnete, jener Form, welche Matheron (Catalogue meth., Taf. II, 
Fig. 1—5) als Requienia carinata bezeichnet hat (vgl. Taf. I, Fig. 19). 
Dadurch dürfte die Zugehörigkeit der weißen weichen Kalke zum 
Urgon erwiesen sein. 


In dem weißen mürben Kalke hat auch ein sehr schlankes 
Individuum einen Abdruck hinterlassen, der eine Form ergab, welche 
sroße Ähnlichkeit besitzt mit jener von Cerithium Michaillense Pict. 
et Camp. (St. Croix, Taf. LXXI, Fig. 1). Die Wülste liegen genau 
übereinander, die Spirallinien sind wohlausgeprägt. Die Schale war 
nur noch schlanker als die genannte Form aus dem Urgon; sie er- 
scheint in den Anfangswindungen förmlich zugespitzt. 

Von Haskiöi (weiter im NW) ging es weiter gegen Doi- 
muschlar. 

Bei einer Brunnengrabung auf der Plateauhöhe (!) fanden wir 
einen dichten grauen Süßwasserkalk in Verwendung, der in einzelnen 
Blöcken reich an Limnaeus, Helix und Planorbis war, und den wir, 
gegen Osten in den Graben schreitend, auf dem Wege zur Donau 
bald auffanden und zwar unter Verhältnissen, die sicherlich bemerkens- 
wert sind. 


Der schön plattig brechende, etwas dunkelfarbige Süßwasserkalk 
umschließt in einzelnen Blöcken eine große Anzahl kleiner Planorben, 
die mit der Schale erhalten sind, während größere Schalen viel 
seltener sind. Die Schalen sind schön in der Ebene gewunden und 
lassen bis fünf Umgänge erkennen. Dieselben sind an der Extern- 
seite mit einem deutlichen stumpfen Kiel versehen. Die Oberfläche 
erscheint glatt und glänzend; unter der Lupe erkennt man ungemein 
feine Querlinien. Ober- und Unterseite sind ganz evolut, die Ober- 
seite hinter dem stumpfen Kiel leicht eingeschnürt. Auch Quer- 
einschnürungen sind vorhanden. — Scheint sich an Planorbis compla- 
natus Poir = Pl. (Anisus) umbilicatus Müller (Sandberger |. c. 
Ss. 779, Taf. XXXV, Fig. 8) anzuschließen, welche Form aus dem 
unteren Pleistocän (aus den Moosbacher Sanden) angeführt wird, sowie 
aus den Tuffen von Oannstadt und Weimar. Die erwähnte abge- 
bildete Form ist den genannten Formen jedenfalls recht ähnlich. 


Anstehend habe ich gerade dieses Gestein nicht finden können. 
— Wir folgten dem Tale, das weiter unten bei Srebrena in die 
weite versumpfte Inundationsbucht ausmündet, die von der Donau 
nach Süden ins Land hineinreicht und in ihrem südlichen Teile einen 
kleinen See enthält, der von einem versumpften Saume umgeben wird. 
Ich habe das Auftreten dieses an der Ausmündung des Trockentales 
von Doimuschlar gelegenen kleinen Sees sowie. der limanartigen 
Bildungen auf der rechten Uferseite der Donau an anderem Orte 


[11] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 11 


geschildert (Schriften d. Ver. z. Verbr. naturw. Kenntn. Wien 1893, 
XXXII. Bd., S. 560 ff.), worauf ich wohl verweisen darf. 

Auf dem Wege von Doimuschlar nach Srebrena 
traf ich den Süßwasserkalk anstehend. (Vgl. Fig. 4.) Zu unterst 
lagern, auch oben weithin entblößt, weiße dichte Nerineenkalke 
(1), welche mit kaum 5—10° gegen WNW verflächen. Zu oberst 
dünnbankig, sind die betreffenden Kalkbänke stellenweise löcherig 
ausgewaschen und unterhöhlt, mit gerundeten Formen, oben aber 
ist der Kalk glatt gescheuert, und zwar in hozizontaler Richtung, wie 
abradiert und zwar schräg gegen die Schichtung. Rechts von unserem 
Wege erhebt sich nun ein flach gerundeter Terrainhöcker, der in 
halber Höhe, etwa 15—20 m über der abradierten Fläche der 
Nerineenkalke, eine fast horizontale Bank des Süßwasserkalkes (2.) 
bildet und mit den oben erwähnten Bausteinen vollkommen über- 
einstimmt.. 

Aus dem löcherigen, durch kristallisiertes Material gebundenen 
Monopleurenkalk lassen sich die eingeschlossenen Schalenreste leider 
nicht berauspräparieren, doch glaube ich an einem der von mir ge- 
sammelten Handstücke den Zahnbau zu erkennen. Der Kittabdruck 
läßt die Form der Ausfüllung der vor dem großen Zahn der rechten 


Fig 4. 


Klappe gelegenen Zahngrube der linken Klappe erkennen. Der Zahn 
der rechten Klappe ist abgebrochen, die hintere Zahngrube aber ist 
wieder zu erkennen. 

Ich möchte dabei an Monopleura varians Math. aus dem Urgon 
denken, wofür auch die Form der Windungen der Schale und der 
Steinkernreste sprechen. Sicheres läßt sich bei dem Charakter des 
Gesteines nicht bestimmen. An einem Schalenbruchstücke kann ich 
die beiden Schichten der Schale recht gut erkennen. In einem 
Seitengraben traf ich einen hellgelblich gefärbten dichten Kalk mit 
muscheligem Bruche. Derselbe enthält innig umschlossene kleine 
Gastropoden, vor allem faltenlose Formen. Auch vereinzelte Aus- 
witterungen von Bivalvenschalen zeigen sich. Nerineen, Requienien 
oder Monopleuren lassen sich hier nicht erkennen, doch ist kaum 
daran zu zweifeln, daß man es mit Bildungen dieses Horizonts zu 
tun hat, da an benachbarten Stellen dieselben Kalke auch Nerineen 
aufweisen. 

Im Süßwasserkalke sammelte ich hier vor allem eine an- 
sehnliche Helix spec. (Taf. I, Fig. 1). Große Helixsteinkerne sind 
ungemein häufig. Breite 28—30 mm, Höhe 24—-26 mm. 

Die Schale ist bauchig mit stumpfem oberen Gewinde und 

einem. wohlausgeprägten, nicht sehr breiten, abwärts gerichteten 
9% 


12 Franz Toula. | [1 2] 


Mundsaume. Der Nabel dürfte gedeckt gewesen sein, wenigstens 
reichen an den Steinkernen die Schalenabdrücke der Innenlippe 
über den Nabel hinüber. 

Am ähnlichsten erscheint unter den von Fr. Sandberger 
(Land- und Süßwasserconchylien der Vorwelt, Taf. XXXV, Fig. 37) 
zur Abbildung gebrachten Arten Helix (Pentataenia) Vindobonensis 
Pfeiffer, eine Art, welche auch heute noch im südöstlichen Europa 
und donauabwärts „in den österreichischen und fürstlichen Donau- 
ländern“ lebt. Unsere Steinkerne deuten auf eine etwas größere 
Form. Sandberger führt bei der genannten Art eine Höhe von 
20—21 mm und eine Breite von 23 mm an. 

In demselben Kalke findet sich auch der Steinkern einer an- 
sehnlichen Planorbis, die in schöner Übereinstimmung steht mit der 
in den Süßwasserkalken am Eichkogl bei Mödling unweit Wien auf- 
tretenden Planorbis cornu Brong. (Vgl. Sandberger |]. c. Taf. XX, 
Fig. 26.) Der Durchmesser der Steinkerne beträgt etwa 23 mm, 
übertrifft also etwas jenen der zitierten Form. 

Sowohl die liegenden Nerineen-Monopleurenkalke als auch die 
hangenden Süßwasserkalke — die ersteren fortwährend mit den An- 
zeichen von Abrasion, die letzteren als eine förmliche, weit hin- 
reichende Tafel — halten an bis gegen den erwähnten See und 
auch bei Witren, einem auf einem Plateau mehr als 50 m hoch über 
der Donau gelegenen kleinen Dörfchen, stehen die Süßwasserkalke 
an. Der Nachweis des Vorkommens einer räumlich so ausge- 
dehnten Süßwasserkalkbildung jungen Alters ist gewiß von 
Interesse. 

Die Höhenlage, welche ich auf etwa 50 m schätzte, würde also kaum 
viel unterhalb der Sattelhöhe gegen Constantza (Küstendsche) zurück- 
bleiben, die nach der russischen Karte an der Bahnlinie zwischen 20 
und 50 Saschehn liegt, von Peters aber mit 30'6 Wr. Klafter — 
57'6 m angegeben wurde. 

Von Srebrena fuhr ich ostwärts durch Lößschluchten hinauf auf 
die Terrasse, wo wir abermals den Süßwasserkalk anstehend fanden. 
Der Löß bedeckt ihn weiterhin in sehr bedeutender Mächtigkeit; 
unter demselben tritt weiter abwärts gegen Tatarica der Süß- 
wasserkalk nochmals hervor, offenbar in einer herabgebrochenen großen 
Scholle. 


2. Aus der Umgebung von Tschernawoda in der 
Dobrudscha. 


Von Silistria fuhr ich mit dem Donaudampfer nach Tscher- 
nawoda, von wo aus ich zunächst das merkwürdie Tal des Karasu 
besuchte, hinauf bis Medschidje. 

Vor allem wollte ich die Steinbrüche von Mirdschawoda 
(bei „Karaburlak“ auf der Petersschen Karte) kennen lernen. — 
Das Karasutal ist sicherlich mit den südrussischen Limantälern zu 
vergleichen und stellt, zum mindesten in der jüngst vergangenen Zeit, 
bis weit über Medschidje hinaus ein Inundationsbecken der Donau 


[13] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u, s. w. 13 


dar. (Vgl. bei K. Peters I, S. 40 ff.) Im alluvialen Talboden 
finden sich Viviparen und kleine Dreissensien in Unmasse, (Peters 
hatte gerade in den Sümpfen des Karasu krankheitshalber keine Ge- 
legenheit, auf die Fauna zu achten; er führt (l. ec. I, 8. 482 [128]) das 
Vorkommen von Unio und Anodonta an, die mir in den Talboden- 
furchen nicht aufgefallen sind). 

In der Nähe der Einmündung in die Donau erweitert sich das 
Tal nach einwärts und ist weit hinauf beiderseits oft sehr steilwandig 
begrenzt. Diese Steilhänge bestehen bei Tschernawoda aus mit Löß und 
„Alluviallehm“ bedeckten Nerineen-Monopleurenkalken, die auch tal- 
aufwärts mehrfach aufgeschlossen sind. Bei Tschernawoda sind die 
Kalkbänke leicht gegen Ost geneigt, und zwar an beiden Talseiten, 
wie schon Peters angegeben hat. 

Ich fand bald die Anzeichen des Vorkommens von Requienien 
und Monopleuren. 


1. Zu oberst eine Lage von humosem Lehm. — 2. Ein Schotterhorizont, eine Roll- 

steinablagerung, welche stellenweise die Form von Schotternestern annimmt, — 3. Auf- 

gelöste sandige Nerineenbänke. — 4. Feste, splitterigbrechende, löcherige Kalke. — 

5. Oolithische Tagen. — 6. Schiefrig mergelige Gesteinsschichten mit Kalkbänken 
wechsellagernd, — 7. Schutt des Abbaues. 


Zunächst fuhr ich an den nördlichen Hängen hin, welche an 
den Lehmwänden eine gewisse Andeutung von Schichtung und farbige 
Streifung erkennen lassen, so besonders unterhalb der „Kolonie“, 
Dort, wo das Tal sich scharf gegen Ost wendet, treten zu unterst 
an der Talsohle feste Gesteinsbänke hervor, Ziemlich genau südlich 
von der „Kolonie“ liegen an der südlichen Talsohle die Steinbrüche 
von Mirdschawoda, wo man zur Zeit meines Besuches Gesteine 
für die großen Pfeiler der Donaubrücke brach. Die Lagerungs- 
verhältnisse an dieser Stelle zeigt das obenstehende Profil Fig. 5. 

In einem lichtgelblich gefärbten, etwas oolithisch feinkörnigen 
Kalke fanden sich viele Nerineen. Der beste Steinkern, der mir vor- 
liegt, stimmt überein mit jenem von Nerinea Orozetensis Pict. et Camp. 
(St. Croix, Taf. LXIII, Fig. 5) aus dem Urgon. 

Ein Abdruck eines etwas größeren Exemplars lieferte ein Positiv, 
welches auf das beste mit Nerinea Coquandiana d’Orb, (Terr. Cretaces, 


14 Seh Franz Toula. | [14] 


Taf. 156, Fig. 3) übereinstimmt sowohl in der Knotung an der Naht, 
als auch in der Art der Schaleneinschnürungen, dem Winkel der Schale 
und der Höhe der Umgänge. 

Unter den Nerineenüberresten des fast weißen oolithischen Kalkes 
finden sich der Abdruck und Teile des Steinkernes einer sehr schlanken 
Form, welche mich an Nerinea Vogtiana Mort. (Pictet et Campiche 
St. Croix, II, 240, Taf. LXVII, Fig. 1, 2) erinnert, in deren nahe 
Verwandtschaft sie gehören dürfte. Sie unterscheidet sich nur durch 
die etwas abweichende Skulptur der Schale. Es findet sich wohl eine 
Knotenreihe nahe der Naht, diese ragt aber weiter vor; weitere 


Fig. 6. Steilhänge im Karasutale, linkes Ufer. 
Vor Mirdschawoda. 


Knötchenreihen sind nicht erkennbar, dagegen tritt in der mittleren 
Einschnürung der Umgänge eine zarte, aber deutliche Rinne auf. _ 
2 Die Faltung der Röhre gibt im Querschnitt der Umgänge ganz 
dasselbe Bild wie bei der Nerinea Vogtiana aus dem Urgon. Unter 
den Nerineen von Stramberg ist die Nerinea Defrancei var. posthuma 
(Zittel, Taf. 42, Fig. 6) sicherlich in dieselbe Formengruppe zu 
stellen. Ihre Umgänge sind aber viel weniger tief eingeschnürt und 
fehlt auch die erwähnte zarte Spiralrinne. 

Ganz nahebei traf ich an kulissenartig vorragenden Steilwänden 
mit Schutthängen im Talgrunde ein Gesteinsvorkommen, welches ich 


[15] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 15 


besprechen muß, denn wenn es auch Peters offenbar nicht ent- 
gangen ist, so konnte ich doch eine sichere neue Erkenntnis er- 
en (Vgl. Fig. 6 nach einer photographischen Aufnahme und 
PieiüT, 

Zu oberst und vom Plateaurand abwärts liegt ein lößähnlicher 
Lehm (Fig. 7, 1.) in größerer Mächtigkeit als vorhin, darunter, wie im 
vorigen Profil, eine Rollsteinlage, das heißt ein sandiger Lehm mit 
Gerölleinlagerungen (2.), darunter folgen nun mächtige Massen eines 
mürben feinkörnigen Sandsteines (3., 4.), der vielfach in Sand aufgelöst 
erscheint, aus welchem einzelne festere Lagen vorragen. Der Sandstein 
besteht aus feinen Quarzkörnchen, spärlichen Glimmerschüppchen und 
nicht sehr häufigen glaukenitischen Körnchen. Hie und da findet sich 
ein größeres Quarzkorn. 


Das mürbe Material ist von bräunlicher Färbung und enthält 
eine Unmasse von zum Teil winzigen Körnern eines dunklen Quarzes, 


Fig. 7. 


so daß das Gestein beim ersten Anblicke an Grünsand erinnert, 
Wirklichen Glaukonit konnte ich darin an dieser Stelle nicht finden '!). 


Im Sande kommen ziemlich viele kleine Fossilreste vor, allein 
ungemein häufig, förmlich nesterweise eine kleine Ostrea mit ge- 
wundenem Wirbel, so daß man an die kleinen Exogyren. denken 
muß, wie sie sich sowohl im oberen Malm als auch in der Kreide 
so häufig finden. 


1) Peters bespricht (l. c. II., 8. 48 [192]) das Vorkommen der oberen Kreide 
bei Umurdscha auf der Südseite des oberen Karasutales. Dieser Ort liegt nach 
der russischen Karte unweit, und zwar oberhalb Murvatları — Peters hebt je- 
doch ganz bestimmt hervor, daß von glaukonitischen Körnern auch hier keine Spur 
zu finden sei und daß diese überhaupt in dem ganzen Gebiete fehlen. 


V. Anastasiu (Contribution a l’etude geologique de la Dobrogea. These. 
Paris 1898) hat nach mir, die kleine „Ostrea“, gleichfalls bei Tschernawoda auf- 
gefunden und als Ostrea tuberculifera (Koch u. Dunker) Cog. (S. 101) be- 
zeichnet. Als eine weitere Lokalität wird Hinogü südlich von Tschernawoda an 
der Donau angegeben, von wo (8. 108) Ostrea cf. arduennensis d’Orb., praelonga 
Sharpe und aquila d’Orb. genannt werden. Die betreffenden Ablagerungen werden 
als Aquivalente des Aptien oder des Albien bezeichnet. 


16 Franz Toula. [16] 


Daneben ließ sich das Vorkommen von Otodus-Zähnen und von 
Serpula-Röhrchen beobachten. 

Peters führt eine „Exogyra sp., ähnlich der E. sinuata Sow., 
aber kleiner“, aus dem Crinoidenkalkstein von Jenissala am Rasimsee 
an, den er in den mittleren Jura einreiht, während die Exogyra 
sinuata Sow. (nach Coquand = Exogyra aquia d’Orb.) eine Form 
des unteren Grünsandes ist. 


Die kleinen ungefalteten Exogyren von Mirdschawoda im 
Karasutale (bei Tschernawoda). 


In dem erwähnten Sande habe ich zahlreiche Exemplare von 
Exogyren gesammelt, die nesterweise, so dicht beisammen auftreten, 
daß nicht selten eine Schale in der anderen steckt. Die Bestimmung 
dieser überaus verschiedenförmigen Individuen macht einige Schwierig- 
keit, sie haben trotz ihrer Formenverschiedenheit so viele Merkmale 
gleichartig entwickelt, daß es mir nicht möglich wird, sie mit einer 
der verschiedenen Arten, wie sie seit Sowerby aufgestellt worden 
sind, in voller Übereinstimmung zu finden. Dazu kommt, daß die 
meisten Exemplare, die ich sammeln konnte, junge Individuen sind. 

Weiters sind sie fast durchweg dünnschalig und leicht zer- 
brechlich, so daß die meisten am Stirnrande etwas beschädigt sind. 
Ich glaube, sie etwas näher in Betracht ziehen zu sollen. 

Es liegen mir zumeist nur Unterklappen für sich und Deckel- 
klappen für sich vor, und nur bei zwei kleinen Individuen sind beide 
Klappen im Verbande geblieben. 

Was die Deckelklappen anbelangt, so sind diese (ich habe 
sie Taf. II, 1, «—i zur Abbildung gebracht) zum Teil recht gut 
erhalten. 

Das größte der Stücke (a) ist in seiner Form überaus 
ähnlich der von Sowerby (Min. Conch. Taf. 25, Fig. 4) abgebildeten 
Deckelklappe von Exogyra haliotordea Sow. Die Lage, Form und 
Größe des eingerollten Wirbels stimmt vollkommen, auch die an der 
Konvexseite verlaufende scharfe Kante ist vorhanden und ebenso die 
steil abfallende Hinterseite, welche jedoch bei unserer Form außer 
den Anwachslinien sehr scharf gedrängt stehende Transversallinien 
aufweist, wie ich sie in gleicher Weise bei keiner anderen der mir aus 
der Literatur bekannt gewordenen Formen wiedergefunden habe, mit 
Ausnahme der Erxogyra aurieularis Goldf. (Petr. germ., Taf. 88, Fig. 2.) 

Die von d’Orbigny (Terr. ceret., Taf. 478, Fig. 5) abgebildete 
stark verlängerte Form zeigt nur Andeutungen davon; die Kopie bei 
Coquand (Ostr. cret., Taf. 52, Fig. 16) läßt nichts davon er- 
kennen. Die von Coquand (l. c. 8.28) mit Ostrea auricularis Geinitz 
(es soll wohl Reuss heißen, der den Wahlenbergschen Namen zu- 
erst wieder aufgenommen hat) vereinigte Exogyra pyrenaica Leymerie 
(Mem. Soc. geol. de Fr. IV, Taf. X, Fig. 4) zeigt einen ähnlichen 
Abfall; die Querstreifen treten aber nur in der Wirbelregion auf. 

Die von Reuss (Verst. d. böhm. Kr. II, S. 44, Taf. 27, Fig. 11) 
abgebildete Deckelklappe aus dem unteren Plänerkalk der Schillinge 
bei Bilin (es lagen ihm nur Deckelklappen vor) ist der Form des 


[17] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 47 


Umrisses nach recht ähnlich, zeigt jedoch die weiteren Verhältnisse 
am Vorderrande der Innenseite nicht. 

Die trefilich abgebildete Unterklappe von Exogyra pyrenaica 
Leym. zeigt einen ganz gerade verlaufenden Vorderrand ohne einen 
vorgezogenen Lappen. — Ooquand zeichnet eine ähnliche Streifung 
am Abfall des Hinterrandes bei der Deckelklappe seiner Ostrea 
(Exogyra) cornu-arietis (l. ec. VIII, Fig. 9). Die Oberfläche unseres 
hübschen Stückes ist mit dicht stehenden Querrunzeln bedeckt, über 
welche gegen den Hinterrand einige mit der Kante parallele feine 
Streifen hinwegziehen. Nach vorn ist die Schale nur bei der 
Sowerbyschen Form etwas vorgezogen. 

Die Innenseite zeigt unter dem Wirbel einen zahnartigen Höcker 
mit zarter Körnelung; der vorgezogene Vorderrand ist mit etwas quer 
vorgezogenen Höckerchen dicht bedeckt, die sich um den Muskel- 
eindruck herumziehen. Im übrigen ist die Innenfläche sanft, gleich- 
mäßig vertieft und glatt. 

Vergleiche ich damit die übrigen mir vorliegenden Deckel- 
klappen, so finde ich bei einer zweiten kleineren (b), trotz einer 
querüber verlaufenden Wachstumsunregelmäßigkeit alle Hauptzüge 
wieder. Nur ist die Schale flacher und der hintere Rand zeigt die 
Transversal-(Quer-)Linien nicht, dagegen scharfe, mit dem Konvex- 
rande parallel verlaufende Anwachslinien. Auch ist die Oberfläche 
fast glatt. 

Die Innenseite läßt noch das zahnähnliche Höckerchen mit der 
zierlichen runzeligen ÖOrnamentierung erkennen, im übrigen nähert 
sich diese Form aber der von Reuss abgebildeten EZxogyra auricu- 
laris Goldf. (Wahlenberg), nur die starke Vorziehung des Vorder- 
randes unterscheidet. 

Eine dritte Form (c) ist im Umrisse fast elliptisch, ohne 
Vorziehung des Vorderrandes. Die Oberfläche ist stark vertieft, der 
Hinterrand zeigt scharf ausgeprägte Anwachslinien, die weit in die 
Schalenfläche hineinreichen. Die Innenseite läßt am Wirbelrande 
nach rückwärts eine scharfe Körnelung als leichte Andeutung der 
erwähnten Querlinien erkennen, ganz ähnlich wie bei Exogyra auri- 
cularis Reuss (l. c.). Der Verlauf des Wirbels ist auf der Innenseite 
wohl angedeutet, das gerunzelte Zahnhöckerchen ist mit dem eben- 
falls gerunzelten und dadurch von der Exogyra auricularis Keuss 
unterschiedenen Vorderrande verschmolzen, während es bei der 
Form a durch eine scharf ausgeprägte Furche davon geschieden ist. 

Eine vierte, etwas kleinere Form (d) ist oben gegen den 
Vorderrand stark vertieft, zeigt am rückwärtigen Rande nur wenige 
scharfe Anwachslinien mit einer Andeutung einer trennenden Kante 
‚zwischen dieser und der mittleren Region der Schale. Der sanfte 
Abfall zeigt sehr zarte, aber deutliche Querstreifung. Der Wirbelrand 
ist zart gekörnelt, das Zahnhöckerchen fehlt. Der Vorderrand ist 
unter dem fast bis zur Schalenmitte reichenden Wirbel etwas weniges 
-vorgezogen, mit nur ganz leicht angedeuteter Runzelung. 

Eine fünfte Form (e) ist stark verlängert; der Wirbel schön 
gerollt, endet weit oben. Unter dem Wirbel ist der Vorderrand der 
Schale deutlich vorgezogen, nach unten (gegen den Stirnrand) aber 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (F. Toula.) 3 


18 Franz Toula. [18] 


stark verschmälert. Der Hinterrand zeigt den Abfall mit scharfen 
Anwachslinien und nur in der Wirbelgegend deutliche, aber sehr 
zarte Querlinien, die wieder die Körnelung des Wirbelrandes be- 
dingen. Die Oberfläche ist verwischt quergestreift, mit unregel- 
mäßigen Aufwölbungen und einer Vertiefung in der Schalenmitte. 
Wenn irgendeine Form ohrförmig genannt werden kann, so ist es 
bei dieser der Fall. Gegen den vorgezogenen Vorderrand zeigen sich 
dem Hinterrande parallele, zarte, fast punktförmige Vertiefungen. 
Dadurch ist der Vorderrand scharf abgegrenzt, was wieder an die 
Sowerbysche Form (l. e. Taf. 25, Fig. 4) erinnert. 

Die sechste, in Fig f dargestellte Form schließt sich der 
vorhergehenden innig an und ist durch einen Verbruch der Schale 
gerade der vorgezogene vordere Teil beschädigt, so daß man ihn 
nur als vorhanden gewesen vermuten kann; seine Abgrenzung gegen 
die Schalenmitte zu ist jedoch nicht angedeutet. Das kleine Schälchen g 
gleicht im Umriß und in dem scharf abgetrennten Abfalle an der 
konvexen Hinterseite ganz der ersten Form (a). Die Querstreifung 
ist in der Wirbelgegend sehr deutlich. 

Von besonders guter Erhaltung ist die siebente Form, das 
Schälehen h, mit hohem Steilabfall an der Konvexseite, die, an der 
Oberkante etwas abgeblättert, gegen den unteren Rand hin die Quer- 
streifung sehr gut erkennen läßt. Der Vorderrand ist wohl nicht auf- 
fällig vorgezogen, doch ist die betreffende Schalenpartie — sie trägt 
den Schließmuskel — wohl abgegrenzt. Auch das zahnartige Höckerchen 
ist zu erkennen. Die Stellung des Schließmuskeleindruckes erinnert 
an jene der Fxogyra sigmoidea Reuss (l. ce. Taf. 27, Fig. 4). — Einige 
Eigentümlichkeiten zeigt aber das Schälchen :. Der Wirbel liegt 
weiter oben, der Abfall am Hinterrande ist deutlich und die Quer- 
streifung auf demselben läßt sich erkennen. Der Vorderrand ist vor- 
gezogen, die Oberfläche der Schale aber stark aufgewölbt und mit 
konzentrischen Runzeln bedeckt. 

Wenn all diese Details angegeben wurden, so geschah dies 
aus dem Grunde, um zu zeigen, welche Variabilitäten sich erkennen 
lassen und wie schwierig es ist, diese Formen mit den bisher be- 
schriebenen in Übereinstimmung zu bringen. Man könnte sie viel- 
leicht alle zu Exogyra haliotoidea Sow. stellen. Geinitz hat ja 
(l. ec. Taf. 41, Fig. 1—13) aus dem Unterpläner von Plauen eine 
ähuliche Verschiedenartigkeit zur Darstellung gebracht. Die von ihm 
unter Fig. 11 gezeichnete Form läßt sich nun aber, abgesehen von 
der Verschiedenheit und der Größe, von Exogyra aurieularis Reuss 
(l. e. Fig. 11) kaum unterscheiden. 

Gerade diese beiden Formen kommen bei den geschilderten 
Deckelklappen vor allen anderen in Betracht und stehe ich vor der- 
selben Schwierigkeit, wie so viele andere Autoren vorher, sie aus- 
einander zu halten. 

Daß der Unterschied : ohrförmig und nierenförmig, nicht stich- 
haltig ist, geht aus der Schilderung und Abbildung meiner Stücke hervor; 
man vergleiche nur die Figuren a, c und e miteinander. Aber auch unter 
den Geinitzschen sind beide Umrißformen vorhanden. Ebensowenig 
scheint mir die Größe der Wirbelwindung, die bei Exogyra auricularis 


[19] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. 8. w. 19 


Goldf. (1. e. U, S. 39) hervorgehoben wird, nicht entscheidend zu sein, 
denn ich habe unter meinen, bestimmt aus einem und demselben 
Muschelneste stammenden Deckelklappen solche mit engem und 
solche mit breitem Wirbel, der auch ganz ähnlich so scheibenförmig 
wird, wie es Goldfuß so schön darstellt (l. c. Taf. 88, Fig. 2). 

Coquand (Monogr., S. 144) vereinigt die Reusssche Exogyra 
auricularis mit Exogyra haliotoidea d’Orb. — gerade die ’Orbigny- 
schen Abbildungen sind jedoch in diesem Falle nicht ausreichend, 
um sie mit Sowerbys Formen zu vereinigen, während sie mit der 
Goldfußschen Type wohl übereinstimmt; die Coquandsche Ostrea 
auricularis Geinitz aber (l. c. S. 28) wird als solche bei Coquand 
nicht abgebildet. Er verweist auf seine Tafel VIII, wo sie offenbar 
als Ostrea cornu-arietis Coqu. bezeichnet wird, im Texte aber nur 
unter den Synonymen auftritt, einmal S. 26 als Ostrea Tourneti 
Cogu. (von Oonstantine), dann S. 30 als Ostrea decussata Coqu. 
(Charent und Constantine), S. 134 als Ostrea Africana Cogu. 
(Constantine), von den Formen dieses Namens anderer Autoren 
(Coquand, S. 140 u. 180) ganz abgesehen. 


In dem reichen Vergleichsmaterial des k. k. naturhistor. Hof- 
museums sind es vor allem die mittelgroßen Deckelklappen, die von 
Exogyra haliotoidea Sow. aus dem Hilskonglomerat von Essen vorliegen, 
welche sich am besten zum Vergleiche herbeiziehen lassen, wenn auch 
kein einziges Stück darunter ist, welches mit der Sowerbyschen 
Type so schön übereinstimmt, wie es bei unserer Form «a der Fall 
ist. Fast alle lassen die Beschaffenheit des Hinterrandes mit der 
charakteristischen Streifung erkennen und auf der Innenseite das 
kleine wohlausgeprägte Zähnchen. Recht ähnliche Deckelklappen von 
jungen Exemplaren liegen in der genannten Sammlung auch aus dem 
oberen Grünsande von Essen vor. 


Wenn ich nun aber die von mir selbst an einer Stelle ge- 
sammelten zahlreichen Unterklappen einer Betrachtung unter- 
ziehe (Taf. II, Fig. 2 a—s), so komme ich sofort zu dem Ergebnis, 
daß weitaus die größte Anzahl der besser erhaltenen Stücke, etwa 26, 
weder mit den Goldfußschen Originalen von Exogyra haliotoidea 
Sow. noch mit jenen von Exogyra auricularis Goldf. in Zusammen- 
hang zu bringen sind; es sind durchweg stark gewölbte Schalen, die 
sich ihrer Form nach eher mit Exogyra conica Sow. (Min. conch., 
Taf. 605, Fig. 1—3) oder mit der jüngeren Exogyra plieifera« Coquand 
in den von d’Orbigny zu Exogyra Matheroniana (Terr. eret., Taf. 485, 
Fig. 5 u. 6) gestellten glatten Formen vergleichen ließen. 

Das am besten erhaltene Exemplar (a) zeigt eine eigenartig 
verlängerte, hoch gewölbte dünne Schale, welche nur nahe der Wirbel- 
spitze angewachsen war. 

In der Schalenmitte ist sie an der Hinterseite weit vorgezogen 
und zeigt einen Stirnrand, der von den beiden Seitenrändern, durch 
Einbuchtungen des Schalenrandes geschieden, weit vorragt, so dab 
man an die Form der Schale erinnert wird, wie sie Coquand (l. c. 
Taf. 36, Fig. 6, 9 und 11) bei Exogyra plicifera aus dem Santonien 
zeichnet, wenigstens was den hinteren Rand anbelangt. 

3+ 


20 | Franz Toula. [20] 


Die von d’Orbigny als Ostrea Matheroniana bezeichnete 
Cenomanform (l. c. Taf. 485, Fig. 5. u. 6), welche von Coquand 
(l. e. S. 80) mit seiner Ostrea (Exoggra) plicifera vereinigt wurde, 
zeigt eine recht ähnliche Schalenhöhe. und Schalenoberflächen- 
beschaffenheit und läßt auch eine ähnliche flache Einsenkung hinter 
dem gerundeten Kiele erkennen, doch ist die Ausrandung nicht auf- 
fällig. Auch an Pxogyra arduennensis d’Orb. (l.c. Taf. 472, Fig. 1—4, 
Coquand |. ce. Taf. LX, Fig. 5—12) könnte man denken. Unsere 
Schale ist jedoch auffallend hoch gewölbt. Diese Erscheinung ist so 
auffällig, daß man diese Form, wenn sie allein vorläge, füglich als 
eine neue bezeichnen müßte. 


Auf der Innenseite fällt eine ganz schwache Vorziehung unter- 
halb und vor dem Wirbel auf. Auf der zarten Vorragung für das Auf- 
lager der Deckelklappen sind auf der Hinterseite zierliche Grübchen 
in einer Reihe hintereinander sichtbar. Unter dem Wirbel ragt ein 
kleines Leistchen auf. 


Ein zweites, am Rande etwas verbrochenes Exemplar (b) der- 
selben Form ist in der Wirbelgegend etwas gegen den Hinterrand zu 
aufgebläht. 

Bei einem dritten Individuum (c), welches noch weiter auf- 
gebläht erscheint, ist die Oberfläche in der Wirbelgegend mit wulstigen 
Erhöhungen in der Richtung der Anwachslinien bedeckt und nur 
gegen den Stirnrand sind diese in gewöhnlicher Ausbildung vorhanden. 
An der Vorderseite ist hinter dem Wirbel eine dreieckige Vorragung 
ausgebildet, die rückwärts durch den Rand eines Schalenausschnittes 
begrenzt ist, welcher in einer tiefen Furche gegen den Wirbel sich 
erstreckt. Auf der Innenseite erkennt man die scharfe Umgrenzung 
sehr wohl. Unter dem Wirbel verläuft eine scharfe Leiste, darunter 
von der Vorragung abziehend eine stumpfe Kante, zwischen beiden 
eine lange Grube; eine dritte Leiste geht vom Hinterrande des Aus- 
schnittes aus, eine seichte dreiseitige Grube begrenzend. 


Bei einem weiteren Stücke (d), einer weniger hohen Schale 
mit gegen rückwärts gerücktem stumpfen Kiele, offenbar eine Folge 
der Unterlage der Schale, besteht gleichfalls eine Furche. Betrachtet 
man jedoch die Innenseite, so sieht man hinter dem Wirbel und 
unter der Furche eine Schalenpartie dachartig vorragen, wodurch 
eine etwa an das Avicula-Ohr erinnernde Bildung entsteht, welche sich 
im Vergleich mit den übrigen Formen recht eigenartig ausnimmt. 


Noch extremer als diese Form ist ein weiteres Exemplar 
ausgebildet (e), mit breiter Anwachsfläche am Wirbel, gegen den ein 
scharfer Kiel hinabführt; der dachartige Schalenvorsprung vorne läuft 
fast parallel mit dem Schloßrande. Der gerade Stirnrand gibt dem 
Innenraume eine fast vierseitige Umrandung. 


Ein anderes Stück (f) war an der Wirbelseite auf einer 
größeren FErstreckung aufgewachsen. Die übrige Oberfläche ist un- 
regelmäßig gewölbt, hinter dem Wirbel ragt am Vorderrande ein 
Plättchen vor. Die lange Grube unter dem Wirbel auf der Innen- 
seite ist tief und setzt sich gegen den Hinterrand fort, wo sich die 
feinen Grübchen einstellen. 


[21] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 21 


- Eine Anzahl von Exemplaren von im allgemeinen kürzerer 
und am Stirnraud verbreiterter Form zeigt in allmählicher Zunahme, 
von leichten Andeutungen bis zur ausgesprochenen Erscheinung, eine 
hinter der gegen die vordere Ecke des Stirnrandes verlaufenden 
gerundeten Schalenhöhe auftretende Furche, so daß die Form der 
kleinen Schalen in ihrer extremsten Ausbildung auf das lebhafteste 
an die Ostrea (Exrogyra) proboscidews Arch. erinnert, wie sie von 
Coquand (I. c. Taf. 16, Fig. 6) abgebildet wurde nach einer der 
von d’Orbigny (Il. ec. Taf. 487, Fig. a) als Ostrea vesicularis Lam. 
bezeichneten kleinen Formen, wobei aber an der Zugehörigkeit 
unserer Formen zu Exogyra nicht gezweifelt werden kann, wegen des 
deutlich erkennbaren eingerollten Wirbels. 

Eine Anzahl solcher Schalen sind unter 9 - k von der Außen- 
und zum Teil von der Innenseite gezeichnet. Eines der Schälchen 
besitzt noch — es ist eines der winzigen Stücke — Reste der 
Deckelklappe (k). Alle diese Formen fasse ich als eine polymorphe 
Entwicklung einer und derselben Art auf, die ich als Exogyra poly- 
morpha bezeichnen möchte, um auf ihre Variabilität hinzudeuten. 

Außer diesen durchweg dünnschaligen kleinen und durchweg 
höher gewölbten Individuen liegen nur noch einige Stückchen vor, 
welche flachere Schalenform aufweisen und zum Teil etwas stärkere, 
das heißt dickere Schalen besitzen. 

Das eine derselben hat ganz den Umriß der kleinen Exogyra 
sigmoidea Reuss, wie wir sie zum Beispiel von Plauen bei Dresden 
kennen. Die Abbildung, wie sie von Reuss (Verst. d. böhm. Kreidef, 
II., S. 44, Taf. 27, Fig. 1—4) von viel größeren Individuen gegeben 
worden ist, stimmt aufs beste, bis auf gewisse Einzelheiten, welche 
an die Beschaffenheit der Innenseite der hochgewölbten Individuen 
von der Mirdschawoda mehr erinnern als an die Reuss-Geinitz- 
sche Art. Die zarte Streifung oder Körnelung des Vorsprunges des 
Vorderrandes wird bei der letzten nicht gezeichnet und auch die 
feinen Grübchen und Höckerchen am inneren Hinterrande sind ganz 
so wie bei den gewölbten Stücken vom Karasutale ausgebildet, da- 
gegen zeigen diese die Steifung der Schloßfurche unterhalb des Wirbels 
nicht, während sie bei den beiden abgebildeten Stücken (l und m) 
ebenso deutlich erhalten sind, wie bei dem großen Exemplare, trotz 
der Kleinheit der Schälchen, welches Reuss (l. ce. Fig. 3) abgebildet 
hat. Bei dem dünnschaligen Stücke (!) legt sich die Schale förmlich 
um den Wirbel herum in der Form einer zierlichen Faltung, ganz 
ähnlich so wie bei meinem größten Stücke (a). 

Eine fast kreisrunde, sehr kleine, aber überaus wohlerhaltene 
Schale (n) sei als eine extreme Ausbildung gleichfalls angeführt. 
Die Schale war mit dem Wirbel angeheftet und zeigt am Rande 
ringsum die feinen Grübehen und Höckerchen, welche am Stirnrande 
in eine zarte Streifung übergehen. Am vorderen Rande ist auch die 
ohrartig vorgezogene Randplatte mit solchen unregelmäßig verteilten 
Grübchen bedeckt. 

Dieses Schälchen, für sich betrachtet, steht isoliert da; es fehlt 
aber nicht an einem Zwischengliede zu der ohrähnlichen Form (m), 
durch ein ebenso kleines, aber viel schmäler gebautes Schälchen 


29 Franz Toula. [22] 


mit geradem Vorderrande, bei welchem die Grübchen bis auf ganz 
schwache Andeutungen am Hinterrande verwischt sind. 

Endlich möchte ieh auch eine auf der Außen-(Unter-)Seite in- 
folge der Anwachsung auffallend deformierte Schale zur Abbildung 
bringen, welche in bezug auf die Aufblähungsverhältnisse an die 
kleinen Formen g—%k erinnert, auf der Innenseite aber besonders 
durch den ohrförmigen Lappen, der auf dem Wirbelrande aufliegt, 
speziell an die Formen b und g anschließt. 

Dieser Lappen ist durch zwei scharfe, in eine Spitze zusammen- 
laufende Kanten begrenzt, muldig vertieft und zeigt gegen den äußeren 
Rand Anwachslinien, gegen den inneren Rand aber unregelmäßige, 
etwas gebogene Streifen. Diese Form (p) würde sich wieder recht gut 
mit der Exogyra („Chama“) conica Sow. (l. ec. Taf. 26, Fig. 3 aus 
dem Grünsande) in Verbindung bringen und mit diesem Namen auch 
bezeichnen lassen, wenngleich die auf der Innenseite unter dem Wirbel 
auftretende längliche, wohl umgrenzte Grube bei der angeführten 
Sowerbyschen Abbildung nicht angedeutet ist. Grübchen auf dem 
Auflager der Deckelklappe sind bei unserem Stücke am Hinterrande 
nur in der Nähe des Wirbels zu erkennen. In der Wirbelgegend 
treten an der Außenseite zwei Höckerchen hervor, welche an jene 
bei Exogyra plicifera Coqu. (l. ec. Taf. 36, Fig. 5, 11 u. 14) erinnern 
könnten, eine Form, welche zwischen Exogyra conica Sow. und Exogyra 
Matheroniana d’Orb. (1. ec. Taf. 485, Fig. 4 u. 7) zu stehen kommen 
dürfte. 

Im Anschlusse an die Besprechung der so überaus variablen 
kleinen Exogyren von Mirdschawoda möchte. ich auch die winzigen 
Formen in Betracht ziehen, welche ich in den zweifellos gleich- 
alterigen Schichten an den Uferfelsen der Donau zwischen Kokerleny 
und Tschernawoda gesammelt habe. 

Die hier gesammelten Individuen sind durchweg viel dick- 
schaliger, auch bei gleicher Größe, verglichen mit den Stücken aus 
dem Karasutale. 

Eines der lose vorliegenden Stücke, sehr ähnlich der mit 5 
bezeichneten Varietät, ist mit der Deckelklappe erhalten, welche 
sich an die unter 1. d—f bezeichneten Formen anschließt und ganz 
die charakteristische Skulptur dieser Klappen aufweist. Der unter 
dem Wirbel vorgezogene Vorderrand ist sehr wohl zu erkennen. 

Ein zweites wohlerhaltenes Stück schließt sich innig an die 
unter « abgebildete Form an, nur ist hier der eingerollte Wirbel 
deutlich erkennbar. 

Ein drittes Stück kann mit der unter g bezeichneten Unter- 
klappe zusammengestellt werden, nur ist hier das kleine Grübchen 
oberhalb des vorgezogenen Lappens deutlicher ausgeprägt und die 
Furche unter dem Wirbel tiefer und schärfer markiert. Wir haben 
sonach auch an dieser Stelle eine weitgehende Variabilität derselben 
Art vor uns, ganz so wie im nahen Karasutale. 

Da das mit den beiden Klappen erhaltene Exemplar einen etwas 
stärkeren Wirbel aufweist und den Verband der beiden Klappen er- 
kennen läßt, soll es unter r zur Abbildung gebracht werden, ebenso 
wie unter s ein stark verlängertes Schälchen, welches an die Varietät «a 


[23] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 23 


anschließt, aber die Reihe von Formen verlängert, mit einer gewissen 
Annäherung an Exogyra arduennensis d’Orb. (Terr. eret., Taf. 472, Fig. 2 
und Pictet et Roux., Gres verts., Taf. 47, Fig. 6). 

Aus dieser Gegend des Donaugeländes, gegenüber der lang- 
gestreckten Donauinsel, stammt auch ein gelblich gefärbter, fest ge- 
bundener Sandstein mit vereinzelten größeren Quarzkörnern, der im 
übrigen aber ganz aus demselben Material besteht wie die losen 
Sande von Mirdschawoda. 

Derselbe enthält eine Anzahl von Schalen einer etwas größeren 
Exogyra, welche der Form nach gleichfalls recht ähnlich ist der 
Exogyra conica Sow., wie sie von Sowerby (Min. Conch., Taf. 605, 
Fig. 3) abgebildet worden ist oder von Goldfuß (Petr. germ. II., Taf. 87, 
Fig. 1), nur daß die Einrollung des Wirbels durch die Anwachsung 
etwas deformiert erscheint. Der an der Stirnseite scharfe Kiel ver- 
läuft weiterhin so ziemlich in der Schalenmitte und verbreitert sich 
gegen den Wirbel, wo die Schale ziemlich gleichmäßig gerundet er- 
scheint. Die Oberfläche ist mit etwas gerunzelten Anwachslinien 
dicht bedeckt. 

Die Zeichnungen bei Sowerby stimmen mit jener bei 
d’Orbigny (Terr. cret., Taf. 478, Fig. 5—8) nicht überein. 
d’Orbigny hat eine Form mit ausgesprochen quer gerunzelter Schale 
mit diesem Namen belegt, welche sich annähert an die Exogyra 
plicata, wie sie Goldfuß zur Abbildung gebracht hat, eine kleinere 
Form, welche Coquand offenbar als Varietät neben der typischen 
Sowerbyschen Form zur Abbildung gebracht hat, denn diese immer- 
hin scharf ausgeprägte Oberflächenbeschaffenheit läßt sich bei der 
größeren Form in der Wirbelgegend nicht erkennen. 

Die Exogyra decussata Coquand (1. e. S. 30, Taf. 7, Fig. 1—16) 
gehört sicherlich in dieselbe Formengruppe mit Exogyra conica, wie 
schon aus der reichen Synonymik hervorgeht. Die Goldfußsche 
Form (l. ce. Taf. 86, Fig. 11) ist nur durch eine eigentümliche Skulptur 
der Oberfläche ausgezeichnet, welche sich bei den Coquandschen 
Abbildungen (Taf. 53, Fig. 5—7 und 14) wiederfindet. Dasselbe gilt 
von der Exogyra cornu-arietis Goldf. (l. ec. Taf. 87, Fig. 2). Über 
diese Form habe ich mich schon an anderer Stelle geäußert. Bei 
einer der von Coquand unter diesem Namen angeführten Formen 
(Taf. 8, Fig. 12) erscheint der Kiel weit gegen den Hinterrand ge- 
rückt, was bei einem zweiten Exemplar meines Handstückes auffallend 
ähnlich so ist, wobei der Kiel nur viel schärfer erscheint, eine Er- 
scheinung, welche mit der Goldfußschen Abbildung durchaus nicht 
stimmt. In diese Formengruppe gehört wohl auch Exogyra arduen- 
nensis d’Orb. (Coquand, |. c. Taf. 60, Fig. 10) aus dem Albien, 
mit am Stirnrande ähnlich so verbreiterter Schale wie Exogyra conica; 
wenigstens liegt mir ein Stück von Warmünster (Grünsand) vor, 
welches damit in schönster Übereinstimmung stünde. 

Aber auch die von Coquand auf Taf. 50, Fig. 9 abgebildete 
Unterklappe von Exogyra haliotoidea und im Anschlusse daran die von 
demselben Autor als Ostrea (Exogyra) plicifera (1. ec. Taf. 36, Fig. 6 
u. 9) bezeichnete Form hat einen ähnlich gebauten Wirbel.. Doch 
davon vielleicht an einer anderen Stelle. 


94 Franz Toula. [24] 


In diese Formengruppe, und zwar in die nächste Nähe von 
Exogyra conica Sow. möchte ich das obenerwähnte, von mir ge- 
fundene Exemplar stellen, das sich äußerlich nur durch den Umstand 
unterscheidet, daß es direkt mit dem Wirbel angewachsen war. 

Aus den Sanden mit den kleinen Exogyren stammen auch zwei 
Haifischzähne: Otodus sp. 

Das eine, besser erhaltene Stück zeigt auf der einen Seite den 
Nebenzahn, der auffallend weit nach rückwärts gerückt erscheint, 
etwa so wie es Geinitz (Elbetalgebirge, II,, S. 209, Taf. 38, Fig. 55) 
bei Otodus semiplicatus zeichnet, mit welcher Form unser Stück in 
bezug auf die ungewöhnlich kräftige, in der Mitte stark angeschwollene 
Wurzel Übereinstimmung zeigt, welche in ihrem Umriß an jene der 
viel jingeren Lamna-Arten erinnert, etwa an Lamna Hopei Ag. (Poiss. 
foss., III., Taf. 37 a, Fig. 27), indem die beiden Wurzeläste scharf 
nach abwärts gezogen sind. 


Fig. 8. 


Die Zahnkrone ist an der Basis stark verdickt und zeigt keinerlei 
Anzeichen irgendeiner Faltung in der Schmelzschichte. Diese ist viel- 
mehr glatt und glänzend. Die Außenseite ist flach, die Innenseite 
stark gewölbt, wie dies Geinitz (l. ec. S. 208) bei den Zähnen von 
Otodus appendiculatus angibt, von denen unser Stück durch die so 
auffallende Verdickung an der Basis und durch die weiter unten 
-aufsitzenden Nebenzähne sich unterscheidet. 

Das zweite Stück ist etwas schlanker und läßt unter der Lupe 
an der Basis der Innenseite eine zarte Längsstreifung erkennen. 
Die Form der Zahnkrone mit den scharfen Seitenrändern würde am 
besten mit Otodus sulcatus Geinitz stimmen (Elbetalgebirge, I., S. 294, 
Taf. 65, Fig. 4), doch. ist auch bei dieser Art die Schmelzschichte 
an der Basis an beiden Seiten deutlich gerieft. Die Spitzen sind 
bei unseren beiden Stücken abgebrochen. 

Außerdem sammelte ich in den Exogyrensanden nur noch im 
Querschnitte fast kreisrunde Serpula - Röhrchen mit Dimensionen, 


[25] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 25 


welche etwa jenen von Serpula gordialis Schloth. (8. plexus Sow.) 
gleichkommen (Geinitz |. c. 1.,.S. 282, Taf, 63, Fig. 3). 

Von Mirdschawoda talaufwärts halten die besprochenen 
Bildungen weiterhin an. Bei der Haltestelle Saturno — sie ist 
nicht auf der russischen Karte verzeichnet — vor Medschidje 
zeigte der Steilhang (Fig. 8) an der Basis dieselben an „Grünsand“ 
erinnernden Bänke. Hier bilden sarmatische Kalke den Plateaurand. 
Es sind hellfarbige Kalkbänke (1.), aus Abdrücken und Steinkernen 
von Bivalven und Gastropoden bestehend. 

Viele Abdrücke von kleinen Cardien (Cardium obsoletum) und 
eine kleine Modiola spec. sowie Buccinum cf. baccatum Bast. in mittel- 
großen Abdrücken; auch das Vorkommen von Trochus ist nachzuweisen, 
und zwar eine an Trochus pietus Eichw. anschließende Form mit 
Spirallinien. 

Darunter liegen Sandsteine ohne Fossilien, welche wohl gleich- 
falls sarmatischen Alters sein dürften. Tief unten folgt dann eine 
aufgelöste Schichte (2. a) und darunter der Kreidesandstein (2. b). 
Dieser liegt horizontal und besteht aus gelblichen festen Bänken (3) 
mit großen Gastropoden und Bivalven. 

Es sind lichtgelbbräunliche dichte Kalke (3.), welche splitterig 
brechen. Reich an Abdrücken und Steinkernen von Bivalven und 
Gastropoden. Unter den letzteren finden sich kleine hochgewundene 
Schalen wie Cerithien und stark bauchig aufgeblähte Schälchen, 
deren letzter Umgang geradezu kugelig aufgebläht erscheint. 

Ein Abdruck läßt auch den zweiten sehr kleinen Umgang 
erkennen. Dürfte als Natica anzusprechen sein. Durchmesser des 
letzten Umganges etwa 3°5 mm, Höhe etwa 4 mm. 

Die Bivalvenabdrücke lassen vorwaltend radial gestreifte Formen 
erkennen. Ein Abdruck zeigt abwechselnd. stärkere und schwächere 
Rippen, über welche die Anwachslinien hinüberziehen; der rückwärtige 
Teil der Schale zeigt eine Art Kiel und einen abgestutzten Hinter- 
rand. Die Radialstreifen und Anwachslinien ziehen auch über den 
Hinterteil der Schale. Wirbel etwas nach vorn gerückt. 

Es wird wohl eine neue Form sein, doch reicht das Material 
zur sicheren Feststellung nicht aus. Liegt in mehreren Abdrücken vor. 

Ein zweites Handstück von derselben Fundstelle besteht aus 
einem oolithischen gelben Kalke, auf dem sich der Abdruck einer 
großen, bauchig aufgeblähten Schale erkennen läßt, bei der man an 
Natica bulimoides d’Orb. (1. e. Taf. 172, Fig. 3) erinnert wird. Eine 
genauere Bestimmung ist mir unmöglich. 

Eine Strecke weiter gegen Medschidje hin zeigt der süd- 
liche Steilhang wieder etwas andere Verhältnisse (Fig. 9), indem er 
hier auch auf der mittleren Höhe des Hanges Entblößungen erkennen 
läßt, wo mergelige mürbe weiße Kreidekalke mit Ostrea vesicularis 
anstehen (2), wie sie Peters (l. c. II, S. 48 [192]) bei Umurdscha 
angetroffen hat. Peters hat in der Umgebung von Medschidje auch 
das Mitvorkommen von Sandsteinen ganz richtig beobachtet, aber 
keine Fossilienführung nachzuweisen vermocht. Das Profil, welches 
ich an der erwähnten Stelle beobachten konnte, bringt Fig. 9 zur 
Ansicht. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (F. Toula.) 4 


96 Franz Toula. [26] 


Die oberste Bank (1.) besteht aus typischen sarmatischen Kalken 
von gelblicher Färbung mit vielen Fossilresten. Am häufigsten findet 
sich Cardium obsoletum Eichw., selten Cardium plicatum Eichw. Beide 
meist in kleinen Exemplaren (Abdrücke und Steinkerne). Von einem 
kleinen Trochus mit gerundeten Umgängen liegt nur ein Abdruck vor 
mit zarten Spirallinien. Dürfte zu Trochus pietus Eichw. gehören 
(M. Hoernes, Gastr, Taf. 45, Fig. 12). 

Von einem großen Trochus liegt nur ein Abdruck vor. Er ist 
leider etwas übersintert, läßt aber deutliche Knotenreihen auf den 
Spirallinien erkennen. 

Echte Vesiculariskreide folgt darunter; es sind feinkörnig 
sandige, reich glaukonitische Gesteine (2.) mit der Ostrea vesicularis 
Lam. Eine stark aufgeblähte Unterklappe liegt mir vor, ganz ähnlich 


Fig. 9. 
1. Sarmatische Stufe. — 2. Vesiculariskreide. — 3. Sandstein (Exogyrensandstein- 
horizont). — 4. Oolithische und feste, splitterig brechende Kalke mit Zwischen- 


schichten. Die oolithischen' Bänke liegen zu unterst. Die Bänke dieser Kalke 
entsprechen dem Nerineenhorizont. 


derjenigen Form, welche Coquand (Genre Ostrea, Taf. XIII, Fig. 2) 
aus dem Campanien abgebildet hat. Die Ränder sind etwas ver- 
brochen. 

Auch ein großes, ziemlich vollständig erhaltenes Exemplar einer 
Ostrea vesicularis habe ich gesammelt, mit abgerolltem Wirbel, 10 cm 
lang, 7 cm breit, 5'’3 cm hoch. 

Bei der Eisenbahnstation von Medschidje stehen die 
Sandsteine (3. des vorigen Profils) in mächtigen wohlgeschichteten 
Bänken an. Dieselben sind an der Oberfläche ganz mürbe und ver- 
flächen leicht geneigt gegen NNO. 

Der Talboden ist hier weit, flach und versumpft. Die Hänge 
sind zum Teil steil, mit künstlichen Aushöhlungen hoch über dem 
Talboden, Bildungen, wie man sie ähnlich so zum Beispiel in der 
Krim und in der Gegend von Rustschuk und Schumla antrifft. 

In den festeren Sandsteinen dieses Steilhanges fand ich außer 
einem Bruchstücke von einem Haifischzahne nur Spuren von Fossil- 
resten. . 


[27] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 27 


Ein Profil, das ich hier gezeichnet habe, ist in Fig. 10 dar- 
gestellt. 

Zu oberst liegen fast horizontal, nur leicht nordwärts geneigt, 
gröber körnige Sandsteine mit bis erbsengroßen Quarzkörnern (1.). 
Darunter folgen abwechselnd mürbe und festere Sandsteinbänke (2.), 
bei welchen die festeren Bänke stellenweise wie Gesimse vorragen. 
Mergelige, dünngeschichtete Bänke lagern darunter (3.). In den 
mächtigeren Bänken zu unterst (4.) konnte ich außer den undeutlichen 
röhrigen Gebilden nichts irgendwie Bestimmbares auffinden. 


Fig. 10. 


Mein zweiter Ausflug von Tschernawoda galt der 
Umgebung von Kokerlenj südlich von Tschernawoda. 


Daß die Ufer daselbst interessant zu sein scheinen, hat Peters 
bemerkt (l. e. S. 43 [187]. Er führt an, daß die „kalksteinigen, 
zum Teil tonigen Jurabänke von einer mehr oder weniger mächtigen 
Schichte von miocänem Kalkstein überlagert werden“ und daß Ab- 
rutschungen der Lößmassen und der miocänen Süßwassertone — im 
Profil Il. e. S. 183 werden nur Kalksteine der sarmatischen Stufe 
eingezeichnet — die anstehenden Felsen „stark überschüttet“ haben. 
Ich fand, daß die sarmatischen Schichten in der Form einer weißen 
Erde schon vor dem hier etwa 7 m hohen Trajanswalle, und zwar 
an beiden Seiten der Fahrstraße auftreten. 

Bei Kokerlenj selbst beobachtete ich das in Fig. 11 dargestellte 
Profil. 

Unter diesen Schichten treten erst die nerineenführenden Ge- 
steine auf (8). Von hier liegt mir auch ein weißer, ausgesprochener 
Requienienkalk vor. (Findling.) 

Ich fand nur Steinkernbruchstücke von einer ansehnlich großen 
Nerinea mit einer breiten und tiefen Falte an der Außen- und zwei 
kleineren, aber wohlausgeprägten Falten an der Spindelseite. Die 
Außenfalte zeigt eine rinnenförmige Vertiefung in der Mitte. 

Ich will diese Form als Nerinea Dobrudschensis n. f. bezeichnen 
(lar.-l, Eig. 18 u. 18 0). 

Auch in einem grauweißen, oolithischen und feinkörnigen Kalke 
fand ich diese Nerineen, welche sich anschließen lassen an die schon 
erwähnten, von Pictet und Campiche (St. Croix II, S. 223—231) 
aufgestellten und Taf. LXV und Taf. LXVI, Fig. 1—4 zur Abbildung 
gebrachten Formen Nerinea Favrina, valdensis und Blancheti, welche 
zweifelsohne in nächsten Beziehungen stehen zu der von Ferdinand 
Römer (Versteinerungen des norddeutschen Oolithgebirges. 1836, 
S. 143, Taf. XI, Fig. 27) als Nerinea Gosae bezeichneten Art aus dem 

4* 


98 Franz Toula. [28) 


„Portlandkalk“ von Langenberg bei Goslar, wenngleich der Windungs- 
querschnitt das Vorhandensein der Spindelfalten nicht erkennen läßt. 

Am nächsten scheint der Form aus der Dobrudscha die Nerinea 
Favrina zu stehen, doch unterscheidet sich der Querschnitt meiner 
Stücke durch einfachere Faltung an der Spindel. Bei Nerinea Favrina 
tritt nämlich eine deutliche sekundäre Einfaltung der mittleren inneren 
Vorwölbung auf, von welcher an meinem Stücke nichts zu bemerken 
ist. (Vgl. Taf. I, Fig. 18 5.) 


1. Schöne Oolithe mit sarmatischen Fossilien. Auch ein weißer Kalk tritt auf, der 
nur aus den Abdrücken und Steinkernen von kleinen Bivalven besteht. Kleine 
Cardien aus der Formengruppe des Cardium obsoletum, kleine Ervilien, Tapes usw. — 
2. Eine sandigschieferige Bank. — 3. Weiße kreidige Bildungen. — 4. Eine tonige 
Schichte. — 5. Eine feste Kalkbank, unten mit Cardien. — 6. Weiße Mergel. — 
7. Gelbliche, gegen SW verflächende Mergel. — 8. Nerineen-Requieniengestein. 


Von derselben Stelle liegt mir ein Stück vor, auf dem sich eine 
wohlerhaltene Deckelklappe von Regquienia befindet (Taf. I, Fig. 10). 
Dieselbe stammt von einer kleinen Form her, welche nach erhalten 
gebliebenen Teilen der Schale spiral gerollt gewesen sein dürfte, 
mit gleichmäßig gerundetem Schalenquerschnitte, ähnlich dem kleinen 
Exemplar von Requienia ammonia Goldf., wie es Matheron (!. e. 
C—2, Fig. 3e) aus dem Urgon abbildete. Sie ist von der Innenseite 
sichtbar und läßt erkennen, daß der Wirbel sehr klein war. Die Ober- 


[29] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 29 


fläche ist mit ungemein zarten, radial verlaufenden Linien bedeckt. 
Auch ein ziemlich großer hochgewölbter Steinkern eines Cardium 
liegt vor, welches an Cardium Gillieroni Pict. et Camp. (St. Croix, 
Taf. XIX, Fig. 2) aus dem Valang erinnert. 

In einem hellfarbigen, etwas oolithischen Gesteine liegt der Ab- 
druck einer großen Pleurotomaria spec. vor, welche der Pleurotomaria 
Blancheti Pict. et Camp. (St. Croix, Taf. LXXVIIL, Fig. 1) aus dem 
Valang zum mindesten sehr nahe stehen dürfte. Sie besitzt grobe 
Spirallinien, und zwar nur fünf an der Zahl, von welchen die mittlere 
die stärkste ist. (Bei der zitierten Art sind deren sieben gezeichnet.) 
Die Röhre ist in den oberen Umgängen gleichmäßig gewölbt, während 
der letzte Umgang durch die stärkere Mittelspirallinie etwas kantig 
erscheint. 

Eines der interessantesten Fundstücke von dieser Stelle ist ein 
Sphärulit, den ich als Sphaerulites Dobrudschensis n. f. bezeichnen will. 
eRaf Il, Fig. 1.) 

Es gelang mir, aus einem größeren Blocke dieses ziemlich 
vollständige Exemplar herauszupräparieren. Ich stehe bei der Be- 
stimmung einigen Schwierigkeiten gegenüber, weil der Erhaltungs- 
zustand ein etwas eigenartiger ist. Beide Klappen sind erhalten. 
Die Unterklappe ist der Form nach sehr unregelmäßig und war 
aufgewachsen. Nur in der Nähe der Anwachsstelle erkennt man etwas 
deutlicher den für Sphaerulites charakteristischen zelligblätterigen Bau, 
der obere Teil der Schale dagegen ist durch Verkalkung förmlich in 
dichten Kalk umgewandelt. Die Oberfläche ist unregelmäßig quer 
gerunzelt. 

Die Deckelklappe ist sehr flach, am Stirnrande ziemlich dick, 
gegen den Schloßrand zu aber viel schwächer gebaut. Die flache 
Oberfläche ist konzentrisch gerunzelt und besitzt zwei leichte An- 
deutungen von Furchen, ähnlich etwa jenen, wie sie von Matheron 
(Rech. pal&eont. Midi de France, Taf. C—11, Fig. 3 d) bei seiner 
Monopleura Coguandi sehr scharf ausgeprägt gezeichnet worden sind. 
Am Stirnrande läßt sich am Auflager eine zarte Körnelung erkennen. 

Die Form des Tieres ist als Steinkern recht wohlerhalten. 
Der gegen den Wirbel der Deckelklappe hinziehende Steinkernteil 
ist leicht nach rückwärts gekrümmt und liegt flach geneigt, jener 
der Unterklappe ist gegen unten und vorn gezogen und zieht sich in 
der Nähe des Stirnrandes als ein wenig dicker Lappen am Rande hin, 
unter welchem man ganz ähnlich so, wie es Bayle bei seinen treff- 
lichen Abbildungen von Sphaerulites Hoeninghausi de Moul. zeichnet 
(Bull. soc. geol. de France, XIV, 1857, Taf. XIV, Fig. 2), den (nach 
Zittel) vorderen Muskel (a) erkennt. (Bayle bezeichnete ihn, bei 
offenbar anderer Aufstellung, als Adducteur posterieur [e].) Zwischen 
diesem und dem Steinkerne des Tieres zieht sich ein eigenartiger 
Strang aus parallel laufenden, wie es scheint, zylindrischen Teilen 
vom vorderen Steinkernlappen gegen das untere Ende der Unterklappe 
hinab. Dieser Strang ist vollkommen in kristallisiertes Material um- 
gewandelt. Unter der Steinkernspitze der kleinen Klappe glaube ich 
die ebenfalls kristallinisch umgewandelten Teile der Schloßfalte zu 
erkennen, mit der Grube am inneren Ende (y bei Zittel, vo bei 


30 Franz Toula. [30] 


Bayle). Rechts und links davon liegen die beiden Zahngruben 
(d und d‘ bei Zittel, Paläontologie II, S. 89). Von den Zähnen 
selbst sind nur eigenartige lockere Körperchen erhalten, welche bei 
der Präparation zum größten Teile zerfallen sind. Auch sie waren 
kristallinisch überkrustet. 

An das eine Individuum war vorn ein zweites kleines ange- 
wachsen. Im hinteren Teile befindet sich zwischen dem Steinkerne 
und der Schale ein leerer Raum. Unter allen Individuen des zahl- 
reichen Vergleichsmaterials des Naturhistorischen Hofmuseums, das 
ich dank der Liberalität der Abteilungsvorstände benützen konnte, 
sind jene von Sphaerulites Hoeninghausi de Moul. sicherlich die am 
nächsten stehenden. Meiner immer geübten Gepflogenheit getreu, 
bringe ich das Stück aus der Dobrudscha zur Abbildung, damit der 
eine oder andere Spezialforscher Kenntnis von dem Vorkommen er- 
hält. Vielleicht daß sich dadurch eine genauere Deutung ergibt, als 
ich zu geben vermag. — 

An einer weiteren Stelle, unmittelbar an der Donau, 
treten die sarmatischen Bildungen in größerer Mächtigkeit hervor, 
und zwar etwas weniges gegen die Donau verflächend. 

Nahe der kleinen langgestreckten Insel dachen diese Bildungen 
unmittelbar gegen die Donau ab, wo sie einen kleinen Vorsprung 
bilden. Hier sammelte ich einige sehr wohlcharakterisierte sarmatische 
Gesteine. 

In einem weißen Kalke fand ich ausnahmsweise ein Schalen- 
exemplar eines großen dickschaligen Individuums von Tapes gregaria 
Partsch, und zwar eine linke Klappe, die sich gut herauspräparieren ließ. 

Es stimmt auf das beste mit der typischen sarmatischen Form 
überein, nur die Zweiteilung der beiden vorderen Schloßzähne ist 
nicht einmal angedeutet, was übrigens auch bei größeren Exemplaren 
im Wiener Becken ähnlich so beobachtet werden kann. (Vgl. Mor. 
Hoernes, Wiener Becken IH, Taf. 11, Fig. 2d.) Auf demselben 
Handstücke fand sich auch Trochus podolicus Eichw. in der typischen 
Form als Abdruck. Aber auch ein kleines wohlausgeprägtes Individuum 
eines Trochus mit leicht und zierlich geknoteten, scharf kielartig vor- 
tretenden untersten Reifen fand sich als Abdruck vor. 

Ein anderes Stück mit konvexen Umgängen und einer zarten 
Spiralstreifung erinnert an Trochus pietus Eichw., nur tritt der unterste 
Reifen schärfer hervor. Auch Cardium obsoletum fand ich. Hellgelbe 
bis weiße Oolithe enthalten zahlreiche Steinkerne einer großen Mactra 
podolica, nebst zahlreichen kleinen Exemplaren von Tapes gregaria in 
Abdrücken und Steinkernen. 

Weniger häufig sind in dieser Bank Abformungen von Gastro- 
poden, sie fehlen jedoch nicht, so von Buccinum baccatum Bast. Hie 
und da finden sich Steinkerne und Abdrücke von Cardium obsoletum. 

Die Rückfahrt machte ich in einem Boote, unmittelbar 
dem Donauufer entlang, in einem von Tschernawoda nach 
Kokerlenj beorderten Kahne, welchen ich der Brückenbauunternehmung 
zu verdanken hatte. Gegenüber dem nördlichen Ende der schmalen 
Donauinsel stürzt das Plateau steil gegen die Donau ab. Hier traf ich 
dieselben Exogyrengesteine wie unweit Mirdschawoda. 


[31] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s, w. 31 


Unter dem Löß findet man geschichtet sandig lehmige Bildungen, 
welche offenbar nichts anderes sind als aufgelöste Exogyrensandsteine 
mit vielen kleinen Zxogyra-Schalen. Der unterste Teil des vertikalen 
Steilhanges unmittelbar über dem Wasserspiegel der Donau (vgl. das 
nebenstehende Profil Fig. 12) ist von festen Sandsteinbänken gebildet. 

Diese Verhältnisse lassen sich der erwähnten Insel gegenüber 
auf eine weite Strecke bis gegen Tschernawoda hin verfolgen. 
Peters hat auf seiner Karte die betreffenden Aufschlüsse als oberen 
Jura bezeichnet. Da er nur anführt (l. c. II, S. 43), daß die Ufer 
südlich von Tschernawoda „namentlich in der Umgebung des Dorfes 
Kokerlenj“ interessant zu sein „scheinen“, so dürfte er gerade hier 
keine eingehenderen Untersuchungen vorgenommen haben, obgleich er 
einen Absturz von Kokerlenj zeichnet (l. c. II, S. 44) und Kalkstein 
und tonige Gesteine angibt. Er führt aus ersterem eine Nerinea an, 


Fig. 12. 


1. Löß. — 2. Aufgelöster Exogyrensandstein mit vielen kleinen Exogyren. Hat 
zum Teil ganz das Aussehen von Grünsandstein, Wie bei Mirdschawoda ist es ein 
sehr feinkörniger Quarzsandstein mit eingestreuten dunkelfarbigen Quarzkörnern. 
Hier fanden sich Exogyren, welche sich der Form nach vollkommen an jene von 
Mirdschawoda anschließen lassen (Typus Taf. II, Fig. 2a). — 3. Überrollter 
Hang. — 4. Feste Sandsteinbänke mit mürben wechselnd. Diese)ben sind wohl 
durch eine Wechselwirkung der Hochwasser und der Sandgebläse in den obersten 
Lagen löcherig, wie zerfressen, 


aus letzterem eine kleine Astarte, die er als Astarte submultistriata 
d’Orb. (= Astarte minima Goldf.) bestimmte. Die Nerinea bezeichnete 
er als Nerinea nodosa Voltz. 

Gegenüber der kleinen langgestreckten Insel, die 
nahe dem Ufer liegt, stehen die Exogyrensandsteine gleichfalls an 
und zeigen etwas auffallenden Wechsel von festeren und mürben 
Bänken, welch letztere hoch hinauf ausgewaschen sind, während die 
festeren Bänke vorragen, was einen eigenartigen Anblick gewährt. 
(Vgl. Fig. 13.) 

Darunter, immer noch der Insel gegenüber, ist das Ufer ganz 
flach, indem die mürben Sandsteine abgetragen wurden, doch treten 
höhere Ufer mit den Vorragungen der festeren Bänke bald wieder, 
und zwar auf eine längere Strecke auf. An einer Stelle bemerkte ich 
eine Schotterlage darüber, mit ziemlich kleinkörnigem Material, auch 


99 Franz Toula. [32] 


gelbliche, wie rostig aussehende Sandsteine treten im Hangenden der 
erwähnten Liegendsandsteine auf und finden sich in diesem oberen 
Horizont größere Austern und Serpula-Röhrchen. 

An einer anderen Stelle unterhalb der Insel, wo die Höhe 
des Steilabsturzes auf etwa 40 bis 50 m zunimmt, fand ich das in 
Fig. 14 abgebildete Profil. 

An einer wohlentblößten Stelle des Steilhanges, dort, wo er am 
höchsten ansteigt, konnte ich die in Fig. 15 wiedergegebene Schicht- 
folge beobachten. 


Die festen gelblichen Kalksandsteine (Fig. 15) enthalten ver- 
einzelte Quarzrollsteinchen und erscheinen ähnlich jenen an der Basis 
des vorigen Profils. (Fig, 14, 5.) 


Fig. 14. 


1. Löß. — 2. Aufgelöste mürbe, etwas schiefrige Gesteine. — 3. Feste Kalksand- 
steine. — 4. Helle geschichtete Mergel, mürbe und zerfallend (wie 2.). — 5. Kalk- 
sandsteine in festen Bänken (wie 3.) unmittelbar über dem und am Donauspiegel. 


Dieselben liegen hier hoch über dem Niveau der Donau und 
enthalten neben Bruchstücken größerer echter Ostreen auch die kleinen 
Exogyren in Menge. Außerdem finden sich auch spätige Stücke 
(Stacheln und Schalentrüämmer von Echiniden). Auch eine feinfaserige 
Brachiopodenschale, vielleicht von einer fast glatten Rhynchonella 
herrührend, und viele Serpula-Röhren liegen vor. Ebenso auch kleine 
Korallen und kleine Nerineen. Diese Kalksandsteine sind ziemlich 
mächtig. An einer Stelle findet sich in diesem Niveau eine förmliche 
Muschelbreceie mit Exogyren. 


[33] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s, w. 33 


Es ist ein ziemlich festgebundenes breccienartiges, aber nicht 
sehr grobkörniges Gestein, wie gesagt, mit vereinzelten, aber nicht 
seltenen Quarzeinschlüssen. Enthält eine Unmasse von zerbrochenen 
Schalen. 

Deutlich erkennbar sind ziemlich grobröhrige Serpulen mit ge- 
runzelten Röhrenoberflächen und kielartigen scharfen Vorragungen, 
ähnlich so wie sie bei Serpula Trachinus Goldf. (Petr. germ., Taf. LXX, 
Fig. 8) auftreten, oder bei Serpula lophioda Goldf. (1. e. Taf. LXX, 
Fig. 2). 

Bei den von mir gesammelten Stücken (Taf. I, Fig. 20) sind 
diese Kiele durch das Zusammenstoßen der Anwachslinien gebildet 
und etwas unregelmäßig in ihrem Verlaufe. Sie sind nicht, wie dies 
gewöhnlich der Fall ist, auf Austernschalen angewachsen, sondern 


Doonocoo 
6 2000000 


1. Löß — Lehm. — 2. Feste gelbe Sandsteine. — 3. Eine tonig mergelige Schicht, 

bröckelig zerfallend. — 4. Graue oder graugelbliche bis bräunliche mürbe Sandsteine 

(Exogyrengestein). — 5. Tonigsandige Gesteine. — 6. Konglomerate mit größeren 
Quarzrollsteinen. 


die Röhrchen liegen frei in der Breccie eingebettet vor. Hie und da 
findet sich auch hier ein Bruchstückchen von feinfaserig gebauten 
Brachiopodenschalen. Eine nähere Bestimmung derselben ist nicht 
möglich. 

Die spätigen Stückchen sind wohl Cidaritenstachelstücke. Von 
Exogyren fand ich meist nur Bruchstücke. 

Wieder an einer anderen Stelle, unmittelbar am 
Ufer der Donau, werden diese Sandsteine sehr fest, wenigstens 
in einzelnen Bänken., 

Die Kalksandsteine zeigen also ein etwas verschiedenes petro- 
graphisches Verhalten in den verschiedenen Bänken, und hin und 
wieder nehmen sie auch ein teilweise oolithisches Aussehen al. 
Ein derartiges löcheriges, etwas oolithisches Gestein könnte man 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (F. Toula.) 5 


34 Franz Toula. [34] 


geradezu einen Exogyrenkalk nennen. Auch darin die vereinzelten 
Quarzsteinchen. 

Er enthält außer den Exogyren auch Abdrücke verschiedener 
unbestimmbarer anderer Bivalven und walzlich ästige Bryozoen- 
stämmehen bis zu 15 mm Durchmesser in einer Form, welche auf 
Ceriopora schließen läßt. Aber auch große, napfartig vertiefte, 
spongienartige Körper kommen vor. Eines der Stücke hat 12 cm im 
Durchmesser. In demselben lebten Lithophagen eingesenkt. 

In einer solchen in einem Cerioporenstocke eingesenkten Litho- 
phagenhöhle läßt sich eine deutliche und kräftige schräge Riefung 
erkennen, so daß man die betreffende Form wohl mit Lithodomus 
pistilliformis Reuss (Böhm. Kreidef., II, S. 20, Taf. 36, Fig. 7 u. 8) 
vergleichen könnte, eine Form, welche auch Geinitz (l. ec. ], 
S. 219, Fig. 21) gezeichnet hat aus dem unteren Pläner von Plauen. 

Es dürfte sich bei dem betreffenden Cerioporenstocke — der 
Erhaltungszustand läßt leider viel zu wünschen übrig — um eine 
an Ohenendopora undulata Mich. anschließende Form handeln, wie sie 
von Geinitz (l. c. L, Taf. VII, Fig. 5) abgebildet wurde. 

Darüber liegt auf der einen Seite eine Masse, welche in bezug 
auf die Öffnungen der Oberfläche an Elasmostoma consubrinum d’Orb. 
erinnert. (Geinitzl. c. I, Taf. Nee 9) 

Außerdem sammelte ich einen rundlichen Bryozoenstock mit 
vielen Anbohrlöchern. Zahlreiche dünne Blätter liegen übereinander, 
deren Oberflächen ganz das rundbucklige Aussehen aufweisen, wie es 
Quenstedt (Petrefaktenkunde Deutschlands, VI., S. 302, Taf. 154, 
Fig. 13) bei Ceriopora mamillosa Röm. (Nordd. Kreidegeb., Taf. V, 
Fig. 25) gezeichnet hat, oder Michelin (Iconogr. zoophyt., Taf. 57, 
Fig. 5) bei Ceriopora globosa aus dem „Juraoolith von Calvados“. 

Von großen Austern liegen mir von hier nur Bruchstücke vor. 
Sie lassen an die flachen Formen von ÖOstrea hippopodum Nilss. 
(Geinitz ]. c. I, Taf. XXXIX, Fig. 12) kaum denken. Von den 
von Coquand (Genre Östrea, Taf. XX) abgebildeten Stücken ist das 
Fig. 5 dargestellte von recht ähnlicher Form (Etage Santonien). 
Vielleicht hat man es dabei mit Ostrea vesicularis Brongn. zu tun 
(nach d’Orbigny, Terr. cret., III., Taf. 482, Fig. 2). Bessere Stücke 
zeigen ziemlich hohe Wölbung, dabei aber auch eine beträchtliche 
Stärke der Schale. 

In einem anderen Stücke, einem gelben braunfleckigen, sandig 
feinkörnigen und etwas oolithischem Kalke, finden sich zahlreiche 
Spuren von Fossilien. 

Deutlicher sind: Ein Abdruck einer glatten, an der vorderen 
Seite gerippten Schale, die man als Protocardium cf. hillanum Sow. sp. 
ansprechen darf. Die Skulptur ist sehr bestimmt ausgeprägt und 
auch die Form stimmt. 

Ein schräg dreiseitiger Abdruck zeigt in der Abformung eine 
Gestaltung, so daß man beim ersten Anblicke an gewisse Congerien 
lebhaft erinnert wird; es ist wohl der Rest einer kleinen Perna. 
Eine sichere Bestimmung ist unmöglich, da nur der Abdruck eines 
Teiles der äußeren Oberfläche vorliegt und es sich nicht feststellen 
läßt, ob Bandgruben vorhanden waren. Der Wirbel ist scharf vor- 


[35] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 35 


gezogen und spitz, ähnlich so wie bei Perna lanceolata Gein. (Reuss, 
Böhm. Kreide II, Taf. XXXII, Fig. 15) oder bei Perna acuminata 
Zittel (Gosaugebilde, Taf. XIII, Fig. 3). Der Vorderrand verläuft 
gerade. Die Anwachslinien sind kaum angedeutet und ziehen am 
Vorderrande gegen den Wirbel hin. 

Perna lanceolata liegt im „untersten Quader von Tyssa“. Alle die 
übrigen zahlreichen Abdrücke sind noch unvollkommener, doch läßt 
sich das Vorkommen einer kleinen schlanken Nerinea feststellen. Auch 
ein kleines gewölbtes Cardium (der eine Zahn ist angedeutet) und ein 
Abdruck eines kleinen Schälchens mit scharfen konzentrischen Rippen 
ist erhalten, welch letzteres an Astarte ef. similis Mstr. denken läßt. 

Auf den Abwitterungsflächen erkennt man eine Menge kleiner, 
leider nicht näher bestimmbarer Schälchen. Darunter aber auch 
winzige Exogyren. Auch das Köpfchen eines Cidaris-Stachels liegt 
vor und ein vereinzeltes elliptisches Plättchen, bei dem man an 
Antedon-Gliederchen denken könnte (Geinitz, I, Taf. XXIII, Hieriiie). 


2 


Fig. 16. 


Der Cidaritenstachel zeigt nur ein kurzes Stückchen von der 
zylindrischen Säule über dem Gelenkskopfe, welches Längsrippen er- 
kennen läßt. 

Etwas unterhalb der großen Donaubrücke der 
Eisenbahn bei Tschernawoda finden sich zu oberst Massen mit 
den netzartig aneinander grenzenden grubigen Vertiefungen auf den 
Oberflächen (Sandgebläse?). Es sind (vgl. Fig. 16) mürbe Kalksand- 
steine oder sandige Kalke mit Nerineen (1.), wie sie bei Kokerlenj 
zu unterst auftreten; dann folgt darunter eine feste Kalkbank (2.) 
mit großen schraubenzieherförmigen Nerineen (Nerinea Dodrudschensis 
n. f.), dann mürbe (3., 5., 6.) sandige Schichten mit festeren Bänken 
(4. u. 5.) dazwischen. 

Hier sammelte ich in einem hellfarbigen, grauweißen, sandigen 
Kalke viele Bivalven. Vorwaltend sind flache Schalen, welche an 
Tellinen erinnern könnten. Auch ein Natica-Steinkern liegt vor. Nicht 
näher zu bestimmen. Dürfte sich am besten an Natica Brouguieri 
Ph. Math. (l. ec. Taf. B—16, Fig. 1, Etage neoc. d’Allauch) an- 
schließen lassen, wenngleich sie von einem viel kleineren Exemplar 

Hr 


36 Franz Toula. [36] 


stammt. Die Art der Einrollung ist eine ganz ähnliche. Der Abdruck 
der Wirbelregion einer stärker gewölbten Trigonia mit einer kräftig 
ausgeprägten Skulptur nach Art der Trigonia scabra Lam. (d’Orbigny 
l. e. Taf. 296) fand sich in dem Nerineenkalke. 

Auch ein Abdruck eines größeren Bruchstückes aus der Stirn- 
randregion liegt mir vor, welches auf dieselbe Formengruppe aus der 
chloritischen Kreide hinweist. 

Der Abdruck einer zierlichen kleinen, konzentrisch gefalteten 
Trigonia erinnert einerseits an die Trigonia longa Agassiz (d’Orbigny, 
Terr. eret., Taf. 285, Fig. 3) aus dem Neokom der Provence, ander- 
seits aber auch an die Trigonia Sanctae Orueis Pict. et Camp. aus dem 
Valang von St. Croix (l. e. III, Taf. COXXVII, Fig. 1 u. 2). Der Form 
nach schließt sie sich mehr an die erstere an; sie ist beträchtlich 
in der Breite entwickelt, die Faltung aber gleicht mehr der zweit- 
genannten Form, welche jedoch viel höher ist. (Dieser Rest ist als 
Trigonia sp. auf Taf. III, Fig. 3 abgebildet.) 

Es fand sich auch ein hellgelblich gefärbter, fester, sehr fein- 
körniger Oolith mit zahlreichen, aber durchwegs abgerollten kleinen, 
walzlich stenglichen und scheibenförmigen Körperchen auf den Ver- 
witterungsoberflächen. Leider läßt sich nichts sicher Bestimmbares fest- 
stellen. Bei den Scheibchen könnte man an gewisse winzige Echiniden, 
wie sie schon oben erwähnt wurden, denken; noch näher aber läge 
es, vielleicht anzunehmen, man habe es mit kleinen abgescheuerten 
Bryozoenstöckchen zu tun. Gewisse Andeutungen von radial ange- 
ordneten Furchen, die gegen eine zentrale Vertiefung hinführen, 
erinnern an Heteroporella collis d’Orb. sp., wie diese von Geinitz 
(l. ec. I, Taf. 35, Fig. 6«) dargestellt wurde. 

Daß Bryozoen in diesen Oolithen auftreten, dafür spricht auch 
ein sehr zierliches kleines, fächer- oder halbmondförmiges Stückchen 
mit einer stielförmigen Vorragung an der schön gekrümmten Konkav- 
seite, welche Form mich an Berenicea, zum Beispiel an Berenicea 
diluviana Lam. erinnert. An der freien Oberfläche dieses Fächers 
sieht man deutliche, sehr zarte konzentrische Runzelungen und am 
Rande lassen sich kreisförmige Zellmündungen mehr ahnen als be- 
stimmt sehen. 

Die Form stimmt mit jener der Berenicea Olementina d’Orb. 
(Terr. eret. V, S. 865, Taf. 636, Fig. 1) aus dem Apt recht gut 
überein. 

Geinitz bildete eine ähnlich geformte Kolonie als Berenicea 
(Diastopora) Hagenowi Reuss (Elbetalgebirge I, S. 109, Taf. XXVI, 
Fig. 12) ab. Unser Stück ist durch die Regelmäßigkeit der Form, 
das zierliche Stielchen an der Konvexseite und die verhältnismäßig 
beträchtliche Dicke auffallend. (Abgebildet auf Taf. III, Fig. 2.) 

Typische Monopleurenkalke sammelte ich oberhalb der Brücke 
bei Tschernawoda nur als Findlinge. Sie enthalten Monopleura_ tri- 
lobata d’Orb. mit langgestreckter konischer Unterklappe, ganz so wie 
sie Matheron (Rech. paleont., Taf. O—12, Fig. 5) abgebildet hat. 
Aber auch Steinkernformen mit deutlich gewundenem Wirbel liegen 
vor, welche an Monopleura varians Math. (1. ec. Fig. 3) denken lassen. 
Gewisse der Hohlformen erreichen recht ansehnliche Größen und 


[37] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 37 


zeigen schöne Spiralkrümmung, während die Steinkerne nur wenig 
sekrümmt sind. 

Von Tschernawoda abwärts bis Hirschowa konnte 
ich das obenerwähnte Boot der Bauunternehmung benützen. 

Gleich bei Tschernawoda zeiet der nördliche Uferfels 
unter der hier sehr mächtigen Lößlage die Exogyrenschichten haupt- 
sächlich in mürben sandigen Bänken mit einer Zwischenlagerung 
einer Reihe von fester gebundenen Lagen (vgl. Fig. 17). 

Aus dem Horizont der „festeren Bänke“ liegt mir auch ein 
gelblicher Kalk mit vereinzelten Einschlüssen von gröberen, über 
erbsengroßen Quarzrollstückchen vor, mit vielen kleinen gefalteten 
Exogyren in einzelnen Lagen. 

Auch ein großer, fast kreisrunder Austerndeckel fand sich in 
einem oolithischen Kalksandsteine mit dunklen, winzig kleinen Ein- 
schlüssen von glaukonitischem Aussehen. 

Hier sammelte ich auch einige andere Reste von Bivalven und 
Gastropoden, darunter auch das erwähnte, an Asiarte erinnernde 
Schälchen. 


1. Löß. — 2. Exogyrenhorizont: feinsandige, teils mürbe, teils fester gebundene 
Bänke mit kleinen gefalteten Exogyren. — 3. Gröbere Sandsteine, zum Teil 
konglomeratartig. — 4. Mergelige Sandsteine mit den kleinen gefalteten Exogyren. 


Diese Ablagerungen halten eine Strecke weit an, bis gegen 
Sejmen. Überall mit den kleinen Exogyren. 

Unterhalb Sejmen — vor Boatschik („Boastschik*) — 
fand ich die folgenden Verhältnisse (Fig. 18): Zu oberst (1.) sarmatische 
Sandsteine mit Tapes und Mactra. Der Hang darunter (bis 2.) ist mit 
Gehängeschutt überdeckt. Darunter bemerkt man eine Schotterlage 
(2.) über einer Kalkbank mit Pecten (3.) und erst unter dieser, wenig 
über dem Niveau der Donau, den grünsandartigen Exogyrensandstein 
(4.), und zwar braungelbliche Quarzsandsteine mit dunklen (glauko- 
nitischen) Körnchen. 

Die Pecten-führende Schichte besteht aus einem gelblichweißen 
Kalke und enthält zahlreiche Pectenschalen und Abdrücke, die mich 
an die Pectenform aus den „Pectenoolithen* der Umgebung von Varna 
(Denkschr. der Wiener Akad. der Wiss., LIX. Bd., 1892, S. 426 ff., 
Taf. IV, Fig. 24) erinnern. Mit voller Sicherheit wage ich es nicht 
zu behaupten. Es wäre gewiß von einigem Interesse, wenn es sich 
bei späteren Aufsammlungen in dieser Gegend herausstellen sollte, 
daß diese Pectenoolithe in der Tat auch in der Dobrudscha vor- 
handen seien. Ähnliche Pectenformen kommen wohl auch in der 


38 Franz Toula. [38] 


mittleren Kreide vor, zum Beispiel Pecten multicostatus Nilss. (Geinitz 
l. c. IL, S. 199, Taf. 45, Fig. 1). Leider lassen die beiden besser 
erhaltenen Stücke nur die Innenseite erkennen. Es ist sowohl eine 
linke Klappe mit dem Ohre als auch eine rechte Klappe vorhanden. 
Sonst liegen davon nur schlechterhaltene Abdrücke vor. 

Daneben fanden sich hie und da undeutliche Bivalvensteinkerne 
oder -Abdrücke; auch eine Austerndeckelklappe fand ich, und zwar 


Fig. 18. 


in einem Gesteine ganz ähnlich dem obenerwähnten festen gelben 
Kalksteine mit den vielen kleinen gefalteten Exogyren. Diese gehört 
sonach nach meiner Meinung zur Kreide. 

Das Tertiär hält dann eine Strecke weit an. 

Bei Boastschik selbst sind die Hänge alle mit Lehm be- 
deckt und bemerkte ich hier vom Strome aus keine älteren anstehen- 
den Gesteine. 


Die kleinen gefalteten Exogyren aus den Exogyrenschichten 
von Tschernawoda und nördlich davon. 


Gleich unterhalb Tschernawoda sammelte ich zuerst kleine, 
recht wohlausgebildete, besonders an der Hinterseite der Unterklappe 
zierlich gefaltete Exogyren, welche wieder einige Variabilität auf- 
weisen, indem neben verhältnismäßig niederen und stark verlängerten 
Formen auch kürzere und höhere auftreten. 

Von den gefalteten Arten, welche d’Orbigny beschrieb und 
abbildete, kommt in erster Linie seine Ostrea (Exogyra) Boussingaulti 
(Terr. ceret., III, S. 702, Taf. 468, Fig. 6—8) in Vergleich. Die Zahl 
der Falten meiner Stücke ist jedoch etwas größer als bei der ge- 
nannten französischen Neokomform. Dasselbe gilt von der Ostrea 
flabellata (Goldf.) d’Orb. (1. c. Taf. 475, Fig. 4,5) aus dem Aptien und 
Albien, mit welcher Coquand (Gen. Ostr., S. 126) auch die Kxogyra 
plicata Goldf. (Petr. germ., LXXXVH, Fig. 5 b—f) vereinigt hat. 

Das beste meiner Stücke hat eine Länge von 19 ınm bei einer 
größten Breite von 14 mm und einer Höhe von 6 mm. Die Zahl der 


[39] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 39 


Falten an der steil aufsteigenden Hinterseite, von der vorderen Ecke 
bis in die Nähe des Wirbels, beträgt 18. Dieselben Falten ziehen 
bis zur Schalenhöhe hinauf und sind an der flachen vorderen Seite 
nur schwach angedeutet, während hier die Anwachslinien vorherrschen. 
Die Innenseite zeigt große Ähnlichkeit mit den Verhältnissen, wie sie 
Goldfuß bei seiner Zxogyra plicata gezeichnet hat (l. c. LXXXVIL, 
Fig. 5 ec). 

Ich lasse diese Form sorgfältig zeichnen (Taf. III, Fig. 4) und 
will sie als Zxogyra flabellata d’Orb. var. multiplicata bezeichnen. 

Bei einem zweiten kleinen Stücke sind die Verhältnisse etwas 
anders (Länge 14, Breite 9, Höhe 5°8 mm). Es ist gegen den Stirn- 
rand zu gröber gefaltet. (Taf. III, Fig. 5.) Die kurze Form hat 
9:7 mm Länge bei einer Breite von 7T’4 mm und einer Höhe von 
5'8 mm. 

Zwischen Sejmen und Boastschik sammelte ich auch 
eine fast kreisförmige kleine Exogyra derselben Form; sie ist 10 mm 
lang, 8°5 mm breit, 42 mm hoch. (Taf. III, Fig. 6.) Die Schloßregion 
ist von demselben Baue. Auch die kleinsten Exemplare sind immer 
mit ganz wohlausgeprägten zahlreichen Falten versehen. Die Deckel- 
klappen sind ähnlich jenen auf Taf. IX, Fig. 1e dargestellten, nur 
sind sie am Stirnrande noch mehr verjüngt. (Taf. III, Fig. 7.) 

Von dieser Lokalität liegt mir eine zweite Form vor mit weniger 
zahlreichen und besonders gegen den Stirnrand zu kräftigeren Falten, 
wodurch die Annäherung an Erogyra Boussingaulti d’Orb. eine sehr 
weitgehende wird. Ich will diese Form daher als EKxogyra cf. 
Boussingaulti d’Orb. bezeichnen. Gegen den Wirbel zu treten noch 
die schwächeren Falten auf (Länge 12 mm, Breite 8 mm, Höhe 9:5 mm). 
Die Anwachslinien sind scharf ausgeprägt und bilden zum Teil wulst- 
förmige Runzeln. (Taf. III, Fig. 8.) 

An der „Ecke bei Boastschik“ sammelte ich eine der 
Exogyra Boussingaulti nahestehende Form, ganz ähnlich jener auf 
Taf. III, Fig. 8 dargestellten. Außerdem aber auch eine rundliche 
Form, ähnlich der in Taf. III, Fig. 6 dargestellten, aber mit Falten, 
welche auf der Schalenhöhe eine Art Kamm entstehen lassen. (Vielleicht 
durch eine Abformung der fremden Unterlage beeinflußt, auf welcher 
das Schälchen aufsaß.) 

Von hier stammen auch zwei sehr wohlerhaltene Deckelklappen, 
wovon die eine das Aussehen der der Zxogyra haliotoidea Sow. ähn- 
lichen Form hat (Sowerby Il. c. Taf. 25, Fig. 4), aber noch mehr 
der Deckelklappe sich annähert, welche Sowerby von Exogyra 
conica abgebildet hat. (Taf. 605, Fig. 2.) Man vergleiche die zitierten 
Abbildungen mit der von meinem Stücke gegebenen. (Taf. III, Fig. 9.) 

Eine andere Deckelklappe erscheint viel mehr verlängert, nimmt 
also die Form an, bei der man an Exogyra sigmoidea Reuss (Böhm. 
Kreidef., Taf. XXVII, Fig. 1—4, auch Geinitz, Elbetalgeb., I, 
Taf. 41, Fig. 14-27) denken könnte, wenn nicht die Beschaffenheit 
der Innenseite einige der Charakterzüge der Exogyra haliotoidea 
aufweisen würde (vgl. Reuss I. c. Taf. XXVI, Fig, 5), beziehungs- 
weise solche, wie ich sie bei der ausgesprochen ohrförmigen Varietät 
aus der Gegend von Kokerlenj angegeben habe. (Vgl. Taf. II, Fig. 1 e.) 


40 Franz Toula. [40] 


Der Abfall der Hinterseite ist hoch, zeigt die Anwachsstreifung und 
eine leichte, aber recht wohlausgeprägte Faltung, wodurch man etwa 
an die von Coquand (Genre Ostrea, S. 183) als Ostreau Minos 
von der Exogyra (Ostrea) Boussingaulti d’Orb. abgetrennten Varietät, 
erinnert wird. 

Die zahlreichen kleinen Exogyren lassen sich sonach in unge- 
faltete glatte, an Exogyra conica Sow. oder Exogyra plieifera Cogqu. 
und in gefaltete, an Zxogyra plicata Goldf, anschließende Formen 
recht bestimmt unterscheiden, wobei jedoch der Umstand, daß bei 
den kleinen Individuen von Exoggra conica in der Fassung, wie sie 
von Orbigny und Coquand gegeben wurde und wie es die 
kleinen Formen zum Beispiel von Essen an der Ruhr oder von 
Bannewitz bei Dresden erkennen lassen, auch die Neigung zu einer 
Art von schräger Faltung deutlich hervortritt, die auch bei etwas 
größeren Exemplaren in der Wirbelgegend erhalten bleibt. 


Daß auch die Zxoyyra Matheroniana d’Orb. aus der oberen 
Kreide zu den verwandten Formen gehört, ist klar. (Vgl. d’Orb., 
l. ec. 485.) Zittel (Bivalven der Gosaugeb., Taf. XIX, Fig. 3.) hat 
1863 die ungefalteten Formen noch als Varietät beibehalten, während 
sie Coquand (l. c. 1869, S. 80) zu seiner Ostrea plicifera stellte. 
Gerade die schlanke Form, welche Coquand (l. c. Taf. XXXII, 
Fig. 19) abbildete, zeigt manche Ahnlichkeit und auch die freilich 
viel mehr ausgesprochene Faltung der Oberklappe (Coquand |. ce, 
Fig. 18) läßt dies erkennen. Es deutet dies auf Wiederholung gleich- 
artiger Variabilitäten in den verschiedenen Horizonten, welche es 
wohl verdienen würden, gerade bei einer zu so großer Variabilität 
geneigten Gattung, wie die Kxogyra eine ist, eingehender verfolgt 
zu werden; für meinen Zweck genügt es, die Formen, wie ich sie 
in ganz bestimmten Schichten sammelte, zur Darstellung zu bringen, 
um sie bekannt zu machen und dem eingehenderen Vergleiche zu- 
zuführen. 


Zwischen Sejmen und Boastschik sammelte ich in den 
Exogyrenschichten auch mehrere Stücke einer kleinen dünnschaligen, 
zum Teil stark gewölbten Anomia sp., die vielleicht zu Anomia 
truncata Geinitz zu stellen sein wird. (Reuss, Böhm. Kreidef., II, 
Taf. XXXI, Fig. 13 u. 14,) Die stark gewölbten Schalen unterscheiden, 
da nach Geinitz (Elbetalgeb. II, Fig. 30) die Schalen der angeführten 
Art flach oder gleichmäßig flach gewölbt sind, bei unseren Stücken 
dagegen die Oberfläche sogar Wülste oder leichte Falten erkennen 
läßt. Die sehr dünnen Anwachslamellen sind bei dem einen und 
anderen Stücke unter der Lupe recht deutlich zu erkennen. Es 
fehlen jedoch auch ganz flache Schälchen nicht. 


Außerdem fand ich auch einen abgerollten rundlichen, sehr fein- 
zelligen Bryozoenstock, der von Pholaden angebohrt, auf der einen 
Seite bedeckt ist von zahlreichen Schalen von Exogyra, nebst ver- 
einzelten Serpula - Röhrchen; er dürfte aus einem kalksandigen 
Horizont stammen, ähnlich dem mit den Requienienschichten bei 
Rustschuk im Verbande stehenden oolithisch - sandigen Orbitolinen- 
horizont, 


[41] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria a. s. w. 41 


Etwas unterhalb Boastschik, dort, wo das Ufer 
etwas gegen den Strom vorspringt („an der Ecke“ schrieb 
ich in mein Notizbuch), läßt sich wieder anstehendes Gestein beob- 
achten. (Vgl. Fig. 19.) 

Hier fand ich zu unterst hellfarbigen Monopleuren-Requienien- 
kalk (3.), darüber über einer wenig mergeligen mächtigen Schichte 
löcherigen, grobkörnigen Sandstein (2.), überdeckt von einer tonigen 
Schichte (1.), darüber aufgelöste und löcherige Kalksandsteine mit 
gefalteten Exogyren, und zu oberst eine Lößlehmdecke. 


Die braunen aufgelösten Sandsteine halten nun am Steilufer 
weithin an. 


Etwas weiter flußabwärts kommt man an unter verschiedenen 
Neigungen gegen W verflächenden Sandsteinen und Konglomeraten 
vorüber. 

Bis hierher wird, wie ich meine, über die Zugehörigkeit der 
betreffenden Bildungen zur Kreideformation ein Zweifel kaum auf- 
kommen können. 


Fig. 19. 


In der untersten Schichte liegt ein typischer, gelblich fleckiger 
Monopleuren - Requienienkalk vor. Er ist weiß und erfüllt von ge- 
wundenen, also an Monopleura varians erinnernden Schalen !. Hier 


1) Schöne Monopleurenkalke, ganz von demselben Aussehen, wie ich sie 
unterhalb Tschernawoda und viel früher schon im Lomtale bei Rustschuk auf- 
gefunden habe, traf ich wenige Tage später als Bausteinfindlinge bei der alten 
Ruinenstätte von „Tromos“, südlich von Matschin. Sie müssen seinerzeit von 
weiter oben herabgebracht worden sein, am wahrscheinlichsten aus dem Lomtale, 
wo die Steinbrüche wohl schon im Altertum bearbeitet worden sind, wie die 
künstlichen, sicherlich in der Zeit weit zurückreichenden, ausgemeißelten Kammern 
an den Steilwänden beweisen dürften. 

Das interessanteste Stück, welches ich in diesen Monopleurenkalken auf- 
fand, ist eine eigenartige” Nerinea, welche ich bezeichnen will als: 


Nerinea (Iltieria?) isteriana nov. spec. (Taf. I, Fig. 15). 


Eine Form aus der Verwandtschaft der Nerinea eyathus Piet. et Camp. 
(St. Croix, Taf. 63, Fig. 6 u. 7) aus dem Valangien. — Die beiden Autoren haben 
diese Form als zu der von Sharpe (Quart. Journ. 1850, S. 104) als Piygmatis 
bezeichneten Untergattung gestelit, was mir mit der dort gegebenen Beschreibung 
nicht zu stimmen scheint. Wie der von mir gesammelte Rest, so hat auch die 
angeführte Art von St. Croix weit übergreifende, sehr hohe und schmale Quer- 
schnitte der Umgänge, wodurch die Zustellung zu Itieria sich ergeben würde, 

Ich habe von dieser Art nur ein einziges Steinkernbruchstück gesammelt, 
welches nur wenige Umgänge erkennen läßt, in der Ausbildung der Faltung aber 
so auffallend erscheint, daß ich das Stück mit einem Namen versehen will. Der 
Steinkern ist sowohl außen als auch innen mit wohlausgeprägten Spiralrippen und 
mit tiefen Zwischenfurchen versehen, die den Faltenlappen entsprechen. Diese 


Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (F. Toula.) 6 


42 Franz Toula. [42] 


fand ich auch eine sichere Regwienta, welche an die von mir im Lom- 
tale bei Rustschuk gesammelte Form von Requienia Lonsdalei erinnert. 
(Geol. Unters. im östl. Balkan. I, LX. Bd. d. Denkschr. der Wiener 
Akad.d: Wiss. 1892, Taf. I, Fig. 9, 


Ein im Verhältnis vorzüglich erhaltenes Stück, das, wenngleich 
die Erhaltung immer noch viel zu wünschen übrig läßt, wohl keinen 
Zweifel aufkommen läßt über die Zugehörigkeit zu ZRequienia Lons- 
dalei d’Orb. aus dem Urgon. Man vergleiche die Abbildung (Taf. I, 
Fig. 19) mit jener von d’Orbigny (l. c. Taf. C 576, Fig. 5) oder 
jener bei Pictet und Campiche (St. Croix, IV, CXLI, Fig. 3), 
welche freier gewundene Formen vorstellen, ähnlich jener von der 
unteren Donau, von Paz mir von dieser Stelle nur die gewundene 
Unterklappe vorliegt. 


In feinkörnigen, ee gefärbten sandigen Kalken (Kalk- 
sandsteine) an der oberen Grenze der älteren Schichten finden sich 
wieder vor allem kleine Exogyren, und zwar ausschließlich solche 
von den gefalteten Formen, ähnlich so wie an der Fundstelle nahe 
Tschernawoda und bei Boastschik. 

An den drei genannten Fundstellen habe ich glatte Formen 
ebensowenig gefunden, als an der Lokalität bei Mirdschawoda und 
Kokerlenj gefaltete Stücke. 


Die Unterklappen sind je nach der Art der Anheftung ver- 
schiedenartig deformiert, im allgemeinen von nicht sehr beträchtlicher 
Höhe, mit kräftigen Rippen, welche von dem hinteren Rande gegen 
die Schalenhöhe hinaufreichen, wo sie zum Teil an einer kleinen 
Kante enden. 


Nun folgen oberhalb Topälo ausgedehntere Aufschlüsse, 
in welchen viele Steinbrüche angelegt sind. In dem obersten der- 
selben beobachtete ich ein Streichen von NW nach SO mit süd- 
westlichem Verflächen. 


Der Stein von Topälo ist ein dichter, porzellanartig aussehender 
Kalk. Von Topälo bis Kischtaresch (Ghisdaresei) treten niedere Wände 


Faltung ist überaus weitgehend. Auch Nerinea cyathus hat solche Spiralrippen 
aber in viel geringerer Zahl. 

Der Querschnitt der Umgänge ist unten weiter, verschmälert sich aber dort, 
wo das Übergreifen beginnt, auffällig. Auf dem unteren Teile treten drei Spiral- 
rippen auf; zwischen der ersten und zweiten finden sich in der Furche weitere 
zwei zarte Spirallinien, und zwischen der zweiten und dritten nur eine solche. Am 
oberen verjüngten Teile zählte ich 11 Spirallinien, wovon drei stärker vorragen. 

Der Spindelraum ist sehr weit. — 

In diesen Kalken finden sich typische Moncpleuren in großer Menge, und 
zwar in Steinkernen und Abformungen, an welchen zum Teil noch die Schalen 
erhalten sind. Zwei dieser Formen finden sich auf Taf. I, Fig. 16 u. 17 abgebildet. 

Das eine dieser Stücke stimmt auf das beste überein mit Monopleura trilo- 
bata d’Orb., derjenigen Form, welche in dem von mir besuchten Gebiete am häufigsten 
auftritt; das zweite (Fig, 17) zeigt gewundene Hörner und schließt sich enger an 
Monopleura varians Matheron an. Die von Peters (l. c. II, S. 184, Taf. II, Fig. 6) 
als Diceras monstrum bezeichnete Form scheint mir damit in schönster Überein- 
stimmung zu stehen, bei welcher Form Peters auch an „Requienia“ varians Math. 
erinnert wurde. Die von Peters unter demselben Namen abgebildeten Formen 
(l. ec. Fig. 7 u. 8) schließen sich näher an die Monopleura trilobata d’Orb. 


[43] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 43 


auf, aus wohlgeschichteten hellen Kalken, von dem ganz gleichen 
Aussehen, die jedoch besonders in den unteren Lagen viele Horn- 
steinkonkretionen umschließen und geknickt erscheinen. 

Oberhalb Hirschova treten stark erodierte und am Ufer 
förmlich in bizarre Pfeiler und Säulen aufgelöste Uferfelsen auf. 

Ahnliche, aber klotzige Felsmassen bilden die Ufer bei Hirschova, 
wo zwischen dieselben alte Befestigungen hineingebaut sind. Hornstein- 
führende Kalke mit einer Decke aus mürberen Gesteinen. 

Auf der Strecke zwischen Topälo und Hirschova wurden meine 
Beobachtungen durch heftige Gewitter und Regengüsse ungemein 
erschwert, ja auf eine weite Strecke hin förmlich unmöglich gemacht, 
infolge der teilweisen UÜberflutung der Aufschlüsse. Auf dieser Strecke 
liegen aber die Fundstellen, an welchen nach Anastasius Dar- 
stellung und nach seinen Aufsammlungen die Juraformation vorherrscht 
(vgl. Anastasiu, Contribution & l’etude geologique de la Dobrogea. 
These. Paris 1898, S. 66—87), während bis über Boastschik hinaus 
die Kreide auftritt. 

Uber das Gebiet zwischen Rassova an der Donau und Küstendsche 
am Schwarzen Meere gab Michel (Bull. soc. geol. de Fr., 2. Ser., XIII, 
1856, S. 539—542) eine geologische Notiz, welche K. Peters ent- 
sangen sein dürfte, da er sie in dem Literaturverzeichnisse nicht an- 
geführt hat. Michel erwähnt die gleichmäßige Bedeckung des Landes 
mit einem sandig glimmerigen Lehm, unter welcher auf der genannten 
Strecke Kalke und Sande der Kreide in fast horizontaler Lagerung 
hervortreten. Er deutet die Kalke mit Nerineen, Pteroceras, Korallen 
und anderem zutreffend als Neokom. Auch Kalke mit „Orbitolithes“ 
führt er an, was die Ähnlichkeit mit den Verhältnissen bei Rustschuk 
noch vermehrt. Weiter im Osten (8 km von der Donau) fand er 
Schichten des Grünsandes und der echten Kreide zum Teil mit Feuer- 
stein. Der Grünsand wurde durch gröberen Sandstein eingeleitet. Aus 
dem Grünsande gibt er nur das Vorkommen von Resten einer großen 
Ostrea an. Auch die tertiäre Überlagerung hat er beobachtet ohne 
Angabe über den betreffenden Horizont. Das namhafte Vorkommen 
von Cardien wird hervorgehoben und verrät das Sarmat. Das Vor- 
kommen der Äquivalente des Grünsandes ist mir gelungen zu be- 
stätigen, wenn die betreffenden Gesteine auch zumeist in Wirklichkeit 
als „Grünsand“ nicht angesprochen werden können, da die Glaukonit- 
körner an den meisten der von mir besuchten Stellen nicht nach- 
gewiesen werden konnten. Das (S. 541) erwähnte Vorkommen von 
Kalken mit Orbitolithes (6 km von der Donau) habe ich nicht gesehen 
und auch Peters hat ähnliches nicht wahrgenommen. Am Karasu 
habe ich nur ein Stück gefunden, welches mich petrographisch leb- 
hafter an die Orbitolinenkalksteine von Rustschuk (Lomtal) erinnerte. 

Interessante neuere Beobachtungen hat V. Anastasiu mitgeteilt 
(Bull. soc. geol. de Fr. 1896, 3. Ser., XXIV, S. 595—601), und zwar 
an Felsen des Steilufers der Donau bei Tschernawoda, Topälo und 
Cekirgeoa (Tschikirdsche bei Peters). Nur bei Tschernawoda wird das 
Vorkommen von Monopleurenkalk über tonigen Kalken des Kimeridgien 
mit Terebratula subsella festgehalten, während an beiden anderen 
Stellen nur Malmschichten (Rauracien, Sequanien und Kimeridgien) 

6* 


44 Franz Toula. [44] 


angenommen wurden. Besonders das Kimmeridge von Tschikirdsche 
erscheint festgestellt durch das Verkommen „zahlreicher Ammoniten“. 
Es sind vier Planulaten: Perisphünctes cf. Achilles d’Orb., Per. Fontannesi 
Chofat, Per. Wartae Buk. und Per. Mazuricus Buk. Außerdem wird 
Peltoceras bimammatum (Quenst. genannt. Anastasiu war glücklicher 
als Peters, der wohl zahlreiche Fossilien fand, die sich schwierig 
herausbringen ließen, und ich, der gerade vor Topälo, auf vorher herr- 
licher Bootsfahrt, ein fürchterliches Unwetter durchzumachen hatte, 
das ich in einer elenden Steinbrecherbaracke über mich ergehen 
lassen mußte, worauf ich dann in den überschwemmten Aufschlüssen 
nichts arbeiten konnte. 

In einer späteren Notiz (Bull. soc. geol. de Fr. 1898, 3. Ser., XXVI, 
S. 192—194) besprach derselbe Autor die Kreide der Dobrudscha. 
Von „Tschernawoda, Rassova, Saligny (? auf der russischen Karte 
nicht angegeben) etc.* wird das Vorkommen von Neokom, Barr&me 
und Apt, das erstere in mediterraner Fazies, angegeben. Obere Kreide 
weit verbreitet. 

V. Paquier hat die Fauna der Rudistenkalke der Dobrudscha 
(Anastasius Material) durchbestimmt und darunter die mit bulgari- 
schen Formen übereinstimmenden bezeichnet. [Matheronia aus der 
Gruppe der Math. gryphoides, Monopleura sp., Diceras, Heterodiceras sp., 
Valletia sp.) (Bull. soc. geol. de Fr. 1901, 4. Ser. I, S. 473 u. 474.) 

Die ausführlichere Abhandlung Anastasius aus demselben 
Jahre wird an der geeigneten Stelle zur Benützung herbeigezogen 
werden. (These: Contribution & l’etude geologique de la Dobrogea 
[|Roumania]. — Terrains secondaires. Paris 1898.) 

Das Verhältnis, in welchem Jura und Kreide in der südlichen 
Dobrudscha zueinander stehen, ist ein gewiß immer noch sehr rätsel- 
haftes und bedarf noch der näheren Aufklärung. Das Vorkommen 
von Jura bei Medschidje im Karasutale ist nach Peters (l. c. II, 
S. 44 [188]) ein räumlich sehr beschränktes, „ein kleiner Buckel“, 
der „aus dem Gehänge hervorragt“. Anastasiu hat auf der Karte 
zu seiner inhaltreichen Abhandlung eine größere Fläche unmittelbar 
bei dem genannten Orte als Jura ausgeschieden, dagegen den langen 
Jurastreifen auf der Petersschen Karte, der von West nach Ost 
verlaufen soll, nicht verzeichnet, was mir begreiflich erscheinen 
könnte, doch finde ich im Text nichts Ausführlicheres darüber an- 
geführt. Nur auf S. 110 finde ich eine ganz kurze Erwähnung. 

Das zweite Gebiet, wo die beiden Formationen nahe aneinander 
treten, ist jenes unterhalb Tschernawoda oder vielleicht genauer unter- 
halb Boastschik, denn bis dahin, das heißt bis nach der Krümmung 
des Stromlaufes bei dem letztgenannten Orte, glaube ich die untere 
Kreide, etwa Neokom, Apt, und vielleicht auch unteres Cenoman, an- 
nehmen zu dürfen. 

Wie es sich in der Gegend von Silistria verhält, bedarf auch 
noch der Aufklärung, denn daß die Kalke des Gebietes von Silistria 
südwärts Kreidekalke — Monopleuren-Requienienkalke — sind, dürfte 
aus meinen Darlegungen hervorgegangen sein. Bei Ostrov jedoch, 
östlich von Silistria, kaum 5 km weit davon entfernt, verzeichnet 
Anastasiu Jura, der sich bis gegen Rassova erstrecken würde. 


[45] Geologische Beobachtungen in der Gegend von Silistria u. s. w. 45 


Sowohl die Angaben, welche Peters über die Vorkommnisse in den 
Tälern von Rassova macht (l. ec. S. 44 [188], als auch jene bei 
Anastasiu (l. ce. S. 78 u. 79) lassen erkennen, daß es an wirklich 
zur Altersbestimmung überzeugend verwendbaren Fossilien mangelt. 
Angenommen, die Verteilung von Jura und Kreide auf der Karte 
Anastasius sei als vollkommen zutreffend zu bezeichnen, so würde 
dies schließen lassen auf eine sehr merkwürdige Zerstückung des 
Tafellandes in eine Anzahl von zumeist wohl an Seigerklüften vor 
der Abtragsperiode und vor Ablagerung der weithin recht gleichmäßig 
entwickelten sarmatischen Bildungen in verschiedene Höhenlage 
gelangte Schollen: jene von Silistria, Tschernawoda—Constanza 
(Küstendsche), wo Kreide, und jene von Ostrov—Essenkiöi—Aliman 
und Hirschova—Topälo, wo Jura wie die Kreide in schwebender 
Lagerung der Schichten die heutige Plateaufläche bilden. Es ist dies 
ein Verhältnis, welches es wohl verdienen würde, eine genauere 
Feststellung durch neuerliche Untersuchungen im südlichen Teile der 
Dobrudscha zu erfahren. 


46 Franz Toula. [46] 


Inhaltsangabe. 


Seite 

Kanleitung-.. ..2 m. 206. ie MORE re [1] 
1. Beobachtungen 3 in der Gegend von Silistria . N en [3] 
Bausteine von Silistria. Oolitb, Nerineenkalk ......... Sue [4] 
Süßwasserablagerungen östlich von Silistria . . 22.2 222.2. [5] 
Congerienschichten 7 )% "757 aha srtrukape, Se BAER ET re [5] 
Nerineenkalke von Birtschma. u ui an j [7 


Zwischen Birtschma und Aflatlar. Oolith und Exogyr a "plicata er [8] 
Bei Atlatlar Diluvium und sarmatische Schichten über Monopleuren- 
kalk, welche weithin anhalten (Akkandelar, Balabanlar). Wasser- 


armut des Gebietes; tiefe Brunnen ."... „gas dstea. uns ie [9] 
Bei Haskiöi Süßwasserkalk als Baustein . . [10] 
Zwischen Doimuschlar und Srebrena. Süßwasserkalk anstehend über 

Nerineenkalk. Abrasionsfläche auf Nerineenkalk ... . - [11] 
Auch bei Witren und auf der Donauterrasse gegen Tatarica Süß- 

wasserkalk . ... . a Dr [12] 

. Aus der Umgebung von Tee in der Döhendscha ee 
Das Karasutal mit den südrussischen Limanen zu vergleichen .. . [13] 
Nerineen-Monopleurenkalk bei Mirdschawrda. . . [13] 
Grünsandartige Gesteine, unter Lößlehm, mit t Gerölleinlagerungen. im 

unteren Teile...» BEE 5) 


Die kleinen ungefalteten Exogyren von Mirdschawoda . . ... [16] 
Bei Saturno vor Medschidje: Sarmatische Schichten mit Cardien, 
Trochus, Cerithium etc. über Kreide. Vesicularis-, Exogyren- und 
Nerineenhorizont . . en 
Ausflug nach Kokerlenj südlich von Tschernawoda . . [27] 
Oolithe sowie kreidige und tonige Ablagerungen des Sarmatischen 
über weißen Mergeln (obere Kreide?) und Nerineenkalk .... [27 


Sphaerulites Dobrudschensis . . . a ee Diese [29] 
Mächtiges Sarmat unmittelbar an dr Donau a RR [30] 
Exogyrensandstein mit Bryozoen nördlich von Kokerlenj . RE [31] 
Vorkommen von Protocardium hillanum 2. nn mn. hs. [34] 
Sandiger Nerineenkalk unterhalb der großen Donaubrücke. . . . . [35] 
Monopleurenkalk oberhalb der Brücke. . ... . :. 2 2 2 2202. [36] 
Exogyrensandsteine bei Tschernawoda. . . [37] 
Sarmat und Pectenoolith über Exogyrensandstein zwischen Sejmen 

und Boatschik 7 00 eu [37] 
Die gefaltetenExogyren von Tschernawoda und nördlich davon [38] 
Monopleuren-Requienienkalk unterhalb Boastschick . . ...... [4] 
Von. Topälo nach Hirschawar 2... a [42] 


Uber Gesteine der Brixener Masse und ihrer 
Randbildungen. 


Von Dr. W. Petrascheck. 
Mit einer Tafel (Nr. IV) und einer Textfigur. 


Als ein Glied des periadriatischen Bogens tritt nördlich von 
Brixen eine Masse granitischer Gesteine zutage, die als Brixener 
Masse bekannt ist, obwohl der ihr den Namen gebende Ort außer- 
halb derselben gelegen ist. Aus diesem Grunde versuchte Löwl!) 
für sie den Namen Iffinger Kern zu substituieren, es blieb jedoch 
trotzdem der althergebrachte Name in Gebrauch, Seit den eingehenden, 
von einer chemischen Analyse des Hauptgesteines begleiteten Beschrei- 
bungen, die Pichler?) im Jahre 1871 von den Gesteinen dieser 
Masse geliefert hat, sind dieselben nicht mehr Gegenstand spezieller 
Untersuchung gewesen. Dahingegen erfuhren die tektonischen Ver- 
hältnisse durch die Aufnahmen Tellers?) ein eingehendes Studium, 
durch welches unter anderem der Zusammenhang der Brixener Masse 
mit derjenigen des Iffinger sichergestellt wurde, für welche letztere 
neuere Untersuchungen von Grubenmann®, und Künzli°) vor- 
liegen. Tellers Aufnahmen zeigten ferner, daß die Judikarienlinie 
in der Gegend von Peus ihr Ende erreicht und eine Kontaktzone, 
bestehend aus feldspatreichen oder quarzitischen lamellaren Grenz- 
gesteinen, den Südrand der Masse begleitet. 

Die schon Pichler aus der Umgebung von Mauls bekannten 
und als Oligoklasschiefer bezeichneten Gesteine wurden als eine 
nördliche, als Derivat des Hauptgesteines aufzufassende Grenzzone 
von Tonalitgneis erkannt, wodurch die Analogie mit den Verhält- 
nissen am Nordrande der Adamellomasse festgestellt wurde. 

Neuerlich beschäftigte sich auch Rothpletz®) vorübergehend 
mit der Brixener Masse. Sein Profil verquert die Masse in der Gegend 
von Meransen. Rothpletz spricht das Hauptgestein ebenso wie Löwl 
als Granit an. 


1) Petermanns Geogr. Mitteil. 1893, pag. 112. 

2) Neues Jahrbuch 1871, pag. 256. 

3) Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1881, pag. 69. 

4) Vierteljahrschrift d. Naturf. Ges. Zürich 41 (1896), pag. 340. 
5) Tschermaks Mitteilungen 18 (1899), pag. 412. 

%) Querschnitt der Ostalpen, pag. 162. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (W. Petrascheck.) 


48 Dr. W. Petrascheck. [2] 


Kurze Erwähnung finden die Felsarten der Brixener Masse auch 
noch durch Cathrein!), Blaas?) und in dem Führer zur Tauern- 
exkursion durch Becke?°). Während nun für ähnliche Massen tonali- 
tischer und granitischer Gesteine neuere petrographische Spezial- 
untersuchungen von Salomon, Grubenmann, Becke und Graber 
vorliegen, fehlt es an solchen für die Brixener Masse. Diese Lücke 
auszufüllen ist die Aufgabe der folgenden Zeilen. Das Material hierzu 
rührt in erster Linie von Aufsammlungen Herrn Prof. Dı. F. Beckes 
her, in dessen Institut und mit dessen vielfacher Unterstützung die 
nachfolgenden Untersuchungen ausgeführt wurden. Ergänzt und erweitert 
wurde dieses Material durch die im Museum der k. k. geologischen 
Reichsanstalt niedergelegten Belegstücke zu den Aufnahmen des 
Herrn Bergrates Dr. F. Teller, über welche er mir auf Grund seiner 
eingehenden Tagebuchnotizen ausführliche Auskünfte zu erteilen die 
Güte hatte. Beiden Herren sei hier auf das wärmste gedankt. Ich 
selbst kenne die Brixener Masse nur von einem kurzen Besuche der 
Aufschlüsse zwischen Mauls und Grasstein her. 


Granitit. 


Das Hauptgestein der Brixener Masse ist ein mittelkörniger 
Granitit mit weißen Feldspaten, reichlichem graulichweißen Quarz 
und kleinen, glänzend schwarzen Biotiten. Unter dem Mikroskop 
erkennt man, daß Plagioklase die Hauptmasse des Gesteines bilden, 
Orthoklas tritt dagegen zurück. Allotriomorpher Quarz ist in fast 
gleicher Menge wie letzterer vorhanden und gibt sich als jüngstes 
Erstarrungsprodukt kund. Die Menge des Biotits ist gering. Apatit 
und auch Zirkon sind häufige, Orthit ein seltener akzessorischer 
Bestandteil. 

Die meist automorphen Plagioklase haben meist nach M 
tafelförmige Gestalt. Neben M sind noch die Flächen P,!, T, o und 
x des öfteren zu beobachten. Wo sie nicht selbst ausgebildet sind, 
geben sie sich doch oft an den Anwachsstreifen der sehr ausgeprägten 
Zonenstruktur zu erkennen. 

Zwillingsbildung nach dem Albitgesetze herrscht, seltener sind 
Periklinlamellen. Karlsbader Doppelzwillinge sind häufig. Auch in dem 
verhältnismäßig frischen, in den Steinbrüchen von Grasstein ge- 
wonnenem Gesteine machen sich an den Plagioklasen Zersetzungs- 
erscheinungen unter Muscovitbildung geltend, die mit Vorliebe in den 
basischeren Kernen beginnen. Zonenstruktur mit von innen nach außen 
abnehmender Basizität ist sehr schön ausgebildet. Nicht selten gewahrt 
man basische Rekurrenzen, oft mehrere in einem Kristall. 

Die vorgenommenen Messungen lehrten folgendes: Bei einem 
Karlsbader Doppelzwilling, von dem ein Individuum | zu M und P 
geschnitten war *), ergab 


!) Neues Jahrbuch 1890, I, pag. 73. 

?) Geologischer Führer durch die Tiroler und Vorarlberger Alpen, pag. 559. 

®) Führer für die geologischen Exkursionen in Österreich. IX. Internationaler 
Geologen-Kongreß, VIII, pag. 40. 

*) Über die Methode vergl. Becke in Tschermaks Mitteil. 18 (1899), pag. 506. 


[3] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 49 


inrder Hille»! ı. =; 267% d. i.. 4995: An, 
in der Außenzone . 17°, d. i. 30-400], An. 


Eine noch nicht zersetzte Stelle des Kerngerüstes im Zwillings- 
individuum hatte eine Auslöschungsschiefe von 23:70, was nach den 
Tafeln von Michel Levy’) einem Plagioklas von ungefähr 60%, An 
entspricht, eine Basizität, wie sie in diesem Gesteine nicht wieder 
beobachtet wurde. In dem sich an die Außenzone anschließenden 
Myrmekitsaum ging die Auslöschungsschiefe bis auf die der Grenz- 
oligoklase herab. 

Ein nur durch den äußeren Teil eines Kristalles gehender, also 
den Kern nicht mehr treffender Schnitt ließ die Untersuchung nach 
der ebenfalls von Becke?°) angegebenen Methode . durch Bestimmung 
des Achsenaustrittes zu. 


An einem Albitzwilling wurde gemessen 


anen 2. welehe ‚310 dasssentsprichti86/, An, 
n=der Hüllesun wABe.—=,170 , h 29%), An. 


Dieselbe Methode ergab an einem anderen Albit und Periklin- 
zwilling 
ZUIen .. cumn Aba — 15'5%.d. 1,29%. An, 
AB 220, d.1,2300 AR, 
in der Hülle. ABa = 11°, d. i. 26°), An. 


Ein senkrecht zu M und P getroffener Schnitt zeigte 


insder Hölle, =... ...1%11,,289,,d. 11469), An, 
ineder, Außenzone.., ., -. 1% d.ii. 20%, An. 


Die optische Untersuchung der Plagioklase eines anderen Hand- 
stückes, das der unten mitgeteilten chemischen Analyse unterworfen 
wurde, ergab an einem Schnitte senkrecht zu M und P 


in der Hauptmasse. . +19, d. i. 390), An, 
im Myrmekitsaun . . —13'5, d. i. 20), An, 
an einem anderen ebensolchen Schnitt 
innen.) | 30311 170, du. 36% ,..An, 
außen) ENT 1 250, An. 


Die Hauptmasse der Plagioklaskristalle besteht 
sonach aus Oligoklasandesinen, die in den Kernen 
noch basischer werden können, in den Außenzonen 
aber Oligoklasen angehören. Unvermittelt rasch sinkt die 
Basizität in den Myrmekitsäumen, die die Kristalle krustenförmig 
umziehen. Diese sind in dem Gesteine sehr häufig in bester Aus- 


: ) Etude sur la determination des feldspaths dans les plaques minces. Paris 
1894— 1896. 

2) Tschermaks Mitteil., Bd. 14, pag. 413 und 563. Die zu den gemessenen 
Winkeln gehörenden An-Gehalte wurden einer Manuskripttafel des Herrn Prof, 
Becke entnommen. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (W. Petrascheck.) 7 


50 Dr. W. Petrascheck. [4] 


bildung zu beobachten. Nie fehlen sie in dem Hauptgesteine und fast 
nie in den später zu behandelnden basischen Ausscheidungen, überall 
dort, wo Plagioklas an Orthoklas angrenzt. Niemals aber trifft man 
Myrmekitsäume an der Grenze zwischen Plagioklas und Quarz. Unsere 
Fig. 1 auf Taf. IV illustriert ein Beispiel, wie ein breit entwickelter 
Myrmekitsaum dort scharf absetzt, wo an Stelle des Orthoklas Quarz 
an den Plagioklas herantritt. Daß. der Myrmekit immer in Verbindung 
mit Kalifeldspat auftritt, ist bereits von Becke!) beobachtet worden; 
es ist aber die Abhängigkeit in unseren Gesteinen eine so auffällige, 
daß sie hier nochmals ausdrücklich hervorgehoben werden muß. Immer 
sind es Glieder der Albitreihe, welche die als Myrmekit bekannten 
Verwachsungen von Plagioklas und Quarz bilden. Über die Art ihres 
Feldspats gab ein senkrecht zu M und P getroffener Schnitt in dem 
der Analyse unterworfenen Gesteine Auskunft. Es zeigte sich eine Aus- 
löschungsschiefe von 


26°, d. i. 47°), An in der Hülle, 
0°, d. i. 190%), An in der Außenzone, 
— 8°, d. i. 10%, An im Myrmekit, 
— md. 
wie er sich nicht selten als sehr schmale Zone noch außerhalb des 
Myrmekitsaumes findet. 


Viel häufiger, selbst bei dünnster Ausbildung der Quarzstengel, 
läßt sich die Natur des Plagioklases im Myrmekit nach der Methode 
Beckes?) durch Vergleich der Lichtbrechung mit derjenigen des 
Quarzes feststellen. Die Anwendung dieser zeigte 


0%, An in dem quarzfreien Saume, 


>, So Era; 
was ebenfalls einem Albit entspricht. 


Der ziemlich frische Kalifeldspat bildet große xenomorphe 
Körner. In der Regel ist er von zarten perthitischen Spindeln durch- 
wachsen, zu denen noch ungemein feine Lamellen kommen, die an 
Zwillingsstreifung erinnern. In einem Schnitte | M löschte der Orthoklas 
unter 8°, die Spindeln unter 17° aus. Sie gehören also zum Albit; 
Mikroklin ist nicht vorhanden. 

Die xenomorphen Blättchen des Biotits erreichen selten 2 mm 
Größe. Das Achsenkreuz der Spaltblättchen öffnet sich im Konoskop 
nicht. Der Dichroismus ist sehr kräftig, a lichtgelblich, c=b dunkel- 
braun. Mit dem Babinetschen Kompensator gemessen ist „—a— 0'051. 
Gern häufen sich im Biotit Apatitnadeln an. Da sie älter sind als dieser, 
dienten sie ihm bei der Kristallisation offenbar als Anheftungspunkt. 
Lichtgrüner Chlorit von anormaler Doppelbrechung und Zoisit gehen 
durch Zersetzung aus dem Biotit hervor. Chloritaggregate finden sich 
auch mitunter als Ausfüllung kleiner miarolitischer Hohlräume. 

Quarz tritt als zuletzt zur Ausscheidung gekommener Bestand- 
teil auf. Er ist sehr reich an Flüssigkeitseinschlüssen. Undulöse Aus- 


!) Petrographische Studien am Tonalit der Rieserferner. Tschermaks Mitteil. 
13 (1893), pag. 411. 
2) Sitzungsber. der Akad. d. Wiss. Wien I, Bd. 102 (1893), pag. 358. 


[5] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 51 


löschung zeigt an den untersuchten Handstücken die Spuren des Ge- 
birgsdruckes an. 


Die Ausscheidungsfolge der Hauptgemengteile läßt sich durch 
folgendes Schema illustrieren: 
Plagioklas 
Biotit 
Orthoklas 
Quarz 
Über die Quantitätsverhältnisse der Gesteinskomponenten gab 


eine nach der von Rosiwal!) angegebenen Methode vorgenommene 
Vermessung folgende Auskunft: 


Prozente 
Plagioklasırs:1.5.,:0.2839 
Boerse HT 
Oeihoklası.d ware. 47097 
Quarz sch 13 sianıı 27 


Das dieser Messung unterworfene Gestein wurde von Herrn 
Regierungsrat von John auch einer chemischen Analyse unterzogen, 
wofür ihm an dieser Stelle bestens gedankt sei. Dieselbe ergab: 


v. John Scherer 1866?) 
Ba in HR 69:78 
te 0) © SDUuR 0 60 
DOReEn .. .  "0°2D 
22], (0P ee Fr TERN Mir \e 12:79 
EUR ee Be WE 5 V 
Deo werte Er Nr 6.510 4:51 
Iran: DL. 1,8 301°OpUr 
Game Ennelerıın, e.r.072:80 2:96 
RIO Wr el. 009 1:05 
DIROEn an, „1 9r „ir 52297 3:62 
IN ROn ee. Ganz, KARTE 2:37 
Giuhverlust 20 20...02.0°56 1.55 
101.29 99-26 


Bis auf den Tonerdegehalt stimmen beide Analysen gut überein. Es 
ist wahrscheinlich, daß die Tonerde etwas zu hoch befunden wurde, 
was zum Teil darauf zurückzuführen ist, daß das Gestein nicht mehr 
völlig frisch war. Die Plagioklase waren häufig getrübt und auch der 
Biotit zeigte Spuren beginnender Umwandlung. Das Gestein ist mit 
Tonerde übersättigt. Die Aufstellung einer Typenformel nach der von 
Ösann angegebenen Berechnung erfordert die Berücksichtigung des 
H-haltigen Glimmermoleküls. Die Berechnung der nachstehend ange- 


1) Verh. d. k. k geolog. Reichsanstalt 1898, pag. 143. 
a, Vel, Pichler, ]..c. pag. 258. 


52 Dr. W. Petrascheck. [6] 


gegebenen Molekularprozente auf die entsprechenden Atom- 
gruppen lehrt, was schon die mikroskopische Untersuchung zeigte, 
daß es sich um einen normalen Granitit handelt. 


305. 5 0 le 
AO ee 
F&0; 2. 
#60. EEE ER 
BE OD da 
100.2 2 m Be 
KO. walk heeee 
Na EINES 


Es könnten noch die aus Nordamerika in weiter Verbreitung 
bekannt gewordenen Granodiorite zum Vergleiche herangezogen werden. 
Doch ist die chemische Zusammensetzung dieser stets Hornblende 
führenden Gesteine deutlich verschieden. Nach den Mittelwerten, die 
Lindgren!) angibt, zu urteilen ist der S&O,- und Al, O,-Gehalt der 
Granodiorite beträchtlich geringer, während der CaO- und Na, O-Gehalt 
höher ist. 


Basische Ausscheidungen. 


Sehr verbreitet sind in dem Granitit basische Ausscheidungen. 
Sie werden schon von Pichler?) erwähnt und auch Grubenmann’) 
gedenkt ihrer bei Beschreibung des Tonalits vom Iffinger. In den 
Steinbrüchen von Grasstein wird man auf jeder mehrere Quadratmeter 
großen Gesteinsfläche einige derselben finden. Ihre Dimensionen 
schwanken in der Regel zwischen Nuß- und Kopfgröße. Nur nahe am 
Südrande in der Gegend von Franzensfeste und in den Steinbrüchen 
beim Obersee in der Brixener Klause beobachtete Teller, daß basische 
sowohl wie saure Schlieren größere Bestandmassen bilden können. Bei 
den kleineren herrschen rundliche Konturen vor, doch kommen auch 
eckige Umgrenzungen selbst mit einspringenden Winkeln vor, so daß 
man zunächst an Einschlüsse zu denken versucht ist, die aber nicht 
vorliegen. NT 

Der Struktur nach kann man sehr feinkörnige, fast dichte Aus- 
scheidungen von mittel- bis kleinkörnigen und endlich porphyrischen 
unterscheiden. 

Eine Art Übergang zu den basischen Ausscheidungen bilden 
mittelkörnige, dunkelgefärbte Schlieren mit porphyrischen Plagioklasen, 
die neben den größeren Biotitblättchen des Hauptgesteines noch wolken- 
artige oder gruppenförmige Anreicherungen winziger idiomorpher Biotit- 
blättchen aufweisen. Der Kalifeldspat (Mikroperthit) bildet größere 


!) Gold-quartz veins of Nevada City. Un. St. Geol. Surv. VII. Ann Rep. 
(Washington 1896), pag. 35. 

2) ]. €. pag.7259, 

1. €. page 345 und Tab 4, Fig. 2. 


[7] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 53 


poikilitische Körner, die von diesen Biotiten sowie kleinen Quarzen, 
auch Plagioklas erfüllt sind. Die Plagioklase stehen an der Grenze 
von Oligoklas und Andesin. 

Die Struktur der basischen Ausscheidungen ist die bei derartigen 
Bildungen gewöhnliche. In einer im Verhältnis zu den Einsprenglingen 
grobkörnigen, hypidiomorphen, aus Quarz und Orthoklas bestehenden 
Grundmasse liegen zahlreiche kleine automorphe Biotit- und Plagioklas- 
kriställchen. Oft erkennt man die bis mehr als 1/, cm großen poikilitisch 
struierten Orthoklase schon mit unbewaffnetem Auge an ihren ein- 
spiegelnden Spaltflächen, die aber erfüllt sind von den winzigen Ein- 
sprenglingen. Ein Strukturbild einer basischen Konkretion aus dem 
Tonalit des Iffinger hat Grubenmann gegeben !). 


Die Mineralkomponenten der Ausscheidungen sind in der Haupt- 
sache dieselben wie im Hauptgesteine. Nur in der Gegend von Franzens- 
feste fand Teller Schlieren, die unten besprochen werden sollen, 
da sie wegen des Gehaltes an Diopsid eine Sonderstellung einnehmen. 
Im übrigen zerfallen die Ausscheidungen nach ihrem Gehalte an 
ÖOrthoklas in zwei Gruppen, die aber nicht ganz scharf auseinander- 
zuhalten sind. Der einen fehlt der Kalifeldspat ganz oder fast ganz, 
in der zweiten ist er reichlich entwickelt. In letzterer stellt sich dann 
auch grüne Hornblende ein, die im Hauptgesteine nicht vorhanden 
war. Alle diese Ausscheidungen führen braunen Orthit verhältnis- 
mäßig häufiger als das Hauptgestein. Gern ist er mit Epidot ver- 
wachsen. Auch Apatit ist sehr verbreitet. Wiederum liegt er mit Vor- 
liebe im Biotit. Bei einem sehr feinkörnigen Einschluß fanden sich 
feinste, fast mikrolithenähnliche Apatitnädelchen in Menge in der 
Grundmasse verstreut. 


Hinsichtlich der Größe der Bestandteile sind bedeutende Schwan- 
kungen zu konstatieren. Es gibt Gesteine, die noch als mittelkörnig, 
und solche, die bereits als dicht zu gelten haben. Die Schwankungen 
machen sich sowohl an den idiomorphen Einsprenglingen wie an den 
Bestandteilen der Grundmasse bemerkbar. Werden erstere klein, so 
sind auch die Körner der letzteren kleiner. In dem feinkörnigsten 
Einschluß beträgt die Dicke der Plagioklastafeln im Durchschnitt 
0:02 mm und der Durchmesser an Biotitblättchen 0:053—0°06 mm. In 
anderen, die aber noch nicht die gröbsten sind, steigen die Dimen- 
sionen fast auf das Zehnfache. Namentlich am Biotit bemerkt man, 
daß seine Blättchen um so schärfer umgrenzt sind, je kleiner sie sind. 
An den kleinsten Körnern des feinkörnigsten Gesteines beobachtet man 
gar nicht selten, und zwar besonders dort, wo sie im Quarz liegen, 
rundlich eiförmige Umrisse, wie man sie aus Kontaktgesteinen kennt. 
Auch das Mengenverhältnis zwischen Einsprenglingen und Grundmasse 
ist ein verschiedenes. Während in den einen beide ziemlich im Gleich- 
gewicht sind, treten erstere in anderen merklich zurück. Besonders 
merkwürdig ist die auffallende Abnahme an Plagioklaseinsprenglingen 
in den großen, oft schon mit bloßem Auge wahrnehmbaren Ortho- 
klasen, während die Biotite darin nicht spärlicher werden. 


DANERaNFien 2. 


54 Dr. W. Petrascheck. [8] 


Orthoklasfreie und -arme basische Ausscheidungen. 


Diese sind entschieden seltener. Die Grundmasse wird von 
Quarz gebildet, in dem nur ganz vereinzelt wasserklarer Orthoklas 
auftritt. Biotit und Plagioklas störten sich oft im Wachstum und liegen 
nicht in isolierten Körpern in der Grundmasse eingebettet. Zonen- 
struktur ist am Plagioklas sehr gut und regelmäßig ausgebildet. 
Schnitte senkrecht zu M und P ergaben 


in: der Hülle tar ala MA a2 ir 
in der Außenzone . . . 12% d. i. 31%, An 
in einem anderen Falle 
Hülle, a Ha. Fe Be 
Außenzone 1.2 30% somBrkilid 2130 AR 
in einem dritten Falle 
| Kern; ar ee er 
Hülle. 2.2 .1E07..20 MEER 
Zoneste NUMERO TR Ze A 


Myrmekitsäume kommen, da es an ÖOrthoklas fehlt, nicht vor. 
Bei den Plagioklasen handelt es sich also um Andesine, deren Kern 
noch Labrador sein kann und die in der Außenzone Oligoklase sind. 
Hieraus folgt, daß im Vergleiche zu den Plagioklasen des Haupt- 
gesteines diejenigen der basischen Ausscheidungen nicht eigentlich 
basischer sind. Es fehlen ihnen nur die äußeren Zonen, die sich dort 
durch weitere Fortwachsung noch gebildet haben. Sie stellen gewisser- 
maßen auf einer älteren Entwicklungsphase stehen gebliebene Indi- 
viduen dar. 

Die Mengenverhältnisse der Gesteinsbildner ergeben sich aus einer 
nach der Methode Rosiwal vorgenommenen Vermessung wie folgt: 


Prozent 
Quarzdr ze ran: 2A 
Plagi0klas.ı? 2... Aura 
Bioliiamam: Shanlfr22 
Hornblendde . . . 1 


Das Anschwellen der Plagioklas- und Biotitmenge ist also im 
Vergleiche zum normalen Granitit sehr bedeutend. 


Als Gestein für sich betrachtet, würden derartige basische Aus- 
scheidungen noch als Quarzglimmerdiorite zu bezeichnen sein. 


OÖrthoklasführende basische Ausscheidungen. 


Die Mengenverhältnisse der ‘beiden Komponenten der Grund- 
masse sind verschieden. Es gibt Gesteine, in denen der Quarz in 
der Grundmasse überwiegt, während er bei anderen: zwischen großen 
Orthoklasen verhältnismäßig kleine Körner bildet. Außer *Orthoklas, 
der in frischen Stücken ganz klar ist, findet sich auch noch, und zwar 


[9] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 55 


vorwiegend, Mikroperthit. Sein Habitus ist derselbe wie im Haupt- 
gesteine, wie dort weist er neben den perthitischen Spindeln noch 
ganz feine Lamellen auf. Orthoklas und Mikroperthit können in einem 
Gesteine nebeneinander vorkommen. 

Für die Plagioklase wurden in verschiedenen Ausscheidungen 
einigermaßen auseinandergehende Werte gefunden. Die basischeste 
hatte ein durch ziemlich große Biotite mittelkörniges Gestein, dessen 
Grundmasse vorwiegend aus Quarz bestand. Die gedrungen leisten- 
förmigen Durchschnitte der Plagioklase wiesen sehr gute Zonen- 
struktur auf. Bei zwei zu M und P senkrechten Durchschnitten 
löschte der 

Kern bei 35°5° aus, d. i. 650), An 


die Hülle des einen 
bei 23°, d. i. 43%), An 


die des anderen ging bis 
209 70.70 290 An 


Eine ebenfalls noch quarzreiche Ausscheidung, von der Teller 
am Bahndamme bei Franzensfeste große Blöcke fand, die aber auch 
große, einspiegelnde Orthoklase enthielt, besaß größere Plagioklas- 
kristalle als obige. An denselben maß ich an zu M und P senkrechten 
Schnitten an drei Individuen 


im Kern 225°, d. i. 45%), An 
die Außenzone ging bei einem bis auf 
10 4. 19299, An 


bei einem anderen auf 
7 a0. 1. 220, An 


herab, während der Myrmekitsaum 


— 89, d. i. 10%), An 
zeigte. 

Bei einer an Mikroperthit reichen basischen Ausscheidung zeigte 
ein Karlsbader Doppelzwilling konjugierte Auslöschungsschiefen, die 
nach den Tabellen von Michel Levy auf einen Anorthitgehalt 
von 50—60°/, im Kern schließen ließen, während die Hülle etwa 
40°), An besaß. 

In einem anderen Gesteine zeigten Durchschnitte senkrecht zu 
M und P 

Imnen®ans ..... „o000..d 41,030, An 
AUbERSE alıdzs 2m 0:00, d..1,, 280, AR 


Innerhalb der hier angegebenen Zahlen bewegen sich noch einige 
andere Messungen, die an derartigen basischen Ausscheidungen vor- 
genommen wurden. Es handelt sich sonach um Plagioklase, deren 
Kerne Labradore sind, deren Hüllen zum Andesin gehören und die 
nach außen in Oligoklase übergehen. Im Kern sind sie also etwas 
basischer als diejenigen des Hauptgesteines. Anderseits sind die albit- 
reicheren Teile, die Außenzonen, weniger breit entwickelt, vielleicht 


56 Dr. W. Petrascheck. [10] 


auch etwas basischer. Endlich ist aber beim Vergleiche zu berück- 
sichtigen, daß in den viel feinkörniger ausgebildeten basischen Aus- 
scheidungen die Wahrscheinlichkeit, im Dünnschliff den Kern der 
Plagioklase zu treffen, bedeutend. größer ist als bei dem grobkörnigen 
Hauptgesteine. Darum konnte auch bei den Ausscheidungen eine weit 
größere Anzahl von Plagioklasdurchschnitten zur Prüfung gelangen. 
Bemerkenswert ist, daß man in dem normalen Granitit häufig Durch- 
schnitte mit einem Kerngerüste trifft, bei dem also die basischen 
Plagioklase durch nachträgliche magmatische Umwandlungen wieder 
teilweise zerstört wurden. Derartige Kerngerüste fehlen den Plagio- 
klasen mancher basischer Ausscheidungen völlig. 

Myrmekitist in den Ausscheidungen recht verbreitet und tritt 
sowohl in Säumen wie in Zapfen auf, die im Verhältnis zu den Plagio- 
klasen, an denen sie haften, oft recht groß sind. Die Quarzstengel 
derselben sind manchmal sehr zart und dünn, manchmal ziemlich 
kräftig. Quarzfreie Säume sind häufig vorhanden, öfters sind nur diese 
entwickelt, der eigentliche Myrmekit fehlt also. Die strenge Ab- 
hängigkeit vom Kalifeldspat ist auch hier vorhanden. Ofter als in 
dem Hauptgesteine kann man aber die Wahrnehmung machen, daß 
ein Plagioklas im Orthoklas liegt, ohne daß es zur Ausbildung von 
Myrmekit kommt. Ist jedoch der Kalifeldspat ein Mikroperthit, so 
ist Myrmekit immer vorhanden. 

Die kleinen, gut begrenzten Biotitblättchen zeigen sehr 
kräftigen Pleochroismus, a lichtgelb, c dunkel schwarzbraun. Die 
Doppelbrechung ist nach Messung mit dem Babinet Y—x = 0'050, 
also so wie im normalen Granitit. 

Hornblende ist in diesen Ausscheidungen sehr verbreitet. 
Sie tritt meist in einzelnen gedrungenen, in der Prismenzone scharf 
ausgebildeten Kriställchen oder in Nestern angehäuft auf. In letzteren 
ist sie gern mit Biotit verwachsen. In einem Schnitte angenähert 
parallel 010 war die Auslöschungsschiefe c:c = 18%. Die Doppel- 
brechung y—a wurde mit dem Babinet zu 0'023 gemessen. Der 
Pleochroismus ist kräftig, a sehr licht gelblichgrün, b dunkel bräunlich- 
grün, c dunkelgrün. 

Die Vermessungen einer Probe gab nachfolgende prozentuelle 
Verteilung der Mineralkomponenten: 


Quarz 272.20 
Ortheklas.,. 2... „18 
Plagioklas . . . . 44 
Bios 2 n,22.07312 
Hornplende> 2. TR 


Als Gestein für sich betrachtet, würden diese basischen Aus- 
scheidungen den Tonaliten am nächsten kommen, haben aber für 
diese einen ziemlich hohen Gehalt an Kalifeldspat aufzuweisen. 


Diopsidhaltige basische Ausscheidungen. 


Eine ganz isolierte Stellung nehmen Diopsid führende basische 
Ausscheidungen ein. Teller fand dieselben in mächtigen Gangschlieren 


[11] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 57 


bei Franzensfeste. Der Diopsid bildet kleine iodiomorphe Kristalle. 
Außerdem ist noch grüne Hornblende und brauner Biotit vorhanden. 
Die Körner des Plagioklases haben ebenfalls idiomorphe Gestalt und 
gute Zonenstruktur. Schnitte, die zu M und P senkrecht waren, er- 
gaben: 

im Kern 37°, d. i. 68%), An 

in der Außenzone 14°, d. i. 330), An 


bei einem anderen Durchschnitte 
im Kern 42°, d. i. 90—100°), An 
in der Hülle 22°, d. i. 42%), An 


Da sich die Kurve der Auslöschungsschiefen in Schnitten senk- 
recht zu M und P bei sehr basischen Plagioklasen nur wenig ändert, 
sind Messungen in diesem Gebiete zur genaueren Bestimmung nicht 
verwendbar. Es ließ sich jedoch an Kernen mit großer Auslöschungs- 
schiefe feststellen, daß sie optisch positiv sind, woraus hervorgeht, 
daß noch Labradore vorliegen, die in den Außenzonen nur bis auf 
sehr basische Oligoklase heruntergehen. 

Die Grundmasse, welche die Zwischenräume erfüllt, besteht aus 
Quarz und Oligoklas, die häufig mikropegmatische Verwachsung zeigen. 

Wegen seines Diopsidgehaltes und der basischen Plagioklase möchte 
man das Gestein dieser Ausscheidungen mit Monzonit vergleichen, mit 
dem es auch gewisse strukturelle Eigentümlichkeiten gemein hat. Der 
bedeutende Quarzgehalt jedoch zeigt an, daß wir es hier mit einem 
anderen Gesteinstypus zu tun haben. 


Nicht selten, an feinkörnig bis dichten Ausscheidungen deutlicher 
als an mittelkörnigen, beobachtet man, daß die dunkle Masse der Aus- 
scheidungvoneinem hellen Saume umgeben wird, dem der 
Biotit völlig oder fast völlig fehlt. Betrachtet man den Rand der Aus- 
scheidungen unter dem Mikroskop, so bemerkt man, daß er lediglich 
durch das Aufhören der kleinen idiomorphen Einsprenglinge gebildet 
wird. Die Quarze und ÖOrthoklase, die die Grundmasse bilden, hören 
nicht mit dem Rande der Ausscheidung auf, sondern setzen sich noch 
in das umgebende Gestein von normalem Gefüge oder in den hellen 
Saum hinein fort. Auch ist die Konstitution der Plagioklase dieser 
biotitfreien Säume dieselbe wie diejenige der Plagioklase des Haupt- 
gesteines. Endlich sind die Mikropertithe in der umgebenden Gesteins- 
masse ebenso ausgebildet wie in den Ausscheidungen. Deutet die 
Verwachsung der Grundmasse der Ausscheidungen mit dem Haupt- 
gesteine darauf hin, daß erstere ein integrierender Bestandteil des 
letzteren sind, so geht weiters aus dem Vorhandensein eines biotit- 
freien oder biotitarmen Saumes hervor, daß Spaltungsvorgänge an der 
Bildung der Ausscheidungen beteiligt sind und diese nicht etwa nur 
mechanische Anhäufungen der ersten Kristallisationsprodukte sind. Das 
Auftreten von Hornblende, die in dem umgebenden Gesteine fehlt, 
weist auf ein an CaO reicheres Magma hin, das sich auch in den 
anorthitreicheren Feldspaten äußert. Auffällig ist dabei, daß die 
Plagioklase des unmittelbar an die Ausscheidungen angrenzenden Ge- 

Jahrbuch d.k.k, geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (W. Petrascheck.) 8 


58 Dr. W. Petrascheck. [1 2] 


steines auf keine Verminderung des Kalkgehaltes im Vergleiche zu der 
übrigen Gesteinsmasse schließen lassen, denn es wurden, wie erwähnt, 
in hellen Säumen dieselben Werte aufgefunden wie in dem angrenzenden 
Hauptgesteine. 


Tonalitgneis. 


Ähnliche Wege wie in den basischen Ausscheidungen schlug die 
Differentiation bei der Bildung der basischen Randfazies, dem Tonalit- 
gneis ein, der, wie Teller gezeigt hat, die Masse im Norden mantel- 
artig umgibt. Im Anstehenden zeigen die Gesteine deutliche Schieferung, 
die im Handstücke manchmal verloren geht. Die Gesamtfarbe ist wegen 
des größeren Reichtums an Biotit und der oft vorherrschenden Hornblende 
dunkler. Die letztere ist in größeren Individuen ausgebildet als der 
Plagioklas, ihre Säulen erreichen zuweilen 1 cm Länge und 0°5 cm 
Dicke. An ihnen bemerkt man oft schon mit unbewaffnetem Auge die 
Spuren des Gebirgsdruckes, der die Parallelstruktur des Gesteines 
erzeugt hat, denn sie sind zerbrochen. Es zeigt sich ferner, daß Quarz 
und Feldspate zu schweifartigen und linsenförmigen Körpern ausge- 
zogen sind, sowie daß Häute von Biotit und Hornblende Augen von 
Plagiogklas umgeben. Wie schon der bloße Augenschein lehrt, so ent- 
hüllt auch das Mikroskop das Bild reinster Kataklasstruktur ganz 
ebenso wie es von Salomon!) an dem Tonalitgneis des Adamello 
beobachtet wurde. Es wurde schon von Becke?) hervorgehoben, daß 
reine Druckschieferung unter Erhaltung des ursprüng- 
lichen Mineralbeständes diese Gesteine im Gegensatz zu den 
kristallisationsschiefrigen Tonalitgneisen der Tauern auszeichnet. An- 
deutungen dieser letzteren finden sich nur in einem eigentümlichen 
Tonalitgneis mit porphyrischen Plagioklasen vom Rabenstein, der später 
behandelt werden wird. 

Wie immer in derartigen dynamometamorph veränderten Ge- 
steinen trifft man auch hier sehr verschiedene Pressungsgrade neben- 
einander. Es lehren das die Aufschlüsse südlich von Mauls ebenso 
wie der mikroskopische Befund der Belegstücke von anderen Lokali- 
täten. Steigert sich die Pressung in einzelnen Gesteinen (vom Nockbach 
bei Mauls) so weit, daß Mylonite zustandekommen, die aus einem durch 
das Mikroskop nicht mehr auflösbaren feinen Zerreibsel, in dem ein- 
zelne etwas größere eckige oder gerundete Quarz- und Feldspatsplitter 
liegen (vgl. Taf. IV, Fig. 5), so zeigen andere nur eine geringere Zer- 
trümmerung und beginnende randliche Kataklase. 

Hornblende, Plagioklas, Quarz und Biotit sind die Hauptgemeng- 
teile, deren Mengenverhältnisse beträchtlichen Schwankungen unter- 
liegen. Als Nebengemengteile treten Epidot, Zoisit, Chlorit und Eisen- 
glanz, ferner Orthit, Apatit, Titanit und Zirkon auf. Erstere sind 
Neubildungen, letztere akzessorische Gemengteile. 

Die Plagioklase zeigen gute Zonenstruktur, außerdem sind 
sie häufig, doch nicht in allen Gesteinen von feinen Adern mit geringer 


!) Neue Beobachtungen aus den Gebieten der Cima d’ Asta. Ts chermaks 
Mitt. 12 (1891), pag. 411. 
2 ?) IX. Intern. Geologenkongreß. Führer VIII, pag. 41, 


[13] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 59 


Lichtbrechung durchzogen, deren Zugehörigkeit zum Albit sich er- 
weisen ließ, ganz ebenso wie dies Becke!) bei den Plagioklasen im 
Tonalit des Rieserferner beobachtet hat. Über die Beschaffenheit der 
Plagioklase geben folgende Messungen Aufschluß: 


Schnitt senkrecht zu M und P 
mem N. 3a iA 
Elallen un: sn y28rd, 1. DO AN 


Dieser letztere Wert oder ganz nahe an demselben liegende 
wurden in sehr zahlreichen Durchschnitten verschiedener Handstücke 
gefunden. Der optische Charakter dieser Plagioklase ist positiv. 

Ein Karlsbader Doppelzwilling, von dem ein Individuum (1) zu 
M und P senkrecht getroffen war, gab unter Anwendung der Tafeln 
von Michel Levy folgende Resultate: 


1. 2, 
Kerns. 41'5° 249, °d. 1. ca. 80% An 


Hülle. . . 2850 220, d.i. ca. 490), An 


Noch basischer war der Kern des Plagioklases eines südlich von 
Mauls geschlagenen Gesteines, das eine Hornblende von ziemlich lichter 
Färbung und 16° Auslöschungsschiefe besitzt. Hierselbst maß ich 
bei einem Karlsbader Doppelzwilling von dem ebenfalls ein Individuum 
(1) zu M und P senkrecht getroffen war: 


Ir 2. 
Bern 7, ,0"430 a0 dr, 230, An 
Lanllen 0. '1.,.7290 19°, d. i. 40—50°/, An 


Bis zu welchen Werten der Anorthitgehalt in den Außenzonen 
herabgegangen sein mag, darüber konnte kein Aufschluß erhalten 
werden. Zum Teil mögen die äußeren Partien der Kristalle der 
Mörteistruktur zum Opfer gefallen sein. Nur in einem Gesteine, das 
neben Hornbleude viel primären Biotit enthielt, wurde außer Plagio- 
klasen, die an der Grenze von Labrador und Andesin standen, ein 
Durchschnitt gefunden, der zu M und 7° senkrecht getroffen war 
und eine Auslöschungsschiefe von 


180, d. i. 370), An 


gab. Wie die Messungen lehren, ist also Labrador der 
herrschende Feldspat, im Kern aber ist er wesentlich 
basischer (meist Bytownit). Auch die Plagioklase eines orthoklas- 
führenden Tonalitgneises vom Nockbache sind ebensolche Labradore 
von 50°/, Anorthitgehalt. Myrmekit fehlt allen den Gesteinen, mit 
Ausnahme des zuletzt erwähnten, in dem einige Reste gefunden 
wurden. 


Delee.pa2.2392: 
8*+ 


60 Dr. W. Petrascheck. 14] 


Daß die Plagioklase von einem sehr feinen Albitgeäder durch- 
zogen werden, wurde schon erwähnt. Die Bestimmung des Albits erfolgte 
durch Vergleich der Lichtbrechung nach der von Becke angegebenen 
Methode. Die Albitadern kommen nicht überall in gleicher Stärke zur 
Entwicklung, manchen Gesteinen fehlen sie, was nicht bloß mit der 
stärkeren oder geringeren Pressung, die das Gestein erfahren hat, in 
Verbindung zu bringen ist. Man kann beobachten, daß die Adern sich 
zuweilen aus dem Plagioklas in angrenzenden Quarz oder Hornblende 
hinein fortsetzen. Anderseits kommt es vor, daß in Plagioklaskörnern 
mit klaffenden, von zerträmmertem Quarz erfüllten Rissen die Albit- 
adern durch den Quarz abgeschnitten werden, um sich jenseits der 
Spalte wieder fortzusetzen. Die einen Adern sind somit jünger, die 
anderen älter als die Zertrümmerung. Es ist demnach wahrscheinlich, 
daß ihre Bildung zu gleicher Zeit mit der Pressung erfolgte. 

Die Hornblende zeigt oft in schönster Ausbildung die Croßsche 
Streifung. Der Pleochroismus ist kräftig, a gelblichgrün, b dunkelgrün, 
c blaugrün. Die Auslöschungsschiefe in Schnitten parallel der Achsen- 
ebene ist 14°, die Doppelbrechung y—x = 0'021. Der Achsenwinkel 
wurde zu 2/7 = 70° gemessen. Ähnliche niedrige Werte fand Becke 
am Adamellotonalit und am Tonalit des Rieserferner. In einem ungemein 
hornblendereichen, südlich von Mauls anstehenden Gestein wurde die 
Auslöschungsschiefe zu 15%, y—ax = 0'021, 2 V = 68° gemessen. Die 
Farben der Hornblende waren etwas lichter. In anderen Handstücken 
wurden noch Auslöschungsschiefen von c:c = 13° und 16° beobachtet. 

Von dem Biotit ist ein Teil unzweifelhaft sekundär 
aus Hornblende hervorgegangen, während ein anderer 
Teil primär ist. Das erstere geht daraus hervor, daß der Biotit 
oft dort mit Hornblende verwachsen ist, wo diese starker Pressung 
ausgesetzt war. Am deutlichsten erkennt man es (vgl. Fig. 2, Taf. IV) 
an großen Hornblenden, die quer durchgebrochen wurden, da in der 
Bruchzone die Hornblende in Biotit umgewandelt worden ist. Bei dem 
primären Biotit ist, wie Einschlüsse von Biotit in Hornblende beweisen, 
jener älter als dieser. Die Farben des Biotits sind nicht sehr intensiv, 
a lichtgelblich, c kräftig braun. Mit dem Babinet wurde y—x« als 
zwischen 0'040 und 0'047 liegend bestimmt. 

Die häufigsten Neubildungen sind Epidot und Chlorit. Ersterer 
ist lichtgelblich und optisch positiv. Er bildet unregelmäßige Körner 
in der Nähe von Hornblenden und in Zonen gesteigerter Pressung. 
Auch Risse in der Hornblende sind zuweilen von Epidot erfüllt. Gern 
umwächst er die nicht selten vorkommenden Orthite. Chlorit ist aus 
Hornblende und aus Biotit hervorgegangen. Oft kann man beobachten, 
daß Biotit in Chlorit von anormaler Doppelbrechung übergeht. Ebenso 
wie der Epidot liegt auch der Chlorit gern in den Strähnen stark 
zerdrückter Mineralkörner, in denen außerdem oft die Biotitblätter, 
soweit sie nicht zerrieben wurden, zusammengeschoben sind. In diesen 
Strähnen finden sich häufig opake, nur im stärksten Lichte durch- 
scheinende, dünne, oft scharf sechsseitige Blättchen, die in der 
Richtung der Schieferung eingelagert sind. Es ist Eisenglanz, der 
sich mit kochender Salzsäure auflösen läßt. Bemerkenswert sind 
ziemlich große Apatitkörner, die ebenfalls in den Trümmersträhnen 


[15] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen, 61 


liegen. Es scheint, als sei der Apatit dem Gebirgsdrucke gegenüber 
ziemlich widerstandsfähig. 


Im übrigen ist das Bild dieser kataklastischen Gesteine das 
bekannte und vielfach beschriebene. Zeigte der Quarz schon in dem 
normalen Gesteine oft undulöse Auslöschung und die bekannte Felder- 
teilung durch in der c-Achse liegende Risse, so ist er hier völlig deformiert 
und zerdrückt. Als eine plastisch gewordene Masse drängte sich sein 
Pulver in die Risse, die im Feldspat und der Hornblende entstanden, 
wovon unsere Fig. 4 ein Bild gibt. Wie immer ist die Zertrümmerung 
des Plagioklases eine viel geringere, oft nur eine randliche, während 
der Quarz völlig deformiert wurde. Noch widerstandsfähiger gegen 
den Druck erweist sich die Hornblende, von der die relativ größten 
Körner erhalten geblieben sind. Gern folgen die Sprünge in ihr der 
Spaltbarkeit, noch öfter aber bemerkt man, daß ihre langen Prismen 
ein oder mehreremal quer durchgebrochen sind. Undulöse Aus- 
löschung oder Zerfall in Felder von um ein geringes verschiedener 
Auslöschung ist an den Hornblenden der stark gepreßten Gesteine 
die Regel. Neubildungen liegen meist in den Strähnen stark zerriebenen 
Gesteinmaterials oder sie erfüllen klaffende Sprünge in einzelnen Mineral- 
körnern. Auch die Beobachtung, daß verschiedene Minerale verschieden 
stark von der Pressung beeinflußt werden, daß der Quarz viel leichter 
zerdrückt wird als die Feldspate, ist häufig gemacht worden, letzteres 
sogar die Regel, trotzdem die Druckfestigkeiten von Quarz und 
ÖOrthoklas, wie Rinne!) gezeigt hat, eher das Gegenteil vermuten 
ließen. Man darf deshalb wohl annehmen, daß die Verhältnisse bei 
dem die Kataklasstruktur erzeugenden Gebirgsdrucke von denen des 
Experiments sehr verschieden waren. Sie müssen, sobald eine Lockerung 
des Mineralgefüges erfolgt war, denen des allseitigen Druckes viel 
näher kommen. Auch kann die Durchfeuchtung und die Erwärmung 
der gepreßten Masse nicht ohne Wirkung geblieben sein. Letztere 
kann auf die Kohäsionsverbältnisse modifizierend einwirken, beide 
zusammen im Vereine mit dem Drucke müssen von größtem Einfluß 
auf die Mineralneubildungen sein, die in unserem Gesteine eine sehr 
seringe Rolle spielen. Starker Druck war vorhanden, eine gewisse 
Erwärmung muß seine Folge sein. Von dem Grade der letzteren 
sowie von der Art der Durchfeuchtung dürfte die Menge und Art 
der Neubildungen beeinflußt sein. 


Über die chemischen Verhältnisse des Tonalitgneises gibt eine 
Analyse, die Herr Regierungsrat von John für mich auszuführen 
die Güte hatte, Auskunft. Das Gestein stammt von Mauls und ist 
vollkommen frisch, Hornblende und Biotit (letzterer überwiegt) treten 
gegen Quarz und Plagioklas stark zurück. In ihm wurde der oben 
erwähnte Plagioklas von nur 37°/, An-Gehalt gefunden, andere Durch- 
schnitte deuten auf an der Grenze von Andesin und Labrador stehende 
Plagioklase hin. Die Analyse ergab: 


!) Zentralbl. f. Mineralogie, 1902, pag. 262. 


62 Dr. W. Petrascheck. | [16] 


SO AEe 


TO; er AR 
20:8 SR EnRIN 0:43 
Al, Os re. 370 
Pe DATEN 96 
Be are 
Mn Os \\. Sram. Erd 
CO HE EEE 
MOSE El a Be 
KON an 
Nas (0) 3 5 : 2-28 


Glühverlust OT 
Summe . .... 10042 


In Molekularprozenten ausgedrückt ist die Zusammensetzung: 


be PB N 
ABO BE N 
Pie, 0, I TE 
OO ER 
OO MIDTEN TANRBRETES 
MOM el, DIRUEREGD 
KM Br 
NO ar a3 


Es handelt sich wieder wie bei dem oben behandelten Granitit 
um ein Gestein mit Tonerdeüberschuß. Nach der von Osann an- 
gegebenen Gruppierung läßt sich folgende Typenformel aufstellen, 
bei der die überschüssige Tonerde in Verbindung mit Wasserstoff als 
Glimmermolekül berechnet wurde: 


S66-6 ds (7 fa 


Bei der Betrachtung der chemischen Konstitution des Tonalit- 
gneises, insbesondere beimVergleiche mit ähnlichen, aber unveränderten 
Eruptivgesteinen sind die chemischen Umwandlungen zu berücksichtigen, 
die, wie Reinisch!) gezeigt hat, die mechanischen Umformungen 
zu begleiten pflegen. Nach Reinisch macht sich in kataklastisch 
deformierten Gesteinen eine Abnahme an S0,, CaO, Na, O und eine 
Zunahme an Al, 0,, FeO, Fe, OÖ, K,O und H,O bemerkbar. Für die 
Beurteilung der Größe dieser nachträglich im chemischen Bestande 
unseres Tonalitgneises eingetretenen Verschiebungen fehlt es an der 
nötigen Grundlage. Vielleicht darf man annehmen, daß sie nur 
unbedeutend war, da die Menge der Neubildungen eine verschwindende 
ist. Immerhin aber beeinträchtigt die Beobachtung Reinisch’ etwas 
den Wert obiger Typenformel wie der Analyse überhaupt, sobald es 
sich um einen Vergleich mit anderen tonalitischen Gesteinen handelt. 


!) Druckprodukte aus Lausitzer Biotitgranit und seinen Diabasgängen. 
Leipzig 1902. 


[17] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 63 


Eigenartige Ausbildung nimmt der Tonalitgneis zwischen Raben- 
stein und der Heißbodenalpe südwestlich vom Penser Joch an. Das 
beistehende Profil Tellers veranschaulicht die Verhältnisse dieses 
die Verbindung .des Iffinger mit der Brixener Masse herstellenden 
Gebirgsstückes. Über dem Tonalit des Iffinger Kernes liegt ein flaseriger 
feinkörniger Biotitgneis von graulichgrüner Farbe, aus dem kleine 
Feldspataugen hervorschimmern. Diese bestehen aus einem sauren 
Oligoklas von siebartiger Struktur. Runde und längliche, dann oft ge- 
krümmte Quarztropfen und Quarzkörner liegen in Menge in ihm. Sonst 
bemerkt man nur noch Quarz, dann Biotit, Chlorit von anormaler 
Doppelbrechung, Granat und Apatit. Es ist ein kristalliner Schiefer, 
der Spuren hochgradigen Gebirgsdruckes aufweist. Dieser ist an der 
Grenze gegen den Tonalitgneis der Eruptivmasse eingelagert. Auch 
aus der Fortsetzung des Tonalitzuges im Iffinger Gebiete erfahren wir 
durch Künzli!), daß „in dem randlichen Hornblendetonalitgneis 1—2 


Fig. 1. 


Weinsenb, Bl ( 
Hesokeden) enbac a 
Alpe 


50 Slacialterzanse NW 
von Negele 
Ay 
Raketen ” N 
= 52 
8% 1 
Profil von Rabenstein (nach Teller). 
1. Quarzphyllit mit Gangbildungen von Diahasporphyrit (y). — 2. Granit. — 
3. Gneiszug. — 4. Tonalitgneis. — 5. Bänderkalkzüge (z) mit dünnen Phyllitgneis- 
zwischenlagen. — 6. Granatführender Phyllitgneis. — 7. Wechsel von Glimmer- 


schiefer und Gneisen. 


meist wenige Meter mächtige Zonen von kristallinen Schiefern, in 
denselben Ausbildungsarten, wie sie etwas weiter außen den zusammen- 
hängenden Mantel aufbauen, eingelagert sind“. Spuren einer Kontakt- 
metamorphose konnten an diesen Biotitgneisen nicht gefunden werden. 
Es ist möglich, daß sie durch den Gebirgsdruck nachträglich verwischt 
wurden. Auch Künzli konnte nur in vereinzelten Fällen an derartigen 
Einlagerungen sowohl, wie an den Gesteinen des Mantels Erscheinungen 
der Kontaktmetamorphose nachweisen. 

Uber dem Biotitgneis folgt der Tonalitgneis, der hier einen ganz 
abweichenden Habitus hat. Es sind das grobkörnige feldspatreiche Ge- 
steine, die Teller wegen ihres Habitus Arkosegneise nannte 2). Ihr 


!) Die Kontaktzone um die Ulten-Iffingermasse. Tschermaks Mitt. 18 (1899), 


pag. 26 (Sep.). 
2) Verh. d. k. k. geol. Reichsanst. 1881, pag. 70. 


64 Dr. W. Petrascheck. [18] 


Hauptgemengteil sind bis !/, cm große zwillingsgestreifte Plagioklaskörner, 
die gute Zonenstruktur besitzen. Ein zu M und P senkrecht getroffener 
Schnitt ergab eine Auslöschungsschiefe von 22'5°%, was einem Andesin 
von 43°/, Anorthitgehalt entspricht. Undulöse Auslöschung, Biegungen 
der Lamellen und Risse, welche diese verschieben, geben einen Beweis 
von den Pressungen, denen diese großen Plagioklaskörner ausgesetzt 
waren. Neben Plagioklas ist auch etwas Orthoklas vorhanden. Zwischen 
den gerundeten Feldspatkörnern hindurch zwängt sich ein gänzlich 
zerdrücktes, vorwiegend aus Quarz bestehendes Gesteinsmaterial. Auch 
ganz zerriebener Biotit liegt in diesen Strähnen, daneben noch neu- 
gebildete kleine Körner von Epidot sowie Biotite, die nur schwache 
Biegungen aufweisen und zum Teil Neubildungen sein können. 

An der Basis dieser grobkörnigen Tonalitgneise bemerkte Teller 
eine scharf begrenzte Einlagerung eines dunklen amphibolitähnlichen 
Gesteines mit vielen porphyrisch hervortretenden, über zentimeter- 
großen, wohlumgrenzten, lichtbräunlichen Feldspatkristallen. Auch dies 
ist ein Tonalitgneis. Die Grundmasse desselben besteht aus Plagioklas, 
Quarz und grüner Hornblende. Die Hornblende zeigt vielfach aufs 
deutlichste beginnende Umwandlung in Biotit. Die dünnen Biotit- 
blättchen setzen gern längs der Spaltrisse der prismatischen Spalt- 
barkeit der Hornblende ein und sind in paralleler Stellung mit der 
Hornblende verwachsen, so daß also die Achsenebene des Biotits mit 
der Querfläche der Hornblende zusammenfällt. In geringer Menge ist 
Epidot vorhanden. Die kleinen Plagioklase zeigen Zonenstruktur. Bei 
einem zu M und P senkrechten Schnitt zeigten sich Auslöschungs- 
schiefen von 


38°. .innen, U. dr ne il. SO ZEN AR 
320 außen, d. 1. SR a 550%), An 


Es handelt sich somit um sehr basische zwischen Labrador und 
Bytownit stehende Plagioklase. Niemals zeigt sich an ihnen kristallo- 
graphische Begrenzung. Vielmehr bilden die Plagioklase und die kleinen 
undulösen Quarze ein gleichförmiges Mosaik. Nur die Hornblende 
besteht oft aus größeren Individuen, an denen man öfters noch deut- 
liche Bruchflächen bemerkt. Fein zerriebener Detritus fehlt, ebenso 
Zonen stärkerer Pressung. Es hat bereits eine Umkristalli- 
sierung stattgefunden, die an die Kristallisations- 
schieferung, die durch Becke!) ausden Tauern bekannt 
sewordenist, erinnert. 

In dieser Grundmasse liegen Einsprenglinge von Plagioklas mit 
scharfer kristallographischer Begrenzung. Diese sind in ihren äußeren 
Teilen sehr reich an Einschlüssen. Hauptsächlich sind es oft zonar 
angeordnete Quarztropfen und Stengel, die einigermaßen an den Myr- 
mekit erinnern, hierzu kommen in manchen Durchschnitten noch dünne 
Hornblendesäulen. An Periklinlamellen ergab Beckes Methode der 
Messung des Achsenaustrittes: 


im Ken ABr 11%, d.i. . . . 24%, An 
im Saum ABr 345%, d.i. . . . 360%), An 


!) Anzeiger der k. Akad. d. Wiss. Wien 1903, pag. 113. 


[19] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 65 


Es ist somit der Saum basischer als der Kern. Für letzteren 
konnte auch noch der Vergleich der Lichtbrechung mit Quarz durch- 
geführt werden. Es wurden bei 


Parallelstellung Kreuzstellung 
a<a, e<y' a<y,.<a’ 


Diese umgekehrte Zonenstruktur ist aber nicht die Folge regel- 
mäßigen und normalen Weiterwachsens, sondern es zeigt sich vielmehr, 
daß der Kern eine unregelmäßig korrodierte Oberfläche besitzt, auf 
die sich erst der einschlußreiche basischere Plagioklas aufgesezt hat. 
Die Entstehung dieses Tonalitgneises mit porphyrischen Plagioklasen 
muß also wesentlich anders gewesen sein, wie diejenige der oben be- 
handelten rein kataklastischen Tonalitgneise. Selbstverständlich ent- 
standen die porphyrischen Plagioklaseinsprenglinge erst nach der 
Pressung, wie die unversehrten Umrisse beweisen. Auch ist auf das 
deutlichste zu erkennen, daß die großen Kristalle, um sich Platz zu ver- 
schaffen, bei ihrem Wachstum die übrigen Gemengteile — namentlich 
die Hornblende zeigt das gut — zusammen und beiseite geschoben 
haben. 

Wie der mikroskopische Befund lehrt, kann man die aus Tonalit- 
gneisen gebildete Randfazies nicht als ein den basischen Ausscheidungen 
gleichendes Differentiationsprodukt auffassen. Bei diesen letzteren ist 
Orthoklas meist reichlich vorhanden, die Seltenheit ist, daß er fehlt; 
bei ersteren dagegen fehlt der Kalifeldspat in der Regel und nur in 
seltenen Ausnahmen sind geringe Mengen davon vorhanden. Die 
basische Randfazies ist, wie auch die Analyse zeigt, arm an Kali, 
während der Kaligehalt der meisten basischen Ausscheidungen dem- 
jenigen des Hauptgesteines nahe kommen dürfte. Beiden Differentiations- 
produkten ist dagegen die Anreicherung an Eisenmagnesiasilikaten, 
die ebenfalls in der Analyse deutlich zum Ausdrucke kommt, eigen- 
tümlich. 


Aplite und Pegmatite. 


Entgegengesetzte Wege schlug die Differentiation in den Apliten 
ein, von denen zahlreiche Gänge den Granitit der Eruptivmasse durch- 
schwärmen. Sie setzen auch noch, wie Löwl!) erkannte, im angrenzenden 
Phyllit auf. In diesen Apliten tritt Biotit nur in ganz verschwindender 
Menge auf. Quarz und Orthoklas sind die hauptsächlichsten Gesteins- 
bildner, doch ist auch Albit reichlich vorhanden. Die meisten Orthoklase 
weisen perthitische Flammung auf. Oft sind Zwillinge nach dem Bavenoer 
aber auch solche nach dem Manebacher Gesetze zu finden. Quarz und 
Orthoklas störten sich zuweilen im Wachstum, wobei es zu Ver- 
wachsungen kommt, die schon etwas an Pegmatitstruktur erinnern. 

Über die Natur des Plagioklases gab zunächst die Lichtbrechung 
im Vergleiche zum Quarz Auskunft. Diese war bei 


Parallelstellung Kreuzstellung 


Ve et De 


IE ec. page: 113. 
Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft, (W. Petrascheck.) 9 


66 Dr. W. Petrascheck. [20] 


was einem Albit entspricht. Durch Bestimmung des Achsenaustrittes 
in einem Albitzwilling, ergab sich 


Im Kent ERS Br — 5 12007, AR 
in dr Hille . ABa«=20% di. 8°), An 


Es ist sonach nur der Kern ein saurer Oligoklas, die Hülle aber 
ein Albit. 

In einem etwa 2 cm breiten, im Vergleiche zum Aplit dichteren 
und biotitärmeren Salband aber, das an der Grenze gegen den Granit 
entwickelt ist, wächst die Basizität der Plagioklase. Hierselbst liegen, 
wie Schnitte, die zu M und P senkrecht waren, zeigten, Plagioklase 
von einem Anorthitgehalt von 30—400/,, also basische Oligoklase vor. 

Wesentlich anders ist die Struktur von sauren Schlieren, die 
neben basischen im Granit beim Obersee nächst Franzensfeste auf- 
setzen. In ihnen ist nur sehr wenig Plagioklas, der, wie durch seine 
Lichtbrechung festgestellt werden konnte, ein saurer Oligoklas ist, 
vorhanden. Das Gestein besteht hauptsächlich aus Quarz und neben 
diesem aus reichlichem Orthoklas, der vielfach perthitische Flammung 
aufweist. In einem Quarz-Orthoklasmosaik liegen große porphyrisch 
hervortretende, aber nicht einheitliche Quarze und Orthoklase. Randlich 
nehmen letztere rundliche Quarzkörner auf. 

Zu den sauren, an Bisilikaten armen Nachschüben gehören endlich 
noch die Pegmatite, die sowohl in großkristalliner wie in erst 
durch das Mikroskop auflösbarer Struktur vorkommen. Sie enthalten 
wenig Biotit in dünnen Blättern sowie etwas Turmalin. Auch hier 
herrschen Quarz und Orthoklas in der bekannten Verwachsung des 
Schriftgranits. Die wenigen Plagioklase sind sehr sauer. In Schnitten 
senkrecht zu M und P wurde 


in der Hauptmasse —8°, d. i. 8°), An 
in der Außenzone —14:5°, d. i. 1%/, An 


gefunden. Derartige Werte wurden wiederholt beobachtet. Breite, aber 
quarzarme Myrmekitsäume umgeben manche der Plagioklase. Uber 
die Natur seines Feldspats gibt folgende Messung Auskunft: 


Schnitt senkrecht zu M und P: 


Hauptmasse —8°, d. i. 8°), An 
Myrmekit —14°, d. i. 2%), An 


Im übrigen ist der Myrmekit in dem Pegmatit recht selten und 
kommt es oft vor, daß Plagioklas an Mikroperthit grenzt, ohne daß 
es zur Ausbildung von Myrmekitsäumen kommt. Auch die Perthit- 
spindeln gehören dem Albit an, denn sie löschen in Schnitten parallel 
010 unter +19° aus. 


Die vorstehenden Erörterungen behandeln den Haupttypus des 
die Brixener Masse bildenden Granitits sowie seine wichtigsten 
Spaltungsprodukte. Es sind damit aber noch nicht alle Gesteins- 
varietäten, die im Gebiete überhaupt auftreten, zur Abhandlung ge- 
kommen. 


[21] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 67 


Insbesondere muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß 
westlich des Eisacktales in dem Granitit ein breiter Zug eines 
anderen Granits liegt, der reich ist an rötlichem Orthoklas und auch 
strukturell von dem oben geschilderten Granit etwas abweicht. Ebenso 
blieben dem Töllit ähnelnde Gesteine, die Teller bei Vintl nach- 
wies, unberücksichtigt. 


Kontaktgesteine. 


Daß am Südrande der Brixener Masse der Granitit in Primär- 
kontakt mit dem Phyllit steht, ging bereits aus den Schilderungen 
Pichlers!) über das Vorhandensein granitischer Intrusionen hervor. 
Dieselben wurden zwar von späteren Beobachtern nicht wieder auf- 
gefunden, doch bemerkte Löw] aplitische Gänge in den quarzitischen 
Schiefern. Nicht weniger beweisend ist das Vorhandensein eines 
schmalen Saumes kontaktmetamorpher Gesteine, den Teller erkannt 
und auf seiner Karte zur Darstellung gebracht hat, sowie ebenfalls 
von Teller aufgefundene Einschlüsse phyllitischer Gesteine im Granit. 

Quarzitische, feldspatreiche Gesteine treten längs des Südrandes 
mit der Eruptivmasse in Kontakt. Sie zeigen nur ganz geringe strukturelle 
Umänderungen. Hochgradig metamorph sind hingegen dünne bei Schabs 
von Becke in unmittelbarer Nähe des Granits aufgefundene Einlage- 
rungen, die aus einem ursprünglich vermutlich tonigem und deshalb 
der Umwandlung leichter zugänglichem Sedimente hervorgegangen 
sein mögen. 

Diese letzteren Gesteine, die wir wegen des Vorherrschens von 
Andalusit und Biotit als Andalusitglimmerfels bezeichnen wollen, 
haben dunkle, schokoladebraune Farbe. Große, quergestellte Biotit- 
blättehen geben ihnen ein kristallinisch körniges Aussehen, während 
quarzreiche Schmitzen noch einige Schichtung hervorbringen. Die 
Gesteine sind von außerordentlicher Frische. Es überwiegt in ihnen 
an Menge der Andalusit, neben ihm herrscht ein Biotit von lichter 
Farbe. Außerdem ist noch in geringer Menge Cordierit, Turmalin, 
Plagioklas, Spinell, Phlogopit und Orthit nachweisbar. Quarz ist in 
manchen Stücken reichlich vorhanden, kann aber auch ganz fehlen. 

Wo der Quarz auftritt, zeigt er die aus Kontaktgesteinen be- 
kannte Mosaikstruktur, die jedoch durch Einwirkung des Gebirgsdruckes 
etwas verwischt sein kann. Gewöhnlich ist er in dünnen Lamellen an- 
gereichert, die schon ursprünglich schwache Linsen gebildet haben 
dürften. 

Der Andalusit tritt in langen, bis 0'3 mm dicken Nadeln mit 
deutlich erkennbarer Spaltbarkeit in divergentstrahligen Büscheln oder 
in Haufwerken rundlicher und länglicher Körner, die sich dann namentlich 
durch ihre starke Lichtbrechung deutlich herausheben, auf. Sein Pleo- 
chroismus ist an den dickeren Kristallen noch erkennbar. Neben ihm 
tritt der Cordierit sehr zurück. Durch seine Zweiachsigkeit, den 
optischen Charakter, verhältnismäßig großen Achsenwinkel und Spuren 
von wolkiger Trübung ließ er sich erkennen. Der reichlich vorhandene 


SE. c.. pa0. 265. 
9* 


68 Dr. W. Petrascheck. [22] 


Biotit bildet entweder bis 4 mm große Blättchen oder aber Aggregate 
kleiner Schüppchen. Oft liegen Körnchen opalen Erzes in ihm. Er 
zeichnet sich durch recht lichte Färbung aus, a sehr lichtgelblich, fast 
farblos, c braun. Doch lassen sich zwei verschiedene Biotite unter- 
scheiden: lichtere, bei denen c dem braun 33g der Raddeschen Skala, 
und dunklere, bei denen c dem orange 4: entspricht. An letzterem wurde 
mit dem Babinet —a—= 0'050 bestimmt. Es wiesen 0:02 mm dicke, 
parallel zur Achsenebene getroffene Blättchen das Violett II auf. Der 
Achsenwinkel ist sehr klein. In äußerst geringer Menge treten außerdem 
noch kleine Schüppchen eines ganz farblosen Glimmers von ebenfalls 
kleinem Achsenwinkel auf. Bei ihm wurde y—a — 0:31 gemessen. Es 
dürfte sich demnach um Phlogopit handeln. An den allotriomorphen 
Plagioklaskörnern sind Zwillinge nach dem Periklingesetze häufig, 
doch kommen auch solche nach dem Albitgesetze vor. Zonenstruktur 
war in einem Falle angedeutet. Drei Schnitte, die nicht sehr gut 
senkrecht zu M und P getroffen waren, hatten Auslöschungsschiefen 
von 15°, 170, beziehungsweise 24°. Es liegen demnach Plagioklase der 
Andesingruppe vor. Der Turmalin hat sehr lichte, graulichgrüne 
Farbe und bildet scharfe, wohlausgebildete Kristallchen. Dagegen 
kommt der Apatit in rundlichen, rissigen Körnern vor, die zuweilen 
von Biotit durchwachsen sind und ein fast skelettähnliches Aussehen 
annehmen können. In nur geringer Menge findet man die kleinen, sehr 
liehtgrünlichen Körner des Spinells. 


Überaus reichlich und in zweierlei Ausbildung, sowohl als stark 
grüne als auch fast farblose Körner, tritt der Spinell in einem sonst 
ähnlich zusammengesetzten Einschluß auf, den Teller in dem 
sroßen Steinbruche bei der Brixener Klause fand. Ganz das nämliche 
Verhalten konstatierte Salomon!) an Einschlüssen im Tonalit des 
Adamello. Im übrigen ist das Gestein des Einschlusses dem vorher- 
beschriebenen durchaus ähnlich. Biotit, ebenfalls von lichter Farbe, 
ist reichlich vorhanden und reichert sich in umkristallisierten Nestern 
und Schmitzen an. Quarz ist in großer Menge, Plagioklas nur in 
einigen Körnern zu bemerken. Eines derselben, zu M und P senk- 
recht getroffen, löschte unter 31° aus, gehört also bereits einem Labrador 
an. Andalusit ist neben Biotit der Hauptgemengteil. Salomon be- 
obachtete bei seinen Einschlüssen, daß an manchen Präparaten eine 
scharfe Grenze zwischen Tonalit und dem Kontaktfels nicht vorhanden 
ist. Bei unserem Stücke ist der Andalusitglimmerfels des Einschlusses 
von einem etwa 0'4 mm breiten Saume umgeben, der aus den Bestand- 
teilen des Granits besteht: Quarz und Plagioklas aber in isometrischen, 
sehr viel kleineren Körnern, Biotit in winzigen Schüppchen. Man wird 
den Saum als eine endogene Kontaktbildung auffassen müssen. 


Im Gegensatz zu den soeben beschriebenen Gesteinen sind die 
Quarzlagenphyllite, die die Hauptmasse des an den Granit 
grenzenden Schiefergesteines bilden, für eine Umwandlung durch Eruptiv- 
kontakt wenig geeignet. Zwischen Schabs und Aicha steht mit dem 


') Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellsch. 42 (1890), pag. 493. 


[23] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen, 69 


Andalusitglimmerfels ein Quarzit an, der durch Quarzlagen feinlamellare 
Struktur erhält. Graulichgrüne, chloritische. und serizitische Streifen 
geben ihnen deutliche Schichtung. Das Mikroskop enthüllt keinerlei 
Kontaktstruktur. Die Quarze sind undulös, an den Rändern verzahnt. 
Sonst bemerkt man noch reichlich Zirkon, etwas Magnetit, Turmalin 
und Apatit. Die Schichtung erzeugen dünne Muscovitblättehen, die mit 
Epidot und etwas Chlorit vergesellschaftet sind. Das Fehlen jedweder 
Kontakterscheinungen innerhalb eines Kontakthofes ist ja selbst an 
hierzu befähigten Gesteinen schon oft beobachtet worden und ist an 
derartigen Quarzitschiefern nicht verwunderlich. 

Andere Quarzite, die sehr reich an lichtrötlichem Feldspat sind 
und entweder massige oder lamellare Struktur besitzen, bilden nach 
den Aufzeichnungen Tellers an der gegen Bergler gerichteten Ab- 
dachung der Schulzspitz eine wahrscheinlich im Granitit nahe dessen 
Rande schwimmende Scholle. Diese Gesteine zeigen deutliche Spuren 
der Kontaktmetamorphose, indem der Quarz die aus Kontaktgesteinen 
bekannte mosaikähnliche Felderteilung angenommen hat. In ihm liegen 
vereinzelte eiförmige Biotitscheibchen. Die mit Quarz fast in gleicher 
Menge vorhandenen Feldspate (vorwiegend Orthoklas, nur wenig 
Plagioklas) sind auch strukturell unverändert geblieben. Aggregate 
kleiner Muscovitschüppchen machen den Eindruck, als ob sie aus einem 
Kontaktmineral hervorgegangen sein könnten, doch ist solches nicht 
mehr nachweisbar. Ähnliche feldspatreiche, aber sehrfeinkörnige Quarzite 
kommen als Einschlüsse in den diopsidhaltigen, basischen Schlieren 
von Franzensfeste vor. Hierin erkennt man schon mit bloßem Auge 
den Cordierit, das Mikroskop zeigt, daß diese Einschlüsse aber auch 
noch reich sowohl an tief dunkelgrünem als auch an ganz blaß grünem 
Spinell sind. Als färbender Gemengteil sind kleine, meist lappige 
Biotitschuppen reichlich vorhanden. Auch hier zeigt sich also 
wieder, daß Einschlüsse der metamorphosierenden 
Agenzien in erhöhtem Maße zugänglich sind. 


Am Nordrande der Masse, in der Gegend von Mauls, fehlt 
es völlig an kontaktmetamorphen Gesteinen. Kalkgrauwacken mit 
auffallend viel Titaneisen und Turmalin sowie kleinen Rutil- und 
Apatitnädelchen stehen hier an. Darin sind Einlagerungen eines kohl- 
schwarzen, von Harnischen und Druckflächen ganz durchzogenen eisen- 
kieshaltigen Gesteines, das einer mikroskopischen Untersuchung nicht 
zugänglich ist. Zwischen der Eruptivmasse und diesen Gesteinen, auf 
die sehr bald der Dactyloperenkalk folgt, streicht, wie Tellers Karte 
lehrt, eine Dislokation hindurch, an der das unmittelbare Hangende 
des Granits abgeschnitten wird. 

Weiter westlich an der Schellenbergalpe treten an den Granit- 
rand Zweiglimmerschiefer heran, die ebenfalls keine Spur einer Be- 
einflussung durch Eruptivkontakt erkennen lassen. Noch weiter östlich 
durchschneidet das Profil Rothpletz’ den Nordrand der Masse; auch 
hier fehlen Wirkungen einer Kontaktmetamorphose, so daß Rothpletz 
ebenfalls für das Vorhandensein eines Bruches eintritt ?). 


1) Querschnitt der Ostalpen, pag. 162. 


70 Dr. W. Petrascheck. [24] 


Anhang: Über den Myrmekit. 


Wiederholt stießen wir bei obigen Beschreibungen auf die als 
Myrmekit bekannte Verwachsung zwischen Plagioklas und Quarz. Als 
Gesteinsgemengteil ist der Myrmekit ohne besondere Bedeutung ge- 
wesen, so daß nicht des näheren auf ihn eingegangen wurde. Doch 
ließen sich, da er oft in sehr schöner Ausbildung vorlag, an ihm einige 
Beobachtungen machen, die für die Beurteilung) seiner Entstehung von 
Wert sind und die deshalb hier anhangsweise zusammengefaßt werden 
sollen. 

Die bisherigen Ansichten über die Entstehung des Myrmekits 
gehen weit auseinander. Sederholm!), der den Namen Myrmekit 
einführte, hält ihn für eine sekundäre, nach der vollständigen Ver- 
festigung des Gesteines entstandene Bildung. Er hält es für wahr- 
scheinlich, daß Myrmekit „nur metamorph, und zwar nur bei solchen 
Prozessen gebildet wurde, welche der Kontaktmetamorphose nahe 
stehen“. Für eine nachträgliche, mit der Verwitterung des Feldspats 
in Zusammenhang zu bringende Entstehung spricht sich Romberg?) 
aus. Eine Bildung aus in zertrümmerten Gesteinen zirkulierenden 
Lösungen ist Futterer?) das wahrscheinlichste. Frühzeitig schon 
lenkte Michel Levy?) die Aufmerksamkeit auf solche Quarzinfil- 
trationen, die er auf korrosive Wirkungen einer jüngeren Feldspat- 
und Quarzgeneration zurückführt. Er wandte dafür später die Be- 
zeichnung „quartz vermicul&e* an?) und fand, daß dieser als endomorphe 
Kontakterscheinung bei Graniten auftritt, woselbst er durch gleichzeitige 
Erstarrung von Quarz und Feldspat entstanden ist. Für ein solches, und 
zwar als letztes gleichzeitig mit dem Rande der Mikrolinkörner er- 
folgtes Erstarrungsprodukt tritt auch Becke®) ein. Popoff”) nimmt 
ebenfalls eine magnetische Entstehung derartiger Strukturformen, wie 
sie der Myrmekit bildet, an. Nach ihm ist der Quarz in flüssiger Form, 
als Tropfen, von dem kristallisierenden Feldspat umschlossen worden. 
Ebenso findet Bergt°) keine Veranlassung, den Myrmekit als eine 
spätere Bildung anzusehen. Für korrosive Wirkung des Quarzes auf 
den Feldspat entscheidet sich hingegen MeMahon?). 

Zweifellos sind es oft verschiedene, nur äußerlich ähnliche Er- 
scheinungen, die man bald als Granophyr oder Mikropegmatit, bald 
als quartz vermicule, bald als Myrmekit beschrieben hat, Erscheinungen, 


!) Über eine archäische Sedimentärformation im südwestlichen Finnland. 
Bull. de la commission g6ol. de la Finnlande No. 6, pag. 113. 

?) Petrographische Untersuchungen argentinischer Granite. Neues Jahrb. 
8. Beil.-Bd., pag. 314. 

®) Granitporphyr von der Griesscharte. Neues Jahrb. 9. Beil.-Bd., pag. 544. 

*) Divers modes de la structure des roches eruptives, Ann. des mines. VI. 
Ser., Bd. 8 (1875), pag. 396. 

°) Granite de Flamanville. Bull. du serv. de la carte geol. de la France 5. 
(1894), pag. 27. 

°%) Tonalit des Riesenferner, pag. 414. 

’) Über Rapakivi aus Südrußland. Trav. soc. imp. des Naturat. St. Peters- 
bourg 31 (1903), pag. 252. 

°) Zur Geologie des Coppename u. Nickerietales in Surinam. (Samml. d, geol, 
Reichsmuseums Leiden. 2. Ser., Bd. II, Heft 2., pag. 117 u. 139. 

®) Geo]. of. Gilgit. Quat. Journ. 56 (1900), pag. 366. 


[25] Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. FA 


die keineswegs immer derselben Entstehungsart sein müssen. Was 
Becke im Tonalit des Riesenferner als Mikropegmatit behandelt hat, 
ist mit unserem Myrmekit identisch. Die strenge Abhängigkeit von 
Kalifeldspat wurde schon oben hervorgehoben. Auch aus den Dar- 
stellungen Sederholms geht die Verbindung des Myrmekits mit dem 
Kalifeldspat hervor. Er tritt in Gestalt von Säumen oder Zapfen auf, 
die die Plagioklase umgeben oder diesen anhaften. Wird ein solcher 
Zapfen vom Kristall durch den Schliff abgeschnitten, so scheint er 
frei als Korn im Orthoklas zu liegen. Es kommt aber auch vor, daß 
kleine Myrmekitkörner, für welche die unmittelbare Verwachsung mit 
Plagioklas nicht wahrscheinlich ist, isoliert auftreten. Solche kleine, 
meist etwas länglich geformte Körner liegen hie und da an der Grenze 
von zwei Orthoklasen und man könnte sich wohl vorstellen, daß 
Lösungen, die zwischen die Orthoklaskörner eingedrungen sind, diese 
Myrmekitkörnchen hier abgesetzt haben. 

Nahezu immer war in unseren Präparaten Myrmekit dort vor- 
handen, wo Plagioklas mit Orthoklas in Berührung kam, so daß man 
den Eindruck bekommt, als sei der Myrmekit das Produkt einer Re- 
aktion des einen Minerals auf das andere. Wo aber ein Quarz oder 
ein anderer Plagioklas oder Biotit angrenzt, schneidet der Myrmekit- 
saum ab. Ein solches Beispiel für Quarz illustriert unsere Abbildung 
Taf. IV, Fig. 1. Eine Ausnahme von dieser Regel machten häufig nur 
die sauren Plagioklase, die im Orthoklas des Pegmatits lagen, sowie 
manche Plagioklase, die in basischen Ausscheidungen mit Orthoklas 
in Berührung kamen, indem hier die Myrmekitsäume gänzlich fehlen 
konnten. Dagegen ist die Erscheinung viel intensiver, d. h. die Myr- 
mekitsäume viel deutlicher und breiter, wenn der Orthoklas ein Mikro- 
perthit ist. Schon hieraus kann man schließen, daß Beziehungen zwischen 
den Perthitspindeln und dem Myrmekit bestehen. Dies wird aber durch 
manche optische und chemische Erscheinungen zur Gewißheit. 

Dem Myrmekit ist nicht ein Feldspat von ganz bestimmter Zu- 
sammensetzung eigentümlich. Nur das läßt sich sagen, daß sich stets 
die sauren Glieder der Plagioklasreihe an seiner Bildung beteiligen. 
Becke!) fand sauren sowohl wie basischen Oligoklas unter An- 
wendung seiner Methode durch Vergleich der Lichtbrechung mit der 
des Quarzes. Gerade für den Myrmekit ist diese Bestimmungsart sehr 
geeignet und oft anwendbar. Wir erhielten mit demselben in einem 
Falle in 

Parallelstellung Kreuzstellung 


>. 2 e>a, w>y 


was einem sauren, auf der Grenze zu Albit stehenden Oligoklas ent- 
spricht. Stets hat der Plagioklas des Myrmekits dieselbe Orientierung 
wie der Kristall, dem er aufsitzt, so daß man bei orientierten Durch- 
schnitten des letzteren in der Lage ist, auch den Feldspat des Myr- 
mekits zu bestimmen. Nicht selten kann man beobachten, daß sich die 
Zwillingslamellen des Plagioklases in den Myrmekit hinein fortsetzen, 
woselbst sie aber, weil viel saurer, oft entgegengesetzte Auslöschung 


ı) 1. c. pag. 412 


2 Dr. W. Petrascheck. r [26] 


zeigen. An Schnitten, die zu M und P senkrecht waren, erhielten wir 
in einem Falle eine Auslöschungsschiefe von 


— 13:50, d. i. 2%, An, 
in einem anderen Durchschnitte desselben Gesteines (analysierter Granit 
von Grasstein) 
im Myrmekit .«. . 2 —89 d. i. 10%, An 
im quarzfreien Saum . —15°%, d. i. 0%), An 


Ein Plagioklas desselben Gesteines, der zu M parallel getroffen 
war, gab folgende Werte: 


Kern... 2. en ae innen 
Hülle. -. +. 0. 9.2.0 2a el, 
Außenzone..........le. ne ed 1A 
Myrmekit +... 0... .0°. 222042209, 042 1.7240, An 
quarzfreier Saum ... +16%d.i. 6%, An 


In dem Pegmatit, dessen Plagioklas sehr sauer war, fehlen die 
Myrmekitsäume meist. An einem solchen wurden senkrecht zu M und P, 
wie oben bereits erwähnt, 


— 149, Wr AR 
beobachtet. 


Nicht selten wird man bemerken, daß die Albitspindeln des an- 
gsrenzenden Perthits mit dem Myrmekit oder dem quarzfreien Saum !) 
desselben gleich orientiert sind und zu gleicher Zeit auslöschen ; da 
sie auch dieselbe Zusammensetzung haben, liegt es nahe, sie als gleich- 
altrige Bildungen aufzufassen. An den soeben erwähnten, zu M paral- 
lelen Plagioklas grenzte ein Orthoklas, der ebenfalls zu M parallel 
getroffen war. Die Perthitspindeln in ihnen zeigten zu den Spaltrissen 
von F eine Auslöschung von 15°, gehören also zum selben Albit, wie 
der quarzfreie Saum. In dem Aplit zeigten ebenso geschnittene Perthit- 
spindeln + 16°, in dem Pegmatit + 190 Auslöschungsschiefe. Sie ge- 
hören also in letzterem reinem Albit an. 

Es ist aber auch wiederholt schon für den Perthit eine sekundäre 
Entstehung angenommen worden. Neuerlich hat sich Wenglein?) 
dafür eingesetzt, daß die perthitischen Albitlamellen erst nach Ver- 
festigung des Gesteines eingelagert wurden. Für die Perthite unserer 
Gesteine kann solches nicht angenommen werden, denn einmal zeigen 


!) Zwar scheint für die quarzfreien Säume der Name Myrmekit nicht mehr 
zu passen, weil ihnen die charakteristischen Quarzstengel fehlen. In der Art ihres 
Auftretens geben sie sich aber unzweifelhaft als ein Teil, und zwar als das jüngste 
Produkt der Myrmekitbildung zu erkennen. Gerade so wie die Quarzstengel im 
Myrmekit an einer Linie gleichzeitig mit einer Änderung der Auslöschungsschiefe 
des Plagioklases einsetzen, geradeso enden sie an einer Linie, jenseits deren dann 
ebenfalls sich ein rascher Wechsel der Auslöschungsschiefe vollzieht. In manchen 
basischen Ausscheidungen kam es sogar vor, daß nur der quarzfreie Saum vor- 
handen war, der sich aber in der ganzen Art seines Auftretens doch deutlich als 
Analogon des echten Myrmekits zu erkennen gab. 


2) Über Perthitfeldspate, Diss. Kiel 1903. 


wu 


[27] Über Gesteine der Brixner Masese und ihrer Randbildungen, N: 


die perthitführenden Gesteine oft nicht die geringste Beeinflussung 
durch Gebirgsdruck sowohl wie durch zirkulierende, Umsetzungen her- 
vorrufende Lösungen, dann aber ist die Perthitbildung oft eine so feine, 
daß sie unmöglich sekundärer Entstehung sein kann. Außer von den 
Perthitspindeln werden die Orthoklase nämlich noch von außerordentlich 
feinen und zarten, ganz geraden dünnen Albitlamellen, die an Zwillings- 
streifung erinnern, durchzogen. Wo dieselben von den Spindeln ge- 
schnitten werden, kann man beobachten, daß sie verblassen. Es ist 
ganz unmöglich, die feine Streifung, die der Orthoklas durch diese 
Lamellen erhält, auf Kontraktionsrisse oder durch Pressung erzeugte 
Spalten zurückzuführen !). Dahingegen kann man wohl annehmen, daß 
der Orthoklas die Fähigkeit hat, eine begrenzte Menge Albit und 
Anorthit zu lösen ?), die bei Erstarrung zur Ausscheidung kommt. Es 
ist sehr leicht begreiflich, daß sich diese Albit- und Anorthitsubstanz 
nicht nur in den perthitischen Spindeln und Lamellen, sondern auch 
auf den schon vorhandenen, mit dem Orthoklas in Berührung stehenden 
Plagioklaskristallen niederschlägt und mit letzteren, gerade so wie die 
ergänzende Kieselsäure in Sandsteinen, orientiert verwächst. Der Um- 
stand, daß bei basischen Kristallen der Plagioklas des Myrmekits nicht 
ebenfalls wesentlich basischer ist, daß vielmehr dann ein plötzlicher 
Umschlag in die saure Zone des Myrmekits eintritt, während in allen 
anderen Plagioklaszonen die Anderung sich langsamer und kontinuier- 
licher vollzieht, dieser Umstand scheint darauf hinzudeuten, daß sich 
der Myrmekit nicht in derselben Weise wie die anderen Zonen aus- 
geschieden hat. Könnte dem Orthoklas die Fähigkeit, neben Plagioklas- 
substanz auch noch Quarz zu lösen, zugesprochen werden, so könnte 
durch Ausfall der letzteren die Bildung der Quarzstengel erklärt werden. 
In diesem Falle aber sollte man vermuten, daß Myrmekit sich aus 
dem Orthoklas auch gegen Quarz hin, soweit solcher schon verfestigt 
war, ausgeschieden habe, wovon aber nichts zu bemerken ist. Eine 
chemische, von Abscheidungvon 8 O, begleitete Wechselwirkung zwischen 
Orthoklas und den kalkreichen Plagioklasen ist nicht denkbar, obgleich 
das mikroskopische Bild sehr zur Annahme einer solchen verleitet. Wir 
können uns demnach noch keine Vorstellung davon machen, wie der 
quarzstengelführende Myrmekit entstanden sein soll. Das letzte Er- 
starrungsprodukt kann dieses Quarz-Plagioklasgemisch nicht sein, da 
sich nach ihm noch aus dem Orthoklas der quarzfreie Albitsaum abge- 
schieden hat. Auf jeden Fall aber haltenwir den Myrmekit 
für eine primäre und magmatische Bildung. 

Die Quarzstengel des Myrmekits als einen „quartz de corrosion“ 


!) Es soll damit die Möglichkeit, daß Pertithe zuweilen auch sekundärer Ent- 
stehung sein können, nicht in Abrede gestellt werden. Die schon von Becke be- 
obachteten und auch oben erwähnten, während der Pressung entstandenen Albit- 
adern sprechen dafür, daß auch in Orthoklas nachträglich Albit infiltriert werden 
kann. Die Albittrümmer können sich in manchen Pressungszonen so häufen, daß 
sie, wie in einem Falle zu beobachten war, die ursprüngliche Substanz eines Ab- 
schnittes von einem Plagioklaskorn ganz verdrängen können. Ein zwillingsgestreifter 
Plagioklas wurde von einem dichten Netzwerk albitischer Trümmer durchsetzt, 
dessen zentraler Teil aus einheitlicher Albitsubstanz bestand. 


?) Vgl. Vogt: Die Silikatschmetzen. I, pag. 155. 
Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (W. Petrascheck.) 10 


74 Dr. W. Petrascheck. [28] 


aufzufassen, der, wie Baur!) ausführt, eingreifen muß, wenn der 
Feldspat, wie es unter bestimmten Voraussetzungen der Fall ist, be- 
standesunfähig wird, ist nicht angängig, weil die Einfügung der quarz- 
führenden Zone in die Zonenstruktur der Plagioklase und ebenso der 
Umstand, daß dem Myrmekit ganz bestimmte, nämlich saure Plagio- 
klase eigentümlich sind, sich damit nicht in Einklang bringen lassen. 
Auch ist die Wirkung der Korrosion, wie zum Beispiel die Quarze 
von Porphyren zeigen, eine ganz andere. Sie führt nicht zur Heraus- 
bildung so feiner, annähernd parallel gestellter oder, was in dem 
Zapfen der Fall ist, divergierender Kanäle, wie sie so häufig im Myr- 
mekit zu beobachten sind. 

Ebenso können wir den Myrmekit nicht, wie Futterer wollte, 
als eine Ausfüllung von bei der Kataklase entstehenden Hohlräumen 
betrachten. Es spricht dagegen nicht nur die Art des Auftretens in 
Säumen und Zapfen zwischen Plagioklas und Orthoklas, sondern auch 
die völlige Unabhängigkeit der Myrmekitbildung von der Pressung. 
In ganz oder fast ganz von Gebirgsdruck verschont gebliebenen Ge- 
steinen beobachteten wir reichlich Myrmekit, in den stark veränderten 
Tonalitgneisen fehlte er dagegen. 

Tropfenförmige, massigere Quarzeinschlüsse oder solche, wie wir 
sie oben aus den porphyrischen Plagioklaseinsprenglingen des Tonalit- 
gneises vom Rabenstein erwähnt haben und wie sie auch unsere Ab- 
bildung Taf. IV, Fig. 5 erkennen läßt, ließen sich eher auf Korrosion 
zurückführen. Die zonare Anordnung dieser letzteren Quarztropfen 
und Stengel aber deutet wieder darauf hin, daß sie während des Wachs- 
tumes des Kristalls entstandene Quarzeinschlüsse sind, die sehr wohl 
in flüssigem Zustande eingehüllt worden sein können. Ihre por- 
phyrischen Plagioklase haben einen sauren Kern, der korrodiert worden 
ist, worauf sich erst eine basischere Hülle um ihn gelegt hat. Es ist 
aber der Kieselsäuregehalt der anorthitreichen Oligoklase geringer als 
der der albitreichen. Deshalb ist es wohl denkbar, daß ein Magma, das 
erst saure Plagioklase ausscheidet und später basische, mit diesen 
zugleich freie Kieselsäure zur Abscheidung bringt. Auf jeden Fall 
halten wir es für wahrscheinlich, daß äußerlich dem Myrmekit ähnliche 
Gebilde auf verschiedene Entstehungsursachen zurückzuführen sein 
können, weshalb es zur Vermeidung von Verwechslungen nötig ist, 
sie nach ihrem Auftreten genau zu scheiden. 


!) Chemische Kosmographie, pag. 83. 


Einige neue Fossilienfundorte in der 
ostböhmischen Kreideformation. 


Von Jaroslav J. Jahn. 


Während meiner Aufnahmsarbeiten im Gebiete der ostböhmischen 
Kreideformation habe ich zahlreiche neue Fossilienfundorte entdeckt, 
von denen ich einige wichtigere in den vorliegenden Zeilen be- 
sprechen will. 


Ich bemerke gleich hier, daß ich nur einen Teil der weiter 
unten angeführten Fossilien selbst bestimmt habe; ein Teil der Be- 
stimmungen rührt vom Herrn Dr. W. Petrascheck, ein anderer 
vom Herrn J. V. Zelfzko her. 


Den beiden Herren zolle ich für die freundliche Bestimmung 
der Kreidefossilien aus meinem Aufnahmsgebiete meinen verbind- 
lichsten Dank. 


I. Cenoman. 


Im Gebiete des Kartenblattes Reichenau—Tynist (Zone 5, 
Kol. XIV), südlich von der von K. Hinterlechner beschriebenen 
archäischen Insel von Pottenstein !), treten zwischen Cuclava und 
Cerny les cenomane Schichten zutage. Sie sind bei Häjek in großen 
Steinbrüchen aufgeschlossen, in denen der cenomane Quader zu 
Bau- und Steinmetzzwecken gewonnen wird. 


Dieses Vorkommen von Öenoman ist auf der alten Karte nicht 
ausgeschieden. Auch in den Erläuterungen zu dieser alten Karte ?) 
wird dieses Cenoman mit keinem Worte erwähnt. 


Die cenomanen Schichten bestehen in diesem Gebiete aus grob- 
bis feinkörnigen Quarzkonglomeraten, die stellenweise eisenschüssig 
sind, aus weißen und gelblichen Quadersandsteinen, hauptsächlich 
aber aus grob- bis feinkörnigen, zumeist dunkelgrünen, glaukonitischen 
Sandsteinen. 


!) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1900, Bd. 50; Verhandl. 1901, pax. 139. 
?) Jahrb. d. k. k. geol. R-A. 1863, Bid. XIII, pag. 452 ft. 


Jahrbuch d. k. k. gceol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Weit. (J. J. Jahn.) 14* 


—] 
(er) 


Jaroslav J. Jahn. [2] 


In den Steinbrüchen bei Häjek bilden in der Tiefe von 15 m 
das Liegende der besprochenen Quadersandsteine dunkelgraue Letten 
und Tone mit unbestimmbaren, zum Teil verkohlten Pflanzenresten, 
schwachen Lignitschmitzen und Suceinit (Perucer Schichten). Diese 
Lignitvorkommnisse haben in der dortigen Gegend wiederholt zu 
selbstverständlich aussichtslosen Schürfungen nach Kohle Veranlassung 
gegeben (so zum Beispiel bei Prorub, bei Vrbice u. a. m.). 


Auf den Kluftwänden der Quadersandsteine bei Häjek finden 
sich öfters Quarzkristalle, Kalksinter und tropfsteinartige Gebilde, 
im Sandsteine selbst zahlreiche knollige bis kugelige Pyrit- und 
Limonitkonkretionen, mitunter konzentrischschalige, gelblichbraune 
Limonitkonkretionen, auch Pseudomorphosen von Brauneisenstein nach 
Pyrit (Hexaeder). 

Der feinkörnige, helle, gelbliche Quadersandstein zeigt an einer 
Stelle kugelige Absonderung, die Kugeln am Querbruch sehr scharfe, 
regelmäßige, konzentrische Entfärbungsringe. 


Der Glaukonitsandstein von Häjek enthält zahlreiche Fossilien 
der Korycaner Schichten. Der Verwalter dieser Steinbrüche, unser 
Korrespondent Herr Förster Jos. Ed. Kny in Häjek, der sich als 
eifriger und sachkundiger Sammler dieser Fossilien erwiesen, hat 
sowohl der k. k. geol. R.-A. als auch der k. k. böhmischen technischen 
Hochschule in Brünn große Mengen von Versteinerungen nicht nur 
aus dem Glaukonitquader von Häjek, sondern auch aus dem Pläner 
der dortigen Gegend gewidmet. 


Fossilien aus dem Glaukonitsandstein von Häjek. 


Polyptychodon. — Fragment einer Mandibula (25 cm lang, 10 cm breit) 
und vier andere näher nicht bestimmbare Knochenbruchstücke 
(nach gefälliger Bestimmung des Herrn Prof. Dr. Fr. Bayer). 


Lima simplex dOrb. — 1 Exemplar. 
„.  carinata. — 1 Exemplar. 
„  aspera Gein. — 1 Exemplar. 
„sp. — Mehrere nicht näher bestimmbare Steinkerne. 
Pecten undulatus Nils. — 1 Exemplar. 
„ laminosus Mant. — 1 Exemplar. 
„ orbieularis d’Orb. — 1 Exemplar. 
„ lamellosus. — Mehrere Exemplare. 
»„ elongatus Lamk. — Sehr häufig. 
R multicostatus Nilss.? — 1 Exemplar. 
h Gallinei d’Orb. — Mehrere Exemplare. 
„.  acuminatus Gein. — 1 Exemplar. 
„sp. — Zahlreiche nicht näher bestimmbare Steinkerne, mehreren 
Arten angehörig. 
Janira (Vola) aequicostata Lamk. sp. — Das häufigste Fossil bei Häjek. 
R „.  quadricostata Sow. — 2 Exemplare. 
h „. quinquecostata Sow. sp. — 1 Exemplar. 


€ » praseola Lamk. sp. — Sehr häufig. 


[3] Einige neue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. 1 


Spondylus hystrie Goldf. — Mehrere Exemplare. 


Pectuneulus ventruosus Gein. — Häufig. 
Inoceramus bohemicus Petr, — Sehr häufig. 
£ labiatus Gein. — 2 Exemplare. 
a cf. striatus Mant. — Mehrere Exemplare, von Inoe. 


bohemicus sicher verschieden. 
Modiola siligua Math. — 2 Exemplare. 
Pholas sclerotites Gein. — Bohrkerne, sehr häufig; zwei Pflanzenreste 
(50 und 60 cm lang), bedeckt mit Bohrkernen von Pholas. 
Crassatella sp. — 1 Exemplar. 
Eriphyla (Lucina) lentieularıs Sow. — Mehrere Exemplare. 
Exogyra columba Lam. — Häufig. 
2 sp. — 1 Exemplar. 
3 haliotoidea Sow. — Häufig. 
% conica Nilss. — Häufig. 
Alectryonia carinata Lamk. — Häufig. 
Ostrea hippopodium Sow. — Häufig. 
4 sp. — Mehrere Exemplare. 
Ichynchonella compressa Lamk. — Häufig. 
Oribrospongia subreticulata Münst. sp. — 2 Exemplare. 
Spongites saxonicus Gein. — Häufig. 
Unbestimmbarer Seeigel. 
Verkohltes Holz. — Häufig. 
Ein Baumstamm, 30 cm lang, 10 cm breit. 


Das Hangende von dem soeben besprochenen Glaukonitsandstein 
bei Häjek bildet ein lichtgrauer, dickbankiger Pläner (sehr kalkhaltig); 
darauf liegt ein glaukonitischer lichtgrauer Pläner (mit wenig (a CO ;) 
mit zahlreichen /noceramus labiatus Gein. 


Am Hügel Chlum?!), westlich Homole, nördlich Jung-Koldin, 
westlich von Häjek, fand Herr Förster Kny in dem dortigen festen, 
lichtgrauen Plänersandstein der Weißenberger Stufe folgende Fossilien: 


Nautilus sublaevigatus d’Orb. — Ein riesiges Exemplar. 
Lima canalifera Goldf. — Mehrere Exemplare. 
»„  Multicostata Gein. var. laticostata. — Mehrere Exemplare. 
„  multicostata Gein. — Mehrere Exemplare. 
Pecten curvatus Gein. — 1 Exemplar. 
Inoceramus Brongniarti Park. — Mehrere große Exemplare. 
n labiatus Gein. — Mehrere sehr große Exemplare. 


Große Steinbrüche in dem cenomanen Glaukonitsandstein be- 
finden sich unweit von dem bisher besprochenen Gebiete nordöstlich 
von Pottenstein in der Waldschlucht „V dolich“. In diesen Sandstein- 
brüchen ?) fand ich zahlreiche Alectryonia carinata, Pecten asper, 


ı) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1863, XIII. Bd., pag. 460. 


2) K.M. Paul nennt diese Steinbrüche in seiner Arbeit im Jahrbuch 1863, 
Bd. XIII, „Steinbrüche von Merklovie“ (pag. 452, 454). 


78 Jaroslav J. Jahn. (4 


Exogyra columba, Kriechspuren von Würmern, Spongites saxonicus, 
einige Schlangensterne, Trocknungsrisse, dann auffallend zahlreiche 
srüne Algenreste, nach freundlicher Bestimmung des Herrn Dr. Edv. 
Bayer: Chondrites n. sp. (erinnert an Chondrites caespitosus Fisch. 
aus dem Eocän und an Chondrites flabellaris Sap. aus dem Liassand- 
stein) und Chondrites n. sp. (verwandt mit Chondrites affinis Sternb. sp. 
aus dem Flysch, mit Chondrites serpentinus Heer aus dem Neocom und 
der oberen Kreide, zum Teil mit Zuwcoides latifrons Heer aus der 
oberen Kreide). Einige von diesen Fossilien hat Herr Lehrer Heinr. 
Stahl in Vamberg gefunden. 

Auch in diesen Steinbrüchen befinden sich im Liegenden der 
Glaukonitsandsteine sowie im Sandstein selbst 2—3 mm mächtige 
Lignitflözchen mit Suceinit. 


II. Iserschichten. 


In seiner Monographie der Iserschichten beschreibt A. Fritsch 
(= Fri@) aus den Iserschichten von Lhota Zäfeckä bei Chotzen Vogel- 
reste Ornithochirus (Cretornis) Hlavddi Frie sp. (l. c. Fig. 45 a—f.) 

Während meiner Aufnahmsarbeiten in der Umgebung von Chotzen 
habe ich wiederholt die großen, Herrn Tiehy aus Neustadt a./M. 
gehörigen Plänerbrüche östlich von dem dortigen Eisenbahntunnel 
besucht und dabei einigemal auf den dortigen Schutt- und Abraum- 
halden Ornithochirus-Reste gefunden, im ganzen neun Fragmente im 
festen, blaulichgrauen Plänerkalk. 

Herr Prof. Dr. Fr. Bayer hat unter diesen Ornithochirus-Resten 
unterschieden: Zwei Fragmente von Ulna, Flügel- (Finger) Knochen, 
zwei Exemplare von Femur, ein Sternum, Fragment eines Flügels 
und des dazugehörigen Schulterblattkreises und zwei unbestimmbare 
Knochenfragmente. 

Auch in den bekannten Steinbrüchen bei Vinar!) fand ich eine 
Ulna von Ornithochirus Hlavdaki. 

Sämtliche hier angeführten Ornithochirus-Reste sind in den Samm- 
lungen der k. k. geol. R.-A. deponiert. Einige Knochenreste, die ich 
anläßlich einer Exkursion mit meinen Hörern in demselben Stein- 
bruche bei Chotzen gefunden habe, befinden sich in den Sammlungen 
der k. k. böhmischen technischen Hochschule in Brünn. 


III. Priesener Schichten. 


Im Bereiche der Priesener Schichten entdeckte ich während 
meiner Aufnahmsarbeiten zahlreiche neue Fossilienfundorte. 

Im Gebiete des Kartenblattes Reichenau-Tynist kommen an 
mehreren Stellen auch verkieste Fossilien vor, wie ich sie seinerzeit 
aus der Umgebung von Pardubitz und Holie beschrieben habe ?). 


!) Fri (Fritsch), Iserschichten, Fig. 40. 
?) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1895, Bd. 45, pag. 158 ff. 


[5] Einige veue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. 79 


Bei dem an der von Zämrsk nach Holie ‚führenden Straße ge- 
legenen Wirtshause östlich Tynisko, westlich 253, werden die Mergel 
der Priesener Stufe in einer Grube als „Düngungsmaterial“ für die 
benachbarten sandigen Felder gewonnen. 

Auf den abgeregneten Wänden dieser Mergelgrube fand ich 
folgende, zumeist verkieste, gelbe, zum Teil goldglänzende Fossilien: 


Scaphites Geinitzi d’Orb. — Häufig. 

Baculites Faujassi var. bohemica Fr. — Häufig. 
Helicoceras Reussianum Gein. — 1 Exemplar. 
Turritella acicularis Rss. — 1 Exemplar. 
Trochus amatus d’Orb. — Häufig. 

r sp. — Zahlreiche Steinkerne. 
Cerithium binodosum Röm. — 1 Exemplar. 

; sp. — Zahlreiche Steinkerne. 

Mitra Römeri d’Orb. — Häufig. 
Nucula pectinata Sow. — Häufig. 

„. .semilunaris v. Buch. — 1 Exemplar. 
Ostrea sp. — Viele Fragmente (kalkig). 
Gastrochaena amphisbaena Gein. — 2 Exemplare (kalkig). 
Zahlreiche verkieste Steinkerne von Bivalven. 
Parasmilia centralis Mant. sp. — 2 Exemplare. 

h sp. — 1 Exemplar. 
thizopoterion cervicorne Goldf. — Häufig. 
Oraticularia vulgata Poc. — Häufig. 
Viele unbestimmbare Spongien. 


Ein anderer Fundort von gleicherhaltenen Fossilien befindet sich 
zwischen den Ortschaften Vysoka und Ostretin östlich von der Straße. 
Es ist dies wiederum eine Mergelgrube mit abgeregneten Wänden, auf 
denen ich folgende Fossilien fand: 


Trochus Engelhardti Gein. — Häufig. 
amatus d’Orb. — Häufig. 


”» 


Ostrea hippopodium Nilss. — 1 Exemplar. 

Oidaris subvesiculosa d’Orb. — Häufige Schalenbruch- 
stücke und Stacheln. 

Rhizopoterion cervicorne Goldf. — Häufig. 


Oratieularia vulgata Pod.” — Häufig. 


Zwischen den Städten Sezemie und Holic zieht sich in OW- 
Richtung eine Anhöhe, deren Unterlage aus Priesener Schichten be- 
steht, die aber oberflächlich mit mitunter mächtigen Diluvialablagerungen 
(Sand und Schotter) bedeckt sind. 

Bei Podtäple westlich Sezemie schneidet sich in den westlichen 
Rand dieser Anhöhe die Elbe ein. Der Einschnitt besteht aus einer 


80 Jaroslav J. Jahn. [6] 


hohen, steilen, mitunter fast senkrechten Uferlehne, die sich am linken 
Ufer der Elbe von PodÖäple bis Lukovna hinzieht. 


In dieser Uferlehne sind die Priesener Schichten sehr gut auf- 
geschlossen. Sie bestehen hier ähnlich wie bei Srnojedy !) im unteren 
Niveau aus dünnplattigem, fast schiefrigem, dunkelgrauem Pläner, im 
oberen Niveau aus grauem und gelblichem Mergel und Tonmergel. 
Das untere schiefrige Gestein enthält nur wenig Fossilien und die- 
selben sind von dem durchsickernden Elbewasser erweicht und halb 
zerstört. Ein Exemplar von Micraster de Lorioli Nov., einige schlecht 
erhaltene Inoceramen und Nucula fand ich in diesem schiefrigen Ge- 
steine. 


Dafür stellen aber die abgeregneten Flächen des oberen Teiles 
der Uferlehne einen ungemein reichhaltigen Fundort von Priesener 
Fossilien vor. 


Herr Anton Sluga, Lehrer in Kunetie, den ich auf diese Fossilien 
aufmerksam gemacht habe, hat auf dieser Uferlehne zwischen Pod- 
cäple und Lukovna Tausende von ausgewitterten, zumeist in Schwefel- 
kies umgewandelten Fossilien gesammelt. 


Unter den von mir und meinem Freunde Sluga bei Podcäple 
und Lukovna gefundenen Fossilien habe ich bisher folgende Arten be- 
obachtet: 


Ptychodus latissimus Ag. — 1 Zahn. 
Chimaera sp.? — Fragment eines Stachels. 
Nautilus Reussi Fr. — 1 Exemplar. 
Baculites sp. — Häufig. 
Hamites sp. — Mehrere Steinkerne. 

: bohemicus Fr. — Mehrere Exemplare. 
Turritella multistriata Rss. — Häufig. 
Scala sp. Fri@ Priesener Schichten Fig. 65. — 1 Exemplar. 
Natica vulgaris Rss. — Häufig. 
Turbo Buchi Goldf. sp. — Häufig. 

„.  ‚subinflatus Rss. — Selten. 

„ decemcostatus Rss. — Häufig. 


Trochus amatus d’Orb. — Sehr häufig. 
R Engelhardti Gein. — Sehr häufig. 


e sp. — Zahlreiche Steinkerne, mehrere Arten. 

Rissoa cf. Reussi Gein. — Steinkerne. 
Pleurotomaria baculitarum Gein. — 1 Exemplar. 
Fusus sp. — 1 Exemplar. 
Oerithium Luzicianum Gein. — Häufig. 

x Fasciatum Rss. — Selten. 

‘ subfasciatum d’Orb. — Häufig. 

5 binodosum Röm. — Selten. 

h pseudoclathratum d’Orb. — Häufig. 

r Dupinianum d’Orb. — Selten. 


!) Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1895, Bd. 45, pag. 158. 


[7] Einige neue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. 81 


Cerithium provinciale d’Orb. — 1 Exemplar. 
sp. — Zahlreiche Steinkerne. 

Mitra Römeri d’Orb. — Sehr häufig. 

„ elathrata Rss. — Selten. 
Actaeon ovum Duj. — Selten. 
Trochactaeon sp. — Mehrere Exemplare. 
Dentalium medium Sow. — Häufig. 

3 ellipticum Sow. — Selten. 

Zahlreiche unbestimmbare Gastropodensteinkerne. 
Nucula semilunaris v. Buch. — Häufig. 

»  peetinata Sow. — Sehr häufig. 
Arca (Cueullaea) undulata Rss. — 1 Exemplar. 
Gastrochaena amphisbaena Gein. — Mehrere Exemplare. 
Venus laminosa Rss. — Selten. 

„  pentagona Rss. — Selten. 
Plicatula nodosa Duj. — Mehrere Exemplare. 
Perna sp. — 1 Exemplar. 
Inoceramus planus v. Münst. — Selten. 

A sp. — Sehr zahlreiche Schalen und Schloßbruchstücke. 

Exogyra lateralis Rss. — Mehrere Exemplare. 
Ostrea proteus Rss. — 1 Exemplar. 

»„ .5p. — Zahlreiche Schalenbruchstücke von größeren Austern. 
Zahlreiche unbestimmbare Steinkerne von Bivalven. 
Terebratulina chrysalis Schl. — Selten. 

Serpula gordialis Schl. — Mehrere Exemplare. 
» sp. — Mehrere Exemplare. 
Oidaris sceptrifera Mant. — Häufig (Stacheln). 

„ subvesiculosa d’Orb. — Sehr häufig (Stacheln und Schalen- 

bruchstücke.) 

Cidaris sp. — Schalenbruchstücke. 
Micraster de Lorioli Nov. — Mehrere Schalenbruchstücke. 
2 cor testudinarium Goldf. sp. — Mehrere Schalenbruchstücke. 
Hemiaster depressus Nov. — 2 Schalenbruchstücke. 
Parasmilia centralis Mant. — Häufig. 
5 cf.. @uillieri de Fr. — 1 Exemplar. 
E n. sp. — 1 Exemplar. 
Trochosmilia compressa Lamk. sp. — Häufig. 
Micrabacia coronula Goldf. — Selten. 
Trochocyathus Harweyanus M. Edw. et Haime. — Selten. 
E conulus Phil. sp. — Sehr häufig. 
R n. sp. -— 1 Exemplar. 
Craticularia vulgata Pod. — Sehr häufig. 
subseriata Röm. sp. — Häufig. 
sp. — 1 Exemplar. 


n 


” 


Pleurostoma bohemicum Zitt. — Häufig. 
h scyphus Pod. — Häufig. 
2 sp. — Häufig. 
a sp. — Mehrere Exemplare. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (J. J. Jahn.) 11 


82 Jaroslav J. Jahn. [8] 


"entriculites marginatus Poec. — Häufig. 
2 radiatus Mant. — Häufig. 
‚ sp. — 1 Exemplar. 
Plocoscyphia pertusa Gein. — Häufig. 
e sp. — Häufig. 


Scyphia pedunculata Rss. — Häufig. 
Rhizopoterion cervicorne Goldf. sp. — Sehr häufig. 
Corynella sp. — Sehr häufig, verkiest. 

: n.? sp. — Mehrere vollständige Exemplare. 
Elasmostoma sp. — Häufig. 
Zahlreiche verschiedene, unbestimmbare Spongien. 


Ein ähnliches Vorkommen von ausgewitterten, verkiesten Fossilien 
der Priesener Stufe fand ich bei $achov, östlich Borohrädek (Karten- 
blatt Reicheuau—Tynist, Zone 5, Kol. XIV). 


Trochus amatus d’Orb. — Häufig. 
Zahlreiche Gastropodensteinkerne (Mitra sp., Trochus sp., Cerithium sp., 
Natica sp., Scalaria sp.). 


Nucula semilunaris v. Buch. — Häufig. 
Zahlreiche Bivalvenbruchstücke. 

Cidaris subvesiculosa d’Orb. — Stacheln. 
Parasmilia centralis Mant. — Mehrere Exemplare. 
Ventriculites radiatus Mant. — Häufig. 


Rhizopoterion cervicorne Goldf. sp. — Häufig. 
Unbestimmbare Spongien in großer Menge. 
Sequoia Reichenbachi Gein. sp. -— In lichtgrauem Mergel. 


Zahlreiche Fossilien der Priesener Stufe enthält auch der Pläner- 
mergel bei Dobrenic (Kartenblatt Zone 5, Kol. XIII, Pardubitz, Elbe- 
teinitz-NeubydZov). 

Das hiesige Gestein besteht aus einem weichen, gelblichgrauen 
bis dunkelgrauen, bläulichen Plänermergel, in den, namentlich in 
seinen oberen Lagen, zahlreiche ockergelbe Knollen eingelagert sind. 
Diese Knollen sind regelmäßig kugelig bis unregelmäßig knollig, klein 
bis über 20 cm im Durchmesser, haben konzentrisch schalige Struktur, 
im Innern sind sie gefaltet. Die äußeren ockergelben Schichten be- 
stehen aus Sphärosiderit, im Innern sind manchmal die Flächen dieser 
Schichten mit reinem, mitunter kristallisiertem Siderit bedeckt. Der 
Kern dieser Knollen besteht oft noch aus reinem Siderit. 

Solche Sphärosideritknollen sind für die höheren Lagen der 
Priesener Schichten sehr bezeichnend. Ich fand sie in großer Menge 
bei Bezdekov, Osice, westlich Rohoznice, Oujezdec, nördlich Ostretin, 
Dolni Redice, Casy etc. In Ostböhmen enthalten diese Sphärosiderit- 
knollen nur selten Fossilien (bei Casy), während sie im westlichen 
Böhmen, zum Beispiel bei Priesen, zahlreiche, sehr schön erhaltene 
Fossilien führen !). 


!) Fri& (= Fritsch), Monographie der Priesener Schichten, pag. 17. 


[9] Einige neue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. 83 


Der besagte Plänermergel von Dobrenie ist südlich Michnovka, 
nordwestlich Präv, in einer Mergelgrube aufgeschlossen, welche folgende 
Fossilien geliefert hat: 


Baculites sp. 
Turritella multistriata Rss. 
Scala decorata Gein. 
Trochus Engelhardti Gein. 
Dentalium medium Sow. 

B glabrum Gein. 
Nucula transiens Fr. 

„..  semilunaris v. Buch. 
Avicula pectinoides Rss. 
Inoceramus Brongniarti Park. 

: labiatus Gein. 

a latus Mant. 
Holaster placenta? Ag. 
Hemiaster sp. 


Zahlreiche Fossilien enthält ferner der Plänermergel in der 
Umgebung von Zäravice nördlich Pielous, namentlich im Tälchen 
zwischen Zäravice und VoleC. Anläßlich meiner Aufnahmstouren fand 
ich in diesem Tälchen: 


Osmeroides Lewesiensis Ag. (Schuppen) 
Nucula semilunaris v. Buch. 
Inoceramus Brongniarti Park. 
Inoceramus sp. (cf. Cuvieri Sow.) 
Terebratulina chrysalis Schloth. 


Nebstdem sandte mir Herr Direktor J. V. Divis Ritter v. 
Cistecky aus Prelouö noch folgende Fossilien von Zaravice: 


Oladocyclus Strehlensis Gein. 
Hamites cf. bohemicus Fritsch. 
Östrea proteus Rss. 
Inoceramus hercynicus Petr. 

R latus Mant. 
Terebratulina gracilis Schloth. 
Micraster de Lorioli Nov. 
Sequoia Reichenbachi Gein. sp. 
Zahlreiche Foraminiferen. 


Sämtliche Fossilien befinden sich in einem hellgrauen, ziemlich 
festen Plänermergel. 
11* 


84 Jaroslav J. Jahn. [10] 


In der Mergelgrube im Walde nordöstlich von der Straße zwischen 
Kosofin und Chotzen (Kote 856), welchen Fundort ich im Jahrb. d. 
k. k. geol. R.-A. 1895, Bd. 45, pag. 181 beschrieben habe, fand ich 
neuerlich außer den 1. c. bereits angeführten Fossilien noch folgende 
Arten: | 

Scaphites Geinitzi var. Lamberti Gross. 


Baculites Faujassi var. bohemica Fr, 
Hamites bohemicus Fr. 
Helicoceras Reussianum ein. 
Aptychus 
Scala decorata Gein. 
Trochus Engelhardti Gein. 
Cerithium provinciale d’Orb. 
Dentalium glabrum Gein. 
Astarte nana Rss. 
Nucula ovata Mant. 

: transiens Fr. 
Leda siligqua Rss. 
Arca undulata Rss. 
Venus laminosa Riss. 
Inoceramus latus Mant. 

ß Cuvieri Som. 

Pollieipes sp. 
Holaster placenta Ag. 


Zum Schluß will ich noch einige Nachträge zu den Fossillisten 
der von mir bereits anderenorts beschriebenen Fundorte im Gebiete 
der Priesener Schichten in der Umgebung von Pardubitz 
mitteilen. 


Fundort Srnojedy westlich Pardubitz. Jahrb. d. k. k. geol. 
R.-A. 1895, Bd. 45, pag. 158): 

Scala decorata Gein. 

Natica Gentii Sow. 

Rissoa Reussi Gein. 

Actaeon ovum Du). 

Trochocyathus conulus Phil. sp. 

Plocoscyphia sp. 


Fundort Nemosicer Lehne südöstlich Pardubitz, ibid. pag. 167: 


Mehrere Fischzähne. 
Arca undulata Rss. 


2 J.V. Zelizko, Sitzungsberichte der königl. böhmischen Gesellschaft der 
Wissenschaften 1599, Nr. XVIIT. 


[11] Einige neue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. 85 


Aviculu pectinoides Rss. 
Inoceramus labiatus Gein. 
Anomia subtruncata Gein. 


Fundorte in der Umgebung von Holic nordöstlich Pardubitz, 
ibid. pag. 163. 

In meiner zitierten Arbeit habe ich erwähnt, daß verkieste 
Fossilien der Priesener Stufe beim Holicer Friedhofe, an den Bachufern 
in der Stadt selbst und auf zwei Stellen nördlich Holie (westlich 
Koudelka und „Na kamencfch“) vorkommen und habe auch die Liste 
der an den zwei letztgenannten Stellen gefundenen Fossilien ver- 
öffentlicht. 

Während meiner Aufnahmstouren in der Umgebung von Holic 
habe ich mich überzeugt, daß verkieste Priesener Fossilien nicht nur 
an den genannten vier Stellen, sondern noch an mehreren anderen 
Orten reichlich vorkommen und daß auch unverkieste Fossilien in 
dem dortigen Pläner und Plänermergel an mehreren Stellen leicht zu 
finden sind. 

Namentlich in den großen Ziegeleien Häjeks und Rychliks 
südlich vom östlichen Ende der Stadt Holic, am Fuße der bewaldeten 
Anhöhe „Na hradefch‘“, fand ich zahlreiche verkieste Fossilien. Der 
Mergel der Priesener Stufe wird nämlich auch hier sowie „Na 
kameneich* (l. e. pag. 164) der Zersetzungswirkung der Luft und 
des Regens ausgesetzt, aus dem erweichten und aufgelösten Mergel 
werden dann Ziegel fabriziert. Wenn nun Halden dieses Mergels 
längere Zeit hindurch dem Regen ausgesetzt gewesen waren, findet 
man auf ihren abgeregneten Flächen die ausgefallenen Priesener 
Fossilien in großen Mengen. 


Ich fand in diesen Ziegeleien folgende Fossilien: 


Lamna subulata Ag. (Zähne). — Selten. 
Otodus appendiculatus Ag. (Coprolith). — 3 Exemplare. 
Helicoceras Reussianum Gein. — Selten. 
Hamites bohemicus Frid, — Selten. 
Baculites sp. ind. — Selten. 
Turritella acicularis Rss. — Selten. 
5 sp. Fri Priesener Schichten, pag. 82, Fig. 65. — 
1 Exemplar. 


Scala decorata Gein. — Selten. 
Natica Gentii Sow. — Selten. 
» vulgaris Rss. — Sehr häufig. 
Turbo decemcostatus v. Buch. — Sehr häufig. 


„ subıinflatus Rss. 
” Sp. 
Trochus amatus d’Orb. — Sehr häufig. 
a Enngelhardti Gein. — Sehr häufig. 


; sp. — Steinkerne, sehr häufig. 
Rissoa Reussi Gein. — Sehr häufig. 
»„ sp. — Zahlreiche Steinkerne. 


Aporrhais megaloptera Rss. sp. — Selten. 


86 Jaroslav J. Jahn. [12] 


Fusus depaupertatus Rss. — Selten. 
Tritonium sp. — Sehr häufig. 
Cerithium LuZicianum Gein. — Häufig. 
+ fasciatum Rss. — Häufig. 
n binodosum Röm. — Selten. 
” pseudoclathratum d’Orb. — Sehr häufig. 
Voluta Roemeri Gein. — Häufig. 


Mitra Roemeri d’Orb. — Sehr häufig. 
„. clathrata Rss. — Sehr häufig. 
Actaeon ovum Duj. — Sehr häufig. 


Dentalium medium Sow. — Sehr häufig. 
5 glabrum Gein. — Selten. 
P sp. — Zahlreiche Steinkerne. 


Zahlreiche unbestimmbare Gastropodensteinkerne. 
Cardita tenuicosta d’Orb. — Häufig. 
Nucula pectinata Sow. — Sehr häufig. 
„  semäilunaris v. Buch. — Sehr häufig. 
Plicatula nodosa Duj. — Selten. 
Venus parva Sow. — 1 Exemplar. 
„ sp. — 1 Exemplar. 
Inoceramus Brongniarti Park. — Einige Exemplare im Gestein. 
sp. — Sehr häufig, Schalen und Schloßfragmente. 
Pecten Nilssoni Goldf. — 1 Exemplar im Gestein. 
Spondylus sp. — Häufig, Schalenbruchstücke. 
Exogyra lateralis Rss. — Selten. 


Ostrea hippopodium Nilss. — Selten. 
»„ proteus Rss. — Selten. 
»„ sp. — Zahlreiche Schalenbruchstücke (cf. O. semiplana). 


Schalenbruchstücke und Steinkerne von unbestimmbaren Bivalven. — 
Sehr häufig. 

Terebratulina chrysalis Schl. — Selten. 

Pollicipes sp. — 1 Exemplar. 

Cidaris sceptrifera Mant. (Stachel). — Häufig. 
5 subvesiculosa d’Orb. (Stachel, Schalenbruchstücke). — Häufig. 
5 Sorigneti Desh. (Stachel). — Selten. 
»„ Reussi Gein. (Stachel). — Selten. 


Holaster placenta Ag. — 1 Exemplar im Gestein. 
Parasmilia sp. pl. — Häufig. 

Trochocyathus sp. pl. — Häufig. 

Craticularia vulgata Poc. — Sehr häufig. 
Pleurostoma scyphus Pod. — Sehr häufig. 

a bohemieum Zitt. — Häufig. 
Ventriculites odontostoma Rss. — Selten. 
Plocoscyphia pertusa Gein. — Selten. 
khizopoterion cervicorne Goldf. sp. — Sehr häufig. 
Corynella sp. — Häufig. 

Porosphaera globularis. — Selten. 
Viele unbestimmbare Korallen und Spongien. 


[13] Einige neue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. 87 


Südlich Chvojno bei Holic, südlich Kote 249 befinden sich einige 
Steinbrüche im lichtgrauen, sehr festen, sogenannten klingenden 
Inoceramenpläner. Ich fand in diesem Pläner: 


Fischzähne. 

Oyclolepis Agassizi Gein. (Schuppen). 

Dentalium medium Sow. 

Pinna nodulosa Rss. 

Pecten Nilssoni Goldf. 

Inoceramus Brongniarti Park. (riesige Exemplare). 
R labiatus Gein. 

Ostrea sp. 
Oristellaria rotulata d’Orb. 
Sequoia Reichenbachi Gein. sp. 
Frenelopsis? bohemica Velen. 


Fundort Kunöticer Berg nordnordöstlich Pardubitz. 


Die im dortigen gefritteten Plänermergel (Porzellanjaspis) vor- 
kommenden Fossilien habe ich zuerst im Jahrbuch der k. k. geol. 
R.-A. 1895, Bd. 45, pag. 162, besprochen. Später hat Herr Dr. K. 
Hinterlechner im Jahrbuch 1900, Bd. 50, pag. 473, und in Verhand- 
lungen 1902, pag. 192, nach meinen brieflichen Mitteilungen einige 
Nachträge zu meinem Verzeichnisse vom Jahre 1895 veröffentlicht. 

Seit diesen letzten zwei Publikationen habe ich am Kunöticer 
Berge weitere für diese Lokalität neue Fossilien gefunden, ferner 
hat mir auch der obgenannte Herr Lehrer Ant. Sluga aus Kunetie 
viele Fossilien aus dem gefritteten Plänermergel vom Kunßticer 
Berge zugesandt. 

Es sind also bis heute am Kundticer Berge folgende Fossilien 
gefunden worden: 


Oxyrrhina angustidens Rss. (Zähne, ein Wirbel). 
Lamma sp. (Zähne). 
Corax sp. ind. (Zähne). 
Osmeroides Lewesiensis Ag. (Schuppen). 

= divaricatus Gein. (Schuppen). 
Beryx ornatus Ag. (Schuppen). 
Oladocyclus Strehlensis Gein. (Schuppen). 
Oyclolepis Agassizi Gein. (Schuppen). 
Lepidenteron (Knochen). 
Koprolithen. 


Peroniceras sp. — Sehr nahe verwandt mit Peroniceras 
(Schlönbachia) subtricarinata d’Orb. sp. (nach 
freundlicher Bestimmung des Herrn Dr. Fr. 
Kossmat; Herr Dr. W. Petrascheck hat 
ein zweites Exemplar von dieser Stelle als 


88 


Jaroslav J. Jahn. 


cf. Schlönbachia tricarinata d’Orb. bezeichnet; ich 

habe dasselbe Exemplar in der Arbeit K. Hinter- 

lechners im Jahrbuch 1900, pag. 473, als Cos- 
moceras Schlönbachi Fritsch, Gruppe der Schlön- 
bachia [Peroniceras], angeführt). 

Hamites bohemicus Fritsch = Fric). 
h sp. (cf. verus Fr.). 

Helicoceras Reussianum Gein. 

Baculites sp. ind. 

Aptychus cretaceus v. Münst. 

Natica vulgaris Rss. 

Trochus Engelhardti Gein. 

E amatus d’Orb. 

1 sp. ind. (vielleicht zwei verschiedene Formen, 
stark gefrittete, zum Teil verunstaltete 
Steinkerne). 

Turbo decemcostatus v. Buch. 
Pleurotomaria elongata? Röm. 
Aporrhais megaloptera Rss. sp. 

»„.... papillionacea Goldf. sp. 

2 Reussi Gein. sp. 

Rostellaria coarctata Gein. 
H stenoptera Goldf. 
Cerithium Luzicianum Gein. 


- pseudoclathratum d’Orb. 
= fasciatum Rss. 
u sp. ind. (2—3 verschiedene, nicht näher 


bestimmbare Formen). 
Voluta elongata d’Orb. 
Avellana sp. 
Acmaea depressa Gein. 
Patella sp. pl. 
Dentalium medium Sow. 

R glabrum Gein. 
Turritella sp. (zwei verschiedene Formen). 
Scala decorata Grein. 

” Sp. 

Cardium n. sp. 
’ sp. 
Venericardia sp. ind. 
Astarte nana Rss. 
Nucula semilunaris v. Buch. 
= ovata Mant. 
e pectinata Sow. 
Leda siligqua Rss. 
Arca Geinitzi Rss. 

„. undulata Rss. 
Gastrochaena amphisbaena Gein. 
Corbula caudata Niülss. 
Inoceramus latus Mant. 


[14] 


[15] Einige neue Fossilienfundorte in der ostböhmischen Kreideformation. 89 


Inoceramus labiatus Gein. (= mytiloides Mant.) 
S planus Münst. 
- Brongniarti Park. 

Pecten squamula Lamk. 

„ Nilssoni Goldf. 
Plicatula nodosa Duj. 
Terebratulina gracilis Schl. 
Öytherella complanata Rss. 
Bairdia subdeltoidew Münst. 
Scalpellum maximum Sow. var. 
Holaster placenta Ag. 


» Sp. 
Micraster de Lorioli Nov. 
Unbestimmbare Echinidenreste. 
Holothuria (Fri@ Priesener Schichten, Fig. 150). 
Parasmilia centralis Mant. 
Trochocyathus sp. 
Spongiennadeln. 
Oristellaria rotulata d’Orb. 
Nodosaria Zippei Rss. 
lorgneiana d’Orb. 


: oligostegia Rss. 
h annulata Rss. 
5 aculeata d’Orb, 


A Mayeri Fr. 
Marginulina ensis Rss. 
Flabellina cordata Rss. 
Frondicullaria angusta Nülss. 
inversa Kess. 
apiculata Rss. 
2 Cordai Rss. 
Globigerina sp. 
cf. Salix macrophylla Rss. 
F'renelopsis? bohemica Velen. 
Sequoia keichenbachi Gein. sp. 
Mehrere unbestimmbare Algenreste. 


B)] 


” 


Die gehobene Scholle des gefritteten Plänermergels am süd- 
lichen Abhang des Kunöticer Berges erscheint also als einer der 
reichhaltigsten Fundorte im Gebiete der Priesener Schichten. 

Ich habe bereits im Jahrbuch 1900, pag. 476 gesagt, daß am 
Kunticer Berge in dem gefritteten Pläner sich dieselbe Fauna vor- 
findet, wie am linken Uferabhange der Elbe bei Pode&äple und 
Lukovna. 

Ferner habe ich bereits in Verhandlungen 1902, pag. 192 darauf 
hingewiesen, daß in Sezemice im Mergel der Priesener Stufe derselbe 
Ammonit (Peroniceras aus der Gruppe der Schlönbachia subtricarinata) 
gefunden worden ist, der auch im gefritteten Pläner am südlichen 
Abhange des Kunäticer Berges vorkommt, und daß zwischen diesen 
beiden Lokalitäten ein beträchtlicher Höhenunterschied existiert. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (J. J. Jahn.) 12 


90 Jaroslav J. Jahn. [16] 


Wenn man nun die soeben mitgeteilte Liste der Fossilien vom 
Kuntticer Berge mit dem weiter oben angeführten Verzeichnisse der 
Versteinerungen aus den Priesener Schichten am linken Uferabhange 
der Elbe bei Podöäple und Lukovna vergleicht, so sieht man, daß 
sowohl bei Lukovna und Pod£äple als auch am südlichen Abhange 
des Kunßticer Berges, also um zirka 80 m höher, dieselben Leit- 
fossilien vorkommen, so daß der weiche, schmierige Mergelton am 
Fuße des Kunsticer Berges zu demselben Horizont der Priesener 
Stufe gehört wie das porzellanjaspisartige, sehr harte Gestein am 
Kunöticer Berge. Während der Eruption des Kunsticer Nephelin- 
Tephrits hat also außer der Frittung auch eine beträchtliche 
Hebung des untersenonen Sediments der Priesener Stufe statt- 
gefunden. 

Ich verweise in dieser Hinsicht auf die diesbezüglichen Er- 
örterungen des Herrn Dr. K. Hinterlechner im Jahrbuch 1900, 
pag. 476. 


a a 


Studien über die Inntalterrassen. 
Von Dr. O0. Ampferer. 


Mit einer Tafel (Nr. V) und 17 Zinkotypien im Text. 


Die Erforschung der Inntalterrasse hat vor allem durch die 
Arbeiten von Blaas und Penck einen gewissen Abschluß gefunden, 
indem eine Erklärung ihrer Entstehung und ihres Alters gegeben 
werden konnte, gegen deren Wahrscheinlichkeit keine der bisher 
bekannt gewordenen Beobachtungen Einsprache erhebt. 

Penck hat dieser Erklärung in der dritten Lieferung der „Alpen 
im Eiszeitalter“ folgende Gestalt verliehen. 

Die Terrasse ist während einer großen Schwankung beim Rück- 
zug der Würmvergletscherung entstanden, als das Inntal bis über 
Imst hinauf eisfrei geworden war. In diesen Raum schütteten der 
Inn und seine Zuflüsse mächtige Schuttkegel, bis durch ein neuer- 
liches Anschwellen der Eismassen der Zillertalergletscher als ge- 
waltiger Querwall das Inntal abdämmte und so Veranlassung zur 
Aufstauung des Achen- und Inntalsees gab. Der letztere See gewann 
zeitweise eine Ausdehnung von 70 km bei einer mittleren Breite von 
3:5 km und etwa 200 m Tiefe. Statt der Schuttkegel luden nun die 
Bäche steilgeschichtete Deltas in den See, dessen Verlandung durch 
Einschaltung von Bändertonlagern, Sanden, Kiesen und gröberen 
Schottern vor sich ging. Dann drangen von allen Seiten die Gletscher 
darüber vor und vereinigten sich im Inntale zu einem großen Eis- 
strom, der seine Endmoränen oberhalb von Kufstein im Kirchbichler 
Walde (Bühlstadium) hinterlassen hat. 

Für die nachfolgenden Untersuchungen bilden diese Ergebnisse 
insofern die Unterlage, als dieselben von der Voraussetzung aus- 
gehen, daß die Inntalterrasse als eine zusammenhängende, einheit- 
liche Talausfüllung von dem vordringenden Eise überdeckt wurde, 
welche nicht vorher durch Erosionsvorgänge in einzelne Stücke zer- 
schnitten worden war. Die Annahme einer vorhergegangenen Erosions- 
periode erscheint überhaupt bei der Art der Entstehung der Inntal- 
terrasse als ausgeschlossen. Die Terrasse als Rest der Verlandung 
eines durch den quervorliegenden Zillertalgletscher bedingten Stau- 
sees konnte nur dadurch dem Eingriff der Erosion verfallen, daß 
dieser Querwall sich zurückzog. Solche Schwankungen des vorliegen- 

Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (O. Ampferer,) 12* 


92 Dr. 0. Ampferer. [2] 


den stauenden Eisdammes können nicht als ausgeschlossen betrachtet 
werden und sie hatten jedenfalls beträchtliche Erosionswirkungen in 
dem dadurch freigelegten Stauland zur Folge. Indessen mußten bei 
dem Wiederanschwellen der Vergletscherung die Lücken, welche 
die Erosion eingerissen hatte, neuerdings gefüllt werden. Der 
Mechanismus dieser Vorgänge zwingt, zur Annahme, daß die Auf- 
schüttung des Inntalstausees bis zur Überdeckung durch die darüber 
vorrückenden Gletscher entweder überhaupt nicht oder nur vorüber- 
gehend durch Erosion unterbrochen wurde, wobei die entstandenen 
Hohlräume immer wieder geschlossen wurden. Der Eisstrom des 
Bühlstadiums mußte sich im Gebiete des Inntales von Imst bis zur 
Mündung des Zillertales über die annähernd horizontale Oberfläche 
einer gewaltigen Talausfüllung von Lehm, Sand und Schotter bewegen. 
Heute sind von jener großartigen Schutteinlage des Inntales nur mehr 
einzelne Stücke erhalten, welche als Terrassen abwechselnd im Süden 
oder Norden des Flusses lagern. 

Umfangreiche, durch mehrere Jahre fortgeführte Begehungen 
im gesamten Verbreitungsgebiete der Inntalterrasse haben mir nun 
den Nachweis gebracht, daß diese Zerstücklung der ursprünglichen 
Schuttausfüllung zum allergrößten Teil nicht ein Werk der Wasser- 
erosion, sondern ein solches der Gletschererosion ist. Die Begrenzung 
und Formung der einzelnen Terrassenstücke ist hauptsächlich durch 
glaziale Arbeit geschehen, wie an zahlreichen Stellen noch der Mantel 
der darüber gebreiteten Grundmoränen sicherstellt. Ausgehend von 
der Annahme, daß der vorliegende Eiswall des Zillertalgletschers die 
Ursache zur Aufstauung einer riesigen Schuttlage im Inntale war, 
läßt sich beweisen, daß die vorstrebenden Eismassen in diesen Schutt- 
körper mit annähernd ebener Oberfläche mächtige und eigenartige 
Hohlformen eingruben, deren Erzeugung man bisher vielfach der 
Flußerosion zuschob. Da die Schuttausfüllung an vielen Stellen aus- 
gedehnte Felsterrassen verhüllte, so sind auch diese in ganz gleicher 
Weise dem Einfluß der Eiserosion erlegen. Die Gletscher fanden 
ein mehrere hundert Meter hoch mit Schutt ausgefülltes, sehr breites, 
sehr flaches Tal, in das sie ihre Bahn eintieften. 

Es soll nun die Aufgabe der nachfolgenden Untersuchungen 
sein, von Stelle zu Stelle nachzuforschen, in welcher Weise aus der 
großen Schuttanfüllung die heutigen Formen und Teile der Terrasse 
entstanden sind. Die in ‘den Arbeiten meiner Vorgänger nieder- 
gelegten Summen von Beobachtungen habe ich, soweit sie mir zu- 
gänglich waren, benützt und auch meist an Ort und Stelle geprüft. 
Ohne die Früchte ihrer zahlreichen mühsamen Wanderungen und 
Forschungen wäre die vorliegende Untersuchung zur Unmöglichkeit 
geworden. Von einer Aufzählung der in Betracht kommenden Arbeiten 
habe ich abgesehen, da sie nur eine Wiederholung bieten könnte von 
dem, was in Blaas „Geologischer Führer durch die Tiroler und 
Vorarlberger Alpen“ und in Penck und Brückner „Die Alpen 
im Eiszeitalter“ bequem zusammengefaßt zu übersehen ist. Die 
Arbeit bringt zuerst eine Beschreibung der einzelnen Terrassen, 
wobei aus dem reichen Formenschatz derselben diejenigen Züge, 
welche noch von der Einwirkung des Eises überliefert sind, eine 


[3] Studien über die Inntalterrassen. 93 


besondere Beachtung finden. So schafft die Untersuchung eine ge- 
nauere Würdigung der glazialen Oberflächenelemente eines großen 
Alpentales. Im Anschluß ist dann noch eine Übersicht der wichtigeren 
Ergebnisse und Schlußfolgerungen beigefügt. 


Beschreibung der einzelnen Terrassen. 


Terrasse von Imst—Tarrenz. 
(Fig. 1 und 2.) 


Die breite Terrasse, welche an der Westseite von Imst vorbei 
in mächtigem Bogen aus dem Inntal ins Gurgltal gespannt ist, besteht 
nur in sehr untergeordneter Weise aus geschichteten Sanden und 
Schottern. Nur an den Mündungen der Rosengartlschlucht (Fig. 1 u. 2), 
des Melchbaches, des Salvesentales sind Reste von horizontalgeschich- 
teten Sanden und Schottern zu einer Nagelfluh verkittet erhalten. 


Fig. 1. 


ENTE 


CA a 


Nord ; 800 7 


Zeichenerklärung: 


2 Horizontal geschichtete 
Grundgebirge. === Tone, Sande,Kiese, Schotter 
(lose oder verkittet). 


Ba Grobes Blockwerk oder 
Bachschuttkegel. 


Grundmoräne. WeLer2 
ELLE 


Fig. 1 stellt einen Schnitt entlang der Rosengartlschlacht gegen Inst dar. 


Fig: 2 gibt einen Schnitt wieder, der an derselben Stelle (920 m) beginnt und 
ungefähr rechtwinklig zum ersten verläuft. 


Sämmtliche Profile sind im gleichen Verhältnis von Höhe und Länge gezeichnet. 


94 Dr. OÖ. Ampferer. [4] 


Obwohl diese Vorkommnisse gleichsam im Rachen von reichlich schutt- 
liefernden Bächen der Kalkalpen lagern, bestehen sie zum weitaus 
größten Teile aus wohlgerundeten zentralalpinen Geröllen einer Fluß- 
ablagerung. Ihre Bedeutung für den Aufbau der anliegenden Terrasse 
beruht nicht auf ihrer verschwindend geringen Masse, sondern viel- 
mehr auf dem Umstande, daß sich aus ihrer Lagerung in Zusammen- 
hang mit einigen Schotterresten am Nordwestfuße des Simmerings der 
Schluß auf eine vollständige Ausfüllung des Gurgltaies und Verbindung 
mit den Schuttmassen der Mieminger Terrasse ziehen läßt. 

Die noch erhaltenen Reste dieser Nagelfluh lehnen sich in der 
Umgebung von Imst und Tarrenz in Nischen der Felsterrasse an. Diese 
selbst ist allenthalben sehr gut erschlossen und von gut gearbeiteten 
Grundmoränen überlagert. An sehr vielen Stellen ist die Auflagerung 
der Grundmoränen auf dem geschliffenen und geschrammten Fels zu 
sehen, so besonders bei Gunglgrün, westlich und nördlich von Imst 
und im Norden von Tarrenz. Während sich aber diese Grundmoränen 
sowohl durch die Art ihrer Ausbildung und die Gesellschaft ihrer Ge- 
schiebe als Erzeugnisse des Inntalgletschers ausweisen, finden wir in 
den höheren Teilen der Terrasse über diesen Grundmoränen massen- 
haften kalkalpinen Schutt. Wenn wir die Formen seiner Ablagerung 
und seine Zusammensetzung eingehender verfolgen, so kommen wir 
zur Anschauung, daß wir darin die Ablagerungen von Lokalgletschern 
zu erkennen haben. Sie nehmen ihren Ausgang vorzüglich aus den 
sroßen Karen am Muttekopf und im Norden des Lakesberges. Natür- 
lich wurden ihre Ablagerungen von den kräftigen Bergbächen mannig- 
fach ergriffen und umgestaltet. 

Damit ist in kurzen Strichen der Aufbau dieser Terrasse be- 
zeichnet. Sie unterscheidet sich von allen anderen Stücken der Inn- 
talterrasse durch ihren bogenförmigen Verlauf, der die Krümmung 
des Gurglbaches in verstärktem Ausmaß befolgt. Der breite und 
ausgedehnte Abschnitt zwischen Inn und Rosengartlschlucht ist voll- 
ständig quer ins Gebirgsstreichen hineingegraben. Soweit die mäch- 
tigen auflagernden Schuttmassen den Einblick in die Gestaltung des 
Felsgrundes gestatten, haben wir eine bergwärts ansteigende, unregel- 
mäßige Fläche vor uns, die mit breiten, an- und absteigenden Furchen 
und mit Rundbuckeln besetzt ist. Eine der auffallendsten Felsfurchen 
zieht über Gunglgrün hinweg. Sie hebt sich entschieden ansteigend 
aus der ungegliederten felsigen Innflanke bis zur Ortschaft Gunglgrün, 
wo sie sich dann verbreitert in mehrere Furchen gabelt, zwischen 
denen Rundhöcker aufragen, und wieder absenkt. An mehreren 
Stellen kann man an den geschrammten Felsen erkennen, daß die 
Richtung des großen Furchenzuges mit der Richtung der Schrammen 
übereinstimmt. Ausgezeichnet erschlossen sind auch schräg ansteigende 
Schlifffllächen an dem Wege, der südlich der Rosengartlischlucht bergan 
führt. An diesem Wege sieht man auch die Grundmoränen, welche 
stellenweise die Schliffe bedecken, ganz bis zu den Häusern von Imst 
herabsteigen. Nördlich von Imst, entlang dem Wege, der sich ins 
Salvesental und zum Hochtennsattel emporzieht, begegnen wir eben- 
falls oberhalb der Reste von geschichteten Schottern großen, schön 
geschliffenen, ebenen Felsflächen, auf denen mächtige Grundmoränen 


[5] Studien über die Inntalterrassen. 95 


aufruhen. Auch hier ziehen die Grundmoränen ins Tal hinunter. In 
großartiger Weise tritt die Felsunterlage östlich der Salvesenschlucht 
auf der Hochfläche von Ober-Tarrenz hervor. Breite Furchen, Wannen 
und ausgeprägte Rundhöcker treten uns entgegen, häufig von Resten 
gut gearbeiteter Grundmoräne begleitet. Die Furchen steigen in 
nordöstlicher Richtung bergan. An allen Stellen, wo Reste der ge- 
schichteten Schotter der Inntalterrasse hier vorhanden sind, ragen 
dieselben nicht über die Oberfläche der umgebenden geschliffenen 
Felshöhen hinaus. Aus den Aufschlüssen im Süden der Rosengartl- 
schlucht geht außerdem hervor, daB der an der Mündung jener 
Schlucht erhaltene Rest von geschichteten Schottern nicht bloß in der 
Höhe, sondern auch im Abfall gegen das Gurgl- und das Inntal von 
den Schlifflächen und der dazugehörigen Grundmoränendecke abge- 
grenzt wird. Dieser so durch Glazialgebilde begrenzte Konglomerat- 
rest von Imst stellt zugleich das westlichste Vorkommen der Inntal- 
aufschüttung dar. 

Betrachten wir nun noch die Terrasse von Imst in ihrer ge- 
samten Lage, so beobachten wir, daß sowohl ihr südwestliches wie 
ihr nordöstliches Ende nicht frei ausgeht, sondern von höheren, vor- 
lagernden Rücken des Grundgebirges eingeschlossen wird. Der Berg- 
rücken des Lakeswaldes, welcher sich über Gunglgrün herabstreckt, 
scheidet die Imster Terrasse vom oberen Inntal. In der Gegend von 
Ober-Tarrenz schiebt sich hinwiederum vom Sinnesjoch der Sießen- 
kopf kräftig vor und bildet den Abschluß der Terrasse gegen Nord- 
osten. So ähnelt die ganze Terrasse einem breiten Sofa mit Seiten- 
und Rückenlehnen. Die Seitenlehnen sind jedoch in gewissem Sinne 
durchbrochen. Die mächtige Furche, welche sich aus dem Inntale 
gegen Gunglgrün erhebt und den Scheiderücken des Lakeswaldes 
durchsägt, ist schon erwähnt worden. Bei Ober-Tarrenz erheben sich 
die Furchen des Felsgrundes gegen den vorliegenden Bergkörper, ja 
es steigt eine steile und schmälere Fortsetzung der Terrasse zum 
Sießenkopf empor und verbindet so die tiefere Terrasse von Tarrenz 
mit jener hochgelegenen, die sich zwischen dem oberen (1657 m) und 
unteren (1532 m) Sießenkopf ausbreitet. Auch gegen die zurück- 
liegenden Berge erhebt sich die Terrasse in mehr allmählichem Anstieg. 

Diese gewaltige Gehängeeinbuchtung mit den geschilderten 
Eigentümlichkeiten ist als Erosionsbildung fließenden Wassers nicht 
verständlich. Wenn wir auch anzunehmen berechtigt sind, daß der 
heutige Gurglbach durch die Zuflüsse, welche ihm aus dem damals 
noch offenen Fernpaßtale zuteil wurden, beträchtlich verstärkt war, 
so kann er doch unmöglich diese seitliche Aushöhlung der Berghänge 
bewirkt haben. Auch der Inn kann nicht zur Erklärung dieser Form 
herangezogen werden. Gegen die Bildung dieser Terrasse durch 
Wasserkräfte des Gurglbaches oder des Inns sprechen auch die drei 
Bäche, welche jetzt tiefe, aber schmale Gräben in dieselbe einge- 
schnitten haben. Da sie sehr reichlichen Schutt aus ihren Einzugs- 
gebieten zu Tal bringen, bauen sie große Schuttkegel in das Gurgltal 
hinaus und drängen dessen Bach ganz in das jenseitige Felsufer des 
Tschirgants. Wie man fast in jedem Tale beobachten kann, schützen 
solche stark schuttfördernde Bäche am besten ihr eigenes Bergge- 


96 Dr. 0. Ampferer. [6] 


hänge vor dem Angriffe durch vorbeifließendes Wasser, indem sie das- 
selbe mit Hilfe der entgegengestreckten Schuttkegel wirksam abhalten. 
Auf Grund dieser Beobachtung ist die Annahme sehr wahrscheinlich, 
daß der Schinder-, Melch- und Salvesenbach vereint mit ihren Schutt- 
kegeln jederzeit einen bedeutsamen Angriff vorbeiströmenden Wassers 
auf ihre Berggehänge verhindert haben. Aber auch durch die Wirkung 
dieser Bergbäche kann die Terrasse nicht erklärt werden, da deren 
Lauf durch die tiefen Täler, welche bis zu den Karen hinaufleiten, bei 
der beträchtlichen Neigung der Terrasse ein eng vorgeschriebener ist. 
Die noch jetzt ausgedehnte Grundmoränendecke, die vielfach 
klar erhaltenen Schliffflächen sowie in Fels gegrabene Wannen, steil 
auf- und absteigende, einfache und verzweigte Furchen in Gesellschaft 
von Rundhöckern verbürgen uns eine getreue Überlieferung der 
Terrassenformen, aus der sich der Zustand nach dem Rückzuge des 
letzten großen Eisstromes mit Sicherheit erkennen läßt. Die seither 
eingetretenen Veränderungen äußern sich hauptsächlich in den Ein- 
schnitten der Bergbäche und in der mächtigen Überschüttung der 
Terrasse durch die Ablagerungen von jüngeren Lokalgletschern. Na- 
türlich hat sowohl die Grundmoränendecke als auch der glaziale 
Formenschatz des Felsgrundes durch Wassererosion und Gehänge- 
schutt manche Verminderung erfahren, jedoch nicht so, daß die 
wesentlichen Züge bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden wären. 

Wie wir schon früher betont haben, stehen nun die Reste der 
seschichteten Schotter und Sande im Bereiche der Imster Terrasse 
in der engsten Beziehung zu der Gestalt des glazial bearbeiteten 
Felsgrundes. Gletscherschliffe und Grundmoränendecke überspannen 
gleichsam die Schotterreste, indem die Schottereinlagen nicht über 
die geschliffenen Felshöhen vorragen und die darauflagernden Grund- 
moränen an mehreren Stellen bis ins Tal hinabsteigen. 

Die Schotter und Sande sind gemeinsam mit dem umgebenden 
Grundgebirge umgestaltet worden und da wir annehmen müssen, daß 
die Schotter vor der Bedeckung durch das Eis nicht so erodiert wurden, 
kann die Umformung nur als Wirkung des darüber bewegten Eises 
aufgefaßt werden. Einigen Einblick in den Betrag der Erosion können 
wir durch Vergleich mit den Schottermassen der Mieminger Hoch- 
fläche erreichen. Während nämlich die Schotterreste der Imster 
Terrasse allenthalben unter 900 m Meereshöhe bleiben, erheben sich 
die breiten Schotter und Sandlagen östlich von Dormiz, am Abhang 
gegen das Gurgltal, bis über 1000 m, wo sie dann von einer zusammen- 
hängenden Grundmoränendecke abgeschlossen werden. Auch hier ist 
die ursprüngliche Oberfläche der Schottereinlagerung sicherlich höher 
gewesen, so daß wir bei einer Annahme der ursprünglichen Schotter- 
höhe um Imst von über 1000 » nicht zu hoch greifen. Uber 100 m 
sind sonach die höchsten Teile der Imster Schottermassen und ihre 
Felsumgebung erodiert worden und da die Grundmoränen ja weit 
ins Tal herabsteigen, muß die Erosionswirkung entlang dem Tale 
noch eine erheblich mächtigere gewesen sein. Die steil auf- und 
abstrebenden Furchen im Fels, die sich teilen und Rundhöcker 
umspannen, machen uns mit der Eigenart der Eiserosion bekannt. 
Während wir bei der Beschreibung der meisten anderen Terrassen- 


[7] Studien über die Inntalterrassen. 97 


stücke der Hauptsache nach nur Reste der großen Schuttausfüllung 
vor uns haben, ist hier fast die ganze Terrasse von dem strömenden 
Eise angelegt. 


Mieminger Ilochfläche. 
(Fig. 3—8.) 


Der mächtige Rest der Inntalschuttfüllung, welcher zwischen 
Nassereith und Telfs erhalten liegt, bildet höchstwahrscheinlich die 
Einlage in einer Talfurche, welche zwischen der Miemingerkette und 
dem Bergkamm Tschirgant—Simmering— Grünberg—Nachberg einge- 
senkt ist. Tiefe Ein- und Anschnitte durch Wassererosion haben den 
Aufbau der Schuttmassen hinreichend klar eröffnet. 

Östlich von Nassereith beginnt die Schuttfüllung mit steiler 
Böschung aus dem Gurgltale aufzustreben. Durch den Strangbach, 
dessen Schlucht die Straße gegen Holzleiten folgt, werden diese 
Ablagerungen in zwei auch stratigraphisch verschiedene Teile zerlegt. 
Nordwärts von diesem Bache lagert sich an das Gehänge des 
Wannecks eine harte Nagelfluh an, deren stellenweise horizontal 
geschichtete Massen bis über 1000 m Höhe erreichen. Sie besteht 
aus stark gerollten Flußgeschieben, in deren Bestand neben reichlichen 
und verschiedenartigen zentralalpinen Geröllen auch viele Gesteinsarten 
der Kalkalpen vertreten sind. Stücke dieses festen Konglomerats, 
das am Abfall gegen Nassereith von mehreren kleinen Verwerfungen 
in plumpe, schichtungslose Klötze und Türme zerschnitten wird, finden 
sich in den Schottern und Grundmoränen der Umgebung. Als eine 
etwas im Gehänge vortretende Stufe zieht sich diese Nagelfluh in 
gleicher Höhe (ungefähr 1000 m) an der Nordseite des Strangbaches 
hinein, bis sie unter den Schottern verschwindet, auf denen der 
Weiler Aschland steht. An der Südseite des Baches erscheint diese 
Nagelfluh nirgends aufgeschlossen und an ihrer Stelle bauen lose 
Sande und Schotter eine ebenso hohe Terrasse auf. 

Am Abfall der Nagelfluh gegen Dormiz und Nassereith lagern 
vielfach kleinere Reste von Grundmoränen auf derselben, die sehr 
viele zentralalpine Geschiebe enthalten. Weiter talaufwärts sind an 
die Bänke der Nagelfluh geschichtete Schotter, sandiger Lehm, dann 
Schotter mit Einlagen von Mehlsanden angelagert. Die besten Auf- 
schlüsse erhält man in der Umgebung des Annastollens (1016 m), 
der selbst genau längs der Oberfläche der hier deutlich geschichteten 
Nagelfluh hineingetrieben ist. Unmittelbar über der anscheinend 
geglätteten Decke der Nagelfluh finden sich hier Spuren einer Grund- 
moräne, dann folgen Mehlsande und Schotter, darüber deutliche Grund- 
moräne mit gekritzten Geschieben. Gewaltige Massen von Gehänge- 
schutt schieben sich vom steilen, zerrissenen Berggehänge herunter. 

Dem südlich des Strangbaches gelegenen Teile der Schuttmassen 
ist ein mächtiger, schräger Schuttkegel vorgelagert, der durch den 
Strangbach und zahlreiche Gräben der höher ausstreichenden Schotter 
und Grundmoränen gebildet wurde. 

Am südlichen Ufer des Baches begegnen wir unklaren Vor- 
kommnissen von Grundmoränen, in höherer Lage sehr mächtigen, 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (0. Ampferer.) 13 


98 Dr. O. Ampferer. [8] 


horizontal geschichteten Lagen von gröberem und feinerem, vorzüglich 
zentralalpinem Schotter. Die Hochfläche, welche diese Schotter tragen, 
besteht aus einer Decke von gut gearbeiteter Grundmoräne, die 
überall an der Stirn des Steilabfalles frei in die Luft ausgeht. Die 
Grundmoränendecke liegt nur an den Rändern frei vor, in dem ganzen 
Gebiete zwischen dem Abhange des Simmerings und den Ortschaften 
Holzleiten— Weißland—Oberstraß—Finsterfiecht breitet sich noch eine 
jüngere glaziale Ablagerung eines Lokalgletschers darüber. Derselbe 
entstammte dem Lehnbergtale und warf in der Gegend südlich von 
Weißland seine Morännenwälle und Schuttfelder auf, die vorzüglich 
aus Wettersteinkalk und Hauptdolomitgesteinen bestehen. Eigentümliche 
Wechsellagerungen von geschichteten Schottern, Sanden, Bänderton 
und Grundmoränen erschließt der obere Graben des Strangbaches 
gegenüber der Ortschaft Aschland (Fig. 3). Wir finden bei 1020— 1040 m 
Höhe nahe über dem Bache an seiner Südseite ein Lager von gut 


Fig. 3. 


Holzleiten 


gearbeiteter Grundmoräne (6) mit schönen gekritzten Geschieben. 
Darüber lagern gröbere horizontal geschichtete, lagenweise verkittete 
Schotter (5), sehr dünn geschichteter, feinsandiger Bänderton (4), ge- 
schichtete, feinere Schotter (3), endlich wieder sehr deutliche Grund- 
moräne (2) mit einer Decke von geschichteten Schottern (1). Da weiter 
aufwärts im Bachbett schon das Grundgebirge (Hauptdolomit) ansteht 
und beide Grundmoränen sehr stark bearbeitet sind (reich an gekritzten 
Geschieben), können sie nicht von kleinen Lokalgletschern abstammen, 
obwohl der größte Teil der Geschiebe aus Hauptdolomit besteht. Der 
untere Rest von Grundmoränen ist nicht weit erschlossen, der obere 
keilt gegen Westen deutlich zwischen den geschichteten Schottern aus. 
Es liegt die Annahme nahe, die untere Grundmoräne einer älteren 
Vergletscherung zuzusprechen und das Auskeilen der oberen durch 
teilweise Erosion und UÜberschüttung von seiten des Lokalgletschers 
des Lehnbergtales zu erklären. Östlich des Schuttfeldes des eben 


[9] Studien über die Inntalterrassen. 99 


senannten Lokalgletschers gelangen wir in die großartigste Grund- 
moränenlandschaft des tirolischen Inntalgebietes. Der aus dem Lehn- 
bergtal herabfließende Sturlbach schneidet von seinem Eintritt in die 
Mieminger Hochfläche bei Arzkasten bis zum Felsdurchbruch bei 
Schloß Klamm unausgesetzt in mächtige Massen von vorzüglich und 
typisch entwickelter Grundmoräne ein. 

Die ganze Breite der Terrasse vom Abfall des Nißkogels bis 
zu dem des Grünberges und Saßberges nehmen von Oberstraß und 
Finsterfiecht im Westen bis über Barwies und Obermieming hinab 
Grundmoränen ein. Daß es sich nicht bloß um eine dünne Decke, 
sondern um eine mächtige Auflagerung handelt, zeigen die vielen 
eingeschnittenen Gräben. Wenn wir die Unterlage dieser gewaltigen 
Decke kennen lernen wollen, so bietet uns das Tal des tief einge- 
fügten Klammbaches und seine Seitengräben den besten Aufschluß. 
Während wir in der Umgebung von Holzleiten schon in einer Höhe 
von über 1000 m unter der Grundmoränendecke auf die geschichteten 
Schotter stießen, reichen dieselben im Aufrißgebiete des Klammbaches 
nirgends über 870 m empor. Ich habe alle Gräben dieses Tales genau 
untersucht und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß nicht nur im 
Westen nnd Osten von dieser Talfurche die Grundmoränen schräg 


Fig. 4. 
R Schloß Klamm 
Sue 
Mötz a N 


über die Schotterunterlage bis nahe an das Innbett herabsteigen, 
sondern daß die Oberfläche der Schotter und Sande auch quer zur 
Talrichtung eine starke Abschrägung erfahren hat. An der Westseite des 
Tales überdecken die Grundmoränen bei Schloß Klamm (Fig. 4) und in 
den Gräben, welche zur Ortschaft Wald ansteigen, ungefähr bei 870 m, 
die geschichteten Ablagerungen, wogegen an der Ostseite gegenüber 
die Grenze stark herabsinkt und unterhalb der Streichenkapelle bei 
740 m durchzieht. Dabei ist die Grenze ziemlich scharf und die hellen, 
weißlichgrauen Grundmoränen heben sich deutlich von den horizontal 
geschichteten Schottern ab, die vielfach Lagen von feinerem Sand ent- 
halten. Außerordentlich verschiedenartig ist auch die Gesteinsführung 
der beiden Ablagerungen. Die Grundmoränen bestehen, obwohl sie 
auf den Schottern ruhen, welche vielleicht 60—70°/, zentralalpine 
Gerölle enthalten, zum größten Teile aus Kalk und Dolomitgeschieben. 
Die zentralalpinen Geschiebe erreichen im Durchschnitt nicht 10°/, 
der mit freiem Auge erkenntlichen Bestandteile. Die geschichteten 
Schotter gehen in der Tiefe des Tales in mehr verfestigte Lagen 
über, wobei die feineren Sandlagen ein festeres Gefüge besitzen. 
Diese verkitteten Schotter und Sandlagen sind an mehreren Stellen 
im Klammtale als lotrechte Wände mit ausgehöhlten Galerien er- 
schlossen. Der nördlichste Aufschluß unterhalb von Schloß Klamm 
13* 


100 Dr. O. Ampferer. [10] 


zeigt ein mäßiges Fallen gegen Süden (6—8%), aus dem Penck 
den Schluß ziehen will, daß eine deltaartige Aufschüttung vorliege. 
(Alpen im Eiszeitalter Seite 334.) 

Dem steht jedoch entgegen, daß die großen Aufschlüsse dieses 
Konglomerats zu beiden Seiten des Baches weiter südlich in derselben 
Höhe horizontale Lagerungen aufweisen. Nach oben gehen die ver- 
kitteten Lagen allmählich in die losen über, mit denen sie auch 
gleiche Zusammensetzung verbindet. Einzelne auskeilende oder trans- 
sredierende Sand- und Schotterlagen sind vielfach zu sehen, ohne 
jedoch den Charakter der horizontalen Lagerung zu stören. An dem 
Eckhange zwischen Walder Graben und Klammtal gerade gegenüber 
und oberhalb von der innersten Mühle kann man beobachten, wie 
die hellgraue Grundmoräne sackartig in die gelblichen Schotter und 
Sandlagen eingreift. 

Wie schon erwähnt, ziehen die Grundmoränen auf beiden Tal- 
flanken bis hart zur heutigen Innebene hinab. Im Westen des Klamm- 
baches verkleiden sie von Wald herab in großer Ausdehnung die 
unteren Gehänge des Grünberges, wobei sie gleichmäßig auf den 
eingeschichteten Schottern und auf dem vielfach geschliffenen Grund- 
gebirge aufruhen. Westlich von Mötz sind mehrere größere Gletscher- 
schliffe erhalten, welche steil gegen Nordosten ansteigende Flächen und 
Schrammen besitzen. Auf der Ostseite des Klammbaches senken sich 
die Grundmoränen größtenteils über abgeschrägte Schotter herab und 
nur am Felsrücken, welcher die Wallfahrtskirche des Locherbodens 
trägt, liegen sie direkt auf abgerundetem Felsen und ziehen daran 
fast bis zum Dorfe Mötz herab. Zugleich weicht auf der einen Seite 
der Felswall des Grünberges gegen Norden, auf der anderen der 
des Locherbodens gegen Süden, so daß gleichsam in dem Sinne der 
geschrammten Felsen eine breite Furche in schiefer Richtung aus 
dem Inntale auf die Mieminger Terrasse emporführt. 

Diese Beobachtung ist geeignet, auf eigentümliche Bewegungen 
der großen Eisströme aufmerksam zu machen. Die Grundmoränen 
steigen zu beiden Seiten des Klammbaches bis nahezu in die. Tiefe 
des heutigen Inntales und ziehen sich am Gehänge des Grünberges 
bis ganz auf dessen Südseite nahezu zusammenhängend und über 
Glettscherschliffe herum. Es ist undenkbar, daß sich die Eismassen, 
welche über die Mieminger Hochfläche hinfloßen, hier mit völliger 
Umkehr ihrer Bewegungsrichtung zum Inntal absenkten. Wir müssen 
annehmen, daß bei Mötz Eis aus dem Inntale in schräger Richtung 
gegen die Mieminger Hochfläche emporgepreßt wurde. Damit stimmt 
die Richtung der Felsschrammen, die Form der Felsgehänge, das 
Auseinanderweichen der Bergkämme in diesem Sinne und die starke 
Abtragung der geschichteten Schotter nördlich des Kammes des 
Locherbodens. Es geht auch nicht an zu denken, daß das Eis nur 
zu einer Zeit hier aufwärts getrieben wurde, als kein Eisstrom sich 
auf der Mieminger Terrasse bewegte. Der zusammenhängende Grund- 
moränenmantel und seine gleichartige Entwicklung läßt diese Annahme 
als unwahrscheinlich erscheinen. 

In der Gegend nördlich von Barwies (Fig. 5), Obermieming und 
Affenhausen bedeckt wiederum die mächtige Ablagerung eines jüngeren 


[11] Studien über die Inntalterrassen. 101 


Lokalgletschers des Städtlbachquellgrundes die Grundmoränendecke. 
Zu beiden Seiten des Städtlbaches sind gewaltige Seitenmoränen 
erhalten, am Hochbüheleck haben wir Stirnmoränen, von denen ein 
breites Schuttfeld seinen Ausgang nimmt. Bei Barwies, Lehnsteig (Fig. 6) 
und Obermieming ist die Auflagerung dieses Schuttfeldes auf die 
Grundmoränen deutlich zu ersehen. So bedeutend die anschüttenden 
Wirkungen dieses Lokalgletschers waren, so ausgedehnt sind auch die 
erodierenden Einflüsse seiner Schmelzwässer. Während der Gletscher 
des Lehnbergtales nur zwischen Obsteig und Gschwent ein Geflecht 
von nunmehr toten Talzügen veranlaßte, gab der des Städtlbaches 
die Ursache zur Anlage mehrerer großer Talzüge und zur Weg- 
schwemmung der Grundmoränendecke in weiter Ausdehnung. 


Fig. 5. 
N 
J 7138 


Eos 
Sassberg 850 Barwies 881 REEL 
er fer TEELELOLELTOLTEGLLLLERELNE LE 
IST BEN ZERMP SG rupra2“ 


Jan , 


Östlich von dem mächtigen Schuttfelde des Städtlbachgletschers 
begegnen wir auf der Mieminger Terrasse nur mehr einzelnen spärlichen 
Resten von Grundmoränen, von denen der ausgedehnteste südlich von 
Wildermieming das Trockental begleitet, in dem die Straße von Ober- 
mieming gegen Telfs hinabzieht. Die Höhe der Terrasse nimmt in 
demselben Sinne gegen Osten an Höhe ab und ihr Gefüge wird durch 
drei tiefe Trockentäler zerlegt. Es sind dies der Talzug des Pulet, 
jener von Fiecht und der, welchem die Poststraße zwischen Ober- 


Fig. 6. 


ep 
Ay | # Lehnsteig 880” 2000 7 
Mühlried 830” Keiner See 893 u 
FAR EU ETERTERTETTTER er Rh on 

SET a a ya ra Ta 


mieming und Telfs folgt. Das Fiechtertal mündet in das Tal der 
Poststraße, das jedoch völlig unabhängig von dem des Pulet gegen 
die Talweitung von Telfs sich öffnet. Die schön geschlungene, überaus 
gleichmäßig geneigte Rinne des Pulet beginnt bei Wildermieming 
zwischen niedrigen Vorragungen von Hauptdolomit und schneidet dann 
im ganzen Verlaufe nicht mehr ins Grundgebirge. Nur an den Grund- 
moränenhügeln oberhalb von Wildermieming kommt dieser Tallauf mit 
Grundmoräne in Zusammenhang. Der Talzug, in dem die Poststraße 
angelegt ist, nimmt seinen Anfang bei Obermieming, wo im Süden 
noch die flache Bodenschwelle aus Grundmoränenmaterial - besteht, 
während von Norden das Schuttfeld des Judenbaches herabdrängt. 
Das Schuttfeld dieses Baches ist mit dem glazialen Schuttfelde des 


102 Dr. O0. Ampferer. [12] 


Städtlbaches innig vereint, obwohl die enge Felsschlucht des Juden- 
baches keinen eigenen Gletscher von Belang beherbergen konnte. 
Das anfangs breite, flache Tal gewinnt erst unterhalb von Affenhausen 
engere Begrenzung, wobei an seiner nördlichen Flanke, von der eben 
erwähnten Ortschaft bis zur Abzweigung des Weges zum Gerhartshof, 
Grundmoränen mit gelegentlich geschichteten Einlagen anstehen. Im 
untersten Teile ist das Tal in eine kurze Hauptdolomitschlucht ein- 
gegraben, welche wegen der Straße künstlich erweitert wurde. Das 
kurze Tal von Fiecht senkt sich von diesem Dorfe gegen Osten, 
während gegen Westen etwas nördlicher ebenfalls flache Talmulden 
hinabziehen, die bei Untermieming in dem nunmehr verlandeten Becken 
des Zeiner Sees münden. Dieser See selbst liegt in der Grund- 
moränendecke eingetieft und berührt nur am Südufer den Felshang 
des Saßberges. 

Das Tal von Fiecht berührt an seiner Südseite stellenweise den 
Felskörper des Achberges. Deutliche Grundmoräne ist in seinem Be- 
reiche nirgends erschlossen. Das große Schuttfeld des Städtl- und 
Judenbaches, von dem wir wissen, daß es durch einen jüngeren 
Lokalgletscher des ersteren Talgebietes im wesentlichen geschaffen 
wurde, ruht einerseits der mächtigen Grundmoränendecke auf, ander- 
seits bildet es gegen Süden und Osten den Ursprung der Terrassen- 
abschwemmung und der Trockentäler. Nur das Tal der Poststraße 
zeigt eine Strecke weit ältere Veranlagung, indem es eine Einlage 
von Grundmoränen aufweist. Die weitere Ausgestaltung dieses Tales 
sowie die Schaffung der anderen dürfen wir mit großer Wahrscheinlich- 
keit den Schmelzwassern des Städtlbachgletschers zuschreiben. Für 
die Rinne des Pulet haben wir sogar einen bestimmten Altersbeweis. 
Wie nämlich aus dem Lehnbergtale und dem Städlbachquellgrunde 
Lokalgletscher (des Gschnitzstadiums von Penck) hervorquollen, so 
geschah dies auch gleichzeitig aus dem Hintergrunde des Giesbachtales. 
Ein großer Teil des durch diesen Lokalgletscher geschaffenen Schutt- 
feldes, das fast nur aus Wettersteinkalk besteht, begleitet nun nicht 
bloß den Talzug des Pulet an seinem Nordufer, sondern findet sich 
sogar auf dem entgegengesetzten Ufer. Der breite, überaus glatt 
ausgehöhlte Talzug muß daher mindestens noch im Wasserbetrieb 
gestanden sein, als schon die äußersten Teile des eben beschriebenen 
Schuttfeldes des Giesbachgletschers abgelagert waren, da er sonst 
jedenfalls zugeschüttet worden wäre. Noch wahrscheinlicher ist es, 
daß er überhaupt erst nach der Ausbreitung jenes Schuttfeldes von 
Wassern des Städtlbachgletschers angelegt wurde. Die Unterlage des 
Schuttfeldes des Giesbachgletschers ist am schönsten am Ostrande der 
Mieminger Terrasse gegen den Giesbach (Fig. 7) und das Becken von 
Telfs offengelegt. Der Giesbach tritt aus seiner engen Felsklamm in 
eine breitere Talfurche heraus, die er quer in die Schuttmassen der 
Mieminger Terrasse eingeschnitten hat. Die Westseite dieser Tal- 
furche zeigt nun die geschichteten Schotter und Sande in typischer 
Entwicklung, unter denen nur am Fuß der Terrassenecke zwischen 
Mörderloch und der Mündung des Puletgrabens ein Grundmoränenrest 
zutage tritt. 

Die geschichteten, größtenteils zentralalpinen Schotter gehen 


[13] Studien über die Inntalterrassen. 103 


am Westufer des Giesbaches genau bis an die Felsen seiner Klamm 
heran. In einer Höhe von 780—790 m überlagern stark bearbeitete 
Grundmoränen mit zentralalpinen Geschieben die Schotter. Die Grenze 
ist nicht scharf und die Grundmoräne wird erst in den höheren Lagen 
frei von gerundeten Geröllen. Oberhalb der Schlauchfabrik wechsel- 
lagert die Grundmoräne an ihrer südlichen Endigung eine kleine 
Strecke mit den Schottern, indem sie geschichtete Lagen aufnimmt, 
zwischen denen sie gegen Süden zu verschwindet. Weiter südlich 
bauen die Schotter die Terrasse bis über 800 m Höhe allein auf. 
Die Grundmoränen setzen sich dagegen nach Norden, unmittelbar auf 
den Felskanten der Klamm ruhend, bis gegen 1000 m Höhe fort. 
Über ihnen lagert anfangs feiner Kalkschutt, der nach oben in gröberes 
Blockwerk von Wettersteinkalk übergeht. Dieser feinere Kalkschutt und 
das gröbere Blockwerk sind die Ablagerung des Giesbachgletschers, 
welche sich über den nordöstlichen Teil der Mieminger Terrasse, 
den Zimmerberg, bis zum Tal des Pulet und stellenweise sogar noch 
jenseits ausbreitet. Der darunter befindliche Grundmoränenrest ist 
sichtlich in einer Furche der Schotter eingelagert worden und die 
Wechsellagerung mit demselben durch gleichzeitige Wasserwirkung zu 


Fig. 7. 
Sa S 1200 "NV 
I N 3 
ES N 
rt RS 
X 
iR DES — 


37 


626 


erklären. Bemerkenswert ist auch die Erscheinung, daß hoch über 
der Mieminger Terrasse und über dem Schuttfelde des Zimmerberges 
längs des Weges, welcher von Wildermieming zu den Straßberger 
Mähdern leitet, Reste von gutgearbeiteter Grundmoräne mit zentral- 
alpinen Geschieben erhalten sind. Folgen wir dem Giesbache aufwärts, 
so gelangen wir ins sogenannte „Alpeltal“, in welchem wir zwei lange 
Seitenmoränen beobachten können, die an beiden Seiten des Baches 
talab ziehen. Auf einer derselben steht auch die „Alpelhütte* der 
Sektion München des D. u. OÖ. A.-V. Der diesen mächtigen Moränen- 
wällen zugehörige Gletscher breitete indessen seine Ablagerungen 
nicht bloß auf der Westseite des Giesbaches, sondern auch auf seiner 
Ostseite aus. Durch die tiefe Furche dieses Baches wird nämlich von 
der Mieminger Terrasse ihre Fortsetzung gegen Osten, die kleine 
Terrasse von St. Veit und des Emat Bödele, abgetrennt. 

Diese Abtrennung dürfte nicht sehr alt sein, da sich genau 
gegenüber der Mündung des Pulettales als Fortsetzung das in gleichem 
Sinne geneigte Trockental von Hinterberg einstellt, welches die höhere 
Terrasse von St. Veit von der tieferen des Emat Bödele scheidet. 
Die Mündung des Pulettales trifft bei 700 m den Boden des Giesbaches, 


104 Dr. O0. Ampferer. [14] 


die breite Mulde des Tales von Hinterberg setzt jenseits in 760 m 
Höhe ein und senkt sich sehr allmählich bis zum riesigen Schuttkegel 
der Erzbergklamm, der seine Öffnung schräg abschneidet. Da die 
beiden einander ergänzenden Stücke der Trockentäler fast senkrecht 
auf die Richtung des Giesbaches streichen, kann man kaum annehmen, 
daß derselbe das Stücktal von Hinterberg angelegt habe. Daher bleibt 
am währscheinlichsten die Annahme, daß darin eine Fortsetzung des 
Pulettales zu erblicken ist. Da nun aber der Beginn des Hinterberg- 
tales um ungefähr 60 m höher liegt, muß zur Zeit, als der Giesbach 
diesen Talzug entzweischnitt, die Stelle der jetzigen Mündung der 
Puletrinne um mehr als 60 m höher gewesen sein. Der Talzug des 
Pulet—Hinterbergtales wäre somit der ältere, den der fast senkrecht 
einmündende Giesbach durchbrach und so den östlichen Teil desselben 
außer Gebrauch setzte. Seit diesem Durchbruche haben sowohl der 
Giesbach als auch jener des Pulet ihre Sohlen an der Vereinigungs- 
stelle um 60 m erniedrigt. Weil höchstwahrscheinlich durch die 
gewaltige Aufschüttung des Giesbachgletschers der ältere Bachlauf 
verstopft und verteilt wurde, kann man die ganze Einschneidung dieses 
Baches, soweit sie unter das Niveau des jungglazialen Schuttfeldes 
fällt, als seit dem Gschnitzstadium vollbracht ansehen. 

Die Terrasse von St. Veit ist an der Oberfläche ınit mächtigem, 

kalkalpinem, eckigem Schutt übergossen, der in der Nähe letzterer 
Ortschaft sich zu Wällen formt. Eine ununterbrochene mächtige 
Schuttablagerung (fast ausschließlich aus Wettersteinkalk) zieht sich 
bis gegen die Straßberger Mähder hinein. Durch gewaltige Runsen 
werden von den Gehängen der Hohen Munde außerdem stete, große 
Mengen von Schutt in die Giesbachklamm hinabgeschoben. 
Auch hier treffen wir an den Hauptdolomithängen hoch über der 
Terrasse kleine Reste von stark bearbeiteter Grundmoräne. Unter 
gröberem Kalkschutte liegt feinerer, der besonders oberhalb von den 
Felsrändern der Schlucht des Giesbaches den Charakter schwach 
bearbeiteter, hellweißlicher Grundmoräne zeigt. Tiefer streichen 
die geschichteten Schotter und Sande durch, unter welchen längs 
dem Fußrande des Emat Bödele Reste von Grundmoräne vorschauen. 
Der Körper des Emat Bödele besteht aus größtenteils horizontal 
geschichteten Schottern und Sanden, welche aber auch schräg ein- 
fallende Lagen umschließen. An seiner Oberfläche verrät sich eine 
schwache Decke von Grundmoräne. 

Im Osten durchbricht der gewaltige Schuttkegel der Erzberg- 
klamm Terrassen und Trockental. Östlich von diesem weiten, regel- 
mäßig gebauten Schuttkegel begegnen wir noch den kleinen Terrassen- 
resten von Birkenberg und Brand, welche aus horizontal geschichteten 
Schottern und Sanden erbaut sind. Beide erreichen nicht mehr als 
800 m Höhe. Höher oben treffen wir sowohl an den Gehängen des 
Birkenkopfes als auch an denen des Buchener Berges nur Reste von 
Grundmoränen. Der bedeutendste Aufschluß von sehr stark bearbeiteter 
Grundmoräne findet sich nordwestlich von Birkenberg am Abhang des 
Birkenkopfes gegen den Schuttkegel der Erzbergklamm. Vom Klamm- 
eingang abwärts überziehen hier größere Massen typischer Grund- 
moräne mit zentralalpinen Geschieben die unteren Felshänge und 


[15] Studien ‘über die Inntalterrassen. 105 


lagern sich dann nordwärts vom Fahrweg nach Birkenberg über die 
geschichteten Schotter (bei 740 m Höhe). Auch an der Ostseite des 
Birkenkopfes steigen die Grundmoränen bis zur Schotterterrasse 
herab, die westlich von Birkenberg Mehlsande enthält. Der letzte 
Rest von geschichteten Schottern bildet die kleine Terrasse von 
‘Brand, welche schon östlich von dem Kochentale sich aufbaut. Weiter 
abwärts finden wir die nächsten Ablagerungen geschichteter Schotter 
erst an der Terrasse nördlich von Innsbruck. Das ganze lange Fels- 
gehänge weist bis dorthin nur Reste von sehr gut entwickelten Grund- 
moränen auf. 

Bevor wir den Abschluß der großen Mieminger Terrasse mit 
ihren kleinen östlichen Fortsetzungen untersuchen können, muß noch 
der lange Felsrücken zur Beschreibung gelangen, der von Mötz bis 
Telfs den Südrand der Mieminger Terrasse bildet. Dieser lange, 
flache Kamm erhebt sich von Mötz zum Locherboden, steigt dann 
zum Saßberg empor, wird darauf bei Mühlried vom Lehnbach (im 
Oberlauf Städtlbach genannt) in steiler Klamm durchbrochen und 
schwingt sich zum breiten Achberg 1033 m auf, dessen absinkende 
Ausläufer sich bis zu den Häusern von Telfs hinziehen. Im ganzen 
Verlauf tritt der Hauptdolomit seines Körpers meistens nackt zutage 
und seine Oberfläche zeigt an vielen Stellen mächtige Furchen, 
welche meist parallel mit dem Inntale hinstreben. Besonders deut- 
liche stellen sich am Saßberg, bei Mühlried und am Ostabfall des 
Achberges ein. Am großartigsten ist diese eigentümliche Ober- 
flächengestaltung am Ostende des Kammes in der Umgebung von 
St. Moriz zur Entfaltung gekommen. Der anfangs steil, dann flacher 
absinkende, sehr breite Felsrücken spaltet sich in mehrere lang hin- 
ziehende schmälere Rücken, welche durch breite Felswannen von- 
einander geschieden werden. Die zwei nördlichen Felsfinger reichen 
bis an die Häuser von Telfs, zwei südlichere tauchen schon früher 
in die Schuttebene des Inntales, der kürzeste, südlichste bildet über- 
haupt nur eine vorspringende Kante. Die breiten, flachen Felswannen 
dazwischen sind 10—20 m tief eingegraben und ihre Felssohlen ver- 
schwinden rascher in der Innebene, so daß die Rücken wie Riffe 
vorragen. Auf den Abhängen des südlichen Felsrückens gelang es, 
durch Abheben der Grasdecke ziemlich deutliche Gletscherschliffe 
zu entdecken. Auf dem nördlichsten Rücken sind schlecht erhaltene 
geglättete Flächen in größerem Umfang zu sehen. Auf diesem letzt- 
genannten Rücken ist östlich vom Mörderloch ein großer Rest von 
sehr gut entwickelter Grundmoräne erhalten, der einerseits unmittelbar 
dem Felsgrunde aufsitzt, anderseits am Abfall gegen die Poststraße 
horizontal geschichtete Mehlsande übergreift, unter denen feinblättriger 
Bänderton erschlossen ist. Hier steigt die Grundmoräne bis 670 m 
herab. Gegen Westen verliert sich die Grundmoränendecke bald, 
dagegen finden wir auf den Höhen im Norden des Achberges nicht 
selten kleine Reste von Grundmoräne, vermengt mit den geschichteten 
Schottern. Solche Aufschlüsse sind besonders in der Umgebung der 
Buchwiese zu sehen. Ganz in der Talfläche tritt Grundmoräne am 
Wege von Telfs nach der Häusergruppe Emat zutage. 

Der Abschluß der Mieminger Terrasse im Osten kann nicht 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (0. Ampferer.) 14 


106 Dr. O0. Ampferer, [16] 


durch Seitenerosion des Inns erfolgt sein, da aus den wilden Schluchten 
des Giesbaches, der Erzbergklamm und des Kochentales riesige Schutt- 
kegel vorgeschoben werden, welche den Fluß ganz an die Südseite 
des Tales drücken. Erst ziemlich unterhalb der Terrasse von Brand 
drängt sich der Inn an die nördliche Felsflanke. Wir haben bei der 
Beschreibung der Mieminger Terrasse erkannt, daß die Grund- 
moränendecke von Westen nach Osten immer tiefer sich senkt. Am 
Westrand der Terrasse sehen wir die obere Grenze der geschichteten 
Ablagerungen in über 1000 m Höhe, bei Schloß Klamm nur mehr in 
870 m, östlich vom Mörderloch überlagert die Grundmoräne in 670 m 
Höhe Mehlsande und Bänderton. Die gewaltige Abschrägung der 
Schotter und Sandschichten durch Grundmoränen in der Richtung 
von Schloß Klamm gegen Mötz ist schon erwähnt worden. Im Ver- 
gleich zu der Abschrägung, welche bei einer Entfernung von 2 km 
ein Gefälle von 200 m aufweist, ist jene in der Richtung von West 
nach Ost unbedeutend, da hier erst auf 13 km 330 m Gefälle kommen. 
Allerdings ist dieser Abfall in Wirklichkeit stellenweise beträchtlich 
größer, da zwischen steileres Fallen am West- und Östrande eine 
sehr flache Mittelzone eingeschaltet ist. Wie die Aufschlüsse im 


Fig. 8 
S 
2 
N Felsfurchen in der Umgebung von St. Moriz. 
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Westen des Giesbaches beweisen, liegt auch hier die Grundmoräne 
im Norden höher (780 m) als im Süden (670 m). Am Emat Bödele 
finden sich Reste derselben in Höhenlagen von 700—780 m. Bei 
Birkenberg gehen die Grundmoränen bei 740 m über die Schotter 
herab. Trotzdem nördlich von Telfs die große Terrasse durch die 
Schluchten des Giesbaches, der Erzbergklamm und des Kochentales 
in bedeutendem Maße durchbrochen und eingeschränkt ist, erkennt 
man aus der Verteilung der Reste der Grundmoränendecke doch 
sicher die glaziale Abschrägung der geschichteten Ablagerungen. 
Die Reste von Grundmoränen, welche in der Umgebung der Ort- 
schaft Emat am Fuße der geschichteten Schotter auftreten, gehören 
wahrscheinlich einer älteren Vergletscherung an. 

Neben dem allgemeinen Niederstreben der deckenden Grund- 
moränen bildet die Felsfurchenlandschaft von St. Moriz (Fig. 8) den 
besten Beweis für den glazialen Abschluß der Terrasse. Ausgehend von 
den Abhängen des Achberges, strecken sich die Felsrücken wie Finger 
einer Hand in schwach nordöstlicher Richtung gegen Telfs und 
tauchen dabei in die Schuttebene des Inntales. Solche Formen können 
unmöglich durch die Erosion eines Flusses geschaffen werden, dafür 
ist auch ihr Abstieg vom Achberggehänge ein viel zu steiler. Auf 


[17] Studien über die Inntalterrassen. 107 


dem nördlichsten Rücken ist zudem die Grundmoränendecke umfang- 
reich neben Gletscherschliffen erhalten. Die Art, wie die Wannen 
und Rücken dieser Landschaft in die Schuttebene hinabtauchen, 
beweist, daß hier das Eis in der Gegend von Telfs den Felsgrund 
bis unter die heutige Innebene hinab auszuhobeln vermochte. Hätte 
der Inn die Abtragung der Mieminger Terrasse im Osten bewirkt, 
so wäre das kaum denkbar ohne Zerstörung dieser eigentümlichen, 
mit Grundmoränen und Schliffen engverbundenen Felsformen, welche 
ja zwischen ihm und den Terrassenresten sich hinziehen. Es ist nicht 
unwahrscheinlich, daß das Becken von Telfs eine vom Inn teilweise 
zugeschüttete. größere glaziale Felswanne darstellt, welche sich un- 
mittelbar an die Felsfurchen von St. Moriz anschließt, deren Zwischen- 
wannen sich ja gegen Osten verbreitern. 


Das Inntalgehänge zwischen Telfs und Kranebitten. 
Die Hochfläche Buchen—Mösern— Seefeld. 


Unterhalb des Beckens von Telfs treten in langer Erstreckung 
größtenteils kahle Felshänge unmittelbar an das Innbett heran. Bis 
gegen Kranebitten hinab fehlen der nördlichen Talflanke geschichtete 
Ablagerungen völlig, was anscheinend nicht verwunderlich ist, da der 
Inn von den Schuttkegeln der südlichen Seitenbäche kräftig ans 
Nordgehänge gelenkt wird und dasselbe bespült. Nur bei Zirl kommen 
von der Nordseite der Schloß- und Ehnbach, welche mit ihrem großen 
vereinigten Schuttkegel den Inn an die Südflanke weisen. 

Bei eingehender Untersuchung dieser langen Felsflanke kommen 
wir indessen zur Anschauung, daß das völlige Fehlen der geschichteten 
Bändertone, Sande und Schotter, welche südlich des Inns hier überall 
in großartiger Weise erhalten sind, nicht als Abschwemmung durch 
den Inn erklärt werden kann. 

Das Inntal beschreibt unterhalb von Telfs eine bedeutende 
Drehung in seiner Richtung, die aus einer nordöstlichen in eine süd- 
östliche übergeht. Dabei verläuft sowohl der Talzug oberhalb als 
unterhalb des scharfen Umbuges weithin in nahezu gerader Richtung. 
Die Ablenkung des oberen Talzuges gegen Süden beträgt ungefähr 
50% Diese Ablenkung betrifft indessen nur die tiefe Furche des 
Inntales, denn oberhalb der geschlossenen Talwendung finden wir im 
Gebiete der weiten Einsenkung von Seefeld—Leutasch fast genau in 
der Richtung des oberen Inntallaufes vier mächtige Felsfurchen, 
welche gleichsam in der Höhe Fortsetzungen des ungebrochenen 
Talstreichens vorstellen. Es sind dies die doppelte Furche von Buchen, 
die Talung von Wildmoos, das Becken des Möserer Sees und die 
breite Talverbindung Mösern—Seefeld. Diese großangelegten Fels- 
furchen beginnen in einer Höhe von 1000-1200 m, steigen dann 
eine kurze Strecke an, um bald jenseits sich abzusenken. Nur das 
Felsbecken, in dem der kleine Möserer See liegt, verschwindet nach 
kurzem, ziemlich steilem Anstiege. Wenn wir das allgemeine Streichen 
des aus Hauptdolomit aufgebauten Grundgebirges beachten (ungefähr 
ostwestlich), so erkennen wir, daß diese Täler in spitzem Winkel 
diese Richtung kreuzen. 

14* 


108 Dr. O0. Ampferer. [18] 


Daß sich seit der letzten Vergletscherung weder die Formen 
des Talgehänges zwischen Telfs und Kranebitten, noch auch die der 
großen Felsfurchen der Einsenkung von Seefeld—Leutasch im wesent- 
lichen verändert haben, beweisen zahlreiche Reste von Grundmoränen, 
welche noch jetzt darüber verteilt liegen. 

Die kleine Terrasse von Brand an der Ostseite des Kochen- 
tales besteht noch aus geschichteten, meist zentralalpinen Geschieben. 
Auf den Felshängen darüber treffen wir erst nördlich von Buchen 
srößere Anhäufungen von gut entwickelter Grundmoräne. Weiter 
abwärts weist am Nordgehänge des Inntales die kleine Felsstufe von 
Bairbach nur eine dünne Decke von Grundmoränen auf, an der auch 
am Gehänge gegen Ober-Pettneu mehrfach kleine Reste anstehen. 
Einer größeren Anhäufung von ausgezeichnet entwickelter Grund- 
moräne begegnen wir knapp nördlich der Häuser von Ober-Pettneu, 
welche hier einen einspringenden Winkel des Felsgehänges ausfüllt 
und bis 630 m herabzieht. ‘Bei den untersten Häusern von Unter- 
Pettneu setzt wieder hinter einem Felsvorsprunge eine große Lage 
typischer reiner Grundmoräne ein, welche längs einer schräg gegen 
Osten aufsteigenden Felsstufe über Leiblfing ins Tal des Niederbaches 
hinaufsteigt. Diese Felsstufe beginnt hinter dem kleinen Felshügel, 
welchen die Kirche von Leiblfing krönt und sie erhebt sich in 
flachem Anstieg bis zu dem Felskopfe oberhalb von Dirschenbach. 
Von dort senkt sie sich zum Niederbach und strebt jenseits desselben 
steil zu jenem Sattel empor, welcher die breite Felswanne von 
Leithen nach Westen zu öffnet. Diese Felswanne selbst, welche 
hinter dem Buchwieselkopfe parallel mit dem Inntale hinstreicht, hebt 
sich allmählich gegen Osten, bis sie östlich an der Ortschaft Leithen 
das Gefälle ändert und nun gegen die Schloßbergklamm absinkt, von 
der sie quer abgeschnitten wird. Jenseits dieser Klamm setzt sich 
nördlich von Zirl ebenfalls wieder eine Felsterrasse fort, die durch 
die tiefe Ehnbachklamm nur durchschnitten, nicht aber begrenzt 
wird. Ihre Fortsetzung wäre in der breiten Mulde zu suchen, welche 
nördlich vom Höhenberg zu den Zirler Mähdern emporführt. Die 
Zusammengehörigkeit dieser durch zwei tiefe Schluchten getrennten 
Felsstufen ist jedoch nicht sicher zu erweisen. 

Nur der erste Teil dieser Felsstufenfolge ist bis über den 
Niederbach hinaus mit einer zusammenhängenden Grundmoränendecke 
überkleidet, in welche der eben genannte Bach vor seinem Absturz 
in die Felsklamm von Dirschenbach einen großen Aufriß eingefressen 
hat. Die Felswanne von Leithen besitzt nur im Osten eine mächtige 
Einlage von schön entwickelter Grundmoräne, die Felsstufe oberhalb 
des Dorfes Zirl ist dagegen in bedeutendem Maße von solchen Ab- 
lagerungen bedeckt, welche am Weg zum Erlsattel bis gegen 1200 m 
Höhe aufstreben. 

Im tieferen Inntalgehänge sind noch in einer Felsnische hinter 
Eigenhofen sowie längs des Felsfußes vom Zirler Kalvarienberg bis 
Martinsbichl einzelne kleinere Reste von Grundmoräne erhalten. Schon 
diese Zusammenstellung weist auf die merkwürdige Erscheinung hin, 
daß an der Nordflanke dieses Inntalgebietes zwar alle Spuren von ge- 
schichteten Ablagerungen fehlen, wogegen besonders in Nischen und 


[19] Studien über die Inntalterrassen. 109 


auf Stufen des Gehänges vielfach sehr gut entwickelte, reine Grund- 
moränen, manchmal sogar in bedeutenden Massen, vorhanden sind. 
Diese Reste von Grundmoränen sind auch nicht auf eine bestimmte 
Höhenlage beschränkt, sie finden sich knapp über der Flußebene und 
von dort aufwärts bis über 1200 m. 

Durch Abschwemmungen des Inns kann das Fehlen der ge- 
schichteten Ablagerungen, welche südlich des Flusses längs der ganzen 
Strecke in einer Folge von Bänderton, Mehlsand und Schotter vor- 
liegen, nicht erklärt werden. Es müßten doch ebensogut auch Reste 
der geschichteten Ablagerungen noch erhalten sein, da nicht einzu- 
sehen ist, warum nur sie allein überall herausgepült worden sein 
sollen. Wären nach dem Rückzuge der letzten Vergletscherung auch 
längs der Nordflanke dieses Inntalstückes die geschichteten Ablage- 
rungen noch vorhanden gewesen, so müßten doch die Grundmoränen 
dieser Vergletscherung auf ihnen ihren Platz gefunden haben. Wäre 
dann die geschichtete Unterlage von dem Inn entfernt worden, so hätte 
damit notwendig auch ihre Grundmoränendecke verschwinden müssen. 
So könnte man die jetzt noch erhaltenen Grundmoränenreste vielleicht 
als einer älteren Vergletscherung angehörig betrachten wollen, die 
schon ursprünglich unter den geschichteten Ablagerungen lagen und 
nach deren Entfernung wieder zutage kamen. Auch da bliebe es höchst 
auffallend, daß nicht Reste der darauf gelagerten geschichteten Ab- 
lagerungen stellenweise mit erhalten wurden. Stammen diese Grund- 
moränenreste von der vorletzten Vergletscherung, so waren sie der 
Erosion einmal bis zur Bedeckung durch die geschichteten Ablage- 
rungen und dann ein zweitesmal nach deren Ablagerung preisgegeben. 
Eine Erhaltung von vielen Grundmoränenresten einer älteren Ver- 
gletscherung auf so großer und steiler Flanke ist jedenfalls äußerst 
unwahrscheinlich. Sämtliche anderen Reste von älteren Grundmoränen 
sind nur an Orten erhalten, wo sie durch überlagernde Ablagerungen 
geschützt worden sind. Wenn hier die geschichteten Ablagerungen 
mit ihrer Grundmoränendecke durch Wassererosion vollständig ent- 
fernt wurden, so müßten Reste einer älteren Vergletscherung noch 
viel sicherer abgespült worden sein. Es ist weitaus am wahrschein- 
lichsten, daß diese Grundmoränen von der letzten Vereisung abstammen. 
Dann müßten aber vom Eise die geschichteten Ablagerungen mindestens 
bis fast zur Tiefe des heutigen Innlaufes abgetragen worden sein, da 
nur nach diesem Vorgange die Grundmoränen unmittelbar auf dem 
nackten Felsgrunde zum Absatze gelangen konnten. Die schräge Fels- 
gasse von Leiblfing ist wohl nur durch aufsteigende Eisströmung zu 
erklären, weil der Niederbach bei dem sehr steilen Abfalle der Fels- 
lehne keine Ursache hatte, von der Richtung des größten und kürzesten 
Falles abzuweichen und quer an dem Felshange in auffallend flacher 
Neigung mehr als 2 km weit hinzuziehen. Diese Felsgasse ist ebenso 
wie die gleichsinnig, aber schwächer ansteigende Felswanne von Leithen 
als ein sicheres Zeichen der eigenartigen Erosion des Eises zu be- 
trachten. Auch die Felsterrasse oberhalb von Zirl, welche in etwas 
über 800 m Höhe beginnt und nur von großen Massen schön ausge- 
bildeter Grundmoränen sowie von Gehängeschutt bedeckt ist, dürfte 


110 Dr. O0. Ampferer. [20] 


vom Eise geschaffen worden sein. Unter der Grundmoränendecke zeigt 
der Fels mehrfach noch gut erhaltene Gletscherschliffe. 

Östlich von Zirl tritt steilstehende ältere Trias, Wetterstein- 
kalk, Partnachschichten und Muschelkalk an das Inntal heran, wobei 
der Wettersteinkalk über den überkippten älteren Schichtgliedern in 
gewaltigen Felswänden aufragt. Bis Martinsbichl finden wir am Fuße 
der Steilwände Spuren von Grundmoränen. Weiter abwärts überwiegt 
mit dem Hochstreben der Felswände der aus ihren Schichten ab- 
stürzende frische Schutt, welcher bis gegen Kranebitten den unteren 
Teil der Gehänge beherrscht. Nur östlich des Mailbrünndl (Quelle bei 
Punkt 588) finden wir knapp über dem Spiegel des Inns reichliche 
Quellen, welche aus dem Gehängeschutt über einer Grundlage von 
festem, kalkigem Lehm hervorquellen. 

Nachdem wir nun die untere lange Talwandung besprochen haben, 
müssen wir noch die eigentümlichen Talzüge genauer betrachten, welche 
über derselben einsetzen und die Einsenkung von Seefeld—Leutasch 
durchziehen. Während der tiefe Taltrog des Inntales unterhalb Telfs 
um 50° gegen Süden abbiegt, sehen wir über der nördlichen Tal- 
wandung die schon erwähnten Felsfurchen in der ungebrochenen 
Richtung gegen Nordosten fortstreben. Von den vier schon erwähnten 
Furchen sind die von Wildmoos und jene von Mösern— Seefeld nicht 
bloß die größten, sondern auch die eigenartigsten. 

Der Talzug von Wildmoos beginnt in etwa 1200 m Höhe ober- 
halb von Bairbach mit einer doppelten Felsfurche, welche von Resten 
sehr stark bearbeiteter Grundmoräne besezt ist. Die Verdopplung der 
großen ansteigenden Felsfurche zieht sich bis zum ersten großen 
Becken hin, an welchem das Jagdhaus Wildmoos erbaut ist. Der die 
beiden Felsrinnen scheidende Rücken besteht aus einer Anzahl von 
flach auf- und abschwellenden Felshöhen. Kurz vor dem Becken 
mit dem Jagdhause erheben sich die beiden Flächen zu einem 
flachen Sattel, der sie über eine Erniedrigung ihres Scheidekammes 
hinweg verbindet. Dann senkt sich die südliche Rinne, indem sie sich 
zugleich kräftig verbreitert und bildet so die Felswanne des Wild- 
mooser Beckens, welche zeitweilig von einer Wasseransammlung gefüllt 
wird. Die nördliche Felsfurche vereinigt sich mit dem großen Becken, 
nachdem der Scheidekamm verschwunden ist. Jenseits des Beckens 
mit dem Jagdhause verschmälert sich die nunmehr einfache Felsfurche 
und steigt dabei wieder an. Auf dieser ansteigenden Strecke hat die 
neuangelegte Straße typische Grundmoräne angeschnitten. Nach Über- 
schreitung eines schmalen Sattels senkt und verbreitert sich die Furche 
zu dem weiten Becken, an welchem die Wildmoosalpe steht. Dieses 
Becken ist noch größer als das erste und seine Felswanne ist von 
Torfablagerungen erfüllt, die auch abgebaut werden. Dieses Becken 
bildet die Ausstrahlungsstelle von drei Felsfurchen, welche jenseits 
seiner Felsumwallung mit steilerem Abfall einsetzen. 

Der nördlichste Ast der Verzweigung ist das Kellental, welches 
nach längerer, engerer Strecke sich zu einem Felsbecken erweitert. 
Schon die Flanken dieses Beckens sind mit bedeutenden Massen 
von Grundmoränen bekleidet, was noch mehr von dem folgenden 
sehr langgestreckten Becken gilt, in welches das erstere mit einer 


[21 ] Studien über die Inntalterrassen. 111 


verengten Steilstufe absinkt. Dieses zweite Becken wird an der Straße, 
welche von Seefeld nach Leutasch führt, auf einem Damm durchquert. 
Schon in diesem Becken und noch mehr im weiteren Verlaufe des 
Talzuges macht sich der verändernde Einfluß von rinnendem Wasser 
bemerkbar. 

In der Gegend, wo die Leutascher Straße unseren Talzug kreuzt, 
überziehen mächtige Massen von stark bearbeiteter Grundmoräne die 
niedrigen Sattelhöhen zu beiden Seiten und stellen so zwischen der 
Talweitung von Leutasch bis in die Nähe von Seefeld eine zusammen- 
hängende Grundmoränendecke her. 

Der mittlere, von der Wanne der Wildmoosalpe ausgehende 
Tallauf vereinigt sich bald mit dem südlichen, welcher von dem 
Klammbache benützt wird. In beiden Talläufen finden sich reichliche 
Einlagerungen von Grundmoränen, aus deren Lage man den geringen 
Betracht der nacheiszeitlichen Wassererosion ersieht. Dieser Talzug 
mündet nach ziemlich kurzem Lauf in das von Seefeld nach Scharnitz 
ziehende Tal, welches eine Fortsetzung der Felsfurche von Mösern 
darstellt. Außer diesen weit verfolgbaren Talzügen, welche an die 
Wanne der Wildmoosalpe geknüpft sind, besitzt dieselbe noch eine 
gerade Fortsetzung, indem sich ihre Felsfurche jenseits eines sehr 
flachen Sattels jäh mit mehreren Rinnen in ein sehr weites Becken 
absenkt, das in der Mitte von der Leutascher Straße durchzogen wird. 
Der südliche, sumpfige Teil wird jetzt vom Achermoosbach entwässert, 
welcher in den Klammbach mündet. Bedeutende Massen von Grund- 
moränen überziehen die weite Einbuchtung, welche aus mehreren mit- 
einander verschmolzenen Wannen besteht. Bei Punkt 1252 übersteigt 
die Straße einen von Grundmoränen gebildeten Sattel. Östlich davon 
ist in einer Grube horizontal geschichteter, nicht abgerollter Schutt 
erschlossen, der größtenteils aus Hauptdolomit besteht, aber auch 
zentralalpine Geschiebe enthält. Es ist diese Einlage wohl als eine 
von den Schmelzwassern der rückziehenden Vereisung umgelagerte 
Grundmoräne anzusehen. 

Die große Furche, welche Mösern und Seefeld verbindet, setzt 
in der Umgebung des ersteren Ortes bei 1200 m Höhe mit mehreren 
flachen Felsfurchen ein, welche gegen einen Sattel (1240 m) aufstreben, 
der durch einen Felsbuckel geteilt wird. In diesen aufsteigenden Fels- 
rinnen sind mehrfach Grundmoränenreste sowie östlich von Mösern 
schlechterhaltene Gletscherschliffe vorhanden. Jenseits des gedoppelten 
Sattels sinkt die nunmehr einheitliche Furche etwas ab und verbreitert 
sich dabei zu einer großen Wanne, welche mit Torfablagerungen aus- 
gefüllt ist. Aufragende Felshügel bilden im Nordosten eine Schwelle, 
welche ein kleiner Bach in schmalem Einriß durchschneidet. Diese 
Felsschwelle sinkt rasch in ein tieferes, noch viel breiteres und viel 
längeres Becken ab, das bis in die Gegend des Seefelder Seekirchls 
sich ausdehnt. Große Grundmoränenmassen bekleiden die Stufe zwischen 
den beiden Becken, besonders an den beiden Seiten. Durch einen 
künstlich angelegten Querdamm wurde in früherer Zeit das Becken in 
einen See verwandelt. Möglicherweise sind die kleinen Schutterrassen 
im östlichen Abschnitte des Beckens Andeutungen von einer Verlandung 
dieses künstlichen Sees durch Einschüttungen des Raabaches. In der 


112 ‚ENZZAT TE O. Ampferer. Bi [22] 


Gegend des Seekirchls engen von beiden Seiten abgerundete Fels- 
hügel das Becken ein, das jedoch nach kurzer, von Grundmoräne be- 
sleiteter Enge sich zu dem noch größeren von Seefeld öffnet. Das- 
selbe ist keine einfache Wanne mehr, da sich von Süden her ein 
zweites Felsbecken ausdehnt, das in der Gegend des Dorfes Seefeld 
mit jenem ersteren zusammenwächst. Leider sind hier durch den großen 
Schuttkegel des Hagelbaches vielfach die charakteristischen Züge des 
sroßen vereinigten Felsbeckens verdeckt, da er nahezu */, von dessen 
Oberfläche verschüttet hat. Der aus der Vereinigung des Hagelbaches 
und des Raabaches gebildete Seebach hat außerdem in die Fels- 
schwelle, welche das Seefelder Becken im Norden umschließt, eine 
tiefe Schlucht hineingefügt. Trotzdem ist der Charakter der durch 
die Eiserosion geschaffenen Formen ein unverkennbarer. Der breite 
Felswall, der das Becken gegen Norden umfaßt, zeigt ausgezeichnete 
serundete Buckel mit Furchen dazwischen, welche gegen Nordosten 
weisen. Wo der Seebach seine schmale Schlucht einzugraben beginnt, 
streben eine Anzahl von Felshöckern empor, welche anzeigen, daß der 
Boden der Felswanne sich dort seiner Anlage nach noch im Ansteigen 
befindet. Erst beträchtlich weiter nördlich senkt sich das ganze Fels- 
gehänge, wobei es, in steile Furchen zergliedert, zum Klamm- und zum 
Seebach abfällt. Besonders an der östlichen Seite ist diese Felsstufe 
von reichlichen Massen gut entwickelter Grundmoräne begleitet; welche 
schöne Aufschlüsse längs der Straße nach Scharnitz ergibt. 

Nordwestlich von Seefeld ist dem Wannenzuge, der von Mösern 
herüberstreicht, noch eine kleine seitliche Felswanne angegliedert, 
deren Becken von Torf ausgefüllt ist. 

Die mächtige Felswanne, welche sich vom Seefelder Sattel gegen 
Norden absenkt, wird gegenwärtig noch zum Teil vom Wildsee ein- 
genommen, welcher vom Schuttkegel des Hagelbaches aufgedämmt 
und von dessen Wasser gespeist wird. Nur an der vom Schuttkegel 
freien West- und Südseite der Felswanne treten die flachen, ge- 
glätteten Buckel aus Hauptdolomit zutage. Auf der Südseite bilden 
dieselben, stellenweise überdeckt von Grundmoränen, die Unterlage des 
Sattels. Entlang dem Tale des Mühlbaches (im Unterlauf-Niederbach) 
ziehen von ihm die Grundmoränen in bedeutenden zusammenhängenden 
Massen auf beiden Talhängen gegen das Inntal abwärts. Am westlichen 
Ufer enden dieselben mit der großenteils von ihnen erbauten Terrasse 
von Mühlberg, auf der östlichen Talseite ziehen sie bis unterhalb von 
Reith hinab und kommen hier der Grundmoränendecke, welche über 
die Felsgasse von Leiblfing aus dem Inntale heraufsteigt, so nahe, daß 
ihr ursprünglicher Zusammenhang sicher anzunehmen ist. 

Im Grunde dieselben in Fels gegrabenen Formen sehen wir auch 
in kleineren Verhältnissen am Möserer See und an dem Sattel von 
Bucher. Der Möserer See füllt eine kleine, zwischen Felsköpfen ein- 
getiefte Wanne (1292 m) aus. Gegen Nordosten setzt sich dieselbe 
erst verdoppelt; dann einfach in ziemlich steilem Anstiege gegen den 
Punkt 1496 fort, wo sie zwischen den Hängen des Brunschberges und 
des Kirchenwaldes ausgeht. 

Der Sattel von Buchen besteht aus zwei nebeneinander fast parallel 
verlaufenden Felsfurchen, welche am Abfalle gegen das Kochental in 


[23] Studien über die Inntalterrassen. 113 


etwas über 1200 m Höhe beginnen. Sie streichen sowohl mit dem 
Laufe des Inntales oberhalb seines Buges, als auch mit den Furchen 
von Wildmoos, Möserer See und Mösern gleichsinnig gegen Nordosten. 
Beide Furchen steigen anfangs an, bilden dann flache Sättel und 
spalten sich im Hinabsteigen gegen die Niederung von Moos. Die nörd- 
liche Furche biegt dabei gegen Norden um, mehrere aufragende Fels- 
kuppen stellen sich ein, zwischen denen kleine mit Moor und Torf 
gefüllte Becken liegen. Drei prägen sich besonders aus, die wie 
Stufen einer äußerst flachen Treppe im Süden des Weilers Moos an- 
geordnet sind. 

Die südliche Furche, längs welcher der Fahrweg von Buchen 
nach Leutasch führt, besitzt östlich ihres Sattels ein großes, seitliches, 
von sumpfigen Wiesen bedecktes Felsbecken, das jedoch stumpf am 
Abhange des Hochmooskopfes (1555 m) endet. Die Hauptfurche lehnt 
sich mit steilerem Abfalle gegen die Niederung von Moos hinab. Der 
Steilabhang der beiden Buchener Furchen gegen die eben genannte 
Niederung ist mit bedeutenden Massen kräftig bearbeiteter Grund- 
moräne verkleidet. Diese Niederung gehört schon zu der großen Tal- 
weitung von Leutasch, deren weitere Schilderung uns hier allzusehr 
von dem Ziele unserer Arbeit ablenken würde. Daß auch dieses große 
Talbecken wesentlich durch Eismassen des Inntalgletschers und solche 
aus dem Gaistale ausgestattet wurde, hoffe ich bei anderer Gelegenheit 
zeigen zu können. Die Schilderung der eigenartigen, über der Tal- 
wandung des Inntales eingreifenden Felsfurchen konnte nicht wegge- 
lassen werden, weil ihre Formung mit der des Haupttales aufs innigste 
verbunden ist. 


Die Terrasse nördlich von Innsbruck. 
(Fig. 9 und 10.) 


Die Terrasse im Norden von Innsbruck beginnt bei Kranebitten 
und endet zwischen Thauer und Absam. Längs dieser kurzen Er- 
streckung wird dieselbe von sechs Quertälern vollständig und von 
mehreren kleineren Gräben unvollständig zerschnitten. Der Aufbau 
der Terrasse ist in diesem Gebiete ein sehr verwickelter, da sich 
unter den geschichteten Inntalablagerungen neben Felsstufen auch noch 
Reste der interglazialen Höttinger Breccie und Grundmoränen älterer 
Vergletscherungen finden. Uns sollen hier nur jene Erscheinungen be- 
schäftigen, aus denen sich Schlüsse auf die Umformungen der Terrasse 
in und nach der Zeit der letzten Vergletscherung gewinnen lassen. 

Aus der tiefen Kranebitter Klamm baut sich ein flacher, frischer 
Schuttkegel heraus, welcher den Inn gegen Süden abdrängt. Dieser 
Schuttkegel wird an seiner Ostseite von einem gewaltigen Reste eines 
älteren Kegels überragt, der viel steiler aufgeschüttet war und weit 
gegen Osten sich ausdehnte. Aus diesem älteren Schuttkegel heraus- 
gemodelt sind die Eckterrasse des Kerschbuchhofes sowie die vier viel 
kleineren und niedrigeren Hügelkämme, deren östlicher noch vor 
einigen Dezennien als Hinrichtungsplatz benützt wurde (Galgenbichl 
640 m). Schon am Ostgehänge der Kerschbuchhofterrasse begegnen 
wir bedeutenden Auswaschungen durch Wassererosion und die folgenden 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band 1. Heft. (0. Ampferer.) 15 


114 Dr. O. Ampferer. (24) 


Hügel sind durch breite, sehr steile Talstücke voneinander getrennt. 
Eine Grundmoränendecke fehlt den Resten dieses Schuttkegels, dessen 
Material fast ausschließlich aus den Gesteinen des Auffanggebietes 
der Kranebitter Klamm besteht. Nicht selten trifft man einzelne an 
den Kanten abgerundete, oberflächlich geschrammte Stücke. Im Osten 
lagert dieser Kegel horizontal geschichteten Schottern auf, welche in 
schräger, etwas gewölbter Fläche gegen den Ausgang des Höttinger- 
tales anstreben. Auf den ersten Blick könnte man aus dieser Form 
an einen großen, aus dem Höttingertale herausgeschobenen Schutt- 
kegel denken, doch zeigen zahlreiche darein eingetriebene Schutt- 
gruben meist ebenschichtige, stark gerollte Schotter und Sande, in 
denen zentralalpines Material weitaus vorherrscht. Schon knapp ober- 
halb der Hügelkämme des alten Kranebitter Kegels finden wir am 
Felsgehänge vielfach Reste von deutlicher Grundmoräne. Dieselbe 
läßt sich nun, nicht völlig zusammenhängend, bis zum tiefen Einschnitt 
des Höttingertales verfolgen, wobei sie vorzüglich die höheren Teile 
der aus geschichteten Ablagerungen erbauten Terrasse überzieht. Der 


AchselKopf 
> 


Kuchseck 


OE 
ER EIS" 


Höttinger Au —” Allerheiligenhöfe 


7 


untere, flache, schuttkegelförmige Teil der Terrasse erhebt sich nämlich 
gegen das Gehänge des Achselkopfes (Fig. 9) hin zu einer bedeutend 
höheren Stufe, welche durch kurze Quertälchen in eine Reihe von Rücken 
aufgelöst ist. Auf diesen Rücken und an ihrem geschlossenen Hinter- 
gelände finden sich nun fast allenthalben die schon erwähnten Grund- 
moränen. Dieselben steigen im Zusammenhange nur vom Höttingerbilde 
über die Terrasse des Planezenhofes gegen Hötting und längs einem 
Trockentale bis zum Schlotthofe (709 m) herab, wo in den geschichteten 
Schottern ein Lager von Bänderton mit einer Mehlsanddecke einge- 
schaltet ist. Weiter westlich lagern, von der oberen Grundmoränendecke 
völlig getrennt, am Fuße der sieileren Terrasse beträchtliche Massen 
von Grundmoränen, die höchstwahrscheinlich ursprünglich ebenfalls mit 
jener Decke in Verbindung standen, welche die geschichteten Ab- 
lagerungen überdeckt. Dieser untere Streifen von sehr gut entwickelter 
Grundmoräne beginnt schon westlich von dem Schuttgraben des Höllen- 
tales und findet östlich von der bei 687 m Höhe angelegten Lehm- 
grube (Bänderton, Mehlsand und Schotter) in der Umgebung der 
Allerheiligenhöfe seine größte Verbreitung. Hier bestehen die kleinen 


[25] Studien über die Inntalterrassen. 115 


Hügelkämme ober der Fahrstraße aus gut ausgebildeter Grundmoräne, 
welche sich bis zur Straße herabzieht. 

Wenn wir die Erscheinung beachten, daß im Westen des Höttinger- 
tales die ganze Masse der geschichteten Ablagerungen in eine höhere, 
stark erodierte und eine tiefere, flach abgeschrägte Stufe gegliedert 
ist und daß sich auf beiden Reste einer Grundmoränendecke befinden, 
so erscheint auch hier der Gedanke an eine Umformung durch die 
Eiserosion berechtigt. Die Grundmoränenaufschlüsse reichen nicht 
unter 650 m herab. Der alte Schuttkegel aus der Kranebitter Klamm 
ruht mit seinen östlichen Ausläufern auf der unteren Stufe der ge- 
schichteten Schotter und Sande und er besitzt keine Grundmoränen- 
decke. Diese Beobachtungen führen zu dem Schlusse, daß in der 
Gegend von Karnebitten die geschichteten Ablagerungen fast gänzlich 
entfernt worden sind und sich erst weiter gegen Osten in ziemlich 
flachem Anstiege erheben. Als Ursache für die Bildung des hohen, 
mächtigen Schuttkegels aus der Kranebitter Klamm kann man unge- 
zwungen einen Lokalgletscher des Gschnitzstadiums annehmen. Da 
dieser Schuttkegel durch steile Trockentälchen ebenso kräftig zer- 
schnitten ist wie die östlich von ihm lagernden geschichteten Ab- 
lagerungen, so werden wir nicht weit fehlen, wenn wir darin Wirkungen 
der Schmelzwasser dieses und wahrscheinlich auch eines noch jüngeren 
Rückzugstadiums (Daunstadium) erkennen. Spuren dieses bereits sehr 
hoch emporgerückten Stadiums finden wir nämlich unterhalb der beiden 
Kare der Inntalkette am Schneekar und bei der Seegrube. Nicht 
unerwähnt will ich lassen, daß sich zu beiden Seiten des unteren 
Höllentalgrabens in der Bergneigung geschichtete, verfestigte Bänke 
aus wenig bearbeiteten Kalken des Talgebietes befinden, von denen 
kleine Reste noch hart über der Innebene anstehen. Sie werden von 
den geschichteten Schottern und von den Grundmoränen überlagert 
und besitzen ein höheres Alter. 

Östlich von dem Höttingertale hat der Inn, durch den Schuttkegel 
der Sill gedrängt, das Gehänge der nördlichen Terrasse stark ange- 
griffen und ihren Felskern auf längere Strecke bloßgelegt. 

In dem Gebiete zwischen Höttingertal und Mühlauer Graben ist 
daher der Abschluß der Terrasse gegen Süden durch die Angriffe 
des Inns völlig verändert worden. Die Decke der Terrasse bilden 
ausgedehnte Massen sehr gut entwickelter Grundmoräne, welche im 
westlichen Abschnitte unmittelbar den geschichteten Schottern und 
Sanden, im östlichen hingegen den Bänken der höher ansteigenden 
Höttinger Breccie auflagern. An dem Hügelgelände östlich des Höttinger- 
tales kann man betrachten, wie die geschichteten Ablagerungen an der 
Grundmoräne südlich abfallend abgeschrägt werden. Vom Gramart- 
boden steigen sie zusammenhängend über geschichtete Schotter und 
Sande von etwa 850 m bis 760 m herab. Diese Angabe gilt nur an- 
nähernd, da in diesem Gebiete eine überaus lebendige Formung des 
Geländes zu Hügel und Tälchen statthat und die Grundmoränendecke 
ebenfalls keine ebene Unterlage besitzt. Uberlagert wird diese deutliche, 
an zentralalpinen und gekritzten Geschieben reiche Grundmoräne 
oberhalb des Gramartbodens und westlich des Höttingertales, in der 
Umgebung des Wallfahrtskirchleins „Höttingerbild“, von großen Massen 

15* 


116 Dr. O0. Ampferer. [26] 


vorzüglich kalkalpinen Schuttes, der vielfach den Eindruck einer schwach 
bearbeiteten Grundmoräne liefert. Er läßt sich aufwärts bis ungefähr 
zur unteren Buntsandsteinzone verfolgen. Talabwärts greifen diese 
Schuttmassen auf beiden Talseiten breit aus und von ihrer unteren 
Grenze an stellt sich östlich des Tales die reiche Hügellandschaft, 
westlich das breite Trockental ein, welches an der Höhe des Planezen- 
hofes zum Schlotthofe hinableitet. 

In diesem Trockentale ziehen, wie ich schon erwähnte, an der 
Nordseite typische Grundmoränen hinab, welche von Schutt aus dem 
Höttingertale (Bundsandstein, Muschelkalk ... Stücke der Höttinger- 
breccie) überdeckt sind. Gegenwärtig kann kein Schutt aus dem 
Höttingertale mehr in dieses Trockental gelangen, weil der östliche 
Rand desselben beim Planezenhofe 100 m über der Sohle des ersteren 
in die Luft ausgeht. Diese Beobachtung führt uns wieder zu der Vor- 
stellung, daß zur Zeit des Gschnitzstadiums ein Lokalgletscher den 
oberen Teil des Höttingertales erfüllte, der über die Terrasse sein 
Schuttfeld vorschüttete, während seine Schmelzwasser die Hügel und 
Trockentäler oberhalb von Hötting modellierten. Auch von dem Ge- 
hänge zwischen Höttingertal und Mühlauer Graben dürften durch 


Fig. 10. 


Magdaleinhof 
Ei 


Lokalgletscher die großen, wenig abgenützten Schuttmassen herabge- 
schüttet worden sein, welche in dieser Gegend auf den Grundmoränen 
lagern. Starke Schuttmassen hat auch ein Lokalgletscher zu beiden 
Seiten der Mühlauer Klamm über die Terrasse gebreitet. Seiner 
Wasserwirkung entstammen wohl die Trockentäler, welche von der 
Höhe des Rechenhofes sich gegen Südosten absenken. 

Östlich des breiten Rumer Grabens finden wir wieder sowohl 
eine Grundmoränendecke auf der Höhe der Terrasse als auch einen 
mächtigen Streifen am Fuß derselben. Letzterer setzt in der Gegend 
des Bändertonlagers nordwestlich von Rum ein und bildet dann die 
unteren Anhöhen bis Thaur. Die obere Decke ist vielfach erodiert 
und von kalkalpinem Schutt (Lokalgletscher!) überschüttet, während 
die untere Zone vorzügliche Aufschlüsse von reiner, stark bearbeiteter 
Grundmoräne, besonders westlich von Tbaur bietet. Kein Aufschluß 
reicht jedoch. so tief, daß man mit Sicherheit entscheiden könnte, 
ob diese Grundmoränen die geschichteten Ablagerungen unterlaufen 
oder bloß steil daran angelagert sind. Für die letztere Ansicht lassen 
sich zwei Wahrscheinlichkeitsbeweise anführen. Westlich von Thaur 
liegt auf einer schrägen Vorstufe aus Grundmoräne der Magdaleinhof 
(Fig. 10). Etwas nordwestlich von diesem Hofe wurde in den Fuß 


[27] Studien über die Inntalterrassen. 7 


der höheren Hinterterrasse eine Schuttgrube eingetieft, welche ein 
horizontal geschichtetes Lager von Mehlsand eröffnete. Diese Mehl- 
sande liegen um 10—30 m tiefer als die in der Nähe und östlich vor- 
lagernden Grundmoränen. 

Außerdem vereinigen sich aber im Osten von Thaur der obere 
und untere Grundmoränenzug auf abgerundeter Felsunterlage. Damit 
betreten wir ein Gebiet, in welchem der Abschluß der Innsbrucker 
Terrasse durch glaziale Wirkung deutlich hervortritt. Thaur wird im 
Norden von Hügeln umgeben, welche aus typischer Grundmoräne 
erbaut sind. Durchbrochen werden sie von der Thaurer Klamm, an 
deren Ausgang die Felsen tief herabsteigen. Im Osten dieser Klamm 
ziehen Grundmoränen einerseits hoch über abgerundete Felskuppen 
empor, anderseits lehnen sie sich ganz ins Tal hinab und setzen fast 
ausschließlich die Bodenwelle zusammen, welche sich von Thaur fast 
bis nach Absam erstreckt. Oberhalb der Kinzachmühle und bei Thaur 
ist ihr Aufbau gut erschlossen. Bei dieser Mühle reichen die Grund- 
moränen bis in die Tiefe von 600 m herab. Nordwestlich von diesem 
Höhenzug steigen die Grundmoränen von der Höhe der Terrasse 
herab und lassen öfters den abgerundeten, im gleichen Sinne geneigten 
Felsgrund hervorschauen. Nordöstlich dagegen drängt ein riesiger 
Schuttkegel her, der aus den tiefen, wilden Schluchten des Zunder- 
kopfes genährt wird. Dieser Schuttkegel vereinigt sich weiter im 
Süden mit der Thaurer Klamm sowie auch mit jenem des Halltales. Der 
flache Schuttkegel der Thaurer Klamm verwächst dazu im Westen mit 
dem Schuttkegel von Rum, so daß hier im Norden des Inns unter der 
Terrasse ein riesiges, durch Verschmelzen mehrerer Schuttkegel 
gebildetes, schräges Schuttfeld entsteht. Nur bei Melans ist zwischen 
dem Schuttkegel des Halltales und jenem des Zunderkopfes ein Rest 
von geschichteten Ablagerungen mit einem Überzuge von Grundmoräne 
erhalten. Das gewaltige Vorherrschen von Schuttkegeln, welche in 
der Gegend von Hall die volle Breite des Inntales in Anspruch 
nehmen, könnte man nach oberflächlichem Eindrucke als die Ursaclıe 
der Verminderung und des Verschwindens der Terrasse betrachten. 
Wir haben aus der Verteilung der Grundmoränen gesehen, daß die 
Terrasse östlich von Thaur durch die erodierende Kraft des Eises 
bereits abgetragen und mit Grundmoränen überspannt worden ist. 
Erst durch die vom Eise hier besorgte tiefe und weite Gehängeein- 
buchtung fanden die Schuttkegel so ungehinderten Raum zur Ver- 
breitung. 


Die- Gnadenwalder Terrasse. 
(Fig. 11.) 


Der große Schuttkegel des Halltales begrenzt im Osten die 
breite Terrasse des Gnadenwaldes in einer Weise, welche zeigt, daß 
ihr Rand durch die Erosion des Hailtalbaches angegriffen wurde. 
Wenn wir das Halltal in bezug auf seinen Schuttinhalt untersuchen, 
so fällt uns in seinem Innern der Mangel an Schuttmassen auf, welche 
in den meisten Nachbartälern von den jüngsten glazialen Rückzugs- 
stadien angehäuft wurden. Die Reste von 'Breccien im Eibental, bei 


118 Dr. O. Ampferer. [28] 


den verzauberten Knappen und am Törl können wegen ihres höheren 
Alters nicht hierher gerechnet werden. So ist der Gedanke nicht 
unwahrscheinlich, daß das Riesenausmaß des Mündungsschuttkegels 
auf die Wirksamkeit seiner Lokalgletscher zurückzuführen ist. Östlich 
und westlich von seiner Talöffnung treffen wir übrigens Schuttmassen, 
deren Bildung durch einen Gletscher des Halltales sehr wahrschein- 
lich ist. 

Nach dem Stande der Grundmoränen zu beurteilen, befindet sich 
die tiefste Erniedrigung der Terrasse zwischen Thaur und Absam, 
wo sich dieselben bis 600 m herabsenken. Am Hügel von Melans 
treffen wir Spuren von Grundmoränen in 700 m Höhe und jenseits 
des Halltaler Schuttkegels von 800 m aufwärts. Über die Oberfläche 
der breiten Gnadenwalder Terrasse hin sind fast allenthalben Reste 
von Grundmoränen verteilt, welche gewöhnlich im Norden gegen den 
Gebirgshang höhere Lagen einnehmen als im Süden am Rande der 
Terrasse. Doch überschreitet in keinem Profil das Gefälle der Grund- 
moräne 100 m. Der ganze Abschnitt der Terrasse, welcher zwischen 
dem Halltaler Schuttkegel und dem Vomperbach liegt, zeigt in keinem 
seiner tiefen Gräben das Grundgebirge, woraus wir auf die gewal- 
tige Entwicklung der geschichteten Ablagerungen schließen können. 
Dieselben liegen hier in der ziemlich ungestörten Verlandungsserie 
eines Sees vor, die meist mit Bänderton beginnt und sich dann all- 
mählich zu Mehlsand, Kies und Schotter vergröbert. Im Liegenden der 
Bändertone ist in der Lehmgrube bei Fritzens eine ältere Grund- 
moräne mit sehr schönen gekritzten Geschieben erhalten. Diese 
Grube hat übrigens das Bändertonlager in einer Weise erschlossen, 
welche zu erkennen gestattet, daß dasselbe eine ältere Talfurche 
ausfüllt, indem im Osten und Westen bereits seine Grundlage ent- 
blößt ist. Bemerkenswert ist außerdem, daß die feingeschichteten 
Tonlagen eine kräftige Neigung gegen Westen sowie wellenförmige 
Verbiegungen, besonders in der Richtung N—S aufweisen. 

Der Aufbau der Terrasse ist am tiefsten durch die Schlucht 
des Vomperbaches enthüllt. Die geschichteten Ablagerungen werden 
hier von einem verkitteten älteren Schuttkegel des Vomperbaches unter- 
teuft, der seinerseits Gletscherschliffe und Grundmoränen überlagert. 
Dieser Aufschluß gewinnt dadurch an Bedeutung, daß hier zweifellos 
das Vorhandensein einer älteren Grundmoräne bewiesen wird (s. Ver- 
handl. d. k. k. geol. R.-A. 1905, Nr. 11). Während wir hier unter der 
Terrasse etwa in 630 m Höhe geschliffenen und von Grundmoränen 
bedeckten Felsgrund haben, setzt sich die Grundmoränendecke un- 
gefähr 200 m höher über die Furche des Vompertales auf die Terrasse 
des Vomperberges fort. Diese Erscheinung zeigt in deutlichster 
Weise, daß die Terrasse des Gnadenwaldes sowie auch die des 
Vomperberges fast ohne einen Kern von Grundgebirge sich aufbaut. 

Die Oberfläche der Gnadenwalder Terrasse zeigt besonders in 
der Richtung des Inntales eine nahezu gleiche Höhe ihrer Rand- 
punkte. Auffallend ist der Umstand, daß sich die Oberfläche der 
Terrasse vom südlichen Rande flach gegen die Mitte einsenkt und erst 
dann wieder gegen den Berghang zu erhebt. In dieser eingesenkten 
Mittelzone sind besonders im östlichen Abschnitte große Trockental- 


[29] Studien über die Inntalterrassen. 119 


züge entwickelt, während im westlichen die Wasserrinnen des Hoch- 
gebirges sich tiefe Abflußrinnen in die Terrasse gegraben haben. Das 
größte Trockental ist jenes von St. Maria-Larch, welches mit zwei 
Furchen ganz allmählich auf der Terrassenfläche nördlich vom Dorf 
Fritzens beginnt und bei Terfens sich ins Inntal öffnet. Das Tal 
wird nur in seinem untersten Stück noch von einem kleinen Bache 
benützt, der oberhalb Terfens über einem Bändertonlager der Terrasse 
entquill. Grundmoränen kleiden die zwei Einfurchungen aus, mit 
denen dieser Talzug im Westen einsetzt. In der Gegend von St. Maria- 
Larch schließt sich ihm ein anderes Trockental an, welches am Ost- 
rande der Gnadenwald Terrasse anfängt und sich gegen Westen neigt. 
Es ist auf der Höhe der Terrasse breit angelegt und von Grund- 
moränen überzogen, senkt sich dann so steil gegen das Tal von 
Maria-Larch, daß es den Eindruck macht, als ob es von letzterem 
unterschnitten worden wäre. Gegen Osten geht es frei über der 
Schlucht des Vomperbaches aus. 

Die Ausbildung dieser Trockentäler dürfen wir sicherlich eben- 
falls wieder mit Lokalgletschern in Verbindung bringen, die am Ge- 
hänge der Bettelwurfkette ihren Ausgang nahmen. Besonders nörd- 
lich von St. Martin treffen wir Reste eines mächtigen, älteren Schutt- 
kegels, der hoch am Gehänge emporstrebt. 

Doch muß neben diesen späteren ausgiebigen Erosionen fest- 
gestellt werden, daß aus der Lage der Grundmoränen die glaziale 
Austiefung einer breiten, mittleren Furche entlang der Terrasse her- 
vorgeht. 

Während nun aber die Grundmoränendecke auf der Höhe der 
Terrasse vielfach erschlossen liegt, vermissen wir eine solche voll- 
ständig am Abfall gegen das Inntal. Dafür stellt sich hier allent- 
halben eine Art von schräger Vorstufe aus horizontal geschichteten, 
stark gerollten Schottern ein. Zu einem Teile wurde diese Vorstufe 
durch Verschmelzen zahlreicher kleiner Schuttkegel aus den Gräben 
der höheren Terrasse gebildet, zum anderen jedoch durch Ab- 
schwemmung des Inns. Solche Vorstufen finden wir besonders an 
jenen Stellen, wo die Terrasse nicht glazial, sondern durch Wasser- 
erosion begrenzt wurde. Auch hier ist längs der ganzen Südseite 
des Gnadenwaldes und auch noch der Vomperberger Terrasse die 
Begrenzung durch den Angriff des Inns erfolgt. 

Die Terrasse des Vomperberges erstreckt sich zwischen den 
Querschluchten des Vomperbaches und der Stanser Klamm. Diese 
Terrasse ist beträchtlich schmäler als die Gnadenwalder und in der 
Gegend von Fiecht tritt sogar der Felsgrund hervor. Trotz der Ver- 
schmälerung zeigt sich auch hier deutlich auf der Höhe der Terrasse 
die Eintiefung einer mittleren Zone. Der westliche Teil der Terrasse, 
der eigentliche Vomperberg, weist neben dieser Einsenkung noch ein 
Trockental auf, welches ziemlich steil zum Dorfe Vomp hinableitet. 
Der östliche Abschnitt, die Terrasse mit den Höfen Eggen, Weng 
und Bauhof, trägt die breite Furche eines Trockentales, das von 
Westen gegen Osten abfällt. 

Dieses Trockental prägt sich nordwestlich vom Eggenhof ein, 
wo sein Rand gegen einen Quergraben frei ausgeht. Bis zum Weng- 


120 Dr. O. Ampferer. [30] 


hof ist sein Gefälle ein mäßiges. Hier schließt sich ihm von Südosten 
eine zweite, schmälere Talwanne an und fallen beide vereint steil 
gegen das Dorf Stans ins Inntal ab. An seinem Beginn lagern Grund- 
moränen, welche bis zum Wenghof dann seine Nordflanke überkleiden. 

Die Terrasse erhebt sich über dem eben geschilderten Trockental 
zur Anhöhe des Bauhofes (Fig. 11), welche hinter den Felsrücken des 
Vomperjoches zurückgeht. An dieser Anhöhe, welche aus horizontal 
geschichteten, vorzüglich zentralalpinen Schottern, Sanden und Bänder- 
ton besteht, fallen uns zwei Eigentümlichkeiten besonders auf. Erstens 
steigen hier die geschichteten Ablagerungen bis zur Höhe von 920 m 
empor und zweitens werden dieselben von sehr gut entwickelter 
Grundmoräne bedeckt, welche im Süden bis zum Trockental beim 
Wenghof (755 m) hinabsteigt. Wir haben hier auf !/, km Ent- 
fernung ein Gefälle der Grundmoräne von über 150 m, welches nur 
auf Rechnung der glazialen Erosion gebracht werden kann. Die auf- 
fallend hohe Lage der geschichteten Ablagerungen ist wohl dadurch 
zu erklären, daß dieselben hier hinter dem vorstehenden Eck des 
Vomperjochrückens vor der Abstreifung durch das vorbeidrängende 
Eis des Inntalgletschers geschützt wurden. Wir werden später am 
Achenseedamm und bei der Besprechung der Terrassen auf der Süd- 


Fig. 11. 
St.Georgenberg 


Bauhof 


seite des Inns zwischen Schwaz und Zillertal mehrere Stellen kennen 
lernen, wo noch in Höhen von über 900 m geschichtete Schotter und 
Mehlsande anstehen und von Grundmoränen übergriffen werden. 

Diese Beobachtungen verdienen deswegen eingehende Würdigung, 
weil sie zeigen, daß die Oberfläche der geschichteten Ablagerungen 
sicherlich in mehr als 900 m Höhe lag. Wenn nun die Grundmoränen- 
decke größtenteils in 800 m die geschichteten Ablagerungen überzieht, 
so folgt auch für die annähernd ebenen Oberflächen der großen 
Terrassen eine glaziale Erniedrigung von mindestens 100 m. 

Damit sind wir in der Beschreibung der Terrassen bis zur 
Stanser Klamm vorgerückt. Jenseits derselben liegt noch die Terrasse 
des Heuberges, welche in der Nähe von Schloß Tratzberg endet. 
Unterhalb von diesem Schlosse steigt die Bergwand des Stanserjoches 
unvermittelt bis zur Innebene herab. 

Während die Terrasse im Westen der Stanser Klamm noch zum 
srößten Teile von losen Aufschüttungen erbaut wird, tritt im Osten 
das Grundgebirge bei weitem in den Vordergrund. Dabei zieht sich 
diese Felsterrasse am Südabfall des Stanserjoches weit ins Stansertal 
hinein, da noch die Felsschulter, auf welcher St. Georgenberg steht, 
zu ihr zu rechnen ist. Auch gegenüber von St. Georgenberg auf der 


[31] Studien über die Inntalterrassen. 121 


Südseite des Stanserbaches finden wir Felsschultern, welche eine 
Fortsetzung der Heubergterrasse ins Stansertal hinein beweisen. Be- 
merkenswert ist dabei, daß alle diese schon im Bereiche des Stanser- 
tales gelegenen Felsschultern tiefer eingeschnitten sind als der West- 
rand der Felsterrasse von Heuberg. Diese Terrasse selbst weist nur 
Anlagerungen von geschichteten Schottern und Sanden auf, welche 
ein größeres Ausmaß bei den Höfen Heuberg und Durch erreichen. 
Sowohl an der Oberfläche der Terrasse als auch am Abfall gegen 
das Inntal herrscht das Grundgebirge vor und wir finden wieder jene 
eigentümlichen glazialen Formen. Abgerundete Felshügel ragen auf, 
hinter denen breite Furchen vorbeiziehen, und die ganze Fläche neigt 
sich stark gegen Osten, wo sie bei Ried das Inntal erreicht. Ried 
selbst liegt jedoch in einer Art Felslehne, da östlich der Felsgrund 
der Terrasse noch einmal zur Höhe von Schloß Tratzberg sich auf- 
schwingt, um dann erst vollständig zu verschwinden. Auf der ganzen 
Heuberger Terrasse liegen Reste von Grundmoränen sowohl über den 
Felsgrund als auch über die Reste von geschichteten Ablagerungen 
verstreut. Bei Ried ziehen dieselben über Fels nahe zur Innebene 
herab. Hier bildet auf fast 1 km Erstreckung ein abgeschliffener 
und vorragender Felskamm die Begrenzung der dahinter eingetieften 
Terrasse. Diese Merkmale geben der Terrasse des Heuberges den 
Stempel kräftiger glazialer Bearbeitung, welche vor allem in dem 
steilen Abfall der eingegrabenen Furchen sich äußert. So fällt zum 
Beispiel die Felsunterlage bei Ried auf ?/, km Erstreckung um 120 m. 

Die Terrasse von Heuberg bildet den glazialen Abschluß für die 
zusammenhängenden Terrassen des Gnadenwaldes und Vomperberges. 
Durch den von Grundmoränen bedeckten Abstieg der Heubergterrasse 
wird auch hier wieder die Möglichkeit einer Terrassenbegrenzung 
durch Erosion des Inns ausgeschlossen. Den kurzen neuerlichen 
Anstieg der Felswanne von Ried gegen Schloß Tratzberg möchten wir 
den schon früher beschriebenen, schräg ansteigenden glazialen Fels- 
gassen anreihen. 

Bevor wir nun zur Besprechung des Achendammes übergehen, 
sollen noch kurz die Glazialaufschlüsse des Stallentales (im Unter- 
lauf-Stanser Klamm) berücksichtigt werden. 

Die Terrasse des Bauhofes baut sich als mächtiger Einsatz 
ganz in die Tiefe der Stanser Klamm hinab. In einer Tiefe von fast 
1700 m begegnen wir auf der Südseite über den Felsen der engen, 
Jungen Klamm Lagen von sandigem Bänderton, der aufwärts in Mehlsand 
und riesige Massen horizontal geschichteter Schotter übergeht. Die 
Gesamtmächtigkeit dieses Einbaues in die Stanser Klamm beträgt bis 
zur Grundmoränendecke ober dem Bauhofe über 200 m. Wir wissen 
bereits, daß sich auch jenseits der Stanser Klamm Reste von Ab- 
lagerungen mit einer Grundmoränenlage befinden, woraus zu ersehen 
ist, daß der Eisstrom des Bühlstadiums die von Schottern, Sanden 
und Bänderton verstopfte Furche der Stanser Klamm mit einem 
geringen Gefälle überschritt, das erst weiter östlich bedeutend zu- 
nahm. Aus dem Vorhandensein dieser so tief herabreichenden Einlage 
können wir aber gleichzeitig den Schluß gewinnen, daß die Stanser 
Klamm schon vor der Einlagerung der geschichteten Ablagerungen 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (0. Ampferer.) 16 


122 Dr. O. Ampferer, [32] 


fast bis zu ihrer jetzigen Tiefe ausgenagt war. Innerhalb dieser 
Schottereinlage treffen wir im Bachbett bis oberhalb der Mündung 
der Gamsbachklamm ziemlich reichliche Urgebirgstrümmer und in 
letzterer Klamm sogar viele sehr große Klötze. Oberhalb der Gams- 
bachmündung beginnt dann von 900 m an ein Einsatz von Kalk- und 
Dolomitschutt, der in den unteren Lagen völlig den Charakter einer 
nicht besonders stark bearbeiteten kalkalpinen Grundmoräne annimmt. 
Bis über 1200 m steigt dieser Schutteinbau empor, die Quellen des 
Stanser Baches brechen oberhalb der schlammigen Grundmoräne daraus 
hervor und der herrliche, flache Boden der Stallenalpe liegt auf ihm. 
Es erscheint nun fraglich, ob wir diese sicherlich glaziale Ablagerung 
für eine durch den vorliegenden Inntalgletscher bewirkte Staubildung 
oder für die Spur einer jüngeren Lokalvergletscherung halten sollen. 
Ich neigte anfangs der ersteren Ansicht zu, bin jedoch jetzt geneigt, 
das letztere für wahrscheinlicher zu halten und eine Ablagerung aus 
der Zeit des Gschnitzstadiums darin zu erblicken, da in dem ganzen 
Tale bis zum Lamsenjoch außer den hochgelegenen Moränenringen 
des Daunstadiums keine anderen jenem Stadium entsprechenden 
Schuttreste vorhanden sind. Außerdem wäre die Bildung einer solchen 
Staustufe nicht recht erklärlich, weil ja der aus dem Stallentale vor- 
dringende Gletscher mit dem Inntalgletscher zusammenschmolz und 
mit in dessen Bewegung eingezogen wurde. Der Umstand, daß die 
Felsterrasse des Heuberges sich absteigend ziemlich weit ins Stanser 
Tal hineinzieht, spricht dafür, daß diese Terrasse zum Teil durch 
den herausdrängenden Stanser Gletscher geschaffen wurde Wenn 
derselbe aber, wie diese Beobachtung verlangt, seine Bewegung entlang 
dem Bergrücken des Stanserjoches fortsetzte, ist nicht einzusehen, 
warum er in seinem Ursprungstale eine so mächtige Staustufe an- 
gelegt haben sollte. Auf der Höhe der Bauhof- und Heubergterrasse 
fehlen die Reste von jüngeren darüber gebreiteten Schuttfeldern, 
welche wir häufig noch über der Grundmoränendecke trafen und als 
Ablagerungen von Lokalgletschern des Gschnitzstadiums erkannten. 
Es ist daher durchaus wahrscheinlich, wenn wir in der Staustufe 
unter der Stallenalpe ebenfalls Reste der Ablagerung eines jüngeren 
Lokalgletschers erblicken, der auf dem Boden der Stallenalpe lange 
verweilte und nicht bis zur Tiefe der Inntalterrasse hinabreichte. 


Der Achenseedamm. 
(Fig. 12 und das Profil auf Tafel V.) 


Der Aufbau des mächtigen Achenseedammes ist von Blaas und 
Penck in eingehender Weise geschildert worden. Nach den Unter- 
suchungen von Blaas und eigenen Begehungen hat Penck in den 
„Alpen im Eiszeitalter“ auf Seite 322 ein Profil mitgeteilt, welches 
seiner Auffassung der Verhältnisse Ausdruck gibt. Ich habe den 
Achenseedamm mehreremal begangen und bin mit Berücksichtigung 
der weiter östlich liegenden Aufschlüsse zu einer etwas anderen 
Deutung der Lagerungen gekommen. Ich stelle im folgenden dem 
Profil, welches Penck mitgeteilt hat, dasjenige an die Seite, welches 
nach meiner Ansicht den tatsächlichen Verhältnissen näher kommt. 


[33] Studien über die Inntalterrassen. 123 


Beide Profile unterscheiden sich im wesentlichen nur darin, daß ich 
das. keilförmige Eingreifen der tiefer liegenden Grundmoräne nicht 
beobachten konnte und deshalb dieselbe als später angelagert be- 
trachte. Blaas hat zuerst in den Verhandlungen d. k. k. geol. Reichs- 
anstalt Wien 1889, S. 232 die Aufschlüsse, welche durch den Bau 
der Zahnradbahn am Achenseedamm geschaffen wurden, dargestellt. 
Er weist darauf hin, daß die Grundmoräne, welche oberhalb der 
Sohle des Trockentales von Erlach an der Bergnase von Eben an- 
steht, nach oben in Sand und Kies übergehe, welche sehr unregel- 
mäßig gegeneinander lagern und vielfach an scharfen, kleinen Ver- 
werfungsspalten aneinander stoßen. Geht man von diesem Aufschluß 
an der Bergkante gegen den tiefen Einschnitt des Käsbaches hinein, 
so trifft man in gleicher Höhe nach einer kurzen, verwachsenen Zone 
auf mächtige Lagen von horizontal geschichtetem Bänderton (2). Dieser 
Bänderton zieht sich, vielfach von herabgerutschtem Schutt bedeckt, 
bis zum Bach hinein und ist auf der anderen Talseite sehr schön er- 
schlossen, wo man sieht, daß Kies, Sand und Schotter (1) schräg gegen 
Norden abfallend ihn. überlagern. Auch am Berghang unter Eben 
finden wir über dem Bänderton gegen Norden fallende Kies- und 
besonders große Sandmassen vertreten. Das von Penck angegebene 
doppeltkeilförmige Eingreifen der Grundmoräne ist hier nicht zu 
erkennen. Begeben wir uns von dem Ebener Bergkamm gegen Osten, 
so treffen wir beim Stangelgut in gleicher Höhe auf Grundmoränen, 
welche sich von dort am Fuße des Berghanges in einzelnen, nicht 
zusammenhängenden Resten bis Erlach herabziehen. Sie bilden be- 
sonders nördlich und östlich von diesem Dorfe am Fuße des steilen 
Felshanges kleine vorgelagerte Hügel, welchen mehrfach Quellen 
entströmen. Die Grundmoräne, welche hier auftritt, ist sehr stark 
bearbeitet und von ganz ähnlicher Zusammensetzung wie die weit- 
verbreitete Inntaler Grundmoräne. 

Die untere Grundmoräne an der Achenseebahn, die gleich hoch 
gelegene vom Stangelgute und endlich die von Erlach haben als ge- 
meinsames Merkmal, daß sie an der Nordflanke eines Trockentales 
liegen, das im Westen nördlich von Fischl in breiter, freier Öffnung 
über dem Tal des Käsbaches beginnt und sich gegen Osten in flacher 
Neigung absenkt. Der obere Teil dieses Trockentales ist vorzüglich 
in Mehlsande eingebettet, tiefer treten dann geschichtete Schotter 
hervor. Dem Gefälle dieses Trockentales entsprechend, steigen auch 
die Grundmoränen von etwa 740 m im Westen bis gegen 640 m bei 
Erlach und östlich davon am Wege nach Astenberg sogar bis unter 
600 m herab. Südlich von diesem Trockentale sind auf den Höhen 
von Fischl und Burgeck nur ziemlich spärliche Reste einer Grund- 
moränendecke verbreitet. 

-Die Grundmoränen von Erlach (Fig. 12) stehen gegen Osten in 
unmittelbarem Zusammenhange mit jener Hügelzone, welche in den 
riesigen Schuttkegel von Münster eingreift. Diese Hügelzone weist 
nördlich von Wiesing in mehreren Aufschlüssen eine innige Vermischung 
von Grundmoränenmaterial mit vorzüglich zentralalpinen Sanden und 
Schottern auf. ‘Dagegen zeigen die Hügel südlich und westlich von 
Astenberg, welche sich dem Felshange der Ebener Spitze anschmiegen, 

16* 


124 Dr. O. Ampferer, [34] 


wieder einen Aufbau aus reiner, sehr stark bearbeiteter Grundmoräne. 
Auf diese Weise umgreifen Grundmoränen von der Höhe von Eben 
herab über Stangelgut, Erlach bis Astenberg den Berghang der Ebener 
Spitze. Dabei ist ihr Zusammenhaug zwar kein völliger, doch sind 
die Lücken von einer Art, daß sie leicht durch nachträgliche Erosion 
zu erklären sind. Von 960 m bei Eben sinkt dieser Grundmoränen- 
streifen bis unter 600 m, um dann noch einmal über 3800 m Höhe 
in der Nähe von Astenberg zu erreichen. Nach Ausbildung und Ver- 
teilung gehören diese übrigens nur. unbedeutend von einander ge- 
trennten Grundmoränen Resten einer und derselben Decke an. Wo die 
Grundmoränen an den Berghang der Ebener Spitze stoßen, sind sie 
stets rein und frei von geschichteten Schottern und Sanden, welche 
sie bei Eben, an der Achenseebahn und in der Umgebung des Stangel- 
gutes überlagern und mit denen sie sowohl am Aufschluß der Zahnrad- 
bahn westlich vom Stangelgut als auch nördlich von Wiesing innig 
verbunden sind. 

Aus der Beobachtung, daß der untere Grundmoränenstreifen 
einerseits geschichtete Ablagerungen überdeckt und anderseits frei 
dem felsigen Berghange aufliegt und dabei sich im Gefälle jenem des 
Trockentales anschließt, dem entlang er streicht, geht hervor, daß wir 


Fig. 12. 


S Thiergartenr sl. 77 
Ve : 


es auch hier höchstwahrscheinlich mit glazialen Erosionswirkungen 
zu tun haben. Wir haben an der Mündung des Stanser Tales bei Be- 
sprechung der Bauhofterrasse und des Trockentales von Weng bereits 
ganz ähnliche Verhältnisse gefunden, welche sich in nahezu gleichen 
Höhenverhältnissen ausdrücken. Wie am Bauhof, treffen wir auch 
bei Eben in einer Höhe von über 900 m auf die Grundmoräne, welche 
sich dort zusammenhängend, hier getrennt bis zur Sohle des südlich 
vorbeiziehenden Trockentales (von Weng, von Erlach, 755—790 m) 
herabzieht. Die Abschrägung der geschichteten Ablagerungen und die 
Bildung des Trockentales von Erlach sind beides Werke der glazialen 
Erosion. 

Wenn wir der Vollständigkeit wegen noch den westlich des 
Käsbaches gelegenen Teil des Achenseedammes untersuchen, so stoßen 
wir hier westlich von Jenbach am Südfuße des Zeiseleckes auf Reste 
von sandigem Bänderton. Höher empor streichen geschichtete Schotter 
und Sande aus, unter denen wir in der Gegend des Sensenwerkes auf 
die verfestigten, sehr flach südfallenden Bänke des alten Achentalschutt- 
kegels (3) stoßen. Die gerollten Inntalschotter und Sande übergreifen 
den Achentalschuttkegel und begrenzen das tiefer zurück liegende 
mächtige Lager von Bänderton gegen Süden, bis sie endlich vielfach 


[35] Studien über die Inntalterrassen. 125 


schräg aufgeschüttet darüber nach Norden vorwachsen. Die auf diesen 
Schottern lagernde Grundmoräne ist hier nirgends gut erschlossen, 
doch scheint sie am Nordhange des Zeiseleckes ziemlich tief herab- 
zusteigen. Die Hauptmasse der Käsbachquellen tritt oberhalb des 
Bändertonlagers aus den Schottern hervor und dürfte sicherlich dem 
Achensee entstammen. Wie schon die Aufschlüsse zu beiden Seiten 
des Käsbaches lehren, wird das große Bändertonlager im Süden von 
Schottern und Sanden abgeschlossen, welche auch seine Bedeckung 
bilden. Diese Bändertonlagen gehen oben indessen nicht allmählieh in 
Mehlsand, Kies und Schotter über wie die meisten der im Inntale 
befindlichen Lehmlager, sondern sie werden diskordant von schräg 
geschichtetem, meist gröberem Flußschutt überschritten. Diese Schotter 
reichen im Einschnitt des Käsbaches knapp unter Maurach bis über 
940 m empor, alsa beträchtlich höher als bei Eben bereits die 
Grundmoränendecke ansteht. Dabei werden sie noch größtenteils von 
zentralalpinen Geröllen aufgebaut, wenn auch die Beimengung von 
kalkalpinen schon mehr in den Vordergrund drängt als bei den 
unteren Lagen. Weiter nordwärts überwiegen an der Oberfläche des 
Achenseedammes seitliche Aufschüttungen aus den benachbarten Berg- 
gräben. Sehr wichtig für das Verständnis der Bildung dieses herrlichen 
Alpensees sind Vorkommnisse von typischer, stark bearbeiteter Grund- 
moräne des Inntalgletschers am Seeufer zwischen Seespitz und Pertisau 
und an beiden Felsflanken der Schuttbucht von Pertisau. (Siehe Jahrb. 
d. k. k. geol. R.-A. Wien 1903, S. 209.) An allen übrigen Uferlinien 
wird der See von frischem Schutte oder von Felsen umspannt. Um 
nun zu klaren Vorstellungen über die Bildungsgeschichte des Sees 
zu gelangen, müssen wir die Höhenlagen der verschiedenen Bestand- 
teile des Dammes in Vergleich zu dem jetzigen Relief des Seegrundes 
zu bringen suchen. 

Der alte verfestigte Schuttkegel des Achentalbaches reicht nach 
den Aufschlüssen im Käsbachtale etwa bis 730 m empor. Die darüber 
einsetzenden Bändertonlagen steigen in den hinteren Verzweigung:n 
des Käsbaches und am Weißenbach bis über 820 m hinan, wobei sie 
noch von etwa 150 m mächtigen Schottern überdeckt werden. 

Die Lotungen des Achensees haben dessen Reliefverhältnisse 
genügend genau bestimmt. Die 100 m Tiefenlinie umschließt ein sehr 
langes Becken von der Gegend von Pertisau bis gegen Scholastika, 
innerhalb von dem mehrfach Tiefen über 120 m und einzelne über 
130 m erschlossen wurden. Die heutige Spiegelfläche des Sees kann 
man zu etwa 929 m annehmen, so daß sich darauf bezogen die 
tiefsten Stellen des Sees bis zu 800 m hinabsenken. Bedenkt man 
die gewaltigen Schuttmassen, welche an den steilen Schluchten der 
umliegenden Gebirge unaufhörlich in den See geschüttet werden, so 
wird man zu dem Schlusse gedrängt, daß der Seeboden seit dem 
Schluß der letzten Vergletscherung eine bedeutende Erhöhung erlitten 
hat. Jedenfalls war das Gebiet, welches damals bis 800 m hinab- 
reichte, ein weit umfassenderes. 

Aus dieser Zusammenstellung lassen sich unmittelbar folgende 
Schlüsse aufstellen, 

Da das Achental nach Süden entwässert wurde, mußte das ganze 


126 Dr. 0. Ampferer. [36] 


Gebiet bis zur Wasserscheide ein Gefälle gegen Süden besitzen. Wurde 
nun die Talöffnung im Süden verstopft, so mußte der dadurch ent- 
stehende Stausee seine größte Tiefe im Süden aufweisen. Die Bänder- 
tone, welche jetzt am Käsbach über dem alten Schuttkegel des Achen- 
tales erschlossen liegen, zeigen uns den Stand des damaligen See- 
bodens an. Diese Bändertone werden nach ihren höchstgelegenen 
sichtbaren Aufschlüssen in 820 m Höhe durch darüber transgressiv 
vordringende Schotter und Sande abgeschlossen. 

Der Boden des alten Achensees war also bereits vor dem Vor- 
dringen der Schotter im Süden an seinen tiefsten Stellen über 820 m 
hoch. Da der Boden des heutigen Achensees stellenweise bis 800 m 
hinabreicht, müßte man annehmen, daß sein Hohlraum seit dem Ab- 
schlusse der Bändertone nicht nur nicht verschüttet, sondern sogar 
noch vertieft worden sei. Es dürfte im Gebiete des heutigen Achen- 
sees, also seit Beendigung der Bändertonablagerung nichts mehr ein- 
geschüttet worden sein, während am Achenseedamm über den Bänder- 
tonen noch mindestens 130 m Kies, Schotter und Grundmoräne an- 
gehäuft wurden. Dazu zeigen alle Aufschlüsse, daß der Schotter in 
lebhafter und rascher Weise über die Bändertone gegen Norden vor- 
drang. Hätte der See noch weiter ungestört fortbestanden, so ist nicht 
einzusehen, warum die Ablagerung der Bändertone durch schräg- ge- 
schichtete Schotter beschlossen worden wäre. Diese Verhältnisse zwingen 
zu der Annahme, daß der alte Achensee in der Entwicklung mit dem 
heutigen nicht unmittelbar zusammenhängen kann. Der alte See muß 
vor der Ankunft des Inntalgletschers bereits vollständig durch Bänder- 
tone sowie Schotter, Kies, Sand des Inns und Schutt der Seitenbäche 
verlandet gewesen sein. 

Der jetzige Achensee aber ist durchaus eine glaziale Wanne, 
welche von einem Seitenzweige des Inntalgletschers während des Bühl- 
stadiums ausgehöhlt wurde. Da der Achenseedamm nicht vom Achensee 
durchbrochen wurde, ist eine Vertiefung seines Grundes nur durch 
Eiswirkung oder durch tektonische Veränderungen möglich. Von letz- 
teren haben wir keine so jugendlichen wahrnehmen können. 

Heute birgt der See seine tieferen Stellen in der nördlichen 
Hälfte seines Bettes. Wenn wir den alten See als Rückstauung eines 
nach Süden fälligen Tallaufes betrachten, muß die Verteilung der 
Tiefen eine genau umgekehrte sein: im Norden flaches Erheben des 
Seebodens, gegen Süden zunehmende Tiefe. Diese Umkehr der Tiefen- 
verteilung kann ebenfalls nur ein Werk der glazialen Erosion sein. 
Da wir die höchsten erschlossenen Reste des alten Achentalschutt- 
kegeis bei 730 m Höhe am Käsbach finden, so können wir uns das 
alte Talgefälle ungefähr wieder ergänzen, wenn wir Verbindungslinien 
mit der Felssehwelle von Achenkirchen bei etwa 920 m und mit den 
noch im Fels befindlichen Hintergründen des Pletzach-, Falzthurn- 
und Tristenautales ziehen. Aus dieser Zusammenstellung geht ebenfalls 
die auffallend veränderte Form des heutigen Seebettes gegen das alte 
hervor. Im Norden erscheint das Becken des Achensees durch die 
Felsschwelle, auf der Achenkirchen liegt, abgeschlossen. Die breiten 
Sohlen des Pletzach-, Falzthurn- und Tristenautales öffnen sich in der 
Schuttbucht von Pertisau vereinigt gegen den Achensee. Daß das Eis 


[37] Studien über die Inntalterrassen. 127 


des Inntalgletschers sogar in diese Bucht hineindrang, beweisen an 
beiden Seiten die Reste von typischer Grundmoräne, welche neben 
gekritzten auch viele zentralalpine Geschiebe enthält. Einzelne erra- 
tische Gerölle finden sich noch bei der Falzthurnalpe. Diese drei Täler 
besitzen ganz ausgesprochene Trogformen und waren jedenfalls zur 
Zeit, als der Zweig des Inntalgletschers den Hohlraum des heutigen 
Achensees aushob, von: ihren eigenen Gletschern erfüllt. Die Grund- 
moränen von Pertisau scheinen dafür zu zeugen, daß der Imntal- 
gletscher diese Karwendelgletscher unterschob und sich in ihr Gebiet 
ein Stück weit hineindrängte. Die Tatsache, daß am Abhange des 
Stampfer Köpfls, nordwestlich von Pertisau, etwa 100 m oberhalb des 
Streifens von Inntalgrundmoräne, eine kalkalpine, viel weniger be- 
arbeitete Grundmoräne ansteht, läßt sich leicht in dem angegebenen 
Sinne erklären. Ob diese Talzweige auch so tief vom Eise ausgefegt 
wurden wie der Trog des heutigen Achensees, läßt sich nicht beweisen. 
Da bei Pertisau eine Teilung und Stauung der Eisströmung stattfand, 
ist es wahrscheinlich, daß hier eine höhere Schwelle blieb, die sich 
sowohl gegen den Achensee als auch die hinterliegenden, zu Becken 
ausgehöhlten Täler erhob. 

Die Bildung des heutigen Achensees zeigt uns in ausgezeichneter 
Weise die eigenartige Wirkungsweise der glazialen Erosion. Der gegen 
das Inntal vorgeschobene Teil des Walles besitzt an dem mächtigen 
talab gestreckten Rundhöcker des Tiergarten und an den Trocken- 
tälern von Wiesing und Erlach gewaltige, in der Richtung des Inn- 
tales streifende Einfurchungen. Wie durch einen Pflug erscheinen diese 
Furchen eingegraben, wobei im Vergleiche zur Höhe der Aufschüttung 
stellenweise weit über 300 m abgetragen wurden. Der weiter zurück- 
liegende Teil des Achenseewalles wurde durch den vorstehenden Fels- 
rücken des Stanserjoches vor der von West nach Ost gerichteten Eis- 
strömung geschützt. Als sich vom Strom des Inntaleises ein Seitenarm 
loslöste, wurde der unter der Ablösungsstelle befindliche Schuttgrund 
sehr wenig angegriffen. Erst in einiger Entfernung entfaltete dieser 
abzweigende Eisstrom seine aushöhlende Tätigkeit und grub so das 
Becken des Achensees, das bei Achenkirchen durch eine Felsschwelle 
abgeschlossen wurde, über 150 m tief ein. 

Peuck vertritt in dem Werke „Die Alpen im Eiszeitalter“ die 
Anschauung, daß der Achenseedamm am Rande eines Gletschers auf- 
geschüttet wurde, welcher einzelne Vorstöße gegen das Achental machte 
und endlich nach Ablagerung des Walles dorthin vordrang. Dieser 
Gletscher könnte nur der des Zillertales gewesen sein. Wären die 
Grundmoränen des Trockentales von Erlach und von Eben wirklich von 
diesem Gletscher, wogegen schon ihre Zusammensetzung spricht, so 
müßte doch durch diesen vorliegenden Gletscher der Zufiuß von Inn- 
talgeröllen verhindert worden sein. Solche beteiligen sich aber in der 
hervorragendsten Weise an dem Aufbau der Schotter und Kiese bis zu 
den höchsten Lagen hinauf. Die Mündung des Zillertalgletschers liegt 
noch beträchtlich unterhalb der Öffnung des Achentales, so dab es 
nieht wahrscheinlich ist, daß derselbe so weit talauf zurückgegriffen 
haben könnte, wo ihm außerdem anfangs der Druck des angestauten 
Inntalsees, später die aufgeschütteten Schuttmassen entgegenwirkten. 


128 Dr. O. Ampferer. [38] 


Der Riegel von Karres. 
(Fig. 13.) 


Südlich von Imst durchschneidet der Inn in enger Schlucht die 
Felsterrassen, auf denen nördlich die Ortschaften Karrösten und Karres, 
südlich Arzl und Wald liegen. Nach dem Vorgange von Blaas soll 
auch hier zur Gesamtbezeichnung der Name: „Riegel von Karres“ 
gebraucht werden. Was uns an diesem Riegel besonders auffällt, ist 
der Umstand, daß hier gleichzeitig auf beiden Seiten des Inns eine 
Felsterrasse auftritt, welche im Westen mit sehr steilem Gefälle aus 
dem Imster Becken aufstrebt und gegen Osten weit flacher absinkt. 
An dem Aufbau der Terrasse ist vorzüglich das Grundgebirge beteiligt, 
während die losen Aufschüttungen nur Ausfüllungen von Einsenkungen 
und eine dünne Decke bilden. Geschichtete, gerollte Schotter finden 
sich nur an der Südseite des Inns auf dem Sattel von Arzl und bei 
Wald, wo sie in ungefahr 800 m Höhe einsetzen und von Grund- 
moränen bedeckt sind Die Grundmoränen beherrschen die Terrasse 
sowohl südlich als besonders nördlich vom Inn, indem sie aus der 
Tiefe des Imster Beckens von etwa 720 m an (über den Felsen des 
Imster Bahnhofes, bei der Königskapelle und am Abhange bei Brenn- 
bichl) in zahlreichen Überresten die Felshöhen überkleiden und jenseits 
derselben nordöstlich von Roppen unmittelbar an den Lauf des Inns 
(680 m) herantreten. 

Die Oberfläche des Riegels ist sehr unregelmäßig, indem neben 
dem beträchtlichen Gefälle gegen Osten noch mehrfach aufragende 
Felshügel sich finden, von denen die bedeutendsten nördlich von Arzl 
(946 m), bei der Königskapelle, westlich von Karrösten (986 m), süd- 
östlich von Karres und nördlich von Roppen liegen. Die Felshügel 
südöstlich von Karres stellen die Umrandung eines Felsbeckens dar, 
in dem auch der letztgenannte Ort sich ausbreitet. 

Alle diese Felshügel zeigen in der Richtung des Inntales ge- 
streckte und abgerundete Formen. Nicht selten weisen dieselben noch 
verwaschene Gletscherschliffe auf, an denen die Felshöhen um Karres 
und Karrösten überhaupt reich sind. Nördlich von Karrösten, am 
Beginne des Weges zur Karröstner Alpe und dann in den Gräben, 
welche nördlich von Karres (Fig. 13) gegen die Karreser Alpe aufsteigen, 
finden sich unmittelbar unter sehr stark bearbeiteten Grundmoränen 
einzelne noch vollständig blanke Schlifflächen. Die Offnung des Riegels 
gegen das Becken von Imst ist sehr breit und wird durch die großen 
Felshügel von Karrösten, Arzl sowie durch den kleineren von der Königs- 
kapelle in vier Furchen zerlegt, welche sich gegen Osten nähern und 
undeutlich verschmelzen. Zwischen Karres und Karrösten ist die ganze 
nördliche Terrasse durch eine schräg von der Königskapelle und von 
der Innschlucht aufstrebende Fläche unterbrochen, welche sich mit 
den steilen Furchen verbindet, die vou ihr zur Karreser Alpe empor- 
steigen. In diesem Gebiete, das gleichsam eine in den Bergkörper des 
Tschirgants einspringende Nische darstellt, gelangen die Grundmoränen 
in ausgezeichneter Entwicklung und vielfach über geschliffenen Felsen 
zu einer gewaltigen Entfaltung. Vom Steilabfall der Innschlucht (bei 
780 m) ziehen sie fast ununterbrochen bis gegen 1400 m Höhe hinauf. 


[39] Studien über die Inntalterrassen. 129 


An dieser über 600 m hohen Berglehne kann man fort und fort die 
besten Aufschlüsse in der typisch entwickelten Grundmoräne finden, 
welche neben reichlichen zentralalpinen sehr schön geschliffene und 
gekritzte Geschiebe aus Kalk und Dolomit enthält. Bei dem Dorfe 
Karres springt wieder die Felsterrasse weiter vor und bildet eine große 
flache Wanne, welche durch aufragende Hügel sowohl gegen die Inn- 
schlucht als auch gegen das viel tiefere Becken von Roppen abge- 
grenzt wird. Ein steiler gefurchter Abfall leitet in das letztere Becken 
hinab, dessen Grund teilweise durch geschichtete Innschotter und 
Sande angefüllt ist, welche von jener Innstauung herrühren, die durch 
den großen Bergsturz des Tschirgants herbeigeführt wurde. Die Ein- 
buchtung von Roppen wird im Osten durch einen Dolomithügel be- 
schlossen, hinter dem die Grundmoränen in großer Mächtigkeit bis 
zum Inn herabstreichen. Die südliche Terrasse zeigt nicht so große 
Unregelmäßigkeiten, aber ebenfalls eine Grundmoränendecke. Am auf- 
fallendsten ist der groß« abgerundete Felshügel nördlich von Arzl. 


Fig. 13. 


Karres 837" 


Inn 
00 


Jenseits der Pitztalschlucht liegt die Terrasse von Wald, welcher die 
höhere von Schweighof und die tiefere von Ried angelagert ist. Dann 
findet sich östlich noch ein kleiner Vorsprung bei Hoheneck, der aber 
bereits unmittelbar gegen das Inntal in steiler Neigung abfällt. Durch 
die bisher beschriebenen Oberflächenformen, die Gefällsverteilung und 
die Grundmoränendecke ist die glaziale Gestaltung des Riegels zu 
seiner vorliegenden Form erkenntlich gemacht. Die Grundmoränen- 
decke hebt sich, aus der Tiefe des Imster Beckens steil ansteigend, auf 
die Terrassen, überkleidet nicht nur dieselben, sondern greift ander- 
wärts noch bis 1400 m an das Berggehänge empor und steigt dann 
mit ihnen bis zum jetzigen Innbett hinunter. Aus der Beobachtung, 
daß die Grundmoränendecke im Westen von beiden Seiten noch ziemlich 
tief in den Einriß der Innschlucht herabstreicht, kann man den Schluß 
ziehen, daß wenigstens ein Teil derselben bereits durch das Eis aus- 
gehobelt wurde. 

Die Frage nach dem Alter und der Entstehung des Felsriegels 
von Karres ist besonders durch Blaas mehrfach berührt worden. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (0. Ampferer.) 17 


130 Dr. OÖ. Ampferer. [40] 


Um hier zu einiger Klarheit durchzudringen, müssen wir die 
Aufschlüsse des Gurgltales, der Mieminger Terrasse und des Inntales 
zwischen Imst und Telfs zusammenhalten. Nach dem Rückzuge der 
Würmvergletscherung dürften beide Inntalzweige, sowohl der nun 
unter der Mieminger Terrasse begrabene als auch der heutige, offen 
gestanden sein. Damit soll aber keineswegs behauptet werden, daß 
der Tallauf Imst—Nassereith— Telfs auch noch vom Inn benützt werden 
konnte. In die Reliefverhältnisse der damaligen Zeit können uns 
unter der Voraussetzung, daß inzwischen keine tektonischen Ver- 
änderungen diesen Alpenteil betrafen, die verschiedenen geschichteten 
Ablagerungen einigen Einblick gewähren. Sie füllten die Hohlräume 
der Talzüge aus und haben so wenigstens einige spärliche Reste 
derselben vor der späteren Erosion aufbewahrt. Bei Imst stoßen 
wir unter der Nagelfluh in etwas über 800 m Höhe auf den alten 
Talboden, bei Nassereith ist bei 820 m der Felsgrund noch nicht 
erschlossen. Dann fehlen die Aufschlüsse bis zum Klammbach bei 
Mötz, der sehr wichtige Angaben liefert. In seinem Hintergrunde 
ragt der Felsgrund, welcher Schloß Klamm trägt, bis 871 m empor. 
Durch die umliegenden Gräben wird aber erschlossen, daß wir es 
hier mit einer Felsnase zu tun haben, die beträchtlich über ihre 
Umgebung aufragte. Nahe an der Mündung dieses Tales sehen wir 
die geschichteten Ablagerungen in etwas unter 700 m Tiefe. Da hier 
sicher schon damals eine Verbindung mit dem Inntale bestand, so 
können wir seine Höhe zu jener Zeit bei Mötz als fast gleich der 
jetzigen einschätzen. Durch diese Tatsache wird eine weitere Ver- 
folgung der beiden Talläufe gegen Osten unnötig, da sie ja bereits 
bei Mötz gleichsohlig gewesen sein dürften. In der Nähe von Telfs 
finden wir übrigens am Ostrande der Mieminger Terrasse den Fels- 
boden in den maßgebenden mittleren Lagen nirgends erschlossen. 
Östlich vom Mörderloch lagert Bänderton bis 670 m an die Fels- 
rücken von St. Moriz. 

Im Tallauf des heutigen Inntales fehlen geschichtete Ablage- 
rungen aus jener Zeit fast völlig. Nur auf den Terrassen von Arzl 
und Wald sind geschichtete Schotter aufbewahrt geblieben, welche 
von Grundmoränen überlagert sind. Ihre untere Grenze gegen das 
Grundgebirge dürfte in 800 m Höhe zu setzen sein. Wie wir aber 
wissen, greifen die deckenden Grundmoränen beträchtlich tiefer in die 
Innschlucht hinab, so daß es nicht ausgeschlossen ist, daß jene Furche 
in der Gegend vom Imster Bahnhof in tieferer Lage einst von Schottern 
erfüllt war, welche durch das Eis wieder herausgefegt wurden. 

Aus diesen Beobachtungen kann gefolgert werden, daß beide 
Tallinien in der Gegend von Imst in ungefähr 800 m Höhe sich zu 
teilen begannen und bei Mötz in 690—680 m Höhe miteinander in 
Verbindung standen. Wahrscheinlich lag jedoch schon damals die 
südlichere Linie tiefer und die nördliche wurde nicht mehr zusammen- 
hängend benützt. Für die südliche Linie kam in der Strecke von 
Imst bis Mötz damals ein Gefälle von ungefähr 100 m auf 18 km 
zur Verwendung (jetziges Gefälle = 60 m). Das Becken von Imst 
war oberhalb des Riegels von Karres nach dem Rückzuge der Würm- 
vergletscherung noch nicht unter S00 m hinab ausgehölt und der 


[41] Studien über die Inntalterrassen. 131 


Inn schnitt seinen Weg als flache Rinne in den eben genannten Fels- 
riegel ein. Durch die Talverstauung des Zillertaler und Otztaler 
Gletschers kam die gewaltige Aufschüttung von Bändertonen, Sanden 
und Schottern zustande. Da der mächtige Ötztaler Gletscher das 
heutige Inntal zwischen Imst und Mötz sperrte, wurde besonders die 
Talfurche Telfs—Nassereith—Imst mit riesigen Schuttmassen erfüllt, 
welche aus dem Imster Becken sich auch zum Riegel von Karres 
herüberbreiteten. Später dürfte das Gebiet des genannten Felsriegels 
wohl sicher durch den Pitztalgletscher bedeckt worden sein. Die 
Schotter von Arzl und Wald deuten darauf, daß wenigstens zu Beginn 
der Aufschüttung der Riegel von Karres noch eisfrei war. Beim Vor- 
rücken der Vergletscherung dürfte der Gletscher des Pitztales sich 
am Felshang des Tschirgants gestaut und geteilt haben. Ein Teil 
wendete sich talab und vereinigte sich mit dem Ötztaler Eise, ein 
anderer kehrte sich gegen das Gurgltal. Auf diese Weise bedeckte 
der Pitztalgletscher den Riegel von Karres, bis der Gletscher, welcher 
im Inntal herabrückte, jenen Überdruck gewann, der genügte, um 
den Pitztalgletscher völlig inntalabwärts zu lenken. Der Inntalgletscher, 
welcher sich ins Gurgltal hineinschob, höhlte in der Gegend von 
Imst ein tiefes Becken aus, welches sich gegen Nassereith ausdehnte. 
Die Erosionskraft des Pitztalgletschers wurde auf dem Riegel von 
Karres durch die Stauung am entgegenstehenden Tschirganthang 
nahezu aufgehoben und gewann erst wieder gegen Osten eine Zu- 
nahme. So schützte dieser Gletscher seine Unterlage im Gebiete 
seiner Anstauung (den Riegel von Karres), während der Inntal- 
gletscher das Becken von Imst eintiefte. Daß dieser letztere Gletscher 
endlich aus seinem Becken gegen den Riegel von Karres anstieg und 
den Pitztalgletscher dabei unterschob und zur Seite drückte, geht 
wohl aus den ansteigenden Felsfurchen, der Form der Felshügel und 
der Zusammensetzung der hinterlassenen Grundmoränen hervor. Jeden- 
falls aber verdankt der Riegel von Karres seine Erhaltung vor allem 
dem Eisstrome, der von Süden herkam und einerseits seine eigene 
Kraft am Tschirganthange brach, während er anderseits auch die 
Einwirkung des Inntalgletschers an dieser Stelle bedeutend ver- 
ringerte. Nach dem Rückzuge der Bühlgletscher lag der Riegel von 
Karres ungefähr in seiner jetzigen Form da. Oberhalb war das Becken 
von Imst um mindestens 100 m eingetieft und unterhalb senkte sich 
ebenso ein Felsbecken ein, das, wie die Grundmoränenaufschlüsse 
von Roppen zeigen, unter das jetzige Innniveau hinabtauchte. Zu- 
gleich hatte der Inntalgletscher beim Anstieg aus dem Imster Becken 
in den Riegel von Karres Furchen eingeschliffen, deren tiefste der 
Inn, nachdem er in jenem Becken einen genügenden Stausee ge- 
schaffen, zum Überfall ins tiefere Becken von Roppen benützte. Das 
Vorhandensein solcher tieferer Furchen folgt aus der Beobachtung, 
daß die weitverbreitete Grundmoränendecke nicht abgeschwemmt 
wurde. Die großartige, bis 1400 m aufsteigende Grundmoränendecke 
nördlich von Karres zeigt in ausgezeichneter Weise die gewaltigen 
hier stattgefundenen Aufstauungen an, welche sich sowohl hier als 
auch westlich von Karres am Kopfschwindl (982 m) in der Ausprägung 
steil bergan steigender Furchen äußerte. 
fi 


132 Dr. O0." Ampferer. [42] 


Das Becken von Imst setzt sich ins Gurgltal fort. Bei Nasse- 
reith sehen wir mit hohem, steilem Abfall die Mieminger Terrasse 
anheben. Von ihrem Westrande ist ein großes Stück das Werk von 
Wassererosion, wie der Schuttkegel von Dormiz beweist. Anderseits 
ziehen aber im nördlichen Teile ihres Abfalles Grundmoränen gegen 
Nassereith (bis 880 m) herab. Wichtig für das Verständnis der Talbildung 
ist auch die Beobachtung, daß im Fernpaßtal beim Gipsbruch stark 
bearbeitete Grundmoränen unmittelbar über dem Talboden bei 910 m 
erhalten sind. Berücksichtigt man dann das junge Alter des großen 
Bergsturzes, welcher erst den Fernpaß auftürmte (siehe Verhand- 
lungen der k. k. geol. R.-A. Wien 1904, Heft 3), so liegt es nahe 
anzunehmen, daß der Strom des Inntalgletschers sich bei Nassereith 
einerseits eine tiefe Furche im Tal des Fernpasses gegen Norden 
grub, während er anderseits auf der Höhe von Holzleiten die unter- 
liegenden Schotter nur sehr unbedeutend angriff. Das Tal des Fern- 
passes, welches vor dem Bergsturze höchstwahrscheinlich gegen Süden 
geneigt war, dürfte ja ebenfalls in beträchtlicher Weise von Schottern 
und Sanden aufgeschüttet worden sein, in welche dann der nordwärts 
fließende Zweig des Inntalgletschers die Fortsetzung des Imster 
Beckens einhöhlte.e Ob nach dem Rückzuge des Bühlvorstoßes das 
Tal nach Süden entwässert wurde, ist nicht sicher, doch liegt außer 
dem großen Bergsturze kein Grund zur Umkehr seines Gefälles vor. 

Eigentümlich bleibt aber die Erscheinung, daß bei Nassereith 
der Gletscher lieber das geschlungene, enge Fernpaßtal als die breite 
Fortsetzung des Gurgltales, die Schutterrasse von Holzleiten ein- 
tiefte. Nur an wenigen Stellen ist die Oberfläche der Schutterrasse 
bis zu solcher Höhe erhalten wie bei Holzleiten (über 1000 m). Nach 
den übrigen Höhenständen der geschichteten Ablagerungen und ihrer 
Grundmoränendecke zu schließen, müssen wir annehmen, daß die 
Schotter von Holzleiten beinahe gar nicht von dem darüber strömen- 
den Eise angegriffen wurden. In grellem Gegensatz dazu finden wir 
im Imster Becken am Imster Bahnhof und bei Brennbichl die Grund- 
moränendecke in 720 m Höhe, von wo sie sich längs dem Gurgltale 
nur allmählich hebt und östlich von Nassereith bei 880 m, am Gips- 
bruch vor Fernstein bei 910 m ansteht. Der Anstieg der Grund- 
moränendecke aus dem Imster Becken auf die Hochfläche der Mieminger 
Terrasse beträgt über 300 m, wobei mindestens 120 m auf den kurzen 
letzten Aufschwung östlich von Nassereith fallen. 

Zur Erklärung dieser eigentümlichen Verhältnisse kann man 
vielleicht anführen, daß die Mieminger Terrasse, als sie der Inntal- 
gletscher längs des Gurgltales erreichte, bereits von den Lokal- 
gletschern ihres Hochgebirgskammes besetzt war, welche längere 
Zeit der Einwirkung des Inntalgletschers Widerstand zu leisten ver- 
mochten. Das Fernpaßtal aber war wenigstens in seinem Beginne 
vom Einfluß der Lokalgletscher weniger betroffen. Diese Umstände 
werden schon durch die Verteilung der Schuttablagerungen aus der 
Zeit des Gschnitzstadiums erläutert. Während die Mieminger Terrasse 
mehrfach von Schuttwällen und Schuttfeldern dieses Stadiums über- 
deckt ist, bleiben dieselben längs der Fernpaßfurchen in den Seiten- 
tälern zurück. 


[43] Studien .über die Inntalterrassen. 133 


Die südliche Inntalterrasse zwischen Telfs— Volders. 


Die größte Ausdehnung in Länge und Breite gewinnt die Inntal- 
terrasse südlich des Inns. Sie setzt hier mit Felshügeln und Furchen 
östlich von Telfs bei Pfaffenhofen ein und zieht ununterbrochen bis 
in die Gegend von Wattens, wo sie ebenfalls mit Felsstufen endigt. 
Durch die tiefen Schluchten der Melach und der Sill wird ihr Be- 
reich in drei Stücke zerlegt, von denen wieder jedes noch durch 
unbedeutendere Bacheinrisse weiter zergliedert wird. 

Am Aufbau dieser lang hinstreichenden Terrasse ist vor allem 
das Grundgebirge beteiligt und nur im westlichsten Abschnitte ober- 
halb der Mündung des Sellraintales herrschen die geschichteten Ab- 
lagerungen vor. Geschichtete Ablagerungen und Grundgebirge sind 
jedoch in einer Weise aneinandergefügt, daß die Terrasse in ihrer 
Gesamtheit aus einiger Entfernung den Eindruck von Gleichmäßigkeit 
und Einheitlichkeit erweckt. An keinem anderen Teile der Inntal- 
terrasse tritt die Eigenart ihres Felskernes so unverhüllt zutage und 
ohne die Verkleidung und Ausfüllung mit geschichteten Ablagerungen, 
Grundmoränen und Gehängeschutt würde niemand diese unregel- 
mäßigen Felsschwellen für Werke von Wassererosion, für Reste alter 
Talböden gehalten haben. Wenn wir diese Terrasse von ihrer Schutt- 
bedeckung befreit vor uns liegen hätten, würden ihre Formen, ihr 
auf- und absteigendes Gefälle ohne weiteres die Gedanken an 
Wassererosion als völlig unzutreffend erscheinen lassen. 

Der westlichste Abschnitt der Terrasse zwischen Pfaffenhofen 
und Sellraintal zeigt einen verhältnismäßig recht einfachen Aufbau, 
welcher besonders an den Einschnitten des Flaurlinger und Inzinger 
Tales sowie am „Reissenden Ranggen“ südlich von Zirl erschlossen 
ist. Am Flaurlinger und Inzinger Graben haben wir mächtige, ziem- 
lich grobe, meist horizontal geschichtete Schotter vor uns, in denen 
sehr reichlich Gesteine des betreffenden Bachgebietes sich finden. Diese 
Ablagerungen werden von sehr undeutlich entwickelten Grundmoränen 
überlagert. Da in ihnen Kalke, Serpentine, Dolomite und andere 
leicht schleifbare Gesteine äußerst selten sind, wird die Unter- 
scheidung der Grundmoränen eine ziemlich unsichere. 

Erst unterhalb des Sellraintales finden sich in den Grundmoränen 
wieder häufiger deutliche, geschliffene und gekritzte Geschiebe, da 
von den Triasgesteinen der Kalkkögel und weiter abwärts von denen 
der übrigen Sillbuchtgebirge, dann von den Serpentinen und Brenner- 
schiefern leicht bearbeitbares Material gespendet wurde. Der mächtige 
Aufschluß am „Reißenden Ranggen“ wurde von Blaas im Jahrbuche 
der k. k. geol. Reichsanstalt, Wien 1890, 1. Heft, S. 33 und neuerdings 
von Penck in dem Werke „Die Alpen im Eiszeitalter“, S. 330 ein- 
gehender beschrieben. Wir haben bis 790 m schräg nordwestlich 
fallende Deltaschotter und Sande, darüber horizontal geschichtete 
grobe Schotter, auf der Höhe bei 836 m Spuren einer Grundmoränen- 
decke. Infolge der undeutlichen Ausbildung der Grundmoränen ist es 
für dieses Terrassenstück sehr schwer, genau ihre Verteilung anzugeben. 
Der Beginn der Terrasse besteht, wie schon erwähnt, aus ziemlich 
wenig ausgeprägten Felsstufen, an die sich schon westlich des Flaur- 


134 Dr. OÖ. Ampferer. [44] 


linger Tales eine Stufe aus groben Schottern lehnt. Östlich von diesem 
Tale verbreitert sich die Schotterterrasse rasch und bildet an der 
Oberfläche zwei Stufen, welche nach kurzem Hinstreichen am Pollinger 
Berge von einer Anzahl aus dem steilen Berggehänge herabschießender 
Gräben zerschnitten werden. Am Abhange gegen das Dorf Flaurling 
lassen sich Grundmoränenreste ziemlich tief gegen das Inntal hinab 
verfolgen und sind auch auf der Höhe des Flaurlinger Berges weit 
verbreitet. 

Südlich von Inzing gewinnt die Terrasse neuerlich bedeutend an 
Breite und zugleich stellt sich ein ausgesprochenes Trockental ein, 
welches frei über dem Inzinger Graben beginnt und sich gegen das 
Schindeltal nach Osten absenkt. Der Giggl- und Kienberg trennen 
dieses Trockental vom Inntale. Der Aufbau dieser Anhöhen ist durch 
große Ziegeleien teilweise eröffnet und wir sehen von der Innebene 
an Bändertone emporwachsen, die in Mehlsande und gröbere Schotter 
übergehen. Östlich und westlich werden die Bändertone durch Sande 
und Schotter ersetzt, welche besonders in der Nähe der Seitentäler 
vorherrschend werden. 

Das Schindeltal durchschneidet die ganze lose aufgeschüttete 
Terrasse bis zum Abfall des Gebirges und zeigt deren bedeutende 
Mächtigkeit. 

Hoch über der Terrasse von Inzing treffen wir am Nordabhange 
des Rangger Köpfls (1160 m) auf die gegen Osten abfallende Fels- 
furche des ersten Ebener Bergls. 

Zwischen Schindeltal und Melach wird die sehr breit gewordene 
Terrasse durch das lange und tiefe Rettenbachtal in einen südlichen 
und nördlichen Streifen zerlegt. Der Rettenbach hat höchstwahr- 
scheinlich nicht selbst dieses paralell mit dem Gebirgshange hinziehende 
Tal geschaffen, sondern nur das einmal vorhandene benützt und weiter 
ausgebildet. Das Tal beginnt in der Nähe der Ortschaft Ranggen mit 
flachen, weiten Mulden, welche gegen den Graben des Schindeltales 
offen abbrechen und den wenigen Aufschlüssen nach von Grundmoränen 
bedeckt sind. Eine ziemlich ausgedehnte Decke von Grundmoränen 
überzieht die Terrassenstufe südlich des Rettenbaches, auf welcher 
Ober-Perfuß liegt. Auch hier weist die Oberfläche mehrere gegen 
Osten abfallende Trockentäler auf, welche am Steilabfalle gegen den 
tief eingesenkten Schuttkegel der Melach abgerissen enden. Südlich 
von Ober-Perfuß setzt sich die Terrasse ansteigend bis in die Öffnung 
des zwischen Roßkopf und Rangger Köpfl eingetieften Krimpenbach- 
tales fort. 

Das Sellraintal begrenzt die Terrasse von Ober-Perfuß und die 
Abhänge derselben scheinen hier, soweit erkennbar, Erosionsränder 
zu sein. Jenseits dieses Tales gewinnt die Terrasse, obwohl ihr Nord- 
rand bedeutend zurückweicht, sehr an Breite. Während nämlich im 
Westen des Sellraintales der mächtige Bergwall des Rangger Köpfls 
(1933 m) die Terrasse südlich begrenzt, drängt sich die letztere östlich 
von diesem Tale so weit nach Süden, daß sie die Fortsetzung dieses 
Bergrückens zu bilden scheint. Wenn man von Osten her über die 
Terrasse wandert, glaubt man nach dem Gesichtseindrucke, daß das 
Rangger Köpfl der Terrasse aufgesetzt sei, da es sich mit sehr 


[45] Studien über die Inntalterrassen, 135 


allmählichem Anstiege darüber erhebt. Die plötzliche Verbreiterung 
der Inntalterrasse ist aufs engste mit der Mündung des Sellraintales 
verbunden und wir werden die gleichen Erscheinungen nur in noch 
viel größerem Maßstabe an der Sillmündung wiederfinden. In beiden 
Fällen treffen wir an der Westseite der Talmündung stark vortretende, 
abgerundete Bergrücken, an der Ostseite eine breit entfaltete Ter- 
rasse, die sich auffällig in das Seitental hineinzieht. Wollte man diese 
eigentümlichen Ecken der Terrassen auf Wassererosion zurückführen, 
so müßte man annehmen, daß sowohl die Melach als auch die Sill 
bei ihrem Eintritte ins Inntal plötzlich eine diesem Tale fast parallele 
Richtung eingeschlagen hätten. Für ein so merkwürdiges Verhalten 
ist kein Grund ersichtlich und wir werden außerdem sehen, daß sich 
noch andere Beobachtungen, welche dagegen sprechen, aufführen lassen. 

Die Mündung des Sellraintales ist eine enge, gewundene Fels- 
klamm, welche sich erst in der Gegend der Ortes Sellrain erweitert. 
Ungefähr zugleich mit der Talerweiterung macht sich am östlichen 
Talgehänge der Beginn der Terrasse, und zwar zuerst als eine gegen 
das Inntal hin ansteigende Leiste erkenntlich, Die Weitung von 
Sellrain und die zur Terrasse von Grinzens hinaufführende Gehänge- 
leiste weisen Schuttbedeckung von der Art der Grundmoränen auf. 
Deutlicher wird die Grundmoränendecke auf der breiten Terrasse 
von Grinzens, Axams, Birgitz und Götzens, wenn sich auch noch 
vielfach darüber jüngerer Schutt ausbreitet. 

Die Grundlage dieser weitflächigen Terrasse bildet Fels und 
nur am nördlichen Rande ist eine Zone angelagert, wo sich vom Niveau 
des Inns bis über 820 m empor nur lose Schuttablagerungen finden. 
Diese Zone beginnt südlich von Kematen als schmale Anlagerung, wird 
dann im Gebiete des Axamer und Geroldsbaches ziemlich breit und 
verliert sich an den Abhängen des Klosterberges westlich von Wilten. 
Ihr Aufbau ist der gewöhnliche mit Bändertonlagern in der Tiefe, 
die an den Mündungen von Seitentälern von Mehlsand oder Schottern 
ersetzt werden, velche überall die höheren Lagen beherrschen. 
Je nach der wechselnden Höhe der Felsunterlage greifen die ge- 
schichteten Ablagerungen mehr oder weniger weit nach Süden. Die 
Felsunterlage wird durch die Schlucht der Melach und den Graben 
des Sendersbaches im Westen ausreichend erschlossen. Letzterer zeigt 
deutlich, daß die Oberfläche der Felsterrasse gegen das Imntal zu 
mit einer Erhebung abschließt, welche jetzt von diesem Bache mit 
Wasserfällen durchsägt wird. Diese durch den Sendersbach erschlossene 
Felswanne senkt sich gegen Osten, wie die Aufschlüsse am Axamer 
Bache beweisen, der das Grundgebirge bereits in tieferer Lage ent- 
blößt. Während wir aus diesen Aufschlüssen eine breite, aus dem 
Sellraintale unter sehr spitzem Winkel gegen Völs sich senkende 
alte Felswanne erkennen, begegnen wir östlich des Geroldsbaches 
beträchtlich höheren Felsrücken. 

Unterhalb von Axams, bei Birgitz treffen wir Grundgebirge; 
Götzens liegt teilweise auf demselben, das einen Höhenrücken bildet, 
welcher den Geroldsbach überschreitet und dann ununterbrochen in 
flach gerundeten Kuppen mit Felswannen und Furchen bis zum Durch- 
bruche der Sill hinstreicht. Westlich von Götzens ist sein Verlauf 


136 Dr. O0. Ampferer. [46] 


durch den Schuttkegel des Geroldsbaches größtenteils verhüllt, östlich 
davon kann man ihn fortlaufend beobachten. Er wird von dem südlichen 
Gebirge durch ein breites, gegen Osten abfallendes Trockental ge- 
trennt, in dem das Dorf Natters erbaut ist. Der Rücken selbst zeigt 
auf weite Strecken nackten, gerundeten, gefurchten Fels und hebt 
sich in flachen Wellen auf und ab. Wie die Aufschlüsse im unteren 
Teile des Geroldsbaches beweisen, streicht die Felswanne, welche 
jetzt das Trockental von Omes trägt, parallel, aber in viel tieferer 
Lage mit diesem Felsrücken gegen das Inntal. Nach diesen Angaben 
können wir, falls wir von einer noch eingehenderen Gliederung Ab- 
stand nehmen, die Felsterrasse zwischen Sellrain- und Silltal als eine 
breite, flache Mulde, als einen hohen, flachkuppeligen Rücken und 
eine höhere, schmälere Mulde auffassen. Von diesen streichen die 
beiden ersteren Elemente schräg gegen Nordosten, während die Mulde 
von Natters den Raum bis zum Gebirgshange einnimmt und mit der 
Terrasse am Westufer verschmilzt. Der Felsrücken, welcher die beiden 
Wannen trennt, ist bei Götzens noch schmal, verbreitert sich dann 
aber im Bereiche des Klosterberges. Seine Forsetzung bildet jenseits 
der Sill der Kamm der Lanser Köpfe. Dabei geht dieser Felsrücken 
aus seiner nordöstlichen Richtung in eine fast westöstliche über und 
streicht so quer über die Mündung der Sill hinweg, die ihn zwar mit 
tiefer Schlucht entzweigesägt, aber nicht in seiner Fortsetzung ge- 
hemmt hat. 

Die Oberfläche der Terrasse zwischen Sellrain- und Silltal bringt 
diese bedeutenden Unebenheiten des Felskernes nicht zum Ausdrucke, 
da dieselben durch die geschichteten Ablagerungen, durch eine Grund- 
moränendecke und jüngeren Schutt (wahrscheinlich von Lokalgletschern) 
verhüllt werden. Die nach der Aufschüttung der geschichteten Ab- 
lagerungen angelegten Oberflächenformen laufen ziemlich gleichmäßig 
über Schutt und Fels. 

Das in die geschichteten Ablagerungen neu eingeprägte Relief 
deckt sich im großen und ganzen mit dem der Felsunterlage. Der 
breiten, aus dem Sellraintale gegen das Inntal geneigten Felswanne 
entsprechen in der Neigung und Richtung kleine Trockentäler bei 
Grinzens und etwas nördlicher die große Talwanne von Omes, welche 
frei über dem Graben des Sendersbaches beginnt und sich nach Völs 
hinabsenkt. Der größere Teil dieses Talzuges wird jetzt vom Axamer- 
bache benützt, der nach Durchschneidung der höheren Mulden unter- 
halb von Axams seitlich einmündet und die untere Hälfte des Tales 
durchfließt. Daß der Talzug von Omes in seiner ersten Anlage nicht 
ein Werk der Wassererosion sein kann, hat bereits Blaas (1885) in 
seiner Arbeit über die Glazialformation im Inntal (Zeitschrift des 
Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, Ill. Folge, 29. Heft, Innsbruck 
1885) eingehend erörtert ıS. 89-—-97). In jener Arbeit wird überhaupt 
den Erscheinungen der glazialen Erosion in hervorragender Weise 
die Aufmerksamkeit zugewendet und die Darstellung der südlichen 
Inntalterrasse zwischen Sellraintal und Volders ist in dieser Hinsicht 
so vortrefflich, daß man sie heute noch als mustergültig anerkennen 
muß, Ich kann dieses Umstandes um so dankbarer gedenken, als mir 
dadurch vielfach die Mühe einer neuerlichen Beschreibung erspart 


[47] Studien über die Inntalterrassen. 137 


blieb. Einzelne Stücke des Trockentales von Omes sind auch durch 
Reste von Grundmoränen als glaziale Bildungen festgelegt. So treften 
wir nordwestlich von Omes Grundmoränen und bei der Ruine Vellen- 
berg steigen dieselben von der Höhe der Terrasse beträchtlich an 
dem Abhange gegen unser Tal hinab. 

Der alte Felsrücken, welcher unterhalb von Axams sich zeigt 
und über Birgitz, Götzens zum Klosterberge und zu den Lanser Köpfen 
sich fortsetzt, weist eine sehr geringe Schuttbedeckung auf. Deutliche 
Grundmoränen sind davon unterhalb von Axams, an der Brennerstraße 
westlich vom Berge Isel und östlich von den Lanser Köpfen erhalten, 
undeutliche Reste dagegen finden sich in ziemlich weiter Verbreitung. 

Der Felswanne zwischen diesem Höhenzug und dem Gebirge 
entspricht das Trockental, welches von Edenhaus nach Natters zieht. 
Bei Natters finden wir in demselben umfangreiche Einlagen von 
Grundmoränen. Oberhalb von diesem Trockentale streicht südlich 
noch eine breite Mulde herüber, welche mehrere Tälchen gegen das 
erstere Tal herabsendet. In der Gegend von Natters weiten sich diese 
Trockentäler zu einem großen Kessel aus, in dem, wie schon erwähnt, 
deutlich entwickelte Grundmoränen eingelagert sind. Die Mulde von 
Natters bricht gegen Osten an den Steilabhängen des Silltales ab. 
Als charakteristisch für diese Mulde muß noch hervorgehoben werden, 
daß der größte Teil derselben eine Einbuchtung in den nördlich 
vorbeistreichenden Felszug des Klosterberges darstellt und man 
gewissermaßen hier eine ältere von Süd gegen Nord sich hebende 
Felswanne vor sich hat, welche von der jüngeren ostwestlichen Ein- 
furchung überkreuzt wird. 

Daß die Grundmoränen vom Klosterberg gegen die ersten 
Serpentinen der Brennerstraße bei Wilten über geschichtete Schotter, 
Sande und über Grundgebirge bis nahezu 600 m herabsteigen, ist von 
Blaas und Penck bereits mehrfach betont worden. 

Es erübrigt nun noch kurz die Aufmerksamkeit auf die Spuren 
von Ablagerungen jüngerer Lokalgletscher zu werfen. Hier stehen 
mir leider ziemlich wenig Beobachtungen zu Gebote, von denen 
sich die meisten auf die höheren Gebiete der südlichen Quertäler 
beziehen. Im Bereiche der Terrasse zwischen Telfs und Sellraintal 
begegnen wir sowohl im Flaurlinger- als auch im Hundstal deutlichen 
Resten von jüngeren glazialen Ablagerungen. Dasselbe gilt auch für 
die Seitentäler der Terrasse östlich des Sellraintales, für das Senders-, 
Axamer- und Geroldstal. Als bezeichnend mag gleich der Umstand 
hervorgehoben werden, daß meistens die Alpen auf solchen von den 
Talgletschern angehäuften Schuttmassen liegen. Dies gilt in unserem 
Gebiete für die Flaurlinger (1695 m), Inzinger (1640 m), Kematner 
(1646 m), Lizumer (1665 m) und Götzner Alpe (1590 m). Diese in 
annähernd gleich großen Tälern, gleich hoch gelegenen Schuttstufen 
sind meistens sehr beträchtliche Anhäufungen von Gesteinstrümmern 
des Talhintergrundes. 

Diese Schuttmassen bilden in den engen Bergtälern Einlagen, 
welche vorn in steilen Anbrüchen abfallen und rückwärts häufig einen 
fast ebenen breiteren Boden aufstauen, dessen Lage für die An- 
siedlung von Alpen besonders günstig ist. Der Bach strebt von unten 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (O0. Ampferer.) 18 


138 Dr. O. Ampferer. [48] 


herauf diesen Schuttpfropfen entzweizuschneiden, während er ihn 
oft gleichzeitig von oben her mit Schutt überschüttet. Ein aus- 
gezeichnetes Beispiel einer solchen Schuttstufe haben wir im Stallen- 
tal, jedoch in wesentlich tieferer Lage kennen gelernt. 

Oberhalb dieser scharf ausgeprägten Zone von glazialen Ab- 
lagerungen, welche sich meistens leicht von Bergsturzmassen oder 
Muren durch ihre Form und Gesteinsführung unterscheiden lassen, 
finden sich noch höher gelegene Gruppen von kleineren, gut erhaltenen 
Moränenringen. Es ist hier nicht der Ort, weiter auf die Verteilung 
der einzelnen Rückzugsstadien in dem angrenzenden Gebirge einzu- 
gehen, da sie mit dem Ziele unserer gegenwärtigen Untersuchung nur 
lose zusammenhängt. 

Während nun aber diese höheren Zonen von glazialen Ab- 
lagerungen sehr deutlich entwickelt vorliegen, finden wir auf der 
Inntalterrasse selbst keine sicheren jüngeren Glazialschuttmassen, wie 
wir solchen zum Beispiel auf der Mieminger Terrasse begegnet sind. 
Ausgedehnten Schuttfeldern über der Grundmoränendecke begegnen 
wir allerdings besonders im Bereiche des Senders-, Axams- und 
Geroldsbaches, doch muß es erst genaueren Untersuchungen über- 
lassen bleiben, ob wir darin wirklich Ablagerungen von tief herab- 
reichenden Lokalgletschern vor uns haben oder nur mächtige 
Schuttkegel, welche Bäche aus der Abtragung von höher gelegenen 
Schuttstufen bereiteten. Solche Schuttkegel sind tatsächlich noch 
heute in der Fortbildung begriffen, wie man am Geroldsbach beob- 
achten kann, der die hochgelegenen Schuttmassen unterhalb der 
Götzneralpe unaufhörlich zu Tal reißt und über die Terrasse breitet. 
Die große Schuttstufe am Fingang ins Senderstal oberhalb von 
Grinzens und einzelne wallförmige Höhenzüge lassen jedenfalls den 
Gedanken an jüngere Glazialablagerungen auf der Terrasse als be- 
rechtigt erscheinen. Durch die bedeutenden Wassermassen und den 
Schuttreichtum dieser Täler dürften eben wahrscheinlich die Spuren 
solcher Ablagerungen hier viel mehr verändert worden sein als auf 
der Mieminger Terrasse. 

Die großen Trockentäler von Omes und Natters können ihrem 
Verlaufe und ihrer Grundmoränen wegen nicht als Werke solcher 
Lokalgletscher bezeichnet werden, dagegen ist die Bildung der ihnen 
von Süden angeschlossenen kleinen Talmulden sehr wahrscheinlich 
darauf zurückzuführen. Daß dadurch nicht bloß der südliche Teil der 
Terrassenfläche eingreifend ummodelliert wurde, sondern auch noch 
die großen ostwestlichen Talzüge verändert wurden, braucht wohl 
nicht eigens hervorgehoben zu werden. Sie dienten gleichsam als 
Sammeltröge für die zahlreichen von Süden herströmenden Rinnsale. 
Aus der ganzen Art der Verteilung der Trockentäler und Tälchen 
kann man also mit Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein von 
Lokalgletschern auf der südlichen Inntalterrasse schließen. Im Gebiet 
der Terrasse zwischen Melach und Sill reichten diese Gletscher nicht 
über die Talfurchen von Omes und Natters hinaus, welche ihre 
Gewässer sammelten und gegen Osten zu ableiteten. 

Das Silltal scheidet die Terrassen zu beiden Seiten seiner 
Mündung in bedeutungsvoller Weise. 


[49] Studien über die Inntalterrassen, 139 


Die Talfurche, welche die Sill nach der Vereinigung mit der 
Ruez (Stubaital) durchströmt, ist großenteils eine junge Felsschlucht, 
an deren Seiten mehrfach Stücke ihres alten Bettes verschüttet durch 
geschichtete Ablagerungen erhalten sind. Diese Abweichungen des 
jungen und älteren Laufes sind indessen keine sehr bedeutenden 
und wir können feststellen, daß die Sill bereits vor der Ablagerung 
der geschichteten Schotter und Sande im großen und ganzen in der- 
selben Richtung und in derselben Einschnittstiefe dem Inntale zueilte. 
Den wichtigsten Aufschluß in dieser Richtung finden wir in der Nähe 
der Stephansbrücke, wo die geschichteten Schotter und Sande bis zum 
heutigen Bett der Ruez (ungefähr 660 m) herabreichen, wobei sich 
zwischen ihnen und dem Grundgebirge Spuren von Grundmoränen 
einstellen. Dadurch ist der Lauf der Sill, tektonische Veränderungen 
des Grundgebirges ausgenommen, festgelegt, weil sich entlang der 
Östflanke der Sillschlucht von Patsch bis zu den Lanser Köpfen das 
Grundgebirge nirgends beträchtlich unter 800 m herabsenkt. Ein Aus- 
weichen auf die Terrasse gegen Westen ist ebenfalls durch die viel 
höheren Grundgebirgsrücken des Klosterberges verhindert. Die Sill- 
schlucht war bereits in die alte Felsterrasse in ähnlicher Lage wie 
heute als tiefe nordsüdliche Furche eingesenkt und die Schaffung 
der Terrasse kann in keiner Weise durch ihre Wasserwirkungen er- 
klärt werden. Man darf die Felsmulde, welche sich im Osten der 
Sill von den Höhen der Dörfer Vill und Igls gegen Amras absenkt, 
nicht als eine alte Fortsetzung des Stubai- und Silltales ansehen, 
soweit es sich nämlich dabei um den Lauf ihrer Bäche handelt. Diese 
breite Felsmulde beginnt im Osten durchschnittlich mehr als 100 m 
oberhalb des alten Sillbettes, strebt dann teilweise ansteigend bis 
über den Lansersee hinaus und fällt von dort ziemlich steil zum 
Inntal hinab. Dabei lagern nach den Beobachtungen von Blaas von 
Amras bis Egerdach am Fuß der schrägen Felsfläche ältere Grund- 
moränen, welche bei letzterem Orte am Frohnleitenbichl durch kon- 
glomerierte, geschichtete Schotter überdeckt werden. 

Eine Grundmoränendecke der letzten Vergletscherung über- 
zieht diese schräge Felsfläche und ist an vielen Stellen besonders 
bei Amras, Aldrans und Lans erschlossen. In wirklich großen Massen 
und typischer Entwicklung sind Grundmoränen mit vielen gekritzten 
‘Geschieben durch den Bahneinschnittt zwischen Lansersee und Station 
Aldrans bloßgelegt worden. Geschiebe aus den Triasgesteinen des 
Sillgebirges und Serpentine von Matrei sind häufig darin zu finden. 

Nach diesen Ausführungen kann die Sill auch nicht nach der 
großen Inntalaufschüttung und der darangeschlossenen letzten Groß- 
vergletscherung über die Terrasse gegen Osten geflossen sein. Einmal 
spricht die weitverbreitete Grundmoräne dagegen, dann das Fehlen 
der scharfen Einschnitte einer großen Wasserschlucht. Außerdem liegt 
in der Gefällsverteilung ein entscheidender Gegengrund. Es müßte 
die Sill bis in die Gegend des Lansersees mit sehr geringem, von 
hier gegen Amras mit sehr bedeutendem Gefälle geströmt sein. Nun 
treffen wir gerade auf letzterer Strecke eine breite Felsabschrägung, 
welche bei so großer Neigung niemals von fließendem Wasser ge- 
schaffen worden sein könnte. Es muß also die Sill nach dem Rück- 

18* 


140 Dr. O0. Ampferer. [50] 


zuge der letzten Vergletscherung eine nordsüdliche Einfurchung ge- 
funden haben, welche bereits tiefer lag als der Ostrand der großen 
Abschrägung Vill— Igls—Lans—Amras, denn sonst wäre sie sicherlich 
auf dieser breiten Bahn ungehindert ins Inntai geströmt und hätte 
in sie eine Schlucht eingeschnitten. Zu bedenken ist dabei, daß ja längs 
dieser Abschrägung die geschichteten Ablagerungen bereits entfernt 
waren, da die Grundmoränendecke direkt dem Grundgebirge aufliegt. 

Die Mulde von Natters, als deren Fortsetzung östlich der Sill 
jene von Vill und Igls erscheint, liegt beträchtlich tiefer, doch weist 
letztere anfangs ein Gefälle gegen die Sillschlucht auf. Nördlich von 
diesen beiden Muldenstücken bilden die Höhen des Klosterberges 
und der Lanser Köpfe einen stark aufragenden Wall, der quer über 
die Sillschlucht und parallel zum Inntal hinstreicht. An ihm tritt die 
Unabhängigkeit der Entstehung der alten Felsterrasse von den Wasser- 
wirkungen besonders deutlich hervor. 

Er legt sich nicht nur quer vor die Mündung des Silltales, 
sondern wird von diesem zwischen seinen zwei höchsten Erhebungen 
durchschnitten. Die Durchschneidung ist eine doppelte, indem sich 
östlich vom Berg Isel die junge Schlucht und westlich die ältere, 
zugeschüttete befindet. 

Gehen wir von diesem Wall der Sill entlang gegen Süden, so 
treffen wir zu beiden Seiten auf südwärts geneigtes Grundgebirge. 
Das gilt ganz besonders für die westliche Talseite, wo die einge- 
lagerten Schotter und Sandsteine eine bedeutende Höhlung des Grund- 
gebirges verhüllen. Der Felsgrund des vordersten Silltales hebt sich 
in breiter Mulde gegen diesen Querwall und der Fluß hat sich darin 
eine tiefe Furche eingeschnitten. 

Der Querwall selbst wird im Westen von jener breiten Fels- 
mulde, welche sich aus dem Sellraintal gegen Völs absenkt, im Osten 
von der großen Felsmulde, die nach Amras abfällt, begrenzt. Wie 
erstere sich ins Sellraintal hineinzieht und westlich von diesem Tale 
keine Fortsetzung mehr findet, sondern durch den breiten Rücken des 
Rangger Köpfels ersetzt wird, so zieht sich auch die Mulde von Vill 
und Igls weit ins Silltal hinein, während auf der Westseite dieses 
Tales über einem schmalen, aufgeschütteten Terrassensaum die mäch- 
tigen Bergrücken der Saile ihre Stelle einnehmen. Diese einseitige 
Verbreiterung der Inntalterrasse an der Ostseite von südlich zu-' 
strömenden Seitentälern ist um so auffallender, als wir wenigstens im 
Sillgebiete zeigen konnten, daß man dieselbe nicht so ohne weiteres als 
eine Wasserwirkung ansehen darf. Daß übrigens auch die Felsmulde 
an der Ostseite des Sellraintales vor der Ablagerung der geschichteten 
Schotter nicht von der Melach überströmt wurde, scheint nach den 
Beobachtungen von Blaas aus den Resten von Grundmoränen zwischen 
Grundgebirge und aufgelagerten Schottern im unteren Teile des Tales 
von Omes zu folgen (Glazialformation. Zeitschr. des Ferdinandeums. 
Innsbruck 1885, 29. H., S. 95). Nach dem Rückzuge der letzten Ver- 
gletscherung hat die Melach diese Mulde ebensowenig als Abflußrinne 
benützt, wie die Sill jene von Amras. 

Charakteristisch für den Wall der Lanser Köpfe ist neben den 
Furchen und Wannen der weithin entblößten Grundlage auch noch 


[51] Studien über die Inntalterrassen, 141 


die reiche Bedeckung mit einzelnen Grundmoränenresten, welche im 
Norden und Osten fast bis zur Inntalebene hinabreichen. 

Das ganze Gelände der Felsterrasse östlich der Sill hat in der 
früher angeführten Arbeit von Blaas bereits mit Rücksicht auf die 
glaziale Bildung der ÖOberflächenformen eine eingehende und zu- 
treffende Schilderung erfahren (S. 70-89), auf welche ich mich hier 
vielfach berufen muß. 

Wie auf der Westseite der Sill sich von der Mulde von Natters 
eine in einzelnen Fetzen aufgelöste Grundmoränendecke über Mutters, 
Raitis, Kreit ins Stubaital hineinzieht und dabei im Bereiche der 
Seitentäler vielfach mit jüngerem Schutt überladen erscheint, so strebt 
auch an der Ostseite dieses Flusses eine Grundmoränendecke gegen 
Süden, die dabei öfters bis zur Brennerbahn am Felsgehänge herab- 
geht. In der Gegend südlich und östlich von Igls treffen wir darüber 
ausgebreitete jüngere Schuttmassen, die von zahlreichen Trocken- 
rinnsalen durchfurcht werden. Diese Schuttmassen setzen sich ost- 
wärts bis in die Gegend zwischen Rinn und Tulfes fort und es ist 
ziemlich wahrscheinlich, daß wir in ihnen Ablagerungen von Lokal- 
gletschern vor uns haben, welche ihren Ausgang von den Furchen 
und Karen des Bergkammes nahmen, der sich vom Patscher Kofl 
(2214 m) zum Glungezer (2676 m) emporhebt. Bemerkenswert ist 
der Umstand, daß diese unruhige, von viel verästelten Trockentälchen 
zergliederte Ablagerung sich nordwärts nicht über die großen Talzüge 
hinaus erstreckt, welche unsere Terrasse in nordöstlicher Richtung 
durchziehen. Am deutlichsten ist diese Schuttablagerung südlich und 
‘östlich von Igls erhalten, wo sie oberhalb der breitflächigen, mit 
Grundmoränen bekleideten großen Muldenzone eine höhere, lebhaft 
auf und abwogende Hügelterrasse bildet, welche im Gegensatz zu 
ihrem wiesenbedeckten Vorland ganz von Hochwald bestanden wird. 
In dieser Landschaft begegnen wir nicht selten einzelnen von Ring- 
wällen umschlossenen Becken neben zahlreichen Trockentälchen. An 
der Außenseite dieser halbkreisförmig begrenzten Hügel- und Mulden- 
landschaft liegen die Dörfer Igls, Lans und Sistrans. Die alte Brenner- 
straße benützt von Lans bis gegen Patsch eine Folge von tiefer 
darin eingesenkten Talzügen zur Durchfahrt. 

Wir haben bisher die Gestaltung der Felsunterlage bis zu jener 
breiten Mulde verfolgt, die sich von der Höhe von Lans nach Amras 
hinabsenkt. Östlich davon tritt das Grundgebirge wieder in höherer Lage 
zutage und bildet einen Felsrücken, der sich zwischen Agenbach- und 
Zimmertal hinzieht. Auch die Höhen zwischen Zimmer- und Polten- 
tal bestehen im südlichen Abschnitt aus mehreren aufragenden Grund- 
gebirgsrücken. Ebenso wird der Kamm zwischen dem Poltentale und 
der Mulde von Tulfes größtenteils vom Grundgebirge zusammengesetzt. 
Diese großen Felsrücken sind wieder durch Furchen und Einsatte- 
lungen in eine Menge von kleineren Erhebungen zerlegt, welche den 
Haupterhebungen als längsgestreckte, auf der Westseite schön abge- 
rundete Rundhöcker aufgesetzt erscheinen. Der Lauf der jetzigen 
Talfurchen stimmt nicht genau mit der Streichrichtung der benach- 
barten Felsfurchen überein, indem diese Täler streckenweise quer 
solche Furchen durchschneiden. Am reinsten erhalten ist die Fels- 


142 Dr. 0. Ampferer. [52] 


wanne von Tulfes, welche zwischen einem hohen und langgestreckten . 
Felswall (952 m) und dem südlichen Gebirgshange hinstreicht. Sie neigt 
sich gegen Nordosten anfangs flach, dann mit starker Neigung, wobei 
sie sich in mehrere Furchen zerspaltet. 

Soweit sich äus den vorhandenen Aufschlüssen das Relief der 
alten Felsterrasse beurteilen läßt, haben wir östlich von der Lans— 
Amraser Mulde ein Gebiet von Höhenzügen vor uns, welche einer- 
seits durch eine Einsenkung vom südlichen Gebirgshang getrennt 
werden und anderseits nach ihrer Aufwölbung viel südlicher als die 
heutige Terrasse ins Inntal niedersteigen. Die neben- und hinter- 
einander in ungefähr gleicher Richtung angelegten Schwärme von 
Rundhöckern und Furchen sprechen deutlich genug für ihre glaziale 
Entstehung. 

Wie schon Blaas sehr richtig erkannt hat, ist nun das heutige 
Relief, welches sowohl das Grundgebirge als auch die später an- und auf- 
gelagerten, geschichteten Ablagerungen und Grundmoränen beherrscht, 
ebenfalls wieder ein typisch glaziales. Hätten nach der Inntalauf- 
schüttung grosse Wassermassen die Terrasse modellieren können, so 
würde ihre Arbeit vor allem in einem Wegschaffen der losen Auf- 
schüttungen und einem Freilegen der Felsrücken bestanden haben. 
In Wirklichkeit sehen wir die Talzüge und Höhenrücken bald aus 
Fels in Schutt oder umgekehrt übergehen. 

Aus den Grundmoränen, welche westlich vom Berge Isel, am 
Nordhang der Lanser Köpfe und in der Mulde Lans—Amras bis nahe 
an die heutige Innebene hinab noch erhalten sind, geht hervor, daß 
die Eintiefung des Inntales durch die Erosion des Eises damals 
die heutige nahezu erreichte. Wenn nun nach dem Rückzuge der 
letzten Vergletscherung einerseits das Inntal so tief ausgehöhlt war 
und anderseits die Furchen des Agenbach-, Zimmer- und Poltentales 
noch nicht bestanden hätten, so würden doch ihre vom südlichen 
Gebirge herabströmenden Bäche ungefähr auf dem kürzesten Wege 
quer über die Terrasse ins Inntal geeilt sein. Ihre gleichmäßige, 
nahezu rechtwinklige Ablenkung ist ohne das Vorhandensein von nord- 
östlich streichenden Furchen auf der Terrasse nicht verständlich. 
Außerdem setzen alle diese Talfurchen in ihrer Anlage noch be- 
trächtlich über jene Stelle aufwärts sich fort, an welcher sich der 
Bach von der Seite in sie hineinstürzt, wodurch am allerdeutlichsten 
bewiesen wird, daß diese Furchen nicht von ihm geschaffen sein 
können. Dieselben müssen schon nach dem Rückzuge des Eises vor- 
handen gewesen sein. 

Man könnte nun noch denken, daß diese Furchen von seitlichen 
Schmelzwassern des rückweichenden Inntalgletschers aus einer Zeit 
herrühren, wo durch das Eis das tiefere Inntal noch rückwärts erfüllt 
war. Penck hat diesen Gedanken zur Bestimmung des Oberflächen- 
sefälles der rückweichenden Gletscherzunge benützt und einen Betrag 
von 30°/,, dafür errechnet. Wenn nämlich das Eis die Terrassen- 
höhe früher verließ als den Talboden, so ergibt sich aus der Höhe 
der Terrasse und der Länge eines solchen Schmelzwassertälchens 
ein Maß für die Neigung des Gletscherrandes, da ja das Schmelz- 
wasser erst in die eisfreie Inntalsohle einmünden konnte. 


[53] Studien über die Inntalterrassen. 143 


Die an vielen Stellen auf den Inntalterrassen vorhandenen Trocken- 
täler, welche meist unter sehr spitzem Winkel sich dem Tale an- 
schließen, scheinen für diese Art der Entstehung zu zeugen. 

Betrachten wir, um zu einer Entscheidung zu gelangen, noch 
einmal genauer die Anordnung der Talzüge auf der Terrasse zwischen 
Sill- und Voldertal. 

Wenn wir die Mulde von Tulfes auch mitzählen, haben wir 
vier nordöstlich und ungefähr parallel zueinander streichende Talzüge, 
von denen je zwei benachbarte nirgends mehr als 2 km voneinander 
abstehen. 

Will man diese Talrinnen als Schmelzwasserläufe des Gletscher- 
randes erklären, so muß man einerseits annehmen, daß der Eisrand 
zur Schaffung jedes einzelnen Tales lange ruhig stand, anderseits 
sich aber von einem Tale zum nächsten so rasch zurückzog, daß der 
zwischenliegende Landstreifen von den Abwassern nur sehr wenig 
angegriffen werden konnte. Nimmt man einen mehr allmählichen 
Rückzug des Eisrandes an, so ist nicht einzusehen, warum die Schmelz- 
wasser ihre tiefen Rinnsale nicht nach rückwärts verlängert, sondern 
immer wieder parallele und neue angelegt haben. Die Bildung von paral- 
lelen, schräg in die Terrasse eingesenkten Talzügen könnte von Schmelz- 
wassern nur bei einem eigenartigen, ruckweisen Rückzug des Eises 
besorgt werden, wobei die Bewegung von einer Talrinne zur nächsten 
so rasch erfolgen müßte, daß die Schmelzwasser mit dem Rück- 
schneiden der alten Rinne nicht zu folgen vermöchten. Auf einer 
annähernd ebenen Terrassenfläche ist die Anlage solcher verhält- 
nismäßig zu ihrer Länge schmaler Talrinnen durch Schmelzwasser 
eines rückweichenden Gletschers sehr unwahrscheinlich, weil ihre 
Form nicht dem raschen Wechsel und der steten Veränderlichkeit 
der dem bewegten Eisrande entweichenden Wasseradern entspricht. 
Bemerkenswert ist auch der Umstand, daß nur die Mulde von 
Tulfes und das Poltental sich unmittelbar ans südliche Berggehänge 
anschmiegen, während das Zimmertal ungefähr auf der Mitte der 
Terrasse, das Agenbachtal noch nördlicher seinen Anfang nimmt. Man 
müßte zur Erklärung dieser Erscheinung auch noch ein Zurückweichen 
des Eisrandes gegen Norden annehmen. Die steile Abschrägung von 
Lans gegen Amras mit ihren vielen Grundmoränenresten ist nicht 
durch Abspülung von seiten der Schmelzwasser geschaffen, sondern 
höchstens verändert werden. 

Das Oberflächenrelief, welches von Schmelzwassern eines zurück- 
gehenden Gletschers auf einer ebenen Terrasse gebildet wird, weist 
viel unruhigere und vor allem miteinander innig verbundene Rinnen- 
systeme auf, indem dieselben ja mit den zurückweichenden Quellen 
ebenfalls nach rückwärts verlängert worden. 

Die Anlage unserer Terrassentäler ist für ursprüngliche Schmelz- 
wasserläufe eine viel zu streng parallele, eine viel zu einheitliche und 
gegenseitig unabhängige. 

Es wäre unsinnig, das Vorhandensein des Einflusses von Schmelz- 
wasserwirkungen auf der Terrasse zu leugnen, doch sind die von ihnen 
erzeugten Formen nicht die herrschenden, sondern sie schmiegen sich 
einem schon früher vorhandenen Relief an. 


144 Dr. O. Ampferer. [54] 


Dieses Relief, welches die zahlreichen Rundhöcker und Furchen 
der Felsrücken und die parallelen Talrinnen in den geschichteten Ab- 
lagerungen umfaßt, kann nur durch die Bewegung der Eismassen selbst 
entstanden sein. Die vielen durch die Eigenart der Eiserosion ge- 
schaffenen Rinnen und Wannen, welche alle in der Strömungsrichtung 
orientiert erscheinen, boten nun den Schmelzwassern des Gletscher- 
rückzuges ihre Bahnen an, welche dabei vielfach umgestaltet, vertieft 
und mannigfach miteinander verbunden wurden. Die auf den Scheide- 
rücken der größeren Talzüge oft vorhandenen, nunmehr beiderseitig 
in die Luft frei ausgehenden Querrinnen dürften höchstwahrscheinlich 
eine Wirkung jener Schmelzwasser sein. Nimmt man das von der 
Eisbewegung eingeprägte Relief zur Grundlage für die Anlage des 
darüber gebreiteten Schmelzwasserreliefs, so werden die eigentüm- 
lichen Terrainformen verständlich, welche durch das letztere allein 
nicht erklärbar sind. Diese ausführlicheren Darlegungen wurden vor- 
züglich durch den Mangel an geeigneten Aufschlüssen in der Grund- 
moränendecke dieser Gebiete hervorgerufen. Die einzelnen Aufschlüsse 
von Grundmoräne sind so weit entfernt, daß man aus ihrer Lage wenig 
sichere Schlüsse ziehen kann. Auf der Höhe von Rinn und Judenstein 
treffen wir gelegentlich grundmoränenartige Massen. Eine deutliche 
und mächtige Grundmoräne ist oberhalb von Aldrans am Eingange zur 
Mulde des Herzsees erschlossen. Im Agenbachtal hat Blaas bei dem 
Weiler Häusern am Inn unter horizontal geschichteten Flußschottern 
der Talsohle 1 m mächtige, typische Grundmoräne gefunden, welche 
über Mehlsand und Lehm lagert. Im Zimmertale finden sich an den 
Hügeln des „Kolbenturmes“ Reste von undeutlicher Grundmoräne, 
Dieses Tal sowie das Poltental und der dazwischen liegende Rücken 
sind nach den Angaben von Blaas mit zahlreichen, oft geschliffenen 
Gneis- und Amphibolitblöcken aus dem Stubaigebiete übersät, die 
stellenweise riesige Größen erreichen. 

Die An- und Auflagerung der geschichteten Schotter und Sande, 
welche am Abfalle gegen das Inntal von Egerdach bis in die Gegend 
der Volderer Innbrücke reicht, stellt gegenüber der alten Felsterrasse 
eine namhafte Verbreiterung der Terrasse dar. Eine solche Ver- 
breiterung haben wir auch am Nordrande der Terrasse zwischen Melach- 
und Geroldsbach angetroffen. Auf der Höhe der weiter zurückliegenden 
Felsterrasse sehen wir auch die geschichteten Ablagerungen verbreitet, 
jedoch nicht in großen zusammenhängenden Beständen, sondern als 
einzelne meist an Felsrücken gelehnte Reste. Uberschaut man in 
großen Zügen das Relief der alten Felsterrasse und dasjenige, welches 
nunmehr die aus Fels und losen Aufschüttungen zusammengefügte 
Neuterrasse zeigt, so bemerkt man trotz vieler Abweichungen eine 
unverkennbare Ähnlichkeit in der Verteilung der erhabenen und ver- 
tieften Zonen. Die größte Abweichung liegt in der Vorschaltung einer 
mächtigen Schotter- und Sandbank zwischen Egerdach und Volderer 
Innbrücke, welche jedoch im Gefällssinne der alten mehr zurück- 
liegenden Felsterrasse von mächtigen Talfurchen zerschnitten wird. 

Der Inn hat den Nordrand der von Schotter und Sanden auf- 
geschütteten Terrasse in bedeutendem Umfange angegriffen und 
schneidet so das Agenbach-, das Zimmer- und Poltental nacheinander 


[55] Studien über die Inntalterrassen. 145 


schräg ab. Bei der Volderer Innbrücke drängt sich der Fluß un- 
mittelbar an das südliche Felsgehänge und läuft dabei eine kurze 
Strecke auf Felsgrund. Es ist jener mächtige Felsrücken, welcher von 
der Sonnenspitze (2646 m) abzweigt, mit steilen Wänden das Voldertal 
an der Westseite begleitet und hier sich bis zum Inn vorschiebt. 
Dieser flach ansteigende lange Bergrücken, der gegen Westen sanfte, 
leicht gewellte Flächen, gegen Osten durchaus schroffe, jähe Abstürze 
aufweist, besitzt nun an seiner Kante mehrere auffallende Einkerbungen. 
Die hervorragendsten treten ungefähr bei 660 m, 840 m, 1200 m, 
1500 und 2300 m auf. Kleinere Staffeln sind noch dazwischenge- 
schaltet. 


Terrassen zwischen Volders— Schwaz. 


Östlich von diesem scharf hervortretenden Felskamm begegnen 
wir bis zur Mündung des Weerbaches keinen größeren Schutterrassen. 
Allenthalben tritt im Gehänge der nackte Fels zutage, in den jedoch 
vielfach auf- und absteigende Furchen, Stufen und Wannen eingeprägt 
sind. Alle Vorsprünge sind an der Westseite abgeglättet, an der Ost- 
seite dagegen rauh. 

Der Berghang, welcher zwischen dem Volder- und Wattentale 
ins Inntal niedersteigt, ist von Felsfurchen und Stufen im unteren Teile 
reich gegliedert, während der Berghang zwischen Watten- und Weertal 
in nahezu glatter Neigung sich aufbaut. 

Die gegen Osten sich absenkende Neigung der Felsterrassen von 
Tulfes und Rinn beginnt bereits westlich vom Volderer Bach sich in 
eine gegen Osten ansteigende umzukehren. Östlich von diesem Bache 
zeigen sich eine ganze Anzahl von derartig aufsteigenden Felsfurchen. 
Die nördlichste tiefgelegene Furche trennt hier einen mächtigen Rund- 
höcker, den „Kreuzbichl“, vom Berggehänge ab. Derselbe liegt bereits 
vollständig in der Innebene. Die südlicheren Furchen steigen gegen 
die breiteren Felsstufen an, auf denen die Höfe Buggl (711 m) und 
Halbeis (709 m) liegen. Taleinwärts treffen wir dann an der West- 
flanke des Wattentales oberhalb von diesen Felsterrassen im Gebiete 
der Gemeinde Vögelberg auf Schuttmassen, welche wahrscheinlich einen 
Rest der Inntalaufschüttung darstellen. Dieselben stellen sich auch in 
geringerer Menge am gegenüberliegenden Talhange ein. Zu erwähnen 
ist hier, daß im Voldertale, und zwar gegenüber vom Volderer Wild- 
bade, von etwas unter 1100 m an der Rest einer mächtigen Ablagerung 
befindet, welche in den tieferen Lagen entschieden das Aussehen von 
Grundmoränen an sich trägt. Wir haben darin höchstwahrscheinlich 
die Spuren einer Lokalvergletscherung vorliegen. 

An dem Berggehänge zwischen Watten- und Weertal treten am 
Abfalle gegen das Inntal keine Felsterrassen auf. Eine schmale Fels- 
terrasse zieht sich hoch an der Ostseite des Wattentales taleinwärts, 
auf der die spärlichen, schon erwähnten Schuttreste gegenüber von 
Vögelberg lagern. Eine bedeutend breitere Fels- und Schutterrasse 
begleitet das Weertal an dessen Westseite, welche in breitem Aus- 
gusse sich bis ins Inntal hinabneigt. Der unterste Teil dieser Terrasse 
dürfte allerdings schon wieder als der Beginn einer neuen Inntal- 

Jalırbuch d. k. k. geol. Reiclhsanstalt, 1904, 54. Band, 1. lleft. (O. Ampferer.) 19 


146 Dr. O0. Ampferer. [56] 


terrasse anzusehen sein, welche sich östlich des Weertales in statt- 
licher Breite wieder einstellt. Jedenfalls ist dieser flach gegen Osten 
ansteigende Ansatz der Inntalterrasse mit der Weertalterrasse aufs 
innigste verbunden. 

Steigen wir von der breiten untersten Terrasse, welche einen 
Felssockel besitzt, zu der westlichen Weertalterrasse aufwärts, so 
treffen wir auf eine mächtige, vornehmlich aus den Talgesteinen zu- 
sammengesetzte Schuttablagerung, die an manchen Stellen an Grund- 
moränen erinnert, an anderen dagegen deutlich sich als geschichtete 
Ablagerung erweist. In diese taleinwärts ansteigende, ziemlich breite 
Schuttmasse ist ein langes, breitsohliges Tal eingegraben, welches 
parallel mit der tieferen, vom Weerbach durchbrausten Schlucht hin- 
streicht. Dieses Nebental reicht bis zu einem weit ins Tal vortretenden 
Bergrücken, während der Schuttwall zwischen ihm und dem Weerbache 
sich als Stufe bis zur Mündung des Sagabaches in 1020 m Höhe hinan- 
zieht. Auf der gegenüberliegenden Talseite treffen wir im Verhältnis 
dazu nur sehr spärliche Schuttmassen auf den felsigen Gehängen, 
welche taleinwärts nicht so weit zu verfolgen sind und gegen das 
Inntal zu mit der Terrasse des Weerberges zusammenhängen. Auch 
hier können wir wie im Volder-, Watten- und Pilltal beobachten, daß 
die Westseite weit reicher an Schuttablagerungen als die Ostseite ist, 
an der größtenteils das Grundgebirge nur von einer dünnen Ver- 
witterungsschichte bedeckt wird. 

Die niedrige, breite Vorstufe, welcher wir an der Westseite der 
Weerbachmündung begegnen, setzt sich über dieselbe hinweg fort und 
bildet jenseits ein breites, flach gegen Osten absinkendes Trockental 
mit den Höfen Seltsam und Ebner, welches durch einen aus ge- 
schichteten Schottern und Sanden erbauten Höhenzug vom Inntal ge- 
schieden wird. Wie an der Westseite des Weertales sich darüber mit 
steilerem Anstiege die ins Tal hineinstreichende Terrasse erhebt, so 
baut sich an der Ostseite eine mächtige Schotter- und Sandterrasse 
darüber auf, welche die Hochfläche von Mitterweerberg bildet. Aus 
den Aufschlüssen am vordersten Weerbach erkennen wir, daß sowohl 
die Vorstufe als ihre östliche Fortsetzung, das Trockental von Seltsam, 
einen flachen Sockel aus Grundgebirge besitzen. 

Dieser Grundgebirgssockel erhebt sich südlich ungefähr zugleich 
mit dem Steilanstiege der Schutterrassen an beiden Talseiten. An der 
Westseite des Weerbaches nimmt jedoch die Höhe der Felsunterlage 
taleinwärts so langsam zu, daß der größere, innere Teil der darüber 
lagernden Schutterrasse hier bis zum jetzigen Bachlaufe hinabreicht 
und dadurch eine bedeutende und auffallende Verbreiterung des alten 
Tallaufes verraten wird. 

Die niedrige Vorstufe und das östlich anschließende Trockental 
von Seltsam können nur als Wirkungen der glazialen Erosion ver- 
standen werden. Ihr Streichen bildet eine leichte Ausbuchtung der 
Inntalrichtung, die fast genau senkrecht auf den Lauf des Weertales 
steht. Da die Terrasse an der Westseite des Weertales in gleicher 
Weise von der Vorstufe abgeschnitten wird wie die Inntalterrasse von 
Mitterweerberg von dem Seltsamer Trockental, so ist es sehr wahr- 
scheinlich, daß wir in der ersteren Terrasse eine Verlängerung der 


[57] Studien über die Inntalterrassen. 147 


Inntalterrasse ins Weertal hinein zu erblicken haben. Damit stimmt 
auch die eigentümliche Erscheinung, daß diese Terrasse nur bis wenig 
über 1000 m Höhe ansteigt. Ob auch Schuttreste eines jüngeren 
Seitengletschers mit dieser Terrasse verknüpft sind, vermag ich vor- 
derhand nicht zu entscheiden. 

Die breite Terrasse von Mitterweerberg ist einem ziemlich 
niedrigen Grundgebirgssockel aufgesetzt. Von ihrer Hochfläche, auf 
der sich Reste von deutlicher Grundmoräne des Inntalgletschers finden, 
senken sich gegen Norden zahlreiche Einschnitte ab, welche ein aus- 
gezeichnetes Bild für die Zerstücklung und Umformung einer Terrasse 
durch quer darüber fließende Wasseradern geben. Wir sehen, wie die 
kleinen Wasserrunsen des breiten südlichen Berghanges sich auf die 
Terrasse ergießen, diese in gerader Richtung überqueren und dann 
in deren Abfall oft eng nebeneinander tiefe Gräben einreißen. Hier 
fehlt der Terrassenoberfläche eine größere, vom Eise eingeprägte Längs- 
furche und deswegen haben die verschiedenen Bächlein keine Ursache 
gehabt, von ihrer geraden, kürzesten Bahn weiter abzuweichen. 

Daß die Terrasse von Mitterweerberg sich an .der Ostseite des 
Weertales hinein fortsetzt, ist schon erwähnt worden. In viel breiterer 
Stufe spannt sie sich an der Westseite des Pilltales einwärts. Wir 
können hier geschichtete Schotter, welche jedoch sehr unregelmäßig 
gelagert sind und zahlreiche Gerölle des Talhintergrundes enthalten, 
bis nahe an 1000 m Höhe verfolgen. Auch undeutliche Grundmoränen 
sind an der Oberfläche der Terrasse vorhanden. An der gegenüber- 
liegenden Talseite finden wir am Pillerberg Schotterterrassen bis über 
1000 m Höhe, welche sich jedoch gegen das Inntal hinaus verlieren. 
Die Schotterterrassen füllen hier eine Talweitung aus, welche durch 
einen mächtigen, kahlen Felsrücken von dem Inntale abgesperrt wird. 

Dringen wir in der Schlucht des Pillbaches von. seiner Mündung 
aufwärts, so begegnen wir bald an der Ostseite sehr hohen Fels- 
wänden, welche die Fortsetzung der Schotter und Sandmassen der 
Mitterweerbergterrasse bilden. Am Westufer des Baches treffen wir 
nur niedrige Felswände, welche weiter im Tale drinnen ganz zurück- 
weichen, so daß die losen Aufschüttungen bis zum Bach hinabreichen. 
Innerhalb der hohen Felswände des Ostufers der „Steinwand“ liegen 
zwei isolierte Hügel hintereinander im Tale, welche Umschaltungen 
des Bachlaufes ihre Entstehung verdanken. Auch darin drückt sich 
die beträchtliche Ausweitung dieses Tales aus, welche sich gegen das 
Inntal zu einschnürt. Die Schutterrassen zu beiden Seiten des Pill- 
baches sind ebenfalls wahrscheinlich als Teile der großen Inntal- 
aufschüttung zu betrachten, da sie sich auch nur bis ungefähr 1000 m 
Höhe erstrecken. 

Zwischen Pilltal und Schwaz ist am südlichen Inntalgehänge nur 
eine schmälere Terrasse ausgebildet, die zudem besonders im Osten 
von Wassergräben stark zerschnitzelt ist. Der westliche Abschnitt, 
der Pill-Niederberg, besteht fast ganz aus Grundgebirge. Östlich 
davon gewinnen die angelagerten Schotter und Sande mehr Bedeutung 
und südlich von Schwaz bauen sie den größten Teil der Terrasse 
auf. Grundmoränen sind nur sehr spärlich erhalten am Pill-Niederberg 
und auf der Terrasse von Schmadl und Holzl (852 m) südlich von 

19* 


148 Dr. 0. Ampferer. [58] 


Schwaz, wo sie Schotter und Sand überlagern. Der Lahnbach hat die 
Terrasse stark angegriffen und zum Teil aus ihrem Material den 
großen Schuttkegel aufgeworfen, auf welchem die Stadt Schwaz 
erbaut ist. Ein anderer Teil seines Schuttstoffes stammt von den 
hochgelegenen Moränenwällen jüngerer Lokalgletscher bei der Proxen- 
alpe (1660 m) und am Nordabhang des Arbeser Kogel. Nebenbei mag 
hier bemerkt werden, daß der Stock des Kellerjoches (2344 m) in 
allen seinen Karen und hohen Talfurchen deutliche Moränenwälle 
birgt und so ein ausgezeichnetes Bild einer selbständigen Lokalver- 
gletscherung gewährt. 


Terrasse zwischen Schwaz—Zillertal. 
(Fig. 14 und 15.) 


Die Terrasse zwischen Schwaz und der Mündung des Zillertales 
besteht fast nur aus Grundgebirge und zeigt dabei einen sehr unregel- 
mäßigen Verlauf. 

Schwaz selbst liegt auf dem Schuttkegel des Lahnbaches und 
erst weiter östlich erhebt sich die Felsterrasse mit ziemlich breitem 
aber niedrigem Ansatz. Der Raum zwischen dem Schuttkegel des 
Lahnbaches und dem Felsaufschwunge der Terrasse stellt sich als eine 
ziemlich tiefe Einbuchtung des Gehänges dar, deren Bau durch die 
mächtigen Halden der Bergbaue größtenteils verhüllt wird. In der 
Gegend von Ried treffen wir beträchtliche Lehmmassen, welche 
stellenweise an der Oberfläche gerundete Geschiebe enthalten. Wahr- 
scheinlich haben wir es mit Bändertonen zu tun. Glücklicherweise 
schaffen in diese Unklarheit die vorzüglichen Aufschlüsse des tief - 
angelegten Erbstollens Licht. 

Dieser Stollen !) (Fig. 14) setzt bei 540 m, also etwa 10 m über 
dem Niveau des Inns, an und führt in geringer Neigung gegen Falken- 
stein in das Gebirge. Durch Zufall konnte ich bei meinem Besuche im 
Herbst 1902 in Begleitung des Herrn Bergverwalters Petri in den 
vorderen Teil der Stollenwände Einblick erlangen, da gerade deren 
Holzverschalung in Auswechslung begriffen stand. Wir treffen hier 
nach mächtigen Massen von Schottern und Sanden (1) ein großes Lager 
von plastischem, feinem Lehm (2), der in der Tiefe des Stollens keine 
Gerölle enthält. Struktur war keine bemerkbar, doch dürfte sicherlich 
ein großes Bändertonlager vorliegen, dessen Schichtung entlang den 
Stollenwänden unklar wurde. Dahinter stoßen wir auf Sand (3) und 
ein festes Konglomerat (4) aus groben zentralalpinen und ortsnahen 
Geröllen. Vor allem fällt der Reichtum von Buntsandsteingeröllen auf. 
Nach Durchfahrung dieses Konglomerats gelangen wir in eine mächtige, 
ausgezeichnet feinschlammige Grundmoräne (5), welche reichlich 
prächtig geglättete und gekritzte Geschiebe umschließt. Unter den 
Geschieben bemerken wir sowohl zentralalpine Gesteine als auch ver- 


!) Nach einer freundlichen Mitteilung des Herrn Bergverwalters Petri sind 
vom Erbstollen (1) 220 m Gerölle (Schotter, Sande), (2) 28 m Lehm, (3) 20 m 
Sand, (4) 97 m Nagelfluh, (5) 45 m Grundmoräne und (6) 720 m Buntsandstein 
durchstoßen worden. 


[59] Studien über die Inntalterrassen. 149 


schiedenartige Kalke. Gegen Süden grenzt diese Grundmoräne an Bunt- 
sandstein (6), mit dem die heftig gestörte Serie des Grundgebirges 
beginnt. Die an der Oberfläche erschlossenen Lehmmassen dürften 
sicher mit der ersten Lehmablagerung in Zusammenhang stehen. Von 
dem Konglomerat und der unterliegenden Grundmoräne sind hier an 
der Oberfläche keine Spuren zu entdecken. 

Die vordere Lehmmasse dürfte zu den liegenden Bändertonlagern 
der Inntalterrasse, das Konglomerat und die darunter befindliche 


Fig. 14. 


Erzschutthalden 
Ss 


Erbstollen. 


Grundmoräne jedoch zu einer älteren Vergletscherung zu rechnen 
sein. Auch hier können wir wieder beobachten, in wie tiefer Lage 
bereits ältere Grundmoränen sich im Inntalgebiete befinden. 

Aus dieser Einbuchtung des Berggehänges östlich von Schwaz, die 
am besten durch diese Vorkommnisse im Erbstollen ausgedrückt wird, 
erhebt sich das Grundgebirge zu einer dreistufigen Felsterrasse (Fig. 15). 
Alle drei Stufen steigen von Westen gegen Osten an und werden von 
der tiefen Schlucht des Buchbaches durchschnitten. Auf der tiefsten 


Fig. 15. 
Mehrerkopf 
Kogelmoos 
1136” 
Ss 
600”* 


liegt die Häusergruppe Gasteig (682 m), auf der nächsthöheren jene 
von Hof (800 m), endlich auf der obersten die von Kogelmoos (1136 m). 
Geschichtete Ablagerungen und Grundmoränen sind stellenweise auf 
den zwei niedrigeren Stufen zu finden. Am besten erschlossen sind 
sie am Einschnitt des Buchbaches. Hier treffen wir oberhalb der 
Terrasse von Hof geschichtete Schotter und Sande bis über 900 m 
Höhe, wobei dieselben von Grundmoräne überzogen werden. Alle 
drei genannten Stufen sind eigentlich ansteigende Felsfurchen, welche 


150 Dr. O. Ampferer. [60] 


gegen das Inntal zu von vorragenden Felsrücken eingesäumt werden. 
Jenseits des Buchbaches ist keine Fortsetzung der Furche von Kogel- 
moos zu erkennen, dafür teilt sich die Furche von Hof in die von 
Gallzein und Niederleiten. Die unterste Stufe zerspaltet sich bei 
Schöllenberg und schickt einen Arm zur breiten Furche von Gallzein 
empor. Diese letztere Furche weitet sich östlich von Gallzein zu 
einer ansehnlichen Felswanne aus, welche im Norden von den Fels- 
kuppen des Schöllen- und Seilberges beträchtlich überragt wird. Be- 
sonders in der Umgebung von Niederleiten sind Grundmoränenreste 
vorhanden. Die tiefe und wilde Schlucht des Schlierbaches schneidet 
die Wanne von Gallzein von ihrer östlichen Fortsetzung, der Anhöhe 
von Troi, ab. Die Anhöhe von Troi zeigt wieder zwei Abstufungen, 
eine in etwas über 900 m, die andere bei 1000 m Höhe. Auf der 
unteren Stufe treffen wir noch in über 900 m Höhe geschichtete 
Schotter und Mehlsande, während die Grundmoränen darüber bis über 
1000 m emporziehen und besonders am Abhang gegen den oberen 
Schliergraben schön entwickelt und aufgeschlossen sind. Am Rücken 
von Troi steigt die Grundmoräne auch bis unter 800 m hinab. 

Östlich des Rückens von Troi zieht an den Halden des Ringen- 
wechsels ein Graben herab, der einen Schuttkegel ins Inntal hinaus- 
schiebt, auf welchem das Dorf Maurach liegt. Der Graben entsteht 
aus der Vereinigung von zwei Einrissen, zwischen denen sich etwa 
bei 860 m ein Hügel erhebt, welcher aus einem Konglomerat besteht, 
wie wir ein ganz ähnliches im Innern des Erbstollens antreffen. 
Gröbere, stark abgerollte Gerölle aus zentralalpinen und ortsnahen 
Gesteinen sind zu einem festen Konglomerat verbunden. Das Vor- 
kommnis liegt ganz ohne Verbindung mit gleichen Ablagerungen frei 
auf einem Hügel. Die Schotter und Sande sowie die Grundmoränen 
von Troi müssen. es seiner Höhenlage nach einst in bedeutenden 
Massen überdeckt haben. Zwischen dem Graben von Maurach und 
dem von Rotholz zieht der Berghang bis 700 m ohne deutliche Stufung 
herab. Erst in dieser Höhe finden sich Felsvorsprünge. Auf einem 
solchen steht die Ruine Rottenburg, in deren Nähe sich Grundmoränen 
finden. Zwischen Rotholzer Graben und Zillertal prägt sich wiederum 
eine hochgelegene, deutliche Felsfurche ein, in welcher die Höfe 
„Am Raffel“ (943 m) liegen. An ihrem Westrande über dem Rot- 
holzer Graben steht Grundmoräne an. Gegen das Inntal ist diese 
gegen Osten absinkende Furche von einem Felswalle aus Schwazer 
Dolomit geschieden, Ostwärts läßt sich diese Furche in undeutlicher 
Ausbildung bis zum Abfalle ins Zillertal verfolgen. Von der Höhe, 
wo sie endet, senkt sich hinter dem vorspringenden Felswalle, auf dem 
das Kirchlein St. Maria-Brettfall steht, eine steile Runse bis an die 
Sohle des Zillertales hinunter. 


[61] Studien über die Inntalterrassen. 151 


Allgemeine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie 
Schlussfolgerungen und theoretische Annahmen. 


Wir haben im Vorherigen sämtliche Terrassenreste des Inntales 
in der Strecke von Imst bis zur Mündung des Zillertales mit Rücksicht 
auf jene Erscheinungen beschrieben, welche geeignet sind, über den 
Aufbau, die nachherige Abtragung und Umformung derselben Licht 
zu verbreiten. 

Wir gingen von der Annahme aus, daß durch den vorliegenden 
Eiswall des Zillertalgletschers in dem eben begrenzten Gebiete des 
Inntales und seiner Seitentäler eine Schuttaufstauung veranlaßt wurde, 
welche nach dem höchsten heute noch erhaltenen Reste über 900 m, 
ja vielleicht sogar über 1000 m Meereshöhe im Mittel erreichte. 
Diese gewaltige Schuttaufspeicherung ist in einer Weise mit dem 
Vordrange der Vergletscherung verbunden, daß sie vor der Bedeckung 
durch die Eisströme von Wassererosion nicht dauernd angegriffen 
werden konnte. Bis zur Eisbedeckung mußte die Aufschüttung stetig 
fortschreiten. Kleinere Schwankungen des sperrenden Zillertalgletschers 
und damit verbundene Erosionseingriffe wurden immer von neuem 
wieder geschlossen. So konnte diese Aufschüttungsebene erst durch 
die darüber gleitenden Eismassen eine ununterbrochene Erosion 
erleiden. 

In den früheren Abschnitten habe ich nun an der Hand zahl- 
reicher Beobachtungen zu zeigen versucht, daß die heute vorliegenden 
Terrassenreste zum großen Teile nicht durch Wasser, sondern durch 
Eiserosion abgegrenzt sind und folglich die Inntalfurche bereits vom 
Inntalgletscher (im Bühlstadium Pencks) in die Aufschüttung hinein- 
gehöhlt wurde. Diese vom Eise geschaffene Inntalfurche unterscheidet 
sich nun allerdings in wesentlichen Zügen von der heutigen, in welcher 
die glaziale Prägung in großem Umfange durch bedeutsame Fluß- 
erosion umgemodelt wurde. Es soll nun im folgenden versucht werden, 
im Umrisse ein Bild von jenen Formen zu entwerfen, welche durch 
die Gletscherarbeit der Inntalfurche verliehen wurden. 

Die Charakteristik dieses Formenschatzes führt uns dann zu 
einer solchen der Eisbewegung und Eiserosion. Zum Schluß soll noch 
ein Erklärungsversuch der Eigenart der FEiserosion etwas weiter 
ausgeführt werden, der geeignet erscheint, die Fähigkeit des bewegten 
Eises, Wannen und Furchen in den Untergrund zu höhlen, verständlich 
zu machen. Der bequemen Übersicht wegen habe ich alle im folgenden 
aufgeführten Beobachtungsgruppen, Schlußfolgerungen und Annahmen 
der Reihe nach mit Zahlen bezeichnet. 


1. Jede der beschriebenen Inntalterrassen besitzt einen Fels- 
kern, der meistens niedriger, kürzer und schmäler als die darüber 
befindliche Schutterrasse ist. 


2. Daraus folgt, daß das Inntal bereits vor der Aufschüttung 
Felsterrassen in ungefähr derselben Anordnung wie die heutigen 
Felsschutterrassen hatte. 


152 Dr. O. Ampferer. [62] 


3. Wir haben an vielen Stellen beobachten können, daß die 
Oberfläche dieser älteren Felsterrassen eine sehr unregelmäßige ist, 
welche von auf- und absteigenden Furchen, von Wannen und Rund- 
höckern gegliedert wird. 

4. Obwohl diese Felsterrassen weit kleiner als die heutigen 
Inntalterrassen sind, weisen sie dennoch viel größere gegenseitige 
Höhenunterschiede als die letzteren auf. Wir können in ihnen un- 
möglich alte Flußterrassen des Tales erblicken. 

5. Mit ihren Schutterrassen sind die darunterliegenden Fels- 
terrassen aufs innigste durch ein jüngeres, gemeinsames Relief ver- 
bunden, das Schutt und Fels gleichmäßig überspannt. 

6. Die Abgrenzung der aus Schutt und Fels bestehenden Ter- 
rassen erfolgt an der Ost- und Westseite durch Abschrägungen, welche 
ungefähr in der Richtung des Inntales an- oder absteigen. 

7. Diese Abschrägungen sind keine ebenen Flächen, sondern 
meist nebeneinander gereihte Furchenzüge, die noch jetzt an vielen 
Stellen mit einer Grundmoränendecke überzogen sind. 

8. Solche gefurchte Abschrägungen treffen wir sowohl ins Grund- 
gebirge als in die losen Aufschüttungen eingegraben. 

9. Die Oberflächen sämtlicher Terrassenstücke zeigen im Ver- 
gleich mit der oberen Grenze der Aufschüttung eine bedeutende und 
allgemeine Erniedrigung. 

10. Außer dieser allgemeinen Abtragung stellen sich darauf noch 
eine größere Anzahl von Talfurchen ein, deren Aushöhlung durch Eis 
wenigstens angelegt sein dürfte. 

11. Der Abhang der Terrassen gegen das heutige Innbett ist 
an manchen Stellen tief, an einigen sogar bis nahe an die Talsohle 
herab mit einer Grundmoränendecke überzogen, welche beweist, daß 
wenigstens teilweise die glaziale Inntalfurche nahezu die Tiefe der 
heutigen erreicht haben muß. Wahrscheinlich lag sie jedoch sogar 
tiefer. 

12. Aus den Resten älterer Grundmoränen bei Egerdach, an 
der Mündung des Vomperbaches und im Schwazer Erbstollen wissen 
wir auch, daß das Inntal bereits vor der Schuttaufstauung ungefähr 
so tief wie heute ausgehöhlt war. 

13. Die Schutt- und Felsterrassen wechseln im breiten Teile 
des Inntales auf der südlichen und nördlichen Seite im allgemeinen 
mit einander ab, wobei sie sich gegenseitig übergreifen. 

14. In dem geraden, schmalen Inntallaufe zwischen Imster Bahn- 
hof und Telfs liegt am Beginne eine doppelseitige Terrasse, dann 
überhaupt keine mehr. 

15. Auf der ebenfalls ziemlich geraden Strecke zwischen Nasse- 
reith und Telfs ist der ganze alte Talzug verschüttet geblieben und 
hat nur eine allgemeine Abschrägung gegen Osten stattgefunden. 

16. Längs der geradlinigen Strecke von Telfs gegen Kranebitten 
ist als Folge des großen Talbuges bei Telfs der nördliche Teil der 
Talaufschüttung ganz entfernt, während im Süden eine gleichmäßige 
Terrasse verblieben ist. 


| 
| 


[63] Studien über die Inntalterrassen. 153 


17. An der großen Inntalweitung bei Innsbruck haben wir 
sowohl eine südliche als eine nördliche Terrasse. 

18. Die Anordnung der Terrassenreste erfolgt nicht nach der 
Vorzeichnung des Inns, sondern nach der Gestaltung des Talgeländes 
und dem Einfluß großer Seitentäler, was sich besonders an der ein- 
seitigen Terrassenverbreiterung unterhalb der Mündungen des Sellrain- 
und Silltales ausdrückt. 

19. Die durch die Terrassenstücke angezeigte Bahnkrümmung 
ist eine sehr großzügige, welche einerseits in vergrößertem Ausmaß die 
Biegung des ganzen Tallaufes widerspiegelt und anderseits zu steif 
ist, um in durch Vorsprünge geschützte Ecken eindringen zu können. 

20. Vergleichen wir den heutigen Innlauf mit der Verteilung 
der Terrassen an seinen Seiten, so finden wir, daß seine Flußwindung 
nur durch die wechselseitig ins Tal geschobenen Bachschuttkegel be- 
stimmt wird und deswegen scharf, unregelmäßig und vor allem kurz- 
wellig ist. 

21. Die einzelnen Terrassen sind meist so umfangreich, daß 
der Inn im Gebiete jeder einzelnen mehrere Schlingen beschreibt. 


22. An einigen Stellen ergießen sich gerade in solche Räume, wo 
die Terrassen fehlen, mächtige Schuttkegel von Seitenbächen, welche 
den Fluß sicherlich verhindert hätten, in ihrem Schutzbereiche die 
Terrasse zu entfernen. 

23. Da an mehreren längeren Strecken die Talabhänge der 
Terrassen durch den Angriff des Inns je nach der Lage gegen Norden 
oder Süden zurückgedrängt wurden, so muß die Krümmung der 
glazialen Inntalfurche gegenüber der heutigen lebhafter gewesen sein. 

24. Die Entfernung der seitlichen Terrassenstücke kann nicht 
durch eine seitlich hereindrängende Erosionskraft erklärt werden, da 
die vorhandenen Abschrägungsflächen an den Ost- und Westseiten 
deutlich einen in der Talrichtung auf- und absteigenden Kraftstrich 
verraten. 

25. Wie die Terrassenstücke an ihren östlichen und westlichen 
Enden nicht durch seitlich hereindringende Wassererosion erklärbar 
sind, so ist auch der Gedanke an seitliche Aushöhlung durch bewegtes 
Eis ausgeschlossen. 

26. Aus diesen Beobachtungen folgt, daß die Eismassen wenigstens 
an den Talseiten zwischen längeren, weniger angegriffenen Strecken 
beträchtlich tiefe Einsenkungen ausheben konnten. 

27. Diese an den Talseiten ersichtlichen Einhöhlungen legen 
die Annahme nahe, daß entsprechend auch die Inntalfurche größere 
und kleinere Vertiefungen mit erlitten hat, daß mit anderen Worten 
der Felsboden des Inntales nach dem Rückzuge des Eises aus einer 
Reihenfolge von flachen Wannen bestand, die durch niedrige Schwellen 
voneinander getrennt waren. Erst durch neuerliche Flußaufschüttung 
dürfte darüber ein gleichmäßiger Schuttboden angelegt worden sein. 

28. Der Erscheinung, daß wenig angegriffene Terrassenteile 
unmittelbar neben stark vertieften liegen, begegnen wir in allen 
Querschnitten durch das von uns betrachtete Inntalstück, indem wir 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (0. Ampferer.) 30 


154 Dr. 0. Ampferer. [64] 


einerseits wenig abgetragene Terrassen neben der tief ausgehöhlten 
Talfurche erkennen. 


29. An mehreren Stellen sind wir schrägen, von Grundmoränen 
bedeckten Felsfurchen begegnet, die in der Richtung der Eisbewegung 
ziemlich steil an- oder absteigen. Wenn wir überhaupt die große 
Anzahl .von in Fels gegrabenen Furchen durchmustern, finden wir fast. 
alle geneigt und viele ziemlich steil. 

30. Aus diesen Beobachtungen kann man den Schluß ziehen, 
daß die Erosion eines Eisstromes sowohl in der Bewegungsrichtung 
als auch senkrecht dazu bedeutenden Schwankungen unterliegt. 


öl. Die Schwankungen der Frosionsgröße senkrecht zu der 
Bewegungsrichtung sind viel bedeutender, obwohl bisher mehr die- 
jenigen in der Bewegungsrichtung beachtet wurden. 

Auch bei kleineren Felsfurchen ist der Aushöhlungsbetrag in 
der Querrichtung viel bedeutenderen Schwankungen unterworfen als 
in der Längsrichtung. 

32. Diese Schwankungen in der Erosionswirkung können aber 
nicht allein auf die ungleiche Widerstandsfähigkeit der jeweiligen 
Grundlage des bewegten Eises zurückgeführt werden, weil auf der 
großen ursprünglichen Aufschüttungsfläche des Inntales überall unge- 
fähr dieselben Verhältnisse geherrscht.haben dürften. 

Auch auf Felsgrund ist die Anlage der Furchen und Wannen 
nicht allein von der Widerstandskraft der Gesteinsstellen abhängig, 
was in unserem Gebiete am schönsten an den mächtigen Furchen 
der Seefelder Hochfläche hervortritt, welche mehr oder weniger quer 
zum Schichtstreichen des Hauptdolomits angelegt sind. 


85. Das Eis graviert jede größere Bahnfläche noch mit vielen 
kleinen Furchen, Höckern und Wannen. Da sich dieselben stets in 
der Strömungsrichtung des Eises orientiert finden, kann man auch 
darin nicht bloß den Ausdruck weicherer und härterer Stellen der 
Unterlage sehen. 


34. Wie wenig empfindlich das Eis für die Widerstandskraft der 
Unterlage ist, geht daraus hervor, daß sich häufig an einen felsigen 
Rundhöcker ein fast gleich hoher Rücken aus losem Schutt unmittelbar 
anschließt. Furchen und Kämme treffen wir übrigens oft genug ganz 
in lose Aufschüttungen eingegraben. 

Dabei ist natürlich im Auge zu behalten, daß nur die Verteilung 
und Richtung von Furchen und Wannen auf der Gletscherbahn nicht 
von der Widerstandsfähigkeit des Untergrundes abhängt, während 
die Geschwindigkeit und Art des Eintiefens sogar in hohem Maße 
dadurch bestimmt wird. 


35. Da die verschiedenen Widerstandsfähigkeiten der Grundlage 
nicht ausreichen, um die eigentümliche Anlage der Eisbahnfläche zu 
erklären, muß die Erklärung in der Eisbewegung selbst, in der Ver- 
teilung von Druck und Geschwindigkeit gesucht werden. 

36. Je besser das vom Eise zurückgelassene Relief erhalten 
ist, desto mehr tritt die Eigenart der darauf wirksam gewesenen 
Erosion zutage, welche auf an- oder absteigendem Grunde häufig 


[65] Studien über die Inntalterrassen. 155 


mehrere benachbarte Furchenzüge, auf flacherem Boden dagegen 
Wannen anlegt. 

37. Eigentümlich für die Eiserosion ist auch die Erscheinung, 
daß von einer größeren Wanne mehrere auseinanderstrebende Furchen 
wie Strahlen ausgehen. Während die Eisbewegung auf geneigter 
Fläche zu Verbreiterung und Teilung ihrer Furchen im Sinne der 
Bewegung strebt, faßt die Wassererosion ihre Rinnsale in der entgegen- 
gesetzten Weise im Weiterlaufe zusammen. 


38. Wo immer sich das Bett eines Eisstromes teilt, ist für den 
aus der geraden Richtung abzweigenden Arm eine deutliche Abnahme 
der Erosionskraft zu beobachten. 

39. Ebenso wird durch das Zusammentreffen von zwei Eis- 
strömen unter rechtem oder gar stumpfem Winkel die Erosionskraft 
unter der Vereinigungsstelle herabgemindert. 

40. Strömt ein Gletscher durch ein Tal, das abwechselnd weiter 
und enger wird, so finden wir fast regelmäßig in den Weitungen 
Wannen eingetieft, während die Engen von höheren Schwellen besetzt 
gehalten werden. 

41. Da die Talwandungen keines größeren Alpentales gieich- 
mäßig parallel sind und zudem vielfach Seitentäler einmünden, so 
kann es als Regel gelten, daß ein durchströmender Gletscher dem 
Tale entlang eine Anzahl von Wannen ausfegt, welche durch mehr 
oder minder bedeutende Stufen voneinander getrennt werden. 

Die Schaffung eines gleichmäßigen Gefälles ist dem Gletscher 
nur in den seltensten Fällen möglich. Er wird selbst ein völlig aus- 
geglichenes Talsystem in eine Folge von Wannen und Stufen ver- 
wandeln, daer in bedeutendem Maße dem Einflusse der unregelmäßigen 
Seitenwandungen und Seitentäler unterworfen ist. 


42. Wechseln in einem Eisstrome die Druck- und Geschwindig- 
keitsverhältnisse, so greift er eine ebene, völlig gleichartige Fläche 
dennoch ungleichmäßig an. 

Es ist die Grundfläche eines Eisstromes die Abbildung der damit 
wirksamen Kräfte, welche nach dieser Ansicht nicht nur im großen, 
sondern auch im kleinen wechseln. 


43. Es ist jedenfalls anzunehmen, daß durch kleineren Druck 
und größere Geschwindigkeit dieselbe Erosionsleistung erzielt werden 
kann wie durch höheren Druck und kleinere Geschwindigkeit. 


44. Gehen wir, um einen Einblick in die Druckverhältnisse 
eines Gletschers zu erlangen, von einem schmalen V-förmigen Tal- 
einrisse aus, der von einem Eisstrome erfüllt wird (Fig. 16). Da das Eis 
eine gewisse Druckfestigkeit (25 kg/cm?) besitzt, können wir uns den 
Eiskörper in eine Anzahl von übereinander liegenden Gewölben zerlegt 
denken, von denen jedes imstande ist, sein eigenes Gewicht zu tragen. 
Aus dieser Anordnung ist sofort ersichtlich, daß in einem solchen 
Tale, wenn dasselbe für die Druckfestigkeit des Eises nicht zu weit 
ist, an der tiefsten Stelle nur ein geringer, dagegen auf den mittleren 
Seitenwänden ein sehr bedeutender Druck lasten muß (Fig. 17). Mit Hilfe 
dieses einfachen Schemas ist es leicht begreiflich, warum die Gletscher- 

20* 


156 Dr. 0. Ampferer. [66] 


ströme stets die V-förmigen Täler in U-förmige verwandeln, da die 
Hauptlast eben an die Seitenwände hingepreßt und daran weiterge- 
schoben wird. 


45. Diese Verlegung des Hauptdruckes auf die Seitenwände 
kann so weit ausgebildet werden, daß der mittlere Teil des Talbodens 
als erhabener Rücken hervortritt, weil zu beiden Seiten davon Längs- 
rinnen ausgearbeitet werden. 


46. Je mehr sich die V-förmigen Talformen in U-förmige ver- 
wandeln, desto mehr nimmt die Seitenbelastung ab und die Sohlen- 
belastung zu. Steile Wände bieten daher der Eiserosion eine sehr 
geringe Angriffsmöglichkeit. 


Fig. 16. 


47. Erweitert sich ein solches schmales V-förmiges Tal zu einem 
breiteren, so ist klar, daß die Eisgewölbe beim Eintritte in die 
Talweitung ihre Spannung verlieren und daher der ganze bisher von 
den Seitenwänden getragene Druck nunmehr viel direkter auf den Tal- 
boden wirkt. Diese Übertragung gibt uns eine Erklärung, warum die 
Eisströme die Talweitungen zu Wannen ausschliffen und an den Engen 
Schwellen stehen ließen. 


48 Durch die Bewegung der Eismassen wird die Druckverteilung 
im allgemeinen verschoben, jedoch in engen Talfurchen nicht so be- 
trächtlich, daß die Seitenwände dadurch entlastet würden. 


49. In breiteren Tälern kommt natürlich eine Gewölbespannung 
von einer Talseite zur anderen nicht in Betracht, weil das Eis viel 
zu nachgiebig ist, um größere Spannungen aushalten zu können. Dafür 
können sich hier teilweise Entlastungen der Grundlage durch Gewölbe- 


[67] Studien über die Inntalterrassen, 157 


spannungen zwischen zusammenstoßenden Gletscherströmen heraus- 
bilden. Auf diesem Vorgange dürfte die viel beobachtete Tatsache 
beruhen, daß die seitlich einmündenden Täler häufig durch eine 
höhere Schwelle vom vorbeistreichenden Haupttal geschieden werden. 


50. Aus den beiden Elementen, der Umformung eines V-förmigen 
Einrisses in einen U-förmigen Trog infolge Gewölbedruckes gegen 
die Seitenwände und der Herabminderung der Erosionskraft an der 
Mündung eines Seitengletschers in den Talgletscher, kann man die 
Form der Karwände, der Karmulde und der Karschwelle ableiten. 


51. Wie zwischen zusammendrängenden Eisströmen die Grund- 
lage vom Druck teilweise entlastet werden kann, so ist dies auch 


Fig. 17. 


bei der Teilung von Eisströmen möglich, indem einerseits Stauungs- 
spannungen am teilenden Widerstand auftreten und anderseits ein 
großer Kraftverbrauch für die Trennung der Eismassen erforder- 
lich ist. 


52. Wir sehen, daß sich in einem vielfach zusammengeschweißten 
Eisstrom eine Anzahl von mehr oder weniger stark den Untergrund 
drückenden Zonen vorfinden können. Ebenso ist die Verteilung der 
Geschwindigkeiten eine im Querschnitt beträchtlich wechselnde. Be- 
denkt man außerdem, daß in einem solchen großen Eisstrom, der 
eigentlich ein Gletscherfadenbündel vorstellt, reiche Schuttnähte neben 
fast schuttfreiem Eise herliefen, so erscheint der Oberflächenreichtum 
einer Gletscherbahn mit ihren zahlreichen Furchen, Wannen, Buckeln 
und Kämmen der entsprechende Ausdruck für den Reichtum und die 
Mannigfaltigkeit seiner Angriffsmittel. 


158 Dr. OÖ. Ampferer. [68] 


53. Während viele Forscher in dem Umstande, daß sich oft 
mitten in der Gletscherbahn wenig veränderte Aufragungen finden, 
einen Beweis für die Unbedeutendheit der Eiserosion erblicken, sehen 
wir darin nur den Ausdruck der Eigenartigkeit jener Erosion. 


54. Nach den vorhergehenden Überlegungen erscheint die 
Ansicht von Dr. H. Heß, daß durch einen Gletscher vorspringende 
Leisten an dem von ihm bestrichenen Talgehänge unbedingt abge- 
schliffen werden müssen, als unbegründet, da wir zeigen konnten, daß 
der Eisstrom nicht nur vorhandene Unregelmäßigkeiten seiner Bahn 
belassen, sondern auch neu schaffen konnte. (Siehe Dr. H. Heß, Der 
Taltrog. Petermanns Mitteilungen, 49. Bd., IV. Heft, Gotha 1903, 
und Die Gletscher S. 363 u. f. Braunschweig 1904.) 


Damit entfällt auch die Notwendigkeit, aus der Zahl von vor- 
handenen Gehängeknickungen auf ebensoviele ineinander gesenkte 
glaziale Taltröge zu schließen. 


Einmal haben wir aus der Anlage der Terrassenstücke erkannt, 
daß der glaziale Erosionssaum an den Talgehängen vielfach Wellen- 
linien beschreibt und daher ganz wohl einzelne um 200—300 m ver- 
schieden hoch gelegene Reste von Gehängestufen einem einzigen 
Glazialsystem angehören können. Aus der Tatsache, daß wir im Inn- 
tale bald auf der einen Seite eine Terrasse, auf der anderen eine 
tiefe Furche oder zwei Terrassen und in der Mitte eine solche Furche 
finden, erkennen wir weiter, daß Terrassenreste, welche in gleicher 
Höhe auf beiden Talseiten vorragen, nicht unbedingt gleichaltrig sein 
müssen, während es verschieden hoch gelegene sein können. 


Damit wird auch die Ansicht desselben Autors hinfällig, daß man 
aus den verschiedenen Gehängeknickungen die Mächtigkeit der sie 
jeweils schaffenden Eisströme ableiten kann. 


Für die Tatsache, daß der Gletscher seinen Untergrund sehr 
unregelmäßig angreift und neben Furchen auch Stufen anlegt, gibt das 
von Dr. H. Heß in seinem Werke „Die Gletscher“ auf Seite 124 
mitgeteilte Querprofil durch den Hintereisferner einen vorzüglichen 
Beleg. Da zugleich die Geschwindigkeitsverteilung längs dieses Quer- 
schnittes angegeben ist, kann man erkennen, daß die Form des Gletscher- 
bettes nicht genau der Geschwindigkeitskurve entspricht (der größeren 
Geschwindigkeit = größere Tiefe, der gleichen Geschwindigkeit = 
gleiche Tiefen), weil selbst bei gleichem Material der Grundlage eben 
noch die Funktion der Druck- und Schuttverteilung im Eiskörper zur 
Einwirkung gelangt. 


55. Der geschilderte Vorgang, welchem die heutige Inntalterrasse 
ihre Entstehung verdankt, dürfte sich schon bei früheren Vergletsche- 
rungen eingestellt haben, da höchstwahrscheinlich auch damals beim 
Vordringen einer Vergletscherung der Gletscher des Zillertales viel 
früher das Inntal erreichte als der eigentliche Inntalgletscher und so 
eine großartige Schuttaufführung erzwungen wurde. Durch eine solche 
Schuttanhäufung wurde der damit bedeckte Talboden in bedeutsamem 
Maße gegen den Angriff der Eiserosion geschützt, welche erst den 
losen Schutt hinausräumen mußte, bevor sie den Felsboden des Tales 


[69] Studien über die Inntalterrassen. 159 


selbst bearbeiten konnte. Die höheren Talgehänge, welche nicht wie 
der Talgrund von einer Schuttsohle geschützt waren, mußten im Ver- 
hältnis stärker beansprucht werden als der Felsgrund der Talsohle. 


Die gewaltige Verbreiterung der oberen Talgehänge mag viel- 
leicht auf diese Ursache zurückzuführen sein. Jedenfalls war zur 
Wesschaffung solcher Schuttaufstauungen eine ungeheure Arbeitskraft 
erforderlich. 

Wir haben den Umfang, die Form und Lage der Terrassen- 
stücke als eine Funktion des darüber gleitenden Eisstromes verstehen 
gelernt. Damit ist schon die Abhängigkeit der Terrassenstücke von 
dem Wechsel des Eisstromes gegeben. Weil nicht so sehr wesentlich 
Schuttanhäufung, sondern die Wegschaffung für die Eisarbeit charak- 
teristisch ist, mußten die Terrassenstücke einer fortwährenden Ver- 
kleinerung unterliegen. Hätte der Eisstrom des Bühlstadiums ebenso 
lange und mächtig im Inntale gewaltet wie die früheren Vergletsche- 
rungen, so wären die losen Terrassen wohl vollständig entfernt und 
neue Felsstufen bewirkt worden. Da die Schutterrassen bedeutend 
umfangreicher und regelmäßiger wie die älteren Felsterrassen sind, 
können wir schließen, daß der Gletscher im großen und ganzen nicht 
vermochte, den Talhohlraum der Würmvergletscherung, soweit er ver- 
schüttet war, wieder freizulegen. Weil die alten Felsterrassen und 
die neuen Schutterrassen ungefähr an denselben Stellen erhalten ge- 
blieben sind, kann man das als einen Beweis nehmen, daß sie sich 
an Stellen befinden, welche im Verlaufe verschiedener Vergletsche- 
rungen eine bestimmte ausgezeichnete Anordnung besaßen. Es mag 
hier noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß im allgemeinen 
an den heutigen .Terrassenresten die Felskerne mehr den östlichen, 
talab gelegenen Teil beherrschen. Sie sind gleichsam etwas gegen 
Osten vorgeschoben, was den Anschein erweckt, als ob die Wannen da- 
zwischen besonders an der Ostseite ihre Vergrößerung erfahren hätten. 


56. Wir haben im besprochenen Inntalgebiete an vielen Stellen 
über der Grundmoränendecke des Bühlstadiums Ablagerungen von 
Jüngeren Lokalgletschern vorgefunden, welche jedoch nirgends bis zur 
Inntalsohle herabreichen. 

Uber diesen Ablagerungen stellen sich vielfach in größerer Höhe 
noch weitere ein, deren Ringformen meistens deutlich erhalten sind, 
falls sie nicht in zu engen Tälern lagern. Diese Gebilde schmiegen 
sich allenthalben ganz den jetzigen Gehängeflächen an. 


Zum Schlusse soll hier noch die Bemerkung angefügt werden, 
daß kein zwingender Grund für die Annahme vorliegt, daß sich der 
Inntalgletscher vor der großen Schuttaufstauung nicht beträchtlich über 
Imst hinauf zurückgezogen haben und die letztere in jener Gegend ihr 
oberes Ende gefunden haben soll. Wir treffen allerdings oberhalb von 
Imst keine größeren Schutterrassen, haben aber gesehen, daß die Auf- 
schüttung noch in der Gegend von Nassereith über 1000 m Meeres- 
höhe erreicht. Das Inntal ist auch weiter aufwärts noch von typischen 


160 Dr. O. Ampferer. [70] 


slazialen Felsterrassen und Wannen besetzt, welche Abschrägungs- 
flächen- und Grundmoränenbezug besitzen. Bedenkt man, daß der 
Tallauf oberhalb von Imst nicht nur viel enger ist, sondern auch be- 
deutend länger unter der Einwirkung der Eiserosion lag als die untere 
Talfortsetzung, so wird man den Gedanken nicht unwahrscheinlich 
finden, daß sich die Inntalaufschüttung noch weit talauf erstreckt hat. 
In dieser Arbeit ist nur jene Strecke näher berücksichtigt worden, in 
welcher sich noch die geschichteten Ablagerungen jener Aufschüttung 
unmittelbar betrachten lassen. 


Erklärung zur schematischen Skizze eines Teiles der Bahn- 
furche des Inntalgletschers (Tafel V). 


Das schraffierte Gebiet stellt das angrenzende, über 1000 m emporragende 
Bergland dar. Der geschummerte Streifen gibt ein Kartenbild der unter 1000 m 
Höhe eingesenkten Inntalfurche. In diesem Streifen bedeuten die dunkleren Stellen 
die tieferen, die lichteren die höheren Gebiete. Ganz weiß sind Zonen, welche 
ungefähr 1000 m Höhe einnehmen. Die Pfeile zeigen größere in Fels gegrabene 
Furchenzüge an, welche gegen das höhere Gehänge tmporstreben. 


Dr. OÖ. Ampferer: Inntalterrassen. 


Schematische Skizze eines Teiles der Bahnfurch 


(Nach dem Bühlstadium Pencks.) 


w Profillinie der Terrassen an der Süds 
Riegel von Karres lerasse zw ische Ä 
N 


Achensee 929” 


—1 
Jahrbuch der k. k. geologiscl 
Verlag der k. k. geologischen Reic, 


| 


| 


j 


s Inntalgletschers. 


des Inntales zwischen Telfs—-Zillertal. 


| 3 Zillertal. ® 
und Valders Milterweerberg S Mündung, 
500m 


(chsanstalt, Band LIV, 1904. 
ı, Wien, III., Rasumoffskygasse 23. 
j 


Über eine neue Krabbe (Cancer Bittneri n. sp.) 
aus dem miocänen Sandsteine von Kalksburg 
bei Wien. 


Von Franz Toula. 


Mit 5 Textfiguren. 


Fig. 3. 


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Fig. 2. 


Fig. 5. 


Fig. 1. 


Während Alexander Bittner in seiner Abhandlung über Phyma- 
tocarcinus speciosus Reuss (Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss. LXXV, 
1877) es noch aussprechen konnte, daß bis dahin die von Gonvers 
im Rauchstallbrunnen-Steinbruche bei Baden im Leithakalkkonglomerat 
aufgefundene Krabbe (Phymatocarcinus speciosus Reuss, Sitzungsber. d. 
Wiener Akad. d. Wiss, LXIII, 1871) der einzige Brachyurenrest aus 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. (F. Toula.) 21 


162 Franz Tonla. [2] 


dem österreichischen Miocän!) sei, sind uns nun vor allem durch 
Bittner selbst mehrere Formen bekannt geworden. 

Zuerst wies er das Vorkommen von Phymatocarcinus speciosus 
im Leithakalke von Gamlitz in Steiermark nach (Samnl. Dr. R. Hoernes 
in Graz), von wo bis dahin nur Scherenfinger, die dem Genus Scylla 
„angehören mögen“, sowie Portunidenscheren und ein sehr schad- 
hafter Cephalothorax (Hofmuseum in Wien), vielleicht zu Carpilius 
gehörig, gesammelt worden waren, Bittner erwähnt in der ange- 
führten Abhandlung auch das Vorkommen eines winzigen Titanocarcinus- 
Cephalothorax. 

Wenige Jahre später konnte er weitere Krabbenreste aus Öster- 
reich beschreiben. (Beitrag zur Kenntnis tertiärer Brachyurenfaunen. 
Denkschr. d. Wiener Akad. d. Wiss. XLVII, 1883.) Es sind dies: 


Cancer styriacus n. sp. aus dem Leithakalke von Aigen bei 
Fehring in Mittelsteiermark (Oephalothorax, Samml. d. k. k. geol. R.-A.). 

Cancer illyricus n. sp. aus dem oberen marinen Miocän zu Sagor 
in Krain (Cephalothorax, Univ.-Samml. Graz) und 

Cancer carniolicus n. sp. aus „höchstwahrscheinlich dem Miocän 
angehörenden“ Ablagerungen zwischen Teinitz und Stein in Krain 
(10 Exemplare, zwei davon in der Samml. d. k. k. geol. R.-A.) und 
zwischen Trifail und Hrastnigg. 


In einer späteren Arbeit über „Decapoden des pannonischen 
Tertiärs“ (Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss. CII, 1893) besprach 
Bittner Neptunus efr. granulosws A. Milne Edw. aus einem sandigen 
Leithakalke von Felsö-Orböo (Klausenburger Miocän) sowie Cancer cfr. 
illyrieus Bittn. und Ranidina Rosaliae n. g. und n. sp. aus dem Tegel 
von Walbersdorf (D. Sturs Aufsammlung). Die Walbersdorfer Stücke 
von Cancer, alle „mehr oder minder verzerrt“, ließen es ihm zweifel- 
los erscheinen, ob Cancer illyricus und Cancer carniolicus „wirklich 
spezifisch verschieden“ seien. 

Achelous Krambergeri Bittn. von Warasdin-Teplitz in Kroatien 
und ?Grapsus sp. ind. von Krapina sollen nach Kramberger aus 
dem Oligocän stammen. 

E. Lörenthey hat in seiner Abhandlung: „Beiträge zur 
Decapodenfauna des ungarischen Tertiärs“ (Termes zetrajze Fuzetek. 
XXI. 1898) aus dem Leithakalke von Räkos bei Budapest folgende 
Arten beschrieben und zum Teil auch abgebildet: Calappa Heberti 
Broce.?), Matuta inermis Brocc., Lambrus spec. ind., Portunus pygmaeus 


1) Die erste aus dem Leithakalke beschriebene Krabbe ist übrigens Lobo- 
carcinus cf. Sismondai H.v. Meyer (Reuss, Zur Kenntnis fossiler Krabben. Denkschr. 
d. Wiener Akad. d. Wiss. XVII, 1857 [1859]) von Bruck an der Leitha. Eine Form, 
die zu Cancer gestellt wird. Cancer Sismondai wurde aus dem Pliocän von Asti 
beschrieben. Reuss hat aber auch aus dem Steinsalze von Wieliezka eine Krabbe 
als Mierodium (n. gen.) nodulosum beschrieben, welche Form von Zittel wohl 
gleichfalls mit Recht zu dem Geschlechte Cancer gestellt wurde. Es ist ein kleines 
Kopfbrustschild (15 mm breit und 11'5 mm lang), dessen Oberfläche recht gut 
erhalten ist. Reuss führte übrigens 1871 das Vorkommen von Scheren, die er 
als zu Scylla gehörig betrachten wollte, aus dem Tegel von Vöslau und aus dem 
Leithakalke von Gamlitz an. 

2) P. Brocchi, Note sur les crustaces fossiles terrains tertiaires de la 
Hongrie. (Ann. des sc, g60ol. XIV. 1883). 


[3] Über eine neue Krabbe aus dem miocänen Sandsteine von Kalksburg. 163 


Broce., Neptunus cfr. granulatus A. Milne Edw., Cancer cefr. carniolieus 
Bittn. (aus dem Leithakalk von Szaboles im Baranyaer Komitat). 

Endlich ein vortreffliches Stück von Cancer Szontaghi n. sp. aus 
dem Leithakalk von Tasädfö im Komitat Bihar. 

Reste (eine Hand) eines Cancer habe ich selbst in dem Tegel 
von Neudorf an der March (Deveny-Ujfalu) in Ungarn, den ich als 
dem Schlier entsprechend bezeichnen konnte, besprochen und abge- 
bildet (Verhandl. d. Ver. f. Natur- und Heilkunde zu Preßburg. XI 
(XX). 1899 (1900). 


Zu dieser Brachyurenfauna des österreichisch-ungarischen Miocäns 
gesellt sich nun ein Fundstück, das ich vor kurzem bei einem Besuche 
der Kalksburger Strandbildungen erlangen konnte. 

Einer meiner Begleiter fand beim Zerschlagen eines fester 
gebundenen sandigen Blockes eine Krabbe in Bruchstücken, die sich 
leidlich gut zusammenfügen ließen. Es war offenbar ein vollständiges 
Individuum, doch war es nicht möglich, alle Teile zu erhalten. 

Die Fundstelle ist der erste Aufschluß auf der linken Talseite 
des Liesingbaches unterhalb des bekannten, von Th. Fuchs so genau 
geschilderten, leider zum größeren Teile verbauten alten Kalksburger 
Steinbruches „im marinen Konglomerat“ (Jahrb. d. k.k. geol. R.-A. 
1869, pag. 189), aus welchem das Vorkommen von Krebsscheren 
lange bekannt ist. In neuester Zeit wurde der erwähnte untere Stein- 
bruch lebhafter betrieben. Von hier habe ich vor einiger Zeit ver- 
schiedene Knochenreste, darunter Reste von Halitherium und auch 
eine neue Testudo-Art beschrieben (Zeitschr. d. Deutschen geol. Ges. 
XLVIII, 1896). (Ich ergreife die Gelegenheit, eine irrige Annahme 
richtigzustellen. Der weniger gut erhaltene Humerus-Rest wird nach 
Dr. Oth. Abels Bestimmung als wahrscheinlich von Acerotherium 
stammend aufzufassen sein.) 

Der neueste Aufschluß, zu unterst an der linken Seite des Stein- 
bruches gelegen, zeigt leicht gegen O verflächende sandige Schichten, 
welche besonders reich sind an Treibholz und Konkretionen mit 
Teredogängen, an schönen, ansehnlich groß werdenden, fächerförmigen 
Bryozoenkolonien und an den bezeichnenden sandholden Mollusken. 
Aus diesem Horizont stammt auch die zu besprechende Krabbe. Im 
Hangenden lagern Breccienbänke von verschiedener Bindung. 

Von der Krabbe liegt der Cephalothorax vor, besonders die 
rechte Hälfte in vollkommenster Erhaltung der Zähnelung des Seiten- 
randes. Dort, wo der vordere und hintere Teil des Seitenrandes 
zusammentreffen, liegt die größte Breite und springt hier ein großer 
Zahn dornartig vor. Der vordere Rand bis zu diesem Dorn ist schön 
bogenförmig, der hintere Seitenrand erscheint etwas eingezogen. 


Die Breite vor dem Dorn gemessen . . . ee BE 
Die Breite an der Seitendornspitze gemessen! kan. u3%6 >; 
Die Länge . . . er Er 
Der Vorderrand zwischen den äußeren Orbitalwinkeln . u: FEN 
Der Vorderseitenrand. bis’ zur Doruspitze » . 0.0 .:.187., 
Be kinterseitenrande nut, Eee 5 Rn 
BErinterrandaese ne a esldpei  .. wann mol ARE 5 


21* 


164 Franz Toula. [4] 


Zum Vergleiche seien die Maßverhältnisse der verwandten Arten 
angeführt: 


Breite Länge Verhältnis 
Cancer (Microdium) nodulosum Rss... . 155 : 115 = 1'347 
3 N SCHTIACHSDIMER . mern 2 ne REN = 1'405 
N NAblyecHS. DULmern., x; vo ae 0 „ee 
ln 38 26. und) AB 
carniolicus Bittneı 5 9 Be, : 
utiseontaghi. Lörentheys wı»2 al sur IB u. 0382 
se WWBitineri 'nov.ispee, v vr. ht Ah INSIDE 
39:69): 25° = 75824 


Der Stirnrand zeigt zwei breite Zähne, deren Spitzen leider 
beschädigt sind, mit fein gekörnelten Rändern. Der Augenhöhlenrand 
ist deutlich dreizähnig, der vorderste Lappen ist am breitesten. Furchen 
trennen diese drei Augenrandlappen, welche einen schönen Bogenrand 
bilden. Dahinter treten bis zum Seitendorn sieben stumpfe Zähne auf, 
mit feiner Körnelung der Ränder. Der sechste und der siebente dieser 
Zahnlappen sind spitz mit einer Verdickung an der Spitze. Der 
Seitendorn ist spitz ausgezogen und trägt an seinem Hinterrande 
kleine spitze Höckerchen, die sich dann längs einer wohlausgeprägten 
Kante des hinteren Seitenrandes in der Form von kleinen Knötchen 
fortsetzen bis zum Hinterrande; drei von diesen Knötchen schwellen 
zu förmlichen kleinen Dornen an. 

Der Hinterrand zeigt ganz dieselbe perlenschnurartig, mit zarten 
Knötchen verzierte Kante, wie sie Lörenthey bei seinem Cancer 
Szontaghi zeichnet. Auch die tiefe Furche, durch welche sich der 
Hinterrand von der Herzregion scheidet, ist vorhanden, vor derselben 
erhebt sich eine Leiste, die gegen den hinteren Seitenrand verläuft 
und in einem Dorn endet. 


Daß die Regionen der Oberfläche bei dem Kalksburger Individuum 
nur durch ganz seichte Furchen geschieden sind, wurde bereits erwähnt. 
Stellenweise lassen sich diese trennenden Furchen nur durch ihre Glätte 
verfolgen. Im allgemeinen ist die Furchung ganz analog wie bei Cancer 
carniolicus Bittner und bei Cancer Szontaghi Lörenthey. 

Die in der Medianlinie gelegenen Magenherzregionen: — die 
Epigastralregionen sind wie bei Cancer nodulosum Reuss ausgeebnet 
— die Mesogastralregion schiebt sich lanzettlich zungenförmig zwischen 
die beiden Protogastralfelder bis gegen den Stirnrand hin. Der Abstand 
dieser Spitze bis zur Furche hinter der Cardialregion mißt bei dem 
Kalksburger Stück 191 mm, die größte Breite beim Hypogastricus 
beträgt 5’1 mm, das Verhältnis ist sonach = 3:74, während diese Maße 
bei Cancer Szontaghi 264 mm : 87T mm — 3'0 betragen. Diese Mittel- 
region ist sonach viel schmäler. Ihre größte Breite liegt bei der Biharer 
Form bei den Hypogastralieldern, bei der Kalksburger Form dagegen 


!) Vor dem Dorn. 
?) Am Dorn gemessen. 


[5] Über eine neue Krabbe aus dem miocänen Sandsteine von Kalksburg. 165 


in der Cardialregion. Die beiden Protogastralfelder sind bei der Kalks- 
burger Form mit drei wohlmarkierten rundlichen Höckern geziert, 
die Leberfelder tragen je einen zitzenförmig aufragenden Höcker. 


Ähnliche Höcker erheben sich auf den flachen Aufwölbungen der 
Kiemenregion, von welchen jene der Mesobranchialregion die kräftigsten 
der ganzen Oberfläche sind. Diese Höcker sind wie bei den verwandten 
Arten durch Anhäufung von kleinen Tuberkeln gebildet, welche die 
sanze Schalenoberfläche bedecken, in den Furchen aber ganz winzig 
werden, während sie auf den flachen Aufwölbungen der genannten 
Regionen größer sind und sich in den Höckern häufen. Die Teilung 
der Branchialregion ist eine ähnliche wie bei Cancer Szontughi, nur 
sind die Furchen unseres Stückes, obwohl gegen den Hinterrand am 
schärfsten ausgeprägt, doch viel flacher als bei dem ungarischen, 
freilich etwas größeren Individuum. 


Bei unserer Form kann man am Augenrande nur von einem 
paarigen Dorn sprechen, der ganz ähnlich gestellt ist wie bei der 
ungarischen; weitere paarige Randlappen sind nicht vorhanden. 


Die mit Tuberkeln gezierten Aufwölbungen in der Cardialregion 
sind bei Cancer Bittneri etwas anders gestaltet als bei Cancer Szontaghi, 
die beiden vorderen sind kreisrund, die hintere der Quere nach ver- 
längert, während bei der ungarischen Form die vorderen elliptisch, 
die hintere kreisrund gezeichnet sind. 

Auf der Unterseite sieht man die Pterygostomalfläche, welche 
mit zarten Tuberkeln bedeckt ist, und erkennt am Rande die wohl 
ausgeprägte Furchung zwischen den Zahnlappen des vorderen Seiten- 
randes. 

Man erkennt auch Teile der im Peristom gelegenen Gebilde 
und des Sternums mit der zur Aufnahme des Abdomens dienenden 
Mittelrinne und die Ansätze der ersten Fußeglieder. 


Erhalten ist auch vom Scherenfuße das Propodit oder das 
Handglied und der Metatarsus (Carpodit), sie konnten aber nur teil- 
weise herauspräpariert werden. Das Handglied wendet eine mit. 
zierlichen Dornen besetzte Kante nach oben, der Metatarsus ist mit 
stärkeren Dornen besetzt. 


Erwähnt sei endlich, daß vor der rechten Orbita ein zylindrisches 
Stielchen liegt, das ich wohl als Augenstiel deuten darf. 

Von den genannten Cancer-Arten des Miocäns stehen mit der 
Kalksburger Form Cancer nodulosum Reuss, Cancer ilyricus Bittner, 
Cancer carniolieus Bittner und Cancer Szontaghi Lörenthey in näherem 
Verwandtschaftsverhältnis. Das von Bittner als Cancer styriacus 
beschriebene und (l. c. Taf. I, Fig. 6) abgebildete Exemplar ist nur 
ein Steinkern und schon aus diesem Grunde schwieriger in Vergleich 
zu bringen, während alle übrigen Arten in Schalenexemplaren zur 
Abbııdung gebracht werden konnten. In bezug auf die Oberflächen- 
beschaftenheit besitzt Cancer Szontaghi die größte Ähnlichkeit, wenn- 
gleich bei Cancer Bittneri die Furchen viel weniger scharf und tief 
ausgeprägt sind als bei der ungarischen Art. Der Hauptunterschied 
liegt in der Beschaffenheit der Form im allgemeinen und der Aus- 
bildung der Randzacken im besonderen. 


166 Franz Toula [6] 


Im nachstehenden gebe ich die mir bekannt gewordenen Ab- 
handlungen in chronologischer Folge, in welchen sich Mitteilungen 
über marine miocäne Brachyuren finden: 


1847: E.Sismonda (Memor. di Torino. X. 1847 [1849]) beschrieb von miocänen 
Krabben: j 
Xantho Edwardsi aus-der Molasse von Turin und den Mergeln von Asti. 
Ranina palmea aus der Molasse von Turin. 
Palaeomyra bispinosa aus dem Miocän von Turin. 


1857. A.E. Reuss. Zur Kenntnis fossiler Krabben. Denkschr. d. Wiener Akad. 
d. Wiss. 1857. XVII, 8. 41, Taf. IX7 Bier] nnd 2 


Lobocarcinus cf. Sismondai v. Meyer aus dem Leithakalke von Bruck 
an der Leitha, 1. c. 8.41. Taf. IX. Fig. 1 und 2. Kommt bei der Kalks- 
burger Art nicht in Betracht. 


1862—1871. Milne Edwards. Alph. Hist. des Crustaces podophthalmaires fossiles. 
Il. Portuniens et Thalassiens. II. Canceriens. Ann. des Sec. nat. Zoologie. 
4. ser. XIV. 1871. XVIII. 1862. XX. 1863. 5. ser. I. 1864. III. 1865. 


Beschreibt vier große Cancer-Arten aus dem Miocän. 


Palaeomyra bispinosa und Titanocarcinus pulchellus aus dem Miocän 
von Turin (Supergahügel), wo auch Ranina palmea Sismondai gefunden 
wurde. Außerdem Atelecyclus rugosus Desm. und Neptunus Monspeliensis 
aus dem Miocän von Montpellier und Lobonotus sculptus aus dem Miocän 
von San Domingo. 

Von jüngeren Formen wäre der große Cancer Deshayesü (Taf. XXI. 
Fig. 2) aus dem Pliocän von Oran in Vergleich zu ziehen, wie schon 
Bittner es getan hat. Seine größte Breite fällt in den letzten Dorn des 
vorderen Seitenrandes und auch der hintere Seitenrand zeigt eine Ähnlich- 
keit, während der Cancer Sismondai aus dem Pliocän von Asti außer 
Vergleich bleibt. 

Phlyctenodes depressus aus dem „terrain miocene du Monte - Gruni 
Vincentin“. Bleibt außer Betracht. 


1867. A. E. Reuss. Die fossile Fauna der Steinsalzablagerungen von Wieliczka 
in Galizien. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss. LV. 1867. Jännerheft. 


, Microdium nodulosum ‚Rss. S. 157 (d. Sep.-Abdr.). Taf. VIII. Fig. 7 u. 8. 

. Ein Kopfbrustschild und ein Scherenbruchstück. Ein winziges Stück im 
Vergleiche mit jenem von Kalksburg. Kopfbruststück 15 mm breit und 
115 mm hoch, von ähnlichem Umriß und einfacher Oberflächendornung. 


1871. A. E. R. v. Reuss. Phymatocarcinus speciosus, eine neue Krabbe aus dem 
Leithakalke des Wiener Beckens. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss. 
LXI1I. 1871. Aprilheft. 6 S. mit Taf. 


Ein Kopfbrustschild vom Rauchstallbrunnen bei Baden. Nach rück- 
wärts verschmälert. Mit hohen und breiten, am Schild abgestutzten 
oben fein gekörnelten und sehr regelmäßig verteilten Höckern. 


1877. Alex. Bittner. Über Phymatocarcinus specivsus Reuss. Sitzungsber. d. Wiener 
Akad. d. Wiss. ,XXV. 1877. Aprilheft. 13 S. mit 1 Taf. 


Aus dem Leithakalke von Gamlitz in Steiermark. 

Angegeben wurden von miocänen Formen von Gamlitz: 

Scherenglieder von mehreren Arten. 

Carpilius, glatt, mit ungezähntem Vorderseitenrande. 

Portunidenscheren (auch von Pöls bei Wildon). 

Außerdem wird ein Kopfbrustschild beschrieben, sowie Fuß- und 
Handglieder. 

Macrophthalmus aus dem sandigen Tegel von St. Florian. 

Titanocarcinus A. M. Edw., 3 mm lang. 

Sie wären nach Bittner zur Genus Daira de Haan zu stellen. 


[7] 


1881. 


1883. 


1883. 


1893. 


1898. 


1898. 


Über eine neue Krabbe aus dem miocänen Sandsteine von Kalksburg. 167 


Fritz Noetling. Über einige Brachyuren aus dem Senon von Mastricht und 
dem Tertiär Norddeutschlands. Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. XXXII. 
1881. S. 358—365. 
Mieromithrax holsatica Noetl. Aus dem miocänen Sandstein von Sege- 
berg in Holstein. 


A. Bittner. Beiträge zur Kenntnis tertiärer Brachyurenfaunen. Denkschr. 
d. Wiener Akad, d. Wiss. XLVIII. 1883. S. 15—30 mit 2 Taf. 


Brachyuren aus dem miocänen Tegel von Radoboj, im Liegenden des 
Leithakalkes: Neptunus Radobojanus Bittn. (II, Fig. 1), Nept. stenaspis 
Bittner (II, Fig. 2), Mioplax socialis nov. gen. nov. sp. Bittn. 


Neuere Cancer-Arten aus österreichischen Miocänablagerungen: 

Cancer styriacus Bittn. aus dem Leithakalke von Aigen bei Fehring 
in Mittelsteiermark (Kopfbrustschild). 

Cancer illyricus Bittner aus dem oberen marinen Miocän von Sagor 
in Krain (aus mergeligsandigen Schichten). Ein Kopfbrustschild. 

Cancer carniolicus Bittn. Aus „höchstwahrscheinlich‘ dem Miocän 
angehörigen Ablagerungen zwischen Teinitz und Stein in Krain. 

An die zwei letztgenannten Formen dürfte sich der Krabbenrest von 
Kalksburg anschließen lassen. 

Cancer styriacus Bittner wird mit ©. Deshayesi M. Edw. einer mio- 
und pliocänen Art und mit dem noch näherstehenden C. Edwardsi M. Edw. 
in Vergleich gebracht. 


P. Brocchi. Note sur les crustaces fossiles des terrains tertiaires de la 
Hongrie. Ann. des sc. geol. Hebert und Milne Edwards. XIV. 75. Taf. IV 
und V. 
Aus dem Miocän von Räkos bei Pest. Portunus pygmaeus, Calappa 
Heberti, Maluta inermis. 


Al. Bittner. Decapoden des pannonischen Tertiärs. Sitzungsber. d. Wiener 
Akad. d. Wiss. 1893. CII. I. Jänner. 
Neptunus cfr. granulatus A. Milne Edw. Leithakalk von Felsö-Orbö. 
Cancer cfr. illyrieus Bittn. Aus dem Tegel von Walbersdorf. 
Dem Autor erscheint es zweifelhaft, ob seine Arten: Cancer illyricus 
und Cancer carniolicus wirklich spezifisch verschieden sind. 
Ranidina (n. 9) Rosaliae Bittn. 


E. Lörenthey. Beiträge zur Decapodenfauna des ungarischen Tertiärs. 
Termeszetrajzi Füzetek. XXI. 1898. 1—133. 


Aus dem Leithakalke wurden beschrieben, und zwar von Räkos: 

Calappa Heberti Broce. 

Matuta inermis Broce. 

Lambrus sp. ind. 

Portunus pygmaeus Broce. 

Neptunus ef. carniolicus Bittn. von Szaboles (Baranyaer Komitat). 

Cancer Szontaghi Lörenth. (der Kalksburger Art nahe stehend) von 
Tasädfö im Biharer Komitat. 

Pilodius mediterraneus Lörenth. 


Th. Studer. Zwei neue Brachyuren aus der miocänen Molasse. Abh. d. 
Schweiz. paläont. Ges. 1898. 25. S. 1—9 mit Taf. 
Osachia Frechei Stud. (Marchbachgraben am Belpberge. 
Sceylla molassica Stud. Muschelsand (Meeresmolasse) vom Weiherhof 
bei Ludwigshafen. 
Außerdem kennt man aus der miocänen Molasse: 
? Cancer Rietmanni C. Mayer, 
? Lupea dubia C. Mayer, 
Portunus Kisslingi Th. Stud. und 
Dorippe Fankhauseri Th. Stud. 
Weist auf den entschieden atlantischen, lusitanisch-westafrikanischen 
Typus der miocänen Crustaceenfauna hin. 


168 


1899. 


1900. 


1901. 


Franz Toula. [8] 


Franz Toula. Über den marinen Tegel von Neudorf an der March (Deveny- 
Ujfalu) in Ungarn. Verhandl. d. Ver. f. Natur- und Heilkunde zu Preßburg. 
XI (XX). 1899 (1900). 


Cancer spec. 8. 17 (im Sep.-Abdr.). Fig. 10 u. 11. Eine Hand ähnlich 


jener von Microdium nodulosum Rss., aber etwa doppelt so groß, besser 
erhalten und etwas anders verziert 


A. S. Packard. A new fossil crab from the Miocene greensand bed of 

Gay head, Marthas Vineyard with remarks of the phylogeny of the Genus 

Cancer. Proc. Am. Ac. ofarts and Sc. XXXVI. 900. S. 3—9 mit 2 Taf. 
Cancer proavitus n. Sp. 


Diese Art und Archaeoplox signifera Stimpson bilden die Vorläufer 
der zwei an der Küste Nordamerikas lebenden Cancer-Arten. 
Bleibt beim Vergleiche außer Betracht. 


E. Lörenthey. „Andorina“ und „Daränyia“, zwei neue Brachyuren- 
Gattungen aus Ungarn. Math. u Naturw. Berichte aus Ungarn, XVII. 1901. 
S. 328—336 mit Taf. 
Andorina elegans n. sp. aus dem Leithakalke. Telepigasse in Budapest. 
(Daränyia granulata n. sp. stammt aus dem Obereocän). 


Zählt man die im vorstehenden angeführten Formen, so ergeben 


sich 36 Arten, von welchen ?/; zu den Bogenkrabben (Üyclometopa) 
gehören, 


Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek, Wien, III., Erdbergstraße 3. 


Tafel I. 


Geologische Beobachtungen auf einer Reise in die Gegend von 
Silistria und in die Dobrudscha im Jahre 1892. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 1. Heft. 22 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Erklärung zu Tafel I. 


1. Planorbis sp. Ähnlich ist Planorbis cornu Brongn. Von Silistria. 

. Lymnaea sp. von Silistria. 

3. Helix sp. Zu vergleichen mit Helix Vindobonensis Pfeiffer. Steinkern 
aus dem Süßwasserkalke nördlich von Doimuschlar (Silistria W.) . 

4. Planorbis sp. Aus dem Süßwasserkalke von Doimuschlar. (Aus einem 
Bausteine.) 

5 und 6. Cardien aus der Formengruppe des Cardium simplex Fuchs von 
Silistria. 

7. Nerinea sp. Aus der Verwandtschaft von Nerinea Coquandana d’Orb. 
und N. Traversensis Pictet et Camp. Aus dem Nerineenkalke von 
Birtschma bei Silistria. 

7a. Querschnitt von Nerinea Olisiponensis Sharpe. (Zum Vergleiche.) 

7b. Nerinea sp. Aus dem Nerineenkalke von Mirdschawoda im Karasutale. 
(Nach einem Kittabdrucke.) 

8. Winzige Echinidensteinkerne. Ähnlich: Discoidea subuculus Klein. Aus 
einem Bausteine von Silistria. 

9. Terebratula sp. Aus einem Bausteine von Silistria. 


. 10. Deckelklappe von Reqwienia spec. (Von der Innenseite) Aus dem 


Requienienkalke bei Kokerlenj. 


. 11. Actaeon cf. Staszycii Quenst. Kittabdruck. Von Birtschma bei Silistria. 
..12. Abdruck einer Gastropodenschale (Murex [?]). Von Birtschma bei Silistria. 
. 13. Abdruck einer kleinen Nerinea sp. ind. Von Birtschma bei Silistria. 

. 14. Anthophyllum sp. ind. Aus dem Nerineenkalke von Birtschma. 

. 15. Nerinea Isteriana n. sp. Aus dem Nerineenkalke von Birtschma. 

. 16 und 17. Steinkerne von Monopleur« Aus Bausteinfindlingen. Gegend von 


„Iromos“ an der Donau. Aus der Formenreihe der Monopleura 
trilobata d’ Orb. 


. 18. Steinkerne einer Nerinea (Nerinea Dobrudschensis n. f.) aus der Verwandt- 


schaft von: Nerinea' Favrina, Valdensis und Blancheti Pictet et Camp. 
Bei Kokerlenj an der Donau, aus dem Hangenden der Requienienkalke. 


. 19. Reqwienia Lonsdalei d’Orb. var. Aus dem Requienienhorizont südlich von 


Tschernawoda. 


. 20. Serpula sp. Ähnlich sind Serpula Trachinus Gldf. und Serpula lophioda 


@ldf. Nördlich von Kokerlenj, unterhalb der Donauinsel. 


. 21. Otodus sp. Ähnlich: Otodus suleatus Gein. Aus den Exogyrensanden im 


Karasutale. 


Franz Toula: Silistria u. Karasu. Data 


A,Swobodan.d.Nat.gezulith. Lith.AnstvAlb.BergerWienVIll. 


Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt, Band LIV.1904. 
VerlagderkkGeologischen Reichsanstalt Wien,llRasumoffskygasse 23. 


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Tafel I. 


Geologische Beobachtungen auf einer Reise in die Gegend von 
Silistria und in die Dobrudscha im Jahre 1892. 


22* 


Erklärung zu Tafel II. 


Ia—i. Deckelklappen von den kleinen ungefalteten Exogyren aus dem Karasutale 
unterhalb Mirdschawoda. 


lIa—p. Unterklappen der kleinen ungefalteten Exogyren aus dem Karasutale. 


II” und s. Ungefaltete kleine Exogyren von den Uferfelsen zwischen Kokerlenj 
und Tschernawoda. 


Franz Toula: Silistria u. Karasu. Taf. I. 


A,Swobodan.d.Nat.gezulith. Lith.AnstvwAlb.BergerWienVIl. 


Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt, Band LIV.1904. 
Verlagderkk6eologischen Reichsanstalt Wien,IllRasumoffskygasse 23 


Tafel Ill. 


Geologische Beobachtungen auf einer Reise in die Gegend von 
Silistria und in die Dobrudseha im Jahre 1892. 


Erklärung zu Tafel III. 


Fig. 1. Sphaerulites Dobrudschensis n. sp. . 
a. Von vorn. 
b. Von oben (bei x war ein zweites Individuum angewachsen). 
Fig. 2. Berenicea Dobrudschensis n. f. 
Fig. 3. Tiigonia spec. ind. von Tschernawoda, 
Fig. 4—10. Gefaltete kleine Exogyren 
Fig. 4 und 5 von Tschernawoda, nahe dem östlichen Uferpfeiler der großen Brücke. 


Fig. 6—10. Bei Boastschik „au der Ecke“. 


Franz Toula: Silistria u. Karasu. Tat. 1. 


Lith.Anstv.Alb.BergerWienVIl. 


A.Swobodan.d.Nat.gezulith. 


Jahrbuch der k.k.Geologischen Reichsanstalt, Band UV. 1904. 
Verlaßderkk6eologischen Reichsanstalt Wien llRasumoffskygasse 23. 


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_ Über Gesteine der Brixener Masse und ihrer Randbildungen. 


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Fig. 2. 


Fig. 3. 


Fig. 4. 


Fig. 5. 


Erklärung zu Tafel IV. 


Plagioklas aus einem Aplit. Der Kristall besitzt dort, wo er an Orthoklas 

grenzt, eine Myrmekitkruste mit quarzfreiem Saum. Diese setzt scharf ab, 

so wie Quarz an den Plagioklas herantritt. (Vgl. pag. 50 [4], und 71 [25].) 
Gekreuzte Nikols. Vergrößerung 51. 


Hornblende aus dem Tonalitgneis südl. von Mauls. Der Kristall ist quer 
durchgebrochen und an der Bruchstelle in Biorit umgewandelt. (Vgl. 
pag. 60 [14].) 

Parallel polarisiertes Licht. Vergrößerung 23. 


Tonalitgneis vom Nockbach bei Mauls. Hochgradige Kataklase. Mylonit- 
artige Pressungszone. 
Unpolarisiertes Licht. Vergrößerung 20. 


Tonalitgneis südl. von Mauls. Veranschaulicht die Kataklasstruktur. Horn- 
blende mit Rissen nach der Spaltbarkeit. Plagioklas links oben mit Albit- 
adern und einem von Quarz erfüllten Riß. 

Gekreuzte Nikols. Vergrößerung 15. 


Tonalitgneis mit porphyrischen Plagioklasen vom Rabenstein. In dem 

Plagioklaseinsprengling am Rande zonenweise ‚angeorduete Quarzstengel 

und -Tropfen, außerdem Hornblendeeinschlüsse. (Vgl. pag. 64 [18].) 
Gekreuzte Nikols. Vergrößerung 5. 


W. Petrascheck: Gesteine der Brixener Masse. Tafel IV. 


Prof. Dr, Becke phot, Lichtdruck v. Max Jaffe, Wien, 


Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt Bd. LIV, 1904. 


Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III., Rasumoffskygasse 23. 


| NB. Die Autoren allein una far An Tnhait und ‚die Form 


Inhalte 


BR ER ER 


1. Hefe. a 
Geologische Beobachtungen auf einer Reise in 3 Gmen:: von eiietria 


und in die Dohrudscha im Jahre 1892, Von Franz Toula. Be 
3 Jithographierten Tafeln (Nr. 1-1 und 19° Textfiguren . 
Über "Gesteine der. Brixener Masse ‘nnd ihrer Randbildungen. "Von 
Dr. W, Petrascheck. Mit einer Tafel ar IV) und einer ‚Text. ı 
figur . ne . * “ . “ ” . * } » wie f4 ae rc 


Einige neue Fossilienfundorte in ai ostbölimischen Kreideformation. FE RT 


Vou Jareslav. J. dahn ..... .. EA BL FRA 


Studien über die Inntalterrassen. ‘Von Di. 0. Ars; rer. ae einer 
Tafel (Nr. V) und 17 Zinkotypien im Text ı. L.. 0... re 


Über eine neue Krabbe’ (Cancer Bittneri n. sp). aus dem miocänen Sand- 


steine von Kalksburg bei. Wien. Van -Franz Toula. Mit. 5 Text- . 
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ihrer Aufsätze verantwortlich. 


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iesellschufts- Kuchärnekerei Brüder Hollinek, he dd Präberemrate ® 


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wien, 1904: 
gedlogis schen Reichsanstalt. 


AIR 4 


Bi SR eae: der! 


“R Lechner Mi, Müller), k. u, k. Hofbuchhandlung, 
ar uf, Graben 31. 


Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau 
in Böhmen. 
Von K. Richter. 


Mit drei Zinkotypien im Text. 


Einleitung. 


Der 418 m hohe bewaldete sogenannte Kalkberg, dessen Kalk- 
steinlager in der vorliegenden Arbeit besprochen werden soll, liegt 
an der böhmischen Nordseite des Isergebirges bei dem Dorfe Raspenau, 
am linken Ufer der hier in nordwestlicher Hauptrichtung fließenden 
Wittig. Bisher hat der Raspenauer Kalkstein, obwohl er nicht selten 
in der Literatur angeführt wird, weder eine eingehendere geologische 
noch mineralogische Bearbeitung erfahren. Da die geologischen Ver- 
hältnisse, besonders was das Liegende und Hangende betrifft, infolge 
des weit vorgeschrittenen Abbaues im einzelnen schon jetzt nur noch 
mit Schwierigkeit zu erkennen sind, so scheint es angebracht, das 
Gebiet einer genauen Untersuchung zu unterziehen, ehe noch die 
Lagerungsverhältnisse durch die Materialgewinnung ganz unkenntlich 
gemacht werden. Um nur eins zu erwähnen, sei hier angeführt, 
daß zum Beispiel die hangenden Gesteine schon jetzt nur noch in 
einer ganz geringen Erstreckung annähernd deutlich erkennbar erhalten 
sind und daß der weitere Abbau sie vielleicht schon in wenig Jahren 
beseitigt haben kann. 

Bevor näher auf das Geologische eingegangen wird, soll zunächst 
eine Zusammenstellung derjenigen kurzen Angaben — soweit sie dem 
Verfasser bekannt geworden sind — angeführt werden, die bis jetzt 
über das zu behandelnde Gebiet vorliegen. 


1822. Dlask. Versuch einer Naturgeschichte Böhmens. Prag. Hier wird Seite 310 
bloß erwähnt, daß „Urkalk, durch den gänzlichen Mangel an Versteinerungen 
wesentlich von dem Flötzkalk unterschieden“, außer an anderen Orten auch 
„bei Raspenau im Isergebirge“ vorkommt. 

1859. Joh. Jokely, Jahrb. d. k. k. geolog. R.-A. X. 382. 

1866. A. Fritsch, Sitzungsbericht der böhmischen Gesellschaft der Wissen- 
schaften 36. 

1866. A. Fritsch, N. Jahrb. f. Min. u. s. w. 352. 

1867. J. Roth, Erläuterungen zur geognostischen Karte vom niederschlesischen 
Gebiete und den umliegenden Gegenden. 27. Berlin. 

1868. G. Menzel, Physiographie des Isergebirges und seiner nächsten Umgebung, 
mit Rücksicht auf Land- und Forstwirtschaft. 37. Reichenberg und Friedland. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (K. Richter.) 33 


170 K Richter. [2] 


1869. Krejdi, Archiv der naturwissenschaftlichen Landesdurchforschung von 
Böhmen. 1. Bd., 2. Abteilg. 19. Prag. Hier finden sich ferner Angaben über 
das Eozoon von A. Fritsch (247) und die mineralogisch - chemische Unter- 
suchung desselben von Hoffmann (252). 

1875. Kalkowsky, Über den Salit als Gesteinsgemengteil. Min. Mitteilgn. 50. 

1892. Blumrich, Einige Mineralien vom Kalkberge bei Raspenau (Nordböhmen). 
Tschermaks min. u. petr. Mitteilgn. 13. Bd. 257. 

1892. Katzer, Geologie von Böhmen. 42. 465, 476, 481. 482. Originalangaben 
bringt Katzer allerdings nicht. 


Geologische Übersicht. 


Am Anfange dieses kurzen geologischen Teiles sei zunächst 
bemerkt, daß es nicht Zweck der nachfolgenden Ausführungen ist, 
eine spezielle geologische Beschreibung der Gegend um Raspenau zu 
liefern, sondern daß die geologischen Verhältnisse nur so weit berück- 
sichtigt werden sollen, als für die richtige Auffassung des Kalkstein- 
lagers nötig erscheint. 


Fig. 1. 
Maßstab: 1:25.000. 


Mildenau Hundshübel 


\ A ss; . \ 
@ — Öberer oder Wildner’scher Bruch. 
ö = Unterer oder Ressel’scher Bruch. 

Wo keine nähere Bezeichnung angegeben ist (West-, Nord- und Ostseite des Kalk- 


berges), findet sich weder anstehendes Gestein, noch gestatten Lesestücke eine 
absolut sichere Angabe. 


[3] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. ik 


Es muß zunächst auf die verschiedenen Anschauungen betreffs 
der Einlagerung des Kalksteines eingegangen werden, die einerseits 
Jokely, dem sich Katzer anschließt, andererseits Roth und Krejti 
vertreten haben. Nach Joke&ly liegt der Kalkstein in Phyllit, nach 
den letzteren beiden Autoren aber in Glimmerschiefer, den 
Krejöi als „quarzigen Glimmerschiefer* bezeichnet hat. Auf Grund 
der mikroskopischen Untersuchung hat sich nun ergeben, daß die 
Ansicht von Roth und Krejti die richtige isst Der Glimmer- 
schiefer, der später noch beschrieben werden wird, ist gegen- 
wärtig nur noch in geringem Umfange auf der Ostseite des Kalkberges 
anstehend erhalten. Er hat ein Streichen von NO—SW bei 
einem mittleren Einfallen von 40% nach NW. Auf der Höhe 
des Berges tritt in seinem Hangenden ein heller Gneisglimmer- 
schiefer zutage, der mit dem eigentlichen Glimmerschiefer 
Streichen und Fallen gemeinsam hat. Er steht allerdings nur noch 
in einigen unbedeutenden Resten an. Eigentümlicherweise erwähnen 
weder Jokely, Roth und Krejci das Vorkommen desselben, noch ist 
er auf der österreichischen und auf Roths geologischer Karte ange- 
geben. Auf der Südseite des Kalkberges schiebt sich quer zur Streich- 
richtung des Glimmerschiefers zwischen den Berg und den südlich 
von ihm erscheinenden Granit eine schmale Zunge eines gestreiften 
Gneises ein, die auch Joke&ly erwähnt. Ihre Begrenzung einerseits 
durch den Berg, andererseits durch den Granit kann allerdings nicht 
scharf bestimmt werden, da der Gneis anstehend nirgends zutage 
tritt und man nur auf Lesestücke angewiesen ist. (Fig. 1.) Nach 
Westen zu scheint sich dieser Gneisstreifen zu verbreitern und sogar 
noch auf den Nordabhang des Berges überzugreifen. 


Der petrographisch-mineralogischen Beschreibung soll folgende 
Anordnung zugrunde gelegt werden: 


A) Der Kalkkomplex nebst seinem Hangenden und Liegenden. 
B) Der Glimmerschiefer. 

C) Der Gneisglimmerschiefer. 

D) Der gestreifte Gneis. 


A. Der Kalkkomplex nebst seinem Hangenden 
und Liegenden. 


Der dem Glimmerschiefer untergeordnete Kalkstein ist auf der 
Ost- und Südseite des Kalkberges in einer Reihe von Brüchen gut 
aufgeschlossen, von denen allerdings gegenwärtig nur drei in Betrieb 
sind !). Die beiden größten derselben, die auch das meiste zu dieser 
Arbeit verwendete Material geliefert haben, sind der obere oder 
Wildner’sche und der untere oder Ressel’sche Bruch. Der 
erstere liegt am oberen Ostabhange des Berges, der letztere weit unten 
an demselben, noch jenseits der Friedland-Reichenberger Bahnlinie. 

Als Mittel vieler Messungen kann für den Kalkstein ein NO— 
SW-Streichen und ein Einfallen von 40° nach NW an- 


1) Die Angaben beziehen sich auf den Sommer 1903. 
23* 


172 K. Richter, [4] 


gegeben werden. Es wiederholt sich also hier das Streichen und 
Fallen des Glimmerschiefers, in welchem der Kalkstein sonach eine 
konkordante Einlagerung bildet. — In ihrer Meinung über 
die Natur derselben stimmen Jok&ely und Krejöi darin über- 
ein, daß sie beide den Kalkstein des Kalkberges für ein lager- 
förmiges Vorkommnis halten. Aber während er nach Krejti 
als „ein in einige Bänke abgesondertes Lager“ auftritt, glaubt Jokely, 
daß er drei durch Phyllit getrennte Lager bildet. Letzterer Ansicht 
entsprechend ist der Kalkstein auch auf der nicht publizierten öster- 
reichischen geologischen Karte im Maßstabe von 1:75.000 in drei 
parallelen Zügen angegeben. — Von den unteren am Fuße des Berges 
liegenden Kalkpartien nimmt Joke&ly an, daß sie „wahrscheinlich 
bloß verworfene Teile“ der weiter oben befindlichen Kalkmasse seien. 
Es würde also da besonders der Ressel’sche Bruch in Betracht 
kommen. Und in der Tat zeigt der Kalkstein hier ganz unregelmäßige 
Lagerungsverhältnisse, die sich am einfachsten und natürlichsten durch 
die Annahme erklären lassen, daß er nur eine abgesunkene Partie 
des höher liegenden Kalksteinkomplexes ist. Zur Begründung sei an- 
geführt, daß hier weder Streichen noch Fallen mit den oben für 
den Glimmerschiefer und Kalkstein angegebenen Messungen überein- 
stimmen, ferner, daß nur hier Schichtenwindungen in größerem Maßstabe 
und kleine Verwerfungen mit einer Sprunghöhe von 2 cm beobachtet 
wurden, die infolge einer schwarzen Bänderung des Kalksteines gut 
zu erkennen waren. 

Während also Krej®i und Joke&ly diesen Kalkstein für ein 
oder einige Lager halten, ist der Verfasser der vorliegenden Arbeit 
zu der Ansicht gelangt, daß er wahrscheinlich eine dem dortigen 
Glimmerschiefer konkordant untergeordnete einheitliche linsen- 
förmige Einlagerung bildet, deren Längsdurchmesser mit der 
angeführten Streichrichtung zusammenfällt. Abgesehen von den ver- 
worrenen Lagerungsverhältnissen im unteren Bruche schwankt näm- 
lich auch in den anderen Brüchen die Streichrichtung immer um 
kleine Differenzen, die aber doch so gering sind, daß die Auf- 
stellung eines mittleren Wertes keine Schwierigkeiten macht. Diese 
Schwankungen lassen sich am einfachsten durch die Annahme erklären, 
daß der Kalkstein in Form einer Linse auftritt, die infolge ihrer 
Gestalt fortwährende kleine Abweichungen vom mittleren Streichen 
sogar nötig macht. — Die mutmaßliche Linse ist allerdings gegenwärtig 
nur noch in ihrem südwestlichen Teile vorhanden, während die nord- 
östliche Fortsetzung — wohl hauptsächlich durch die denudierende 
Wirkung der Wittig — abgetragen ist und höchstens noch in Resten 
unter den Alluvien des Wittigtales erhalten sein dürfte. 

Außer dem auf der Ost- und Südseite des Kalkberges aufge- 
schlossenen Kalkstein tritt noch auf dem unteren Nordabhange in 
der Nähe des Raspenauer Bahnhofes eine kleine Partie 
Kalkstein zutage. Soweit sich an diesem geringen Vorkommnis fest- 
stellen läßt, stimmen Streichen und Fallen mit den für die Hauptkalk- 
masse angeführten Angaben überein. Doch können die auf so engem 
Raume vorgenommenen Messungen nicht auf unbedingte Richtigkeit 
Anspruch machen. — Es wäre nun zu entscheiden, ob dieser Kalk- 


[5] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 173 


stein am Bahnhofe noch mit der großen Kalklinse in Beziehung zu 
bringen ist oder ob er vielleicht einer kleineren Nebenlinse angehört, 
die parallel der vorigen eingelagert ist. Daß die Hauptlinse sich bis 
zum Bahnhofe erstrecken sollte, ist trotz ihres nordwestlichen Einfallens 
nicht sehr wahrscheinlich, und es fehlen auch andere Aufschlüsse, die 
Klarheit verschaffen könnten, auf dieser Seite des Berges vollständig. 
So muß vorläufig jene zweite Möglichkeit als die wahrscheinlichere 
gelten und es läßt sich ferner vermuten, daß der Kalkstein, der nach 
Roth einst im Wittigbett bei der Raspenauer Kirche zu- 
tage trat, ebenfalls mit dieser Nebenlinse in Verbindung zu bringen 
ist. G. Rose hat, wie Roth in seinen „Erläuterungen“ angibt (Seite 7), 
an dem in der Wittig anstehenden Kalkstein ein Streichen h 5 bei 
nordwestlichem Einfallen bestimmt, und diese Angabe steht mit der 
an dem Kalksteine beim Bahnhof gemachten Messung in Einklang, 
so daß ein Zusammenhang beider Vorkommnisse wohl nicht zu be- 
zweifeln ist. Auch Krejöi erwähnt diesen in der Wittig hervor- 
tretenden Kalk noch, der aber jetzt nicht mehr aufgefunden werden 
kann. Wahrscheinlich ist er beim Bau der dortigen Ufermauer beseitigt 
worden. Dieser kleineren Nebenlinse gehört natürlich auch der Kalk- 
stein an, der bei der Anlage eines Brunnens beim Bahnhofe angebohrt 
wurde. Nähere Angaben über die Nebenlinse können infolge des 
gänzlichen Fehlens anderer Aufschlüsse nicht gemacht werden. 
Katzer bringt eine von Jok&ly übernommene Notiz, daß auch 
einst bei Mildeneichen Kalkstein vorgekommen sei. Er schreibt 
nämlich Seite 481 bei Erwähnung der Hornblendegesteine, daß solche 
gefunden würden auf dem Raspenauer Kalkberge, „sowie wahrschein- 
lich in der nordöstlichen Fortsetzung dieses letzteren auf einem kleinen 
Hügel bei Mildeneichen, wo sie ebenfalls mit Kalkstein in Verbindung 
standen“. Diese Ortsangabe beruht aber auf einer Verwechselung 
von Mildeneichen mit Mildenau, und der „kleine von Lehm 
begrenzte Hügel“ Jokely’s ist der hinter Mildenau links von der nach 
Neustadt führenden Straße liegende sogenannte Hundshübel!). Jetzt 
ist von dem einst hier gebrochenen Kalksteine nichts mehr zu sehen, 
und so ist man in betreff seines Verhältnisses zu den übrigen Kalk- 
aufschlüssen nur auf Vermutungen angewiesen. Es ist nicht unmöglich, 
daß der Kalkstein des Hundshübels die Fortsetzung und nordöstliche 
Spitze der vorhin angenommenen Nebenlinse gewesen ist. Doch könnte 
man ebensogut auch annehmen, daß er einer zweiten noch kleineren 
Nebenlinse angehört habe; denn daß es sich hier nur um ein unbe- 
deutendes Vorkommnis gehandelt hat, folgt daraus, daß der Abbau 
schon vor vielen Jahren aufgegeben worden ist und daß sich nicht 
einmal mehr Spuren des hier gewonnenen Kalksteines auffinden 
lassen. — Jetzt stehen am Hundshübel nur noch geringe Reste eines 
dunkelgrünen schiefrigen Gesteines an, das sich durch die mikro- 
skopische Untersuchung als ein Hornblendeschiefer erwiesen hat, der 
ein mit dem Glimmerschiefer und dem Kalksteine der Haupt- und 


!) Mildeneichen liegt nämlich nicht nordöstlich, sondern fast südöstlich vom 
Kalkberge; für Mildenau aber stimmt die von Jokely und Katzer angegebene 
Richtung. 


174 K. Richter. [6] 


Nebenlinse übereinstimmendes Streichen und Fallen besitzt. Er ist 
aller Wahrscheinlichkeit nach im Hangenden des hier einst vor- 
gekommenen Kalksteines aufgetreten. Da nun als sicher gelten kann, 
daß letzterer dasselbe Streichen und Fallen wie sein Hangendes 
gehabt hat, so läßt sich mit Hilfe des Amphibolschiefers der Schluß 
ziehen, daß der Kalkstein des Hundshübels eine dem übrigen Kalk- 
steine konkordante Lagerung besessen hat. 


Im direkten Hangenden der Hauptlinse am Kalkberge 
erscheint ein dunkelgrünes Gestein von massigem Habitus, das keinerlei 
Andeutungen einer Schichtung erkennen läßt. Es ist, wie schon am 
Eingange hervorgehoben wurde, nur noch in einer ganz geringen Er- 
streckung anstehend erhalten, und zwar im Wildner’schen Bruche. 
Jokely, auf dessen Angabe sich Katzer stützt, hat es seinerzeit als 
ein „Amphibolgestein“ bezeichnet. Nach Roth soll ein „Hornblende- 
schiefer“ das Hangende sein, und auch noch Blumrich, von dem 
die letzte auf das vorliegende Gebiet bezügliche Notiz stammt, spricht 
von einem „Hornblendeschiefer“ als Hangendem. Nun besitzt dieses 
hangende Gestein aber, wie schon erwähnt, einen durchaus massigen 
Habitus, so daß man esauf keinen Fall als einen Schiefer ansprechen 
kann. Es ist aber überhaupt kein Amphibolgestein, sondern wie die 
mikroskopische Untersuchung gezeigt hat, en Pyroxengestein. 
Dasselbe geht allerdings nach oben in einen deutlich geschichteten 
Hornblendeschiefer über, der wohl die Veranlassung gewesen ist, daß 
Jokely, Roth und Blumrich auch das unter ihm liegende dichte 
Gestein für ein Amphibolgestein gehalten haben. Die Angabe von 
Krej@i, der sonderbarerweise „rote streifige Gneise“ als Hangen- 
des bezeichnet, bedarf nach den vorangegangenen Erörterungen erst 
keiner besonderen Zurückweisung mehr. 


Im Liegenden des Kalksteines sollen sich nach Jokely „be- 
reits unter diluvialem Lehm angeblich ebenfalls Amphibolgesteine“ 
befinden, und auch Roth gibt „Hornblendeschiefer* als Liegendes 
an. Es ist jedoch zur Zeit nur noch in einer äußerst geringfügigen 
Partie am Eingange eines Stollens anstehend zu sehen, der vor einigen 
Jahren durch Verrollen plötzlich sichtbar wurde und den man mit 
dem einst unter Wallenstein besonders stark betriebenen Eisenberg- 
bau in Zusammenhang gebracht hat!). Durch die mikroskopische 
Untersuchung wurde aber festgestellt, daß dies liegende dunkel- 
grüne Gestein ebenfalls kein Amphibolit, sondern ein mit dem un- 
mittelbaren Hangenden identisches Pyroxengestein ist. 

Für das Kalksteinvorkommen beim Bahnhofe können 
gegenwärtig weder die liegenden noch hangenden Gesteine anstehend 
gefunden werden. Doch soll nach glaubwürdiger mündlicher Angabe 
hier einst ein grünes schiefriges Gestein angestanden haben, das außer- 
ordentlich granatreich war. Es läßt sich sonach vermuten, daß das- 
selbe eingranatführender Hornblendeschiefer gewesen ist. 


Am Schlusse der vorangegangenen Ausführungen sollen die 
Hauptergebnisse zusammengestellt werden. 


!) Siehe die geschichtlichen Angaben am Schlusse der Arbeit. 


[7] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 175 


1. Der Raspenauer Kalkstein ist wahrscheinlich eine dem dortigen 
Glimmerschiefer konkordante linsenförmige Einlagerung, mit welchem 
er ein NO—SW-Streichen und das Einfallen von 40° nach NW ge- 
meinsam hat, 

2. Die Hauptlinse wird vermutlich von zwei kleineren parallel 
gelagerten Nebenlinsen begleitet. 

3. Die untersten an der Ostseite des Kalkberges befindlichen 
Kalkpartien sind wahrscheinlich bloß verworfene Teile der höher 
liegenden Hauptmasse des Kalksteines, wie die unregelmäßige Lagerung, 
die Schichtenwindungen und Verwerfungen schließen lassen. 

4, Im Liegenden und Hangenden der Hauptlinse erscheinen 
dunkelgrüne Pyroxengesteine, die im Hangenden nach oben in, Horn- 
blendeschiefer übergehen. 


Die näheren Erörterungen über den Kalkkomplex gliedern sich 
naturgemäß in die Besprechung 


I. des körnigen Kalkes, 
I. der hangenden und liegenden Gesteine. 


I. Der körnige Kalk. 


Die Hauptmasse des gegenwärtig anstehenden körnigen Kalkes 
ist von einer weißen Farbe, die nach den Angaben von Krej£i, 
der ihn als „grauweiß“, von Hoffmann, der ihn als „graulichweiß“, 
-und von Roth, der ihn sogar als „blendend weiß“ bezeichnet, auch 
in früheren Abbauperioden vorgeherrscht hat. Damit stimmt die 
Beobachtung der ältesten Arbeiter überein, die sich nicht besinnen 
können, bedeutendere Massen eines anders gefärbten Kalksteines 
gebrochen zu haben. Kleinere Partien vondunklembisschwarzem 
Kalkstein sind allerdings schon mehrfach vorgekommen, und ich 
selbst sah im März 1903 eine solche an der Südostecke des Wildner- 
schen Bruches und im August desselben Jahres etwa in der Mitte 
dieses Bruches eine 2 m mächtige, der Hauptmasse des Kalkes. kon- 
kordant eingelagerte Bank eines dunklen Kalksteines. _ Ebenfalls im 
oberen Bruche wurden Blöcke eines gelblichen Kalksteines gefunden, 
dessen Färbung, wie die mikroskopische Untersuchung gelehrt hat, 
von einem reichlich vorhandenen blonden Glimmer herrührt. Diese 
selbe Varietät, die in der nachfolgenden speziellen Besprechung als 
Glimmerkalkstein bezeichnet werden soll, hat jedenfalls wie 
das zuletzt erwähnte dunkle Gestein eine bankförmige Einlagerung 
in der weißen Hauptmasse des Kalkes gebildet. Im Ressel’sChen 
Bruche wurde eine Schicht einer grün gefärbten Kalkvarietät von | 
20 cm größter Mächtigkeit beobachtet, welche ihre Färbung einem 
massenhaft eingelagerten mikroskopischen Pyroxen verdankt und 
deshalb bei der späteren Betrachtung als Pyroxenkalkstein an- 
geführt werden wird. Roter Kalkstein fehlte gänzlich }). 

Sämtliche Aufschlüsse zeigen, daß der körnige Kalk in seiner 
ganzen Ausdehnung eine deutliche Schichtung besitzt, die in- 


1!) Derselbe ist nach Aussage der Arbeiter auch früher nicht vorgekommen. 


176 K. Richter. [8] 


folge des Wechselsvongröber- und feinerkörnigen Lagen 
von sehr verschiedener Mächtigkeit und infolge einer der Streich- 
richtung parallel verlaufenden Bänderung stets gut erkennbar ist. 
Letztere Erscheinung war besonders schön bei den an der Nordost- 
ecke des Wildner’schen Bruches anstehenden Kalkmassen zu sehen, die 
von schwarzen und grünen Streifen in ziemlicher Anzahl durchzogen 
wurden, während die übrigen Gesteinspartien dieses Bruches und 
der Kalk im unteren Bruche nur schwarze Bänderung, aber viel 
vereinzelter, zeigten. Nach dem Hangenden zu hört die Streifung 
allmählich auf, wie wenigstens im oberen Bruche konstatiert werden 
konnte. 

Vertikale Absonderung und Klüftung wurden nicht beob- 
achtet. 

Abgesehen von den in einem früheren Zusammenhange bereits 
erwähnten Lagerungsstörungen ließ auch der Kalkstein des Wildner- 
schen Bruches, besonders an der Nordostecke desselben, sehr deut- 
liche Zeichen mechanischer Beeinflussung erkennen. 
Es ist an dieser Stelle zu einer Steilaufrichtung der Schichten ge- 
kommen, und diese Erscheinung war infolge der hier vorhandenen 
Bänderung besonders auffällig. Außerdem aber haben die betreffenden 
Schichten noch eine mehrfache und sehr steile Faltung erfahren, die 
ebenfalls durch die Streifung wieder recht deutlich sichtbar wurde. 
In der Nähe dieses Ortes waren die Bänder anderer, gleichfalls steil 
aufgerichteter Schichten in der Vertikalen S-förmig gebogen worden, 
und eine hier beobachtete krummschalige Ablösung großer Blöcke 
des Kalksteines kann auch nur als eine Folge hohen Druckes auf- 
gefaßt werden. — An einigen Stellen traten in einer grauweißen 
und feinkörnigen Kalkschicht ganze Schwärme von kürzeren Linsen 
und lang ausgezogenen Schmitzen eines gröberkörnigen und rein- 
weißen Kalksteines auf, die mit ihren Längsachsen alle parallel 
eingestellt waren. Die breiteren Linsen hatten eine Durchschnitts- 
länge von 15cm, die sehr schlanken Schmitzen eine solche von etwa 
30 cm. Man wird auch diese Gebilde auf eine Pressung zurückführen 
müssen, und zwar sind zwei Fälle ihrer Entstehung denkbar. Entweder 
wurde eine vorhandene Schicht eines reinweißen Kalksteines in die 
genannten isolierten Gebilde zerdrückt, oder der Kalkstein wurde 
durch starken Druck gewissermaßen aufgeblättert, worauf die ent- 
standenen länglichen Hohlräume mit neu kristallisierendem Kalkspat 
ausgefüllt wurden. Die durch den Gebirgsdruck entstandenen Risse 
und Spalten sind mit einem oft sehr grobspätigen Caleit wieder 
erfillt worden, dessen Spaltflächen bis 6 cm breit gefunden wurden. 
Aus dem Umstande, daß letztere oft gebogen sind und außerdem eine 
dichte, schon makroskopisch deutlich sichtbare, mitunter sogar doppelte 
Zwillingslamellierung besitzen, die nur sekundär sein kann, muß ge- 
schlossen werden, daß noch einmal eine dynamische Beeinflussung 
erfolgte, als sich dieser großspätige Calcit schon gebildet hatte. Die 
Druckeinwirkungen im großen zeigen sich also in einer 
Aufrichtung, Faltung und Biegung der Schichten, in der Entstehung 
von Schmitzen und Linsen grobkörnigen Kalkes innerhalb einer fein- 
körnigen Gesteinsmasse, in krummschaliger Ablösung und in Spalten- 


[9] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. #77 


bildung. Endlich muß am Schlusse dieser Ausführungen erwähnt 
werden, daß im Kalksteine auch fremde silikatische Einlage- 
rungen gefunden wurden. 


Die nun vorzunehmenden speziellen petrographisch-mineralo- 
gischen Untersuchungen über den körnigen Kalk sollen nach folgenden 
Gesichtspunkten angeordnet werden: 


1. Die weiße Hauptmasse des Kalksteines ; 
2. der dunkle und gebänderte Kalkstein; 
3. der Pyroxen- und Glimmerkalkstein ; 

4. silikatische Einlagerungen im Kalkstein. 


1. Die weisse Hauptmasse des Kalksteines. 


Der Kalkstein gibt sich unter dem Mikroskop als ein Mosaik 
meist unregelmäßig eckig oder rundlich aneinanderstoßender Caleit- 
körner zu erkennen, die in grobkörnigen Lagen bis 4 mm breit werden. 
Doch wurden auch — freilich selten und nur in grobspätigen Varie- 
täten — kristallographisch begrenzte Kalkspate gefunden. S 

Die weitverbreitete Zwillingsbildung nach —!/; R (0112) 
ist entweder einfach oder findet nach zwei und — wie Horizontal- 
schnitte zeigen — auch nach allen drei Flächen dieses Rhomboeders 
statt. Die Lamellen sind oft sehr ungleich entwickelt, und während 
die einen das ganze Calcitkorn durchsetzen, brechen andere im Innern 
desselben plötzlich ab. Es scheint ein Zusammenhang einerseits 
zwischen der Dichte der Zwillingsstreifung oder der Zahl der Lamellen 
auf derselben Schnittfläche und andererseits der Zahl der ausgebildeten 
Zwillingssysteme zu bestehen, und zwar derart, daß sich meist nur 
ein System entwickelt hat, wenn die Lamellierung sehr dicht ist‘), 
während bei einer Verzwillingung nach zwei oder gar nach den drei 
Flächen von —!/; R die einzelnen Systeme meist viel weniger 
Lamellen aufweisen als im ersteren Falle. Ein einfach verzwillingter 
Caleit von 0'8 mm Breite zeigte zum Beispiel 60—70, ein anderer, 
doppelt gestreift und 1'2 mm breit, dagegen in der einen Richtung 
nur 14, in der anderen gar bloß drei Lamellen, und die drei Systeme 
eines horizontal geschnittenen und 1'’3 mm breiten Kornes waren mit 
45, 29 und 18 Lamellen vertreten. Einige Male wurde beobachtet, 
daß breitere Zwillingsbänder in ihrem Innern noch einmal dicht ver- 
zwillingt waren. Diese Zwillingstreifung zweiter Ordnung 
kann, da sie bloß in Präparaten gefunden wurde, die auch sonst 
Pressungserscheinungen zeigten, jedenfalls nur als eine Folge hohen 
Druckes aufgefaßt werden. Damit stimmt die Tatsache überein, daß 
F. Rinne derartige Zwillingsbildung zweiter Ordnung künstlich durch 
Anwendung starken Druckes erzeugt hat?). Während aber nach Rinne 


!) Damit soll aber nicht gesagt werden, daß das Vorhandensein nur eines 
Systems von Zwillingsbändern immer mit so dichter Lamellierung verbunden 
sein muß. 

2) F. Rinne, Beitrag zur Kenntnis der Umformung von Kalkspatkristallen und 
von Marmor unter allseitigem Druck. Neues Jahrb. f. Min. usw. 1903, Bd. 1. 169. 


Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (K. Richter.) 24 


178 K. Richter. [10] 


diese Erscheinung nur bei starker Vergrößerung sichtbar wird, konnte 
ich sie in den noch einmal lamellierten Zwillingsbändern, deren 
breitestes einen Durchmesser von 0'08 mm hatte, schon bei gewöhn- 
licher 7Ofacher Vergrößerung erkennen. — Doch gibt es auch Caleite 
ohne Zwillingslamellierung, die dann aber von Spaltrissen durch- 
setzt werden. Oft zeigt dasselbe Individuum jedoch Spaltbarkeit 
neben der Zwillingsbildung, und zwischen beiden Erscheinungen ist 
dann eine Beziehung insofern zu erkennen, als bei sehr großer Zahl 
der Spaltrisse in der Regel nur wenig oder gar keine Zwillingstreifen 
ausgebildet sind. Es sei.noch bemerkt, daß bei solchen Schnittlagen, 
bei denen man zwei ausgebildete Spaltsysteme erwarten sollte, viel- 
fach nur eines derselben entwickelt ist. 

Die infolge der hellen Färbung vermutete Homogenität der 
Hauptmasse des Kalkes ist, wie der in Säuren unlösliche Rückstand 
und die mikroskopische Untersuchung zeigen, in Wirklichkeit nicht 
vorhanden. Vielmehr ist auch in reinweißem Marmor dem Kalkspat 
immer eine Menge Mineralien untergeordnet. 

An erster Stelle unter ihnen steht, was Häufigkeit des Vor- 
kommens betrifft, ein aus Olivin hervorgegangener grüner bis gelblicher 
Serpentin. Der früher bedeutendere Serpentinreichtum hat im Laufe 
der Zeit, je mehr der Abbau in das Innere des Kalkkomplexes vordrang, 
immer mehr abgenommen, und schon Jok&ly bemerkt 1859: „Ophiol- 
artige Lager finden sich gegenwärtig seltener als sonst im Kalkstein“. 
(Soll wohl heißen „ophicaleitartige“ Lager.) — Im oberen Bruche (Öst- 
seite des Kalkberges) werden gelegentlich noch bis kopfgroße Serpentin- 
partien angebrochen. Sonst aber findet sich Serpentin nur noch in kleinen 
Nestern bis Faustgröße und in breiteren Bändern, schmalen Streifen 
und Adern, die mitunter der Streichrichtung des Kalkes parallel ver- 
laufen, ihn aber auch ganz unregelmäßig durchziehen. — Noch ser- 
pentinärmer ist zur Zeit der untere Bruch (Ostseite des Berges), und 
es scheint, als ob die unteren Kalkpartien an und für sich weniger 
Ophicaleit enthielten; denn Roth erwähnt schon 1867 das Vorkommen 
von Serpentin überhaupt nur für den oberen Bruch. Die Umrisse 
der abgerundeten, bis 3 mm großen Olivine, deren Umwandlung den 
Serpentin geliefert hat, sind unter dem Mikroskop oft noch zu er- 
kennen. Eisenerzausscheidung hat nicht stattgefunden. Als einziges 
Accessorium enthält der Serpentin grünlichen, schwach, aber deutlich 
pleochroitischen Muscovit. InZusammenhang mit dem Serpentin müssen 
die Bänder und Adern von grünem, seidenartig schimmerndem Chry- 
sotil erwähnt werden, die sowohl den Ophicaleit durchziehen, als auch 
unabhängig von ihm in serpentinfreien Kalkpartien gefunden werden. 
Die meisten durchsetzen ihr Nebengestein in allen möglichen Richtungen, 
nur wenige verlaufen parallel der Streichrichtung des Kalksteines. 
Die größte Breite der Chrysotilschnüre, deren parallele, optisch posi- 
tive Fasern senkrecht auf der Längserstreckung des Bandes stehen, 
betrug 2 cm. Mitunter besteht ein Chrysotilstrang aus mehreren Lagen; 
zum Beispiel wurde ein 1'5 cm breites, aus drei Faserschichten ZU- 
sammengesetztes Vorkommnis gefunden. 

Früher ist, entsprechend dem größeren Serpentinreichtum, nach 
Aussage der Arbeiter auch der Chrysotil, von ihnen als „Faserstein“ 


[11] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 179 


bezeichnet, häufiger vorgekommen als jetzt. Damit stimmt folgende 
Angabe Menzels überein: „Dieser Ophicaleit ist oft von Schnüren 
des gemeinen Asbest durchzogen.* Krejöi berichtet, daß der Chry- 
sotil einzelne Kalksteinbänke voneinander getrennt habe. 

Abgesehen von den Olivinanhäufungen, welche zur Entstehung von 
kompaktem Serpentin geführt haben, kommen auch kleine Schwärme 
von vereinzelten Olivinen vor, die in grobkörnigem Kalk bis 
3 mm groß werden!). Die größeren sind immer länglich oval gestaltet, 
die kleineren aber auch automorph ausgebildet; zum Beispiel wurden 
regelmäßige Schnitte nach dem Makropinakoid (100) beobachtet. Man 
trifft in demselben Schliffe die Olivine in allen Stadien der Serpentin- 
bildung an, von ganz frischen und solchen, die eben erst mit Eisenerz- 
ausscheidung begonnen haben, bis zu vollständig umgewandelten, welche 
die für die Olivinserpentinisierung charakteristische Maschenstruktur 
sehr schön zeigen. Wie ungleich die Olivine selbst auf so engem Raume 
zusammengesetzt sein können, beweist der Umstand, daß, während die 
meisten bei ihrer Umwandlung am Rande und im Innern sehr viel 
Eisenverbindungen ausgeschieden haben, andere Serpentinschnitte in 
demselben Präparat nichteine Spur davon aufweisen. Mancher Olivin- 
schnitt zeigt außer Serpentin, Eisenerz und frischen Oilivinkernen noch 
Caleit. In feinerkörnigem Kalkstein werden bisweilen runde und 
wasserhelle, stets frische Olivine von 0'15 mm Maximalgröße gefunden. 

Mit dem aus vereinzelten Olivinen entstandenen Serpentin ist 
nicht selten eine unregelmäßig gestaltete farblose Hornblende mit Spalt- 
barkeit und Querabsonderung, Tremolit, verwachsen. Es würde nahe 
liegen, sie als Neubildungsprodukt bei der Serpentinisierung aufzu- 
fassen, wenn sie nicht auch neben Olivin und Serpentin noch isoliert 
vorkäme. Deshalb ist wohl nur an eine primäre Verwachsung mit 
Olivin zu denken. Der Tremolit zeigt seinerseits an den Rändern und 
den Rissen der. Querabsonderung ebenfalls Serpentinbildung, die aber 
nie so weit wie beim Olivin vorgeschritten ist. — Außer in olivin- 
führendem Kalkstein ist Tremolit, dessen Maximalauslöschung 17° 
beträgt, auch sonst ein verbreiteter accessorischer Gemengteil. Er 
bildet dann jedoch zum Unterschiede von den eben besprochenen un- 
regelmäßig begrenzten Vorkommnissen immer in der Prismenzone gut 
entwickelte Säulen ohne terminale Flächen, die oft parallel gelagert 
sind, mitunter auch nesterartige Anhäufungen bilden und fast immer 
Querabsonderung und prismatische Spaltrisse aufweisen. Diese Tremolit- 
säulen schließen vielfach hellgrünliche, gerundete Körnchen, wahr- 
scheinlich Pyroxen, ein. — In diesem Zusammenhange soll ein anderes 
gleichfalls vielfach serpentinisiert vorliegendes Mineral erwähnt werden, 
der Chondrodit. Die gelbe Farbe und der Pleochroismus (Wechsel 
von gelb und farblos) charakterisieren seine runden, lebhaft polari- 
sierenden Körner gegenüber dem ebenfalls lebhaft polarisierenden 
Olivin sehr gut. Der Chondrodit, der bei seiner Umwandlung in Ser- 


!) Derartige Olivinschwärme sind wohl für A. Fritsch die Veranlassung 
gewesen, hier das Vorkommen eines Eozoon zu konstatieren, das sich vom kanadischen 
durch eine größere Ungleichheit in der Kammerung unterscheiden sollte und das er 
als Kozoon bohemicum bezeichnet hat. Fritsch trat mit Krej®&i für die organische 
Natur des Eozoon ein, während Roth sich für seine anorganische Natur entschied. 


24* 


180 K. Richter. [12] 


pentin Eisenerz ausgeschieden hat, wurde nur in feinkörnigem Kalk- 
stein beobachtet, in dem er zusammen mit farblosen Granatkörnern 
und feinstrahligen Glimmeraggregaten kleine nesterartige Anhäufungen 
bildete. 

Nicht selten kommt in breiten Schuppen und radialfaserigen Ag- 
gregaten ein farbloser Glimmer vor. Bei der optischen Untersuchung 
ergab sich die auffallende Tatsache, daß, während bei den bisher ge- 
prüften Glimmern c spitze negative Bisektrix ist, bei diesem sich c 
als spitze positive Bisektrix erwies. (Das heißt also c sehr angenähert 
= c.) Dieselbe weicht in einigen Fällen von der Vertikalachse bis 3° 
ab. Der Achsenwinkel des nach o P oft dicht zwillingslamellierten 
Glimmers beträgt 40—42°, | 

Quarz sitzt, doch nur in seltenen Fällen, im Kalkstein in 
kleinen Knollen bis über Nußgröße und mitunter als mikroskopische 
Füllmasse. Er ist aber kein häufiges Accessorium. Die Angabe von 
Menzel, nach welcher der Kalkstein unterhalb des Hangenden, das 
er als einen „Schiefer“ bezeichnet, „Quarzkörner bis zur Größe einer 
Erbse“ enthält, konnte nicht geprüft werden, da der Kontakt zwischen 
dem Kalksteine und dem geringen noch erhaltenen Reste der hangenden 
Gesteine nicht mehr zugänglich war. — Noch seltener erscheinen ein 
makroskcpisch grüner, mikroskopisch aber nur äußerst schwach grün- 
licher und nicht pleochroitischer Chlorit, kleine eckige Körnchen von 
grünem Spinell, runde gelbliche Titanite und lavendelblau polari- 
sierende Zoisitkörner. — Von Erzen sind vertreten: Magnetkies, 
Pyrit und Magnetit, die sich gelegentlich alle drei in demselben 
Schliffe vorfinden, von denen aber nur der Magnetit kristallographische 
Ausbildung besitzt. In bezug auf Häufigkeit steht Magnetkies an erster 
Stelle. Er bildet mit Pyrit nicht selten Verwachsungen, und zwar sind 
beide entweder randlich aneinandergelagert, oder der Pyrit wird all- 
seitig von Magnetkies eingeschlossen. Der letztere ist, entweder ein- 
gesprengt oder als Spaltenmineral, vielfach schon makroskopisch zu 
erkennen. Nach Menzel, der — freilich selten erscheinende — 
Kalkpartien „mit eingesprengtem Schwefelkies* erwähnt, gehört auch 
der Pyrit zu den makroskopischen Accessorien des Kalksteines. 

Endlich muß — zugleich in Beziehung auf die chemischen Ver- 
hältnisse des Kalksteines — noch auf den Dolomit eingegangen 
werden, der besonders, allerdings in sehr wechselnden Mengenver- 
hältnissen, den feinkörnigen Schichten eigen ist, so daß also in diesen 
Fällen dolomitischer Kalkstein vorliegt, dessen Dolomit in vereinzelten 
Individuen und in Aggregaten erscheint. Bei der mikroskopischen Unter- 
suchung dieses feinkörnigen dolomitischen Kalksteines ließen sich vier 
Unterschiede zwischen Dolomit und Caleit konstatieren. 

a) Den Dolomitindividuen fehlen meist Spaltrisse und fast regel- 
mäßig Zwillingslamellen. Sind Spaltrisse — dann aber immer nur in 
ganz geringer Zahl — vorhanden, so ist gewöhnlich nur ein System 
derselben entwickelt. Dasselbe gilt von den sehr viel seltener zu be- 
obachtenden Zwillingsstreifen. Der Kalkspat dagegen besitzt stets be- 
deutend mehr Spaltrisse und Zwillingsbänder. 

b) Die Dolomitindividuen lassen mehr oder weniger deutlich die 
Tendenz erkennen, ihre äußere kristallographische Gestalt zur Aus- 


[13] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 181 


bildung zu bringen, während die Oaleite stets ganz regellose Umrisse 
haben und nie die geringste Andeutung einer gesetzmäßigen Begrenzung 
aufweisen. Es kommt also hier der zuerst von Renard!) betonte, 
dann auch von Vogt?) erwähnte Gegensatz, daß die Dolomite im all- 
gemeinen besser rhomboedrisch konturiert seien als die Calecite, sehr 
deutlich zur Geltung. 

c) Die Dolomite sind — in demselben Schliffe — meist annähernd 
von gleicher Größe, und so veranlassen sie im Verein mit ihrem Be- 
streben nach kristallographischer Umgrenzung eine deutliche zucker- 
körnige Struktur in solchen Partien des dolomitischen Kalksteines, 
in denen sie gegenüber den Kalkspaten vorwiegen. Letztere wechseln 
dagegen — auch in demselben Präparat — in ihrer Größe viel 
mehr und sind gewöhnlich viel größer als die Dolomite, welche nie 
die Größe der Caleitkörner erreichen. 

d) Der Kalkspat des dolomitischen Kalksteines ist meist durch 
massenhaft eingelagerte staubartige Interpositionen grau getrübt; der 
Dolomit aber, im Vergleich zu ersterem immer nur äußerst schwach 
verunreinigt, erscheint ganz hell. Dieser Farbengegensatz erleichtert 
sehr die Unterscheidung beider Mineralien. Daß die hellen, unge- 
trübten Schnitte tatsächlich Dolomit waren, ergab die bekannte 
Lemberg’sche Reaktion, nämlich die Behandlung eines Präparates mit 
Fe,Cl, und die nachfolgende Färbung mit (NA,) 5; denn während 
sich die grauen Caleite mit einer dichten Schicht von schwarzem 
Eisensulfid bedeckt hatten, waren die farblosen Stellen völlig unange- 
sriffen geblieben und erwiesen sich eben durch dieses Verhalten als 
Dolomit. Die in dieser Weise behandelten Schliffe geben zugleich 
eine sehr gute Vorstellung von der ungleichen Beteiligung des Dolo- 
mites und Kalkspates an der Zusammensetzung verschiedener Schichten 
des dolomitischen Kalkes. Vielfach bildet der Dolomit in größeren 
Kalkspatkörnern Einschlüsse, mitunter oval bis fast kreisrund ge- 
staltet, und auch in diesem Falle kommt der vorhin erwähnte Farben- 
gegensatz zum Ausdruck, der auf den ersten Blick eine Unterscheidung 
beider Mineralien ermöglicht. 

Wurden Schliffe von grobkörnigem Gesteine der Lemberg’schen 
Reaktion unterworfen, so blieben entweder gar keine oder nur wenige 
und geringfügige Stellen ungefärbt, woraus folgt, daß der grobspätige 
Kalk ein fast reines Caleiumkarbonatgestein ist. Da grobkörnige Kalk- 
schichten unmittelbar mit feinerkörnigen Lagen von dolomitischem 
Kalkstein wechsellagern, so ist die Annahme, letztere könnten etwa 
aus ersteren ihre Entstehung genommen haben, hier wohl ausge- 
schlossen. 

Diese abwechselnde Beteiligung des Dolomites in den fein- und 
grobkörnigen Schichten bedingt eine große Verschiedenheit des Kalk- 
steines in chemischer Hinsicht, um so mehr, als natürlich der Dolomit- 
gehalt in den verschiedenen feinkörnigen Lagen selbst wieder 
Schwankungen zeigt. Daraus folgt, daß sich allgemein gültige Angaben 
über die Beteiligung des kohlensauren Kalkes und der kohlensauren 


!) Renard, Bull. de l’acad. r. de Belgique. 1879. 541. 
2) Vogt, Salten vog Ranen. Kristiania. 1891. 211. 


182 RT; K. Richter. [14] 


Magnesia gar nicht machen lassen. Als Beweis für die große Ver- 
schiedenartigkeit der chemischen Zusammensetzung des Kalksteines 
seien aber wenigstens einige der älteren vorliegenden Analysen ange: 
geben. Analyse I, von Rammelsberg, findet sich in Roth’s 
„Erläuterungen“. Die Analysen II und III, von Hoffmann, finden 
sich mit noch anderen in dem in der Literaturangabe angeführten 
Bande des Archivs der naturwissenschaftlichen Landesdurchforschung 
von Böhmen. II bezieht sich nach Hoffmann auf einen „graulich- 
weißen und schwarz geäderten Kalkstein“, III auf einen „graulich- 
weißen feinkörnigen, durchscheinenden Doiomit“. 


T II LI 
040057. „2.0081. C0O OUTLET: A 
Mg9CO, : . . 2452 MgCO; . . 4708. Mg0O,.. . 20420 
76,0, . . . 024 Rückstand 2552. 720: ALOE 
ae ee, Mückstand ‚mem 
10063 100'132 9,0 0 Magens 
99-3870 


Wechsellagernd mit den Kalkschichten treten auch Schichten 
von reinem Normaldolomit auf (vgl. Analyse III), in welchem den 
Dolomitindividuen verschwindend wenige Calcitkörner beigemenst sind, 
die in manchen Schliffen sogar ganz fehlen. Ehemalige Spalten im 
Dolomit sind immer mit einem gröberkörnigen Aggregat von Kalkspat- 
individuen ausgefüllt, die sich von den kleineren Dolomitkörnern ohne 
weiteres durch ihre zahlreicheren Spaltrisse und besonders durch ihre 
Zwillingslamellen unterscheiden lassen. 

Außer den besprochenen Mineralien enthalten die Calecite oft 
einen dunklen Staub, mit dessen winzigen, nicht näher bestimm- 
baren Körnchen sie mitunter so vollgestopft sind, daß ihre Polarisations- 
farben verdeckt werden. Derartige Calcite haben meist weder Zwillings- 
lamellen noch Spaltrisse entwickelt. Wenn aber, wie vielfach beob- 
achtet wurde, am Rande die fremden Substanzen fehlen, so sind hier 
Spaltrisse entstanden, die jedoch vor der Verunreinigung plötzlich 
abbrechen. In anderen Fällen besitzt nur das Innere eines Kalkspates 
mit dunklem Staub erfüllte Partien, die ebenfalls nicht von den 
Spaltrissen durchsetzt werden. Doch kommen auch anderseits Fälle 
vor, wo in einem sonst schwach durchstäubten und von Spaltrissen 
durchzogenen Caleitkorn sich die staubartigen Interpositionen parallel 
den Spaltrissen besonders dicht eingelagert finden. Vielfach enthält 
der Kalkspat außerordentlich zahlreiche Flüssigkeitseinschlüsse, in 
denen nicht selten bewegliche Libellen beobachtet werden. 

Mechanische Deformationen zeigen sich in Verbiegungen 
der Zwillingslamellen der Kalkspate, die auch oft undulös auslöschen. 
Ebenfalls sind die Tremolitsäulen und Glimmerleisten vielfach gebogen. 
An besonders dynamisch beeinflußten Stellen sind die Kalkspate mit- 
unter zu einem feinpulverigen Grus zermalmt worden. 

Hauptergebnisse: 1. Die weiße Hauptmasse des Kalk- 
steines besteht aus wechsellagernden Schichten eines grobkörnigen, ent- 


[15] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 183 


weder dolomitfreien oder sehr dolomitarmen Kalkes und eines fein- 
körnigen dolomitischen Kalksteines mit sehr wechselndem Dolomit- 
gehalt. Untergeordnet treten auch Lagen von Normaldolomit auf. 

2. In diesen Gesteinsschichten wurden außer Kalkspat und 
Dolomit folgende Mineralien gefunden: Olivin, daraus entstandener 
Serpentin, Muscovit, Chrysotil, Tremolit, Chondrodit, farbloser Granat, 
optisch positiver und farbloser Glimmer, Quarz, Chlorit, Spinell, Titanit, 
Zoisit, Magnetkies, Pyrit, Magnetit. 

3. Von diesen Accessorien sind Serpentin, Chrysotil, Olivin, 
Quarz, Chlorit, Magnetkies und Pyrit schon makroskopisch erkennbar. 

4. Vollständig automorphe Ausbildung besitzen unter den Acces- 
sorien nur bisweilen Olivin und Magnetit. 

5. Dolomit und Kalkspat des “dolomitischen Kalksteines unter- 
scheiden sich in bezug auf Zwillingsstreifung und Spaltbarkeit, kristallo- 
graphische Ausbildung, Größe und Färbung. 


2. Der dunkle und gebänderte Kalkstein. 


Der dunkle Kalkstein von der Südostecke des oberen Bruches ver- 
dankt seine Färbung einem reichlich eingelagerten Fisenerz, das in 
srößeren Körnern und feinen Stäubchen in ihm erscheint. Er ist ein fein- 
körniger, dolomitischer Kalkstein und enthält außer Serpentin und 
dem optisch positiven Glimmer keine Accessorien. Der Serpentin ist 
hier das Umwandlungsprodukt einer Hornblende, deren Querabsonderung 
manchmal gut erkennbar ist, und vielleicht ist das diese Kalkvarietät 
färbende Eisenerz als sekundäres Produkt der Hornblendeserpentini- 
sierung aufzufassen. Der dunkle Kalkstein ist von einem dichten Netz 
weißer Adern durchzogen, die aus gröberkörnigem Oaleit bestehen und 
die natürlich als durch Pressung entstandene und wieder ausgefüllte 
Risse aufzufassen sind. Der Umstand, daß die länglichen Serpentin- 
partien und die Glimmerleisten alle parallel eingestellt sind, ist hier 
jedenfalls auch auf dynamische Einwirkung zurückzuführen. Eben- 
falls feinkörnig ist der dunkle, in sehr hohem Grade dolomitische 
Kalkstein (beinahe reiner Normaldolomit', der in der Mitte des oberen 
Bruches die erwähnte 2 m mächtige Bank bildete. Da das schwarze, 
ihn färbende Pigment, wahrscheinlich eine kohlige Substanz — da 
das Gestein sich schon nach kürzerem Glühen entfärbte — aber 
hier nur spärlich in staubfeiner Verteilung auftritt, so erscheint er 
etwas. heller als die vorige dunkle Varietät. Auch er kennzeichnet 
sich durch Accessorienarmut, indem er nur spärlich verbreitete 
Quarzkörnchen und Glimmerschüppchen besitzt. Druckerschei- 
nungen zeigt er nicht. 

Von den nun zu besprechenden gebänderten Varietäten 
wurden die schwarz gestreiften häufiger als die grün gestreiften 
gefunden. In ihrer mineralogischen Zusammensetzung zeigen die 
schwarzen und grünen Bänder eine Reihe von Verschiedenheiten. 
Nur das Vorkommen von Olivin, respektive von daraus entstandenem 
Serpentin ist allen gemeinsam. 

.Die bis 3 cm breiten schwarzen Streifen erhalten in der 
Hauptsache durch die bei der Serpentinisierung des Olivins. ausge- 


184 K. Richter. [16] 


schiedenen Eisenverbindungen ihre Farbe, an der sich in geringem 
Maße auch kohliges Pigment beteiligt. Sie sind entweder pyroxen- 
haltig oder pyroxenfrei. Der Hauptbestandteil der Bänder 
der letzteren Gruppe ist Olivin-Serpentin, und die Menge der 
Olivine, respektive der Serpentinvorkommnisse ist oft erstaunlich. 
Es wurden zum Beispiel in einem Gesichtsfelde von 0:3 mm Durch- 
messer gegen 30 Olivine von 008 mm mittlerer Größe gezählt. 
Vollständig frische Olivine liegen vielfach neben gänzlich serpen- 
tinisierten. Meist erscheinen sie in abgerundeten, mitunter ovalen 
und fast kreisrunden Durchschnitten; doch wurden auch automorphe 
gefunden. Auffallend ist es, daß nicht wenige der Olivine bei ihrer 
Serpentinisierung keine Spur von Eisenerz ausgeschieden haben, 
während die meisten Serpentinpartien entweder einen dunklen eisen- 
haltigen Rand besitzen oder im Innern eine Anhäufung solcher Sub- 
stanz zeigen. Nächst Olivinserpentin ist der Glimmer mit der 
abweichenden optischen Orientierung der zweithäufigste Gemensteil 
der pyroxenfreien dunklen Bänder, an deren Zusammensetzung dann 
noch untergeordnet Magnetkies, Pyrit, Zirkon und farblose 
Granatkörner teilnehmen. 

In den pyroxenführenden Bändern treten Olivin und Serpentin 
weit zurück gegen einen vorherrschenden farblosen Pyroxen, 
der immer nur unregelmäßige Körner und längere spindelförmige 
Individuen bildet. An letzteren, die Querabsonderung und Spalt- 
barkeit besitzen, wurde eine Auslöschung von 36—43° gemessen. 
Dieses Verhalten, sowie die Farblosigkeit gestatten wohl, den Pyroxen 
als Glied der Diopsid-Malakolithgruppe zu deuten. Auch hier ist 
der optisch abweichend orientierte Glimmer der zweithäufigste 
Bestandteil. Daneben kommt aber noch zweifelloser Muscovit 
vor, der sich durch die ihm eigene optische Orientierung (c=a) 
von jenem Glimmer sicher unterscheiden läßt. Die naheliegende 
Vermutung, daß die Pyroxenspindeln und Glimmersäulen mit ihrer 
Längserstreckung parallel der Streichrichtung der Bänderung einge- 
stellt seien, trifft nicht zu; sie sind vielmehr ganz regellos angeordnet. 
Granat fehlte den pyroxenhaltigen Streifen, wohl aber fanden sich 
in geringer Verbreitung Magnetkies, Apatit und Titanit- 
körnchen vor. 

Die seltener vorkommenden schmutziggrünen Bänder, bis 
4 cm breit, enthalten als Hauptgemengteil ebenfalls Olivin, der 
gelegentlich noch frisch, meist aber völlig serpentinisiert ist. Der 
Serpentin zeigt zum Unterschiede von demjenigen der schwarzen 
Bänder weder am Rande noch im Innern Eisengehalt. Die grünen 
Bänder gliedern sich in eine glimmerführende und eine glimmer- 
freie Gruppe. Zum Olivinserpentin und Glimmer gesellen sich in 
den Bändern der ersteren Gruppe noch farbloser Granat und 
Magnetkies, während die glimmerfreien Bänder noch Granat, 
Magnetit und sechsseitige Täfelchen und Körner von Eisenglanz 
besitzen. 

Es scheint geboten, die Bänder nach ihrem Mineralgehalt noch 
einmal übersichtlich zu gruppieren, wobei die Reihenfolge der Mine- 
ralien zugleich ihr Mengenverhältnis bezeichnen soll. 


[17] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 185 


1. Schwarze Bänder. 


a) Pyroxenfrei: Olivin-Serpentin, optisch positiver Glimmer, 
Maenetkies, Granat, Pyrit, Zirkon, kohlige Substanz. 

b)Pyroxenhaltig: Pyroxen, optisch positiver Glimmer, Olivin- 
Serpentin, Magnetkies, Muscovit, Apatit, Titanit, kohlige Substanz. 


2. Grüne Bänder. 


a) Glimmerfrei: Olivin-Serpentin, Magneteisen, Eisenglanz, 
Granat. 

b) Glimmerhaltig: Olivin-Serpentin, positiver Glimmer, Magnet- 
kies, Granat. 


3. Der Pyroxen- und Glimmerkalkstein. 


Der Pyroxen, dem der nur im unteren Bruche !) gefundene 
grüne Pyroxenkalk seine Färbung verdankt, erscheint unter dem 
Mikroskop meist noch blaßgrünlich und ist dann bisweilen schwach 
pleochroitisch, oder er ist fast farblos. Kristallographische Begrenzung 
zeigt er nicht einmal andeutungsweise. Vorherrschend sind kleine 
abgerundete und eckige Körner, die in und zwischen den Caleiten 
liegen; nur untergeordnet treten auch größere Individuen mit Quer- 
absonderung und einer allerdings meist schlecht ausgebildeten Spalt- 
barkeit auf, weshalb auch in Querschnitten die charakteristische 
Pyroxenspaltbarkeit nicht häufig gefunden wird. Wie es scheint, kommt 
außer der vorwaltenden prismatischen Spaltbarkeit auch eine solche 
nach den vertikalen Pinakoiden vor, welche die Tatsache erklären 
würde, daß einige Horizontalschnitte parallel ihren rechtwinkligen 
Spaltrissen auslöschten. Durch die zwischen 36° und 45° schwankende 
Auslöschung, sowie durch sein schwach grünliches bis farbloses Aus- 
sehen beweist dieser Pyroxen seine Zugehörigkeit zur Diopsid- 
Malakolithreihe. 

Während der Pyroxenkalk im Handstück ganz.homogen erscheint, 
erkennt man in manchen Präparaten desselben schon makroskopisch 
parallel verlaufende, bis 2 mm breite graue Streifen und bis 
3 mm große graue Partien, die beide ebenfalls aus einer An- 
häufung von vorwiegendem Pyroxen bestehen, der zwar mit dem 
vorhin beschriebenen identisch ist, sich aber von ihm durch seine 
Verunreinigung mit einer nicht näher bestimmbaren staubähnlichen 
Substanz unterscheidet. Ein ungestreifter Feldspat, der hier 
zum erstenmal zu erwähnen ist, bildet die Füllmasse zwischen dem 
Pyroxen dieser grauen Partien und Streifen, an deren Zusammen- 
setzung dann noch Zirkonkörnchen und abgerundete gelblich- 
graue Titanite teilnehmen. Letzteres Mineral erscheint — aber 
selten — auch in schwach pleochroitischen rhombischen Schnitten. 
Zweimal wurden im Pyroxenkalk dunkle Mineralanhäufungen 


!) Zur Zeit ist alierdings infolge des Abbaues von dieser Varietät nichts 
mehr ersichtlich. Daß sie aber auch schon in früheren Abbauperioden vorge- 
kommen ist, beweist ein an einer jetzt verlassenen Stelle des Bruches gefundener 
Block von Pyroxenkalk, 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (K. Richter.) 25 


186 K. Richter. [18] 


von 3—5 cm Durchmesser gefunden. Bei der Untersuchung zeigte 
sich, daß große Lappen und kleine Körnchen von Magnetkies, der 
sonst dieser Varietät fehlt, sowie kräftig pleochroitischer Biotit, 
der in den bisher besprochenen Kalkvarietäten überhaupt nicht 
vorhanden ist, die Ursachen für die Färbung dieser Vorkommnisse 
sind, als deren weitere Hauptbestandteile sich der schon erwähnte 
Pyroxen und Feldspat vorfinden. Auch Titanit ist wieder 
beteiligt. Ferner ist ein ziemlich häufiger Gemengteil dieser dunklen 
Mineralkombinationen ein farbloses, stets nur unregelmäßig begrenztes 
Mineral, das sich durch seine anomalen Interferenzfarben (Wechsel 
von „zitronengelb und preußischblau*), sowie durch seine schiefe 
Auslöschung gegen die Spaltrisse als der Klinozoisit Weinschenk’s 
zu erkennen gibt!). Derselbe bildet in Caleit und Pyroxen auch 
Einschlüsse. Endlich treten hier noch kleine farblose Epidotkörner 
auf, durch ihre lebhaften Polarisationsfarben von den weniger lebhaft 
polarisierenden farblosen Pyroxenen gut zu unterscheiden. 

Im Gegensatz zu dem eben behandelten grünen Pyroxenkalk 
wurde der gelbliche Glimmerkalk nur im oberen Bruche beob- 
achtet. Der reichlich verbreitete Glimmer, dem er sein Aussehen 
verdankt, ist bisweilen auch zu 1—2 cm breiten Lagen augehäuft. 
Ferner zeigt diese Kalkvarietät schmale schmutziggrüne Lagen, die 
aus einem vorherrschenden Pyroxen bestehen. Der Glimmer ist jeden- 
falls der für körnige Kalksteine typische Phlogopit. Er besitzt 
auch unter dem Mikroskop eine gelbliche Farbe, die in Horizontal- 
schnitten etwas dunkler ist als in Vertikalschnitten. Letztere, mit 
feinen Spaltrissen versehen und immer gerade auslöschend, sind 
schwach, aber doch deutlich pleochroitisch. Durch diesen Pleochrois- 
mus, sowie durch seine makroskopisch und mikroskopisch gelbe 
Farbe ist der Phlogopit mit aller Bestimmtheit sowohl von dem stets 
bedeutend dunkleren und viel kräftiger pleochroitischen Biotit als 
auch von Muscovit zu unterscheiden. Nur selten ist er fast farblos. 
Von den lagenweisen Anhäufungen abgesehen bildet dieser Glimmer 
meist eine strähnige Zwischenklemmungsmasse zwischen den Kalk- 
spatkörnern, doch auch Einschlüsse in ihnen. Um eingelagerte Pyroxene 
und Zirkone erscheinen in seinen Horizontalschnitten sehr häufig 
zitronengelbe pleochroitische Höfe. Der Phlogopit enthält zahlreiche 
sechsseitige isotrope Querschnitte und niedrig polarisierende, optisch 
negative, gerade auslöschende und mit Querabsonderung versehene 
Vertikalschnitte eines farblosen Minerals, das nur als Apatit gedeutet, 
werden kann. Daß derselbe hier nicht so grell hervortritt wie in 
anderen Vorkommnissen, beruht auf der ziemlich geringen Differenz 
zwischen seinem mittleren Brechungsexponenten und demjenigen des 
Phlogopits. 

Der mikroskopisch stets farblose Pyroxen stimmt in bezug 
auf Ausbildung, Spaltbarkeit, Querabsonderung und Auslöschung mit 
dem des Pyroxenkalkes überein, von dem er sich nur dadurch unter- 


!) Weinschenk, Die gesteinsbildenden Mineralien, pag. 83. Freiburg im 
Breisgau 1901. Ferner von demselben Verfasser die Abhandlung: „Über Epidot 
und Zoisit“ in der Zeitschrift für Kristallographie, 26. Bd., 1896. 161, 166. 


[19] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 187 


scheidet, daß er auch oft parallel angeordnete, längere spindel- 
förmige Individuen bildet. Er ist, vergesellschaftet mit Glimmer 
und ungestreiftem Feldspat, der Hauptbestandteil der schmutzig- 
grünen Lagen, fehlt aber auch den Glimmerlagen und den übrigen 
Partien nicht. Nicht selten finden sich kleinere und größere Quarz- 
partien, die stets aus einer großen Zahl außerordentlich kleiner 
Quarzindividuen zusammengesetzt sind, welche immer geradlinig- 
polygonal, sehr oft vollkommen sechsseitig, aneinander stoßen und 
so eine vorzüglich ausgeprägte Pflasterstruktur bedingen. Lokal 
erscheinen mitunter förmliche Schwärme von gelblichgrauen Titanit- 
körnchen, denen gegenüber die verstreut vorkommenden hellen, 
mit bestimmteren hohen Farben polarisierenden Zirkone sehr zurück- 
treten. Von Erzen sind Pyrit und vorwiegender Magnetkies 
vorhanden. Wie schon in der Hauptmasse des Kalksteines lassen 
sich auch hier randliche Verwachsungen beider und allseitige Um- 
wachsungen des ersteren durch letzteren konstatieren. Der Magnet- 
kies verdient deshalb noch besonders hervorgehoben zu werden, weil 
er nicht nur wie Pyrit lappige Vorkommnisse bildet, sondern auch 
in Individuen mit einigen Kristallflächen und sogar, wie sechsseitige 
Umrisse beweisen, in rundum entwickelten Kristallen zu 
finden ist. Bevor Dathe nachgewiesen hatte, daß der Magnetkies 
des sächsischen Pyroxengranulits einzelne Kristallflächen ausgebildet 
habe, glaubte man dagegen, er käme gesteinsbildend überhaupt nur 
derb vor !). — Die in der grünen und gelben Kalkvarietät dem Caleit 
untergeordneten Mineralien sollen nun noch in einer ihr Mengen- 
verhältnis bezeichnenden Reihenfolge gruppiert werden. 


1. Pyroxenkalk: Blaßgrüner Pyroxen, Feldspat, Magnetkies, 
Biotit, Klinozoisit, Epidot, Titanit, Zirkon. 

2.Glimmerkalk: Phlogopit, farbloser Pyroxen, Apatit, Magnet- 
kies, Pyrit, Quarz, Feldspat, Titanit, Zirkon. 


4. Silikatische Einlagerungen im Kalkstein. 


Es wurde je eine Einlagerung im oberen und im unteren Bruche 
gefunden. Diejenige des oberen Bruches, an dessen Nordostausgang 
auftretend, besitzt, wenigstens gegenwärtig, von beiden die größere 
Mächtigkeit (3—4 m). Da sie nur zum Teil erhalten und außerdem 
von den dynamischen Einwirkungen, welche ja gerade an der Nord- 
ostecke des oberen Bruches besonders bemerklich sind, stark betroffen 
worden ist, so läßt sich jetzt nicht mehr feststellen, ob sie eine dem 
Kalkstein konkordant untergeordnete Linse oder eine derartige Bank 
gebildet hat. Diese Einlagerung besitzt keine einheitliche Zusammen- 
setzung, besteht vielmehr aus miteinander wechsellagernden, bis 4 cm 
mächtigen rotbraunen und bis 3 cm mächtigen grünen Lagen. Erstere 
erhalter ihr Aussehen durch sehr reichlich eingelagerten Biotit (glimmer- 
reiche Lagen oder kurz Glimmerlagen), letztere durch Pyroxen und 
einen grünen Amphibol (pyroxenreiche Lagen oder kurz Pyroxenlagen). 


!) Zeitschr. d. Deutsch, geol. Ges. 1877, Bd. XXIX. 294. 
25* 


188 K. Richter, [20] 


Die Glimmerlagen zeichnen sich durch großen Mineral- 
reichtum aus. Ihre Hauptbestandteile sind eine durch Pressung meist 
außerordentlich beeinflußte Quarzmasse mit ganz fleckiger Aus- 
löschung, ein in einem Gewirr kleiner Schüppchen und feiner Flitterchen 
auftretender Biotit und strähnige Sericitpartien mit parallel 
angeordneten Schüppchen. Außerdem ist auch noch, gegenüber dem 
Biotit und Sericit allerdings zurücktretend, eigentlicher Muscovit 
vorhanden. Recht häufig erscheint in fast quadratischen Querschnitten 
und gedrungenen Vertikalschnitten ein farbloses, ziemlich stark licht- 
brechendes Mineral, das sich als optisch negativ erwies und von Säuren 
(auch HF) nicht angegriffen wurde: Andalusit. Außer den kurzen 
und dicken Längsschnitten, deren Länge sich zur Breite ungefähr 
wie 2:1 verhält, kommen — aber sehr vereinzelt — auch solche 
vor, deren Länge die Breite etwa um das Vierfache übertrifft. Sie 
sehen auf den ersten Blick Turmalinsäulen, die in geringer Verbreitung 
übrigens auch vorhanden sind, täuschend ähnlich, unterscheiden sich 
aber von ihnen durch feine Längsspaltrisse und durch den fehlenden 
Absorptionsgegensatz. Der Andalusit enthält zahlreiche Interpositionen: 
schwarze Körnchen (wahrscheinlich Magnetkies), runde Glimmer- 
schüppchen, Zirkonkriställchen und viele Flüssigkeitseinschlüsse. Letztere 
sind manchmal in geradlinigen Zügen parallel c eingelagert. — Von 
den bedeutenden dynamischen Einwirkungen, denen diese Einlagerung 
unterworfen gewesen ist, zeugt auch der Umstand, daß die Andalusit- 
säulen bisweilen zerbrochen sind. Zwischen den Bruchstücken hat 
sich dann entweder Caleit oder Plagioklas angesiedelt. Beide, 
auch sonst noch auftretend, haben sich in Spalten und Löchern ab- 
gesetzt und sind deshalb als sekundäre Produkte aufzufassen. 

Unter den reichlich vertretenen Erzen steht Magnetkies an 
erster Stelle. Er bildet hier, wie auch schon im Glimmerkalkstein, unregel- 
mäßige Körner, Individuen mit einzelnen Kristallflächen und vollständig 
begrenzte Kristalle, welche senkrecht auf die Basis sechsseitigen, 
parallel derselben vierseitigen Anblick darbieten. Dann aber zeigt er 
manchmal noch recht zusammengesetzte Wachstumsformen. (Fig. 2.) 
Isoliert und in Verbindung mit Magnetkies findet sich ferner ein 
metallglänzendes Erz von grauer Farbe, wahrscheinlich Arsenkies. 
Auch Kupferkies ist mit Magnetkies verwachsen. Er zeigt bei 
abgeblendetem Lichte einen deutlichen Stich in das Grünliche, der 
ihn von Pyrit unterscheidet. Auch Zinkblende kommt vor. Nach ihrem 
Mengenverhältnis sind die vier Erze in folgender Reihe anzuordnen: 
Magnetkies, Arsenkies, Kupferkies, Zinkblende. 

Außer den bisher angeführten Mineralien enthalten die Glimmer- 
lagen noch einen gelblichgrünen, offenbar aus Biotit entstandenen, fast 
gar nicht doppeltbrechenden Chiorit, Aggregate einer feinstrahligen 
farblosen Hornblende mit einer Auslöschung von 16%, Schwärme 
von Titanitkörnern, Zirkon, Korund, eckige Körnchen von 
grünem Spinell und vereinzelte Rutile. Manche Glimmerlagen 
aber führen sehr reichlich Rutil, der in längeren haarfeinen Nädelchen, 
kürzeren lichtgelben Säulchen, dunkelgelben bis braunroten Körnern 
und spindelförmigen. Individuen, ferner in Individuen mit gegabelten 
Enden auftritt. Auch vereinzelte Kniezwilinge wurden beobachtet. Alle 


[21] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen, 189 


die genannten Ausbildungsformen des Rutils erscheinen in demselben 
Präparat. 

Die Pyroxenlagen sind im Vergleich zu den Glimmerlagen 
mineralarm. Zunächst führen sie weder Biotit noch Muscovit, sind 
also gänzlich glimmerfrei; ferner fehlen ihnen die farblose Horn- 
blende, Spinell, Chlorit und Turmalin. Von den vier Erzen der dunklen 
Lagen enthalten sie nur wenig Magnetkies, und auch Andalusit 
tritt sehr zurück. Dagegen besitzen sie außer Quarz Pyroxen, einen 
grünen Amphibol und spärlichen Klinozoisit. — Der weitaus 
vorwiegende Pyroxen, unter dem Mikroskop farblos und stets äußerst 
verunreinigt, ist ein Glied der Diopsid-Malakolithgruppe mit der dieser 
zukommenden Auslöschung. Kristallographische Ausbildung fehlt ihm 
völlig. Die schmalen Amphibolsäulen müssen infolge ihrer blaßgrünen 
Farbe und ihres im Vergleich zur gemeinen grünen Hornblende schwachen 


Fig. 2. 


E 
D 


Kristalle und Wachstumsformen von Magnetkies. 
Vergrösserung: 100. 


Pleochroismus als eine dem Aktinolith nahe stehende Hornblende 
gedeutet werden. — Zusammenfassend läßt sich die in ihren minera- 
logischen Verhältnissen eben charakterisierte Einlagerung des oberen 
Bruches vielleicht bezeichnen als ein Gesteinskomplex, der aus 
wechsellagernden Schichten eines. erzreichen und andalusitführenden 
glimmerschieferähnlichen Gesteines und eines Horn- 
blende-Pyroxengesteines besteht. 

Auch die Einlagerung des unteren Bruches ist nur teilweise 
erhalten. Aus diesem Grunde und infolge des Umstandes, daß bekanntlich 
die Lagerungsverhältnisse in diesem Bruche infolge der vermutlichen 
Abrutschung große Störungen erfahren haben, von denen die Ein- 
lagerung in besonders hohem Grade betroffen worden ist, läßt sich 
nicht mehr entscheiden, ‚ob sie dem Kalksteine in Form einer Linse 
oder Bank eingeschaltet gewesen ist. Ihr dunkelschmutziggrünes, 
deutlich geschichtetes Material ist an den am meisten beeinflußten 


190 K. Richter. [22] 


Stellen so gepreßt, daß es fast erdig geworden ist und sich mit den 
Fingern zerreiben läßt. Andere Teile sind krummschalig gebogen und 
besitzen glatte und glänzende Harnische mit zahlreichen Friktions- 
linien. Verglichen mit der vorhin besprochenen Einlagerung des oberen 
Bruches fällt die jetzt in Rede stehende durch Mineralarmut auf. Unter 
dem Mikroskop charakterisiert sie sich als ein parallel struiertes Ge- 
menge von vorherrschendem Amphibol und Biotit. Ersterer ist 
auch hier eine feinstrahlige, nur in der Prismenzone entwickelte, dem 
Aktinolith verwandte Hornblende mit feinen Spaltrissen, die infolge 
einer reichlicheren Beimischung von Ca Fe Si, O5 auch im Schliff noch 
ein deutliches Blaßgrün, verbunden mit gut erkennbarem Pleochrois- 
mus, besitzt. Der lagenweise angehäufte, makroskopisch tiefschwarz 
glänzende Biotit erscheint unter dem Mikroskop mit dunkelbrauner, 
manchmal fast roter Farbe. Mit ihm zusammen tritt auf den Spaltflächen 
sehr reichlich Magnetkies auf, der zum Unterschied von seinem 
Vorkommen in der Einlagerung des oberen Bruches nie kristallographische 
Begrenzung hat und das einzige hier eingesprengte Erz ist. Auffallend 
ist der ganz außergewöhnliche Reichtum dieses Gesteines an Titanit, mit 
dessen bis O'15 mm großen Körnchen und spitzrhombischen Schnitten 
die Präparate förmlich übersät sind. Ferner sind noch untergeordnet 
vorhanden ein Plagioklas (vielleicht Albit) und Quarz. 

Es scheint geboten, diese Einlagerung, die nach ihren Haupt- 
gemengteilen als Biotit-Hornblendeschiefer zu bezeichnen ist, 
in bezug auf ihren Mineralgehalt mit derjenigen des oberen Bruches 
zu vergleichen. 

1. Einlagerung des oberen Bruches. 

a) Glimmerlagen: Quarz, Biotit, Serieit, Muscovit, Maguet- 
kies, Arsenkies, Kupferkies, Zinkblende, Andalusit, Chlorit, farblose 
Hornblende, Turmalin, Titanit, Zirkon, Spinell, Caleit, Plagioklas, 
Korund, Rutil. 

b) Pyroxenlagen: Pyroxen, Quarz, grüne Hornblende, Magnet- 
kies, Andalusit, Titanit, Klinozoisit, Zirkon, Caleit, Plagioklas. 

2. Einlagerung desunteren Bruches: Grüne Hornblende, 
Biotit, Magnetkies, Titanit, Plagioklas, Quarz. 

Krejdi erwähnt „Übergänge von Amphibolit in Serpentin“, die 
einzelne Kalksteinbänke voneinander trennen sollen, die aber zur Zeit 
nicht mehr beobachtet werden können. Auf sie verweisen jedoch 
aller Vermutung nach mehrfach gefundene Stücke eines schwarzen 
Serpentins, der sich bei mikroskopischer Untersuchung vorwiegend 
aus ungefähr parallel gelagerten, serpentinisierten Hornblendesäulchen 
zusammengesetzt erweist. Daß diese Säulchen tatsächlich einem ehe- 
maligen Amphibol angehören, beweisen die ebenfalls vorhandenen spitz- 
rhombischen Querschnitte. Die bei der Serpentinisierung massenhaft 
ausgeschiedenen Eisenverbindungen, die in staubfeiner Verteilung die 
Ränder der Hornblendeleisten umgeben, wodurch sich dieselben deutlich 
voneinander abgrenzen, die aber auch in größeren Körnern vorkommen, 
verleihen dem Gesteine seine schwarze Farbe. Außerdem enthält der 
Serpentin den schon mehrfach erwähnten optisch positiven Glimmer, 
Caleit, überraschend viel Apatit, dessen bis 0'2 mm lange Säulen eine 
sehr ausgesprochene Querabsonderung aufweisen, endlich zahlreiche 


[23] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 191 


unregelmäßige, stets isotrope Partien, die aller Wahrscheinlichkeit 
nach Opal sind. Es ist also ein glimmer- und apatitführender Horn- 
blendeschiefer erst serpentinisiert und dann teilweise opalisiert worden. 

Ferner wurden Bruchstücke eines dunkelflaschengrünen 
Serpentins gefunden, der weder Apatit noch Eisenverbindungen 
enthält. Er ist aus dicht aggregierten großen Individuen einer farb- 
losen Hornblende, Tremolit, entstanden, wie durch erst teilweise 
umgewandelte Vorkommnisse, die noch die amphibolische Auslöschung 
besitzen, mit aller Sicherheit bewiesen wird. Solcher eben in der 
Umwandlung begriffener Tremolit zeigt, daß die Serpentinisierung von 
den Sprüngen der Querabsonderung und den Spaltrissen aus gleich- 
zeitig vorschreitet, an den ersteren aber energischer ist. Da nun 
Spaltbarkeit und Querabsonderung ungefähr rechtwinklig aufeinander- 
stoßen, muß der Serpentin bei vollendeter Umwandlung der ehe- 
maligen Vertikalschnitte zwei Systeme sich rechtwinklig kreuzender 
Linien zeigen. Es entsteht also dieselbe Erscheinung, die man einst 
bloß für die Pyroxenserpentinisierung in Anspruch genommen und als 
Balkenstruktur bezeichnet hat. 

Die Entstehung von kompaktem Serpentin aus einem Amphibol- 
gestein sei hier deshalb noch ganz besonders betont, weil Weinschenk 
dieselbe leugnet und weil nach ihm scheinbar „Pyroxene und Amphibole 
nur dort von der Serpentinisierung mitergriffen worden, wo sie unter- 
geordnete Gemengteile von ursprünglichen Peridotiten waren, die der 
Umwandlung in Serpentin anheimgefallen sind !). Bei den im vorher- 
gehenden besprochenen Fällen von schwarzem und grünem Serpentin 
ist aber an ehemalige Peridotite absolut nicht zu denken, und Olivine, 
respektive deren Umwandlungsprodukte, sind nicht einmal accessorisch 
darin enthalten. Vielmehr verdanken sie ihre Entstehung zweifellosen 
Amphibolgesteinen, und so muß für diese Raspenauer Serpentinvor- 
kommnisse die Richtigkeit der folgenden Angabe Weinschenks ent- 
schieden in Abrede gestellt werden: „Jedenfalls dürfte sicher sein, daß 
ehemalige Pyroxen- oder Amphibolgesteine nicht zur Serpentinbildung 
Anlaß geben —“* usw. 

Außer den Übergängen von Amphibolit in Serpentin sollen nach 
Krejti auch „Streifen von rotem chloritischen Gneis und Phyllit“ 
Kalksteinbänke voneinander trennen. Nach den jetzt vorliegenden 
Abbauverhältnissen kann diese Angabe, die auch Katzer zitiert, 
ebenfalls nicht mehr bestätigt werden. Es ist aber wohl anzunehmen, 
daß zur Zeit, als Krejöi das Gebiet untersuchte, derartige Gesteine 
tatsächlich die angegebene Rolle gespielt haben; und da kommt jeden- 
falls der Teil des Ostabhanges des Kalkberges zwischen dem oberen 
und unteren Bruche in Betracht, auf dem einst eine Menge gegen- 
wärtig fast sämtlich zugeschütteter Brüche in Betrieb gewesen sind ?). 


!) Weinschenk. Die gesteinsbildenden Mineralien, 121. Freiburg im 
Breisgau, 1901. 

?) Wohl werden auch jetzt noch, aber nur auf den höheren Abhängen des 
Kalkberges, besonders in der Nähe des oberen Bruches, Stücke eines roten gneis- 
ähnlichen Gesteines gefunden; sie deuten aber auf einen ganz andern als den von 
Krej&i angeführten Zusammenhang und werden erst an späterer Stelle mit zu 
besprechen sein (Seite 209 [41]). 


192 R. Richter. [24] 


II. Die hangenden und liegenden Gesteine. 


Da, wie schon erwähnt, das Liegende des Kalksteines entweder 
nicht zugänglich oder abgebaut ist, hat sich dieser Teil der Arbeit 
in der Hauptsache auf die Betrachtung des besser, aber auch nur 
teilweise erhaltenen und ebenfalls nur unvollkommen zugänglichen 
Hangenden zu beschränken. 

Der ganze Komplex der hangenden Gesteine zerfällt in einige 
Gruppen. Seine unterste Partie, welche dem Kalksteine direkt auf- 
lagert, ist ein bereits in einem früheren Zusammenhange erwähntes 
dichtes, dunkelgrünes Pyroxengestein, das aus weitaus vorwiegendem 
Malakolith besteht und deshalb Malakolithfels genannt werden 
wird. Derselbe geht nach oben in einen dunkelgrünen Hornblende- 
schiefer über, welcher mehrfach mit Feldspatamphibolit 
wechsellagert. Wievielmal diese Wechsellagerung stattfindet, kann 
nicht festgestellt werden. Endlich ist an der Zusammensetzung dieses 
hangenden Gesteinskomplexes ein Chloritschiefer beteiligt, von 
dem aber nur eine einzige Schicht gefunden wurde. 


Es sind also nun zu betrachten: 


1. Der Malakolithfels, 
2. der Hornblendeschiefer, 
3. der Feldspatamphibolit, 
4. der Chloritschiefer. 


I. Der Malakolithfels. 


Der Malakolithfels bildet ein richtungslos struiertes Gemenge 
von Malakolithindividuen, die auch im Präparat noch ein deutliches 
Grün zeigen!). Sie sind meist in der Prismenzone entwickelt und 
besitzen zahlreiche prismatische Spaltrisse, wogegen Querabsonderung 
gewöhnlich fehlt. Mitunter ist der Malakolith auch sehr kleinkörnig und 
läßt dann weder prismatische Ausbildung noch Spaltbarkeit erkennen. 
Andernteils wurden auch divergentstrahlige Aggregate gefunden, die aus 
längeren Malakolithstengeln zusammengesetzt waren. Zwillingsbildung 
war nicht zu beobachten. Querschnitte und klinopinakoidale Schnitte 
des sehr lebhaft polarisierenden Pyroxens zeigen Pleochroismus, und 
zwar ist a gelb, b und c grün. Daraus folgt, daß Schnitte nach 
oFPmw keinen Farbenwechsel haben können. Die maximale Aus- 
löschungsschiefe erreicht 45°, die mittlere bewegt sich zwischen 38° 
und 40°, Mitunter ragen Malakolithe in Caleitpartien hinein, und 
dann haben sie vielfach terminale Flächen entwickelt. Diese Tatsache 
und die außerordentlich zahlreichen, oft mit beweglichen Libellen 
versehenen Flüssigkeitseinschlüsse des Oaleites berechtigen vielleicht 
zu der Annahme, daß letzterer hier ein sekundäres Ausfüllungsprodukt 
ursprünglicher kleiner Hohlräume im Malakolithfels ist. Außerdem 
enthalten die Präparate aber noch andere, stets kleinere Caleitpartien, 


1) Dieser Malakolith ist offenbar der von Kalkowsky als „Salit“ bezeichnete 
Pyroxen. 


[25] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 193 


die, weil sie im Verhältnis zu den vorigen sehr wenig Flüssigkeits- 
einschlüsse aufweisen und weil die an sie angrenzenden Malakolith- 
körner keine terminalen Flächen besitzen, wohl als primäre Bestand- 
teile gelten müssen. 

Abgesehen von den eben erwähnten sekundären und primären 
kleineren Kalkspatvorkommnissen werden im Malakolithfels auch über 
faustgroße Nester eines sehr grobspätigen Calcites gefunden, 
dessen 1—2 cm breite Spaltflächen eine schon makroskopisch erkenn- 
bare Zwillingslamellierung zeigen. Es muß wohl angenommen werden, 
daß diese Calcitnester größere Hohlraumausfüllungen im Malakolith- 
fels sind. 

Außer Caleit finden sich im Schliffe nicht selten wasserhelle 
Plagioklaspartien, pleochroitische und manchmal mit feinen Spalt- 
rissen versehene Epidotkörnchen und Schwärme von saftiggrünen 
Chloritschüppchen, deren lebhafter Pleochroismus sich in einem 
Wechsel von dunkelgrün und gelbgrün ausspricht. Außerdem aber ist 
noch ein offenbar von jenem abweichender Chlorit vorhanden, dessen 
vereinzelt auftretende Schüppchen, ebenfalls lebhaft pleochroitisch, bei 
der Drehung zwischen grün und bräunlichgelb wechseln. Blumrich 
berichtet, daß der „Hornblendeschiefer“, den er auch „Amphibolit* 
nennt, — das ist aber ganz wahrscheinlich der von ihm nicht mikro- 
skopisch untersuchte Malakolithfels — „stellenweise sehr dicht und 
durch Anreicherung an Epidot gelblichgrün gefärbt* sei. 


Vielfach zeigen die Malakolithfelspräparate schon makroskopisch 
auffallende, hellglänzende kleine Partien, die sich bei mikroskopischer 
Betrachtung als nesterartige Anhäufungen einer grünlichen Hornblende 
erweisen. Dieselbe bildet nur in der Prismenzone begrenzte, ungefähr 
gleichlange und auch gleichbreite Säulchen, die feine Spaltrisse be- 
sitzen. Querabsonderung (dagegen wird nur an Individuen beobachtet, 
welche die Durchschnittsgröße überschreiten t). Die Hornblende besitzt 
einen deutlichen Pleochroismus, und zwar ist a farblos bis ganz schwach 
gelblich, b gelb (mit einem kaum erkennbaren Schein in das Grün- 
liche) und c bläulichgrün. Das ihren Horizontalschnitten also fehlende 
deutliche Grün, ferner ihr blaßgrünes Aussehen unterscheiden sie von 
der stets bedeutend dunkler gefärbten gemeinen grünen Hornblende. 
Jedenfalls haben wir es hier mit einem Amphibol zu tun, der zwischen 
dem Strahlsteine und der gemeinen grünen Hornblende steht, ersterem 
aber näher kommt als letzterer. Die mittleree Auslöschung beträgt im 
Maximum 16—18°; doch wurden auch Auslöschungsschiefen von 19— 22° 
gemessen. Manchmal besitzt diese Hornblende um nicht sicher be- 
stimmbare Interpositionen dunkelgrüne pleochroitische Höfe, die jedoch 
bei keiner Stellung ganz verschwinden. — Eigentümlich ist vielen 
Hornblendeleisten eine fleckige Beschaffenheit, die wahrscheinlich auf 
ungleichmäßiger Verteilung des Eisengehaltes beruht und sich in zwei- 
facher Weise zeigt. Entweder treten in ihrem Innern unregelmäßige 
farblose oder nur schwach gelblich gefärbte und wenig pleochroitische. 


?) Es handelt sich hier jedenfalls um die „maigrüne, stark dichroitische 
Hornblende“, deren Vorkommen bei Raspenau schon Kalkowsky erwähnt hat. 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (K. Richter.) 26 


194 K. Richter. [26] 


Partien auf, oder sie enthalten dunkelgrüne, ebenfalls unregelmäßig 
gestaltete, aber kräftig pleochroitische Flecken, die in Schnitten nach 
»#Pmw einen Farbenwechsel von blaugrün-gelb (manchmal fast farblos), 
in Schnitten nach © Po» einen solchen von blaugrün-gelbgrün zeigen. 
Der Pleochroismus der letzteren dunkelgrünen Flecken weicht also von 
demjenigen der sie einschließenden Hornblendesäulen ab. — Es sei 
besonders noch darauf hingewiesen, daß die eben beschriebene Horn- 
blende nicht etwa ein uralitisches Umwandlungsprodukt des Malakoliths 
ist, sondern daß sie als primärer Gemengteil gelten muß. 

Vielfach enthalten die Präparate des Malakolithfels ein rotbraunes 
bis gelblichbraunes Mineral, das man auf den ersten Blick vielleicht 
für Rutil halten könnte, wenn nicht sein isotroper Charakter dagegen 
spräche. Da vermutet wurde, daß es sich um Zinkblende handeln 
könnte, die Blumrich, aber bloß als Saum um größere Calcitnester 
in seinem „Amphibolit* schon nachgewiesen hat, so wurde eine ge- 
pulverte Portion des Gesteines in Salpetersäure gekocht und das 
Filtrat hierauf mit H,S behandelt. Das auf diese Weise erhaltene 
Zinksulfid bestätigte jene Vermutung. Zugleich wurde durch dieses Ver- 
fahren der Nachweis geliefert, daß der Blende ziemlich viel Fe S bei- 
gemischt ist, was übrigens schon ihr dunkles Aussehen unter dem 
Mikroskop erwarten ließ und ebenfalls schon von Blumrich ange- 
geben wird. Die nur an den dünnsten Rändern in höherem Grade 
durchscheinende Zinkblende bildet fast immer unregelmäßige In- 
dividuen; nur selten sind einige Kristallflächen entwickelt. Größere 
Individuen lassen nicht selten zahlreiche parallele Spaltrisse erkennen, 
die den kleineren meist fehlen. In einigen Fällen wurde eine Ver- 
wachsung der Blende mit Pyrit, seltener mit Magneteisen beobachtet, 
die beide ihr randlich ansitzen. Der Umstand, daß die Zinkblende 
Malakolith und Plagioklas in sich einschließt, daß sie umgekehrt aber 
auch zusammen mit Malakolith Einschlüsse in Plagioklas bildet, spricht 
für ihre Gleichaltrigkeit mit Malakolith und Plagioklas.. Damit stimmt 
die Tatsache überein, daß sie auch sonst durchaus den Eindruck pri- 
märer Entstehung macht, nicht etwa zum Beispiel reihenweise An- 
ordnung ihrer Individuen zeigt, die auf das Vorhandensein ehemaliger 
Spalten deuten könnte, in welche sie sekundär eingedrungen wäre. 
In Einklang hiermit steht ihr Auftreten in kleinen und dichten nester- 
artigen Anhäufungen, die infolge ihrer dunkelroten Farbe in dem 
grünen Muttergesteine schon makroskopisch erkennbar sind und ganz 
den Eindruck eingesprengter Vorkommnisse machen. Freilich kommt die 
Zinkblende andererseits auch — aber seltener — unter Verhältnissen 
vor, unter denen ihre primäre Natur unwahrscheinlich ist. Sie bildet 
nämlich, wie zuerst Blumrich angegeben hat, auch um die im Mala- 
kolithfels mitunter zu findenden Nester von grobspätigem Caleit, die 
jedenfalls nur als Hohlraumausfüllungen gedeutet werden können, einen 
— freilich nicht kontinuierlichen — Saum, der aus bis 2 mm großen rot- 
braunen und metallisch glänzenden Plättchen besteht. So muß also wohl 
angenommen werden, daß die Zinkblende, welche die kleinen dichten An- 
häufungen im Malakolithfels bildet, primär, der aus größeren Plättchen 
bestehende Zinkblendesaum um die Caleitnester aber sekundärer Natur 
ist; denn an einem Orte, an dem Zinkblende primär entstehen konnte, 


[27] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 195 


muß auch schließlich die Möglichkeit einer nochmaligen nachträglichen 
Bildung zugestanden werden !). 

Außer Zinkblende enthält der Malakolithfels von Erzen noch 
Magneteisen, Magnetkies und Pyrit. Das erstere, am reich- 
lichsten vertreten, bildet meist derbe Partien, und ich verdanke Herrn 
Oberlehrer Weber in Voigtsbach (bei Reichenberg in Böhmen) ein 
Handstück von Malakolithfels, welches so magnetitreich ist, daß es die 
Magnetnadel sehr stark beeinflußt. Außerdem findet sich das Magnet- 
eisen gelegentlich in kristallinischer Ausbildung, durchzogen von Strähnen 
von Malakolith oder Hornblende, und derartige Vorkommnisse zeigen 
mikroskopisch kristallographische Begrenzung durch einzelne Flächen. 
Blumrich hat sogar makroskopische Magnetitkristalle gefunden, von 
denen er sagt, daß sie sich „nach den Oktaederflächen gut spalten 
lassen und dabei stark glänzende Spaltflächen liefern*?). Magnet- 
kieshaltiger Malakolithfels steht mir nicht zur Verfügung, weshalb auch 
über das Auftreten und die Ausbildung des Magnetkieses nichts Näheres 
gesagt werden kann. Daß er aber in dem beschriebenen Gesteine vor- 
kommt, folgt mit Sicherheit aus der Angabe von Blumrich, nach 
welchem in dem Material, das 1890 aus einem auf der Südostseite 
des Kalkberges eingetriebenen Stollen herausbefördert wurde, „in 
reichlicher Menge Magnetkies eingesprengt“ war?). Der Pyrit, dessen 
Verwachsung mit der Zinkblende schon erwähnt ist, wird auch in voll 
ausgebildeten Kristallen gefunden; zum Beispiel wurden Würfel von 
0:6 cm und 0'8 cm Kantenlänge gemessen ?). 

In der Nähe des vorhin erwähnten Stollens hat Blumrich 
ziemlich dicke „schwefelgelbe Krusten“ eines Minerals gefunden, das 
in seinen hauptsächlichsten Eigenschaften mit denen des Metavoltins 
übereinstimmte. 

Blumrich erklärt die Krusten dieses Minerals, „die durch 
ihre knospige Gestaltung den Eindruck von stalaktitischer Bildung“ 
machen, als einen Absatz aus Wasser, welches das magnetkieshaltige 
Nebengestein ausgelaugt habe. 

Herr Oberlehrer Weber hat mir ein Handstück von Malakolith- 
fels zur Verfügung gestellt, das größere rötliche Flecken zeigt, 
die scharfe Grenzen besitzen. Sie bestehen, wie durch das Mikroskop 
klar wird, aus einem dichten Gemenge von vorwiegendem Granat, 
einem Zoisitmineral, Epidot und Malakolith. Der auch im 
Präparat noch blaßrötlich gefärbte Granat, von unregelmäßigen 
Sprüngen durchzogen, ist meist nicht kristallographisch begrenzt, doch 


!) Für eine technische Ausbeutuzg würde der Gehalt des Gesteines an Blende 
bei weitem nicht ausreichend sein, weshalb auch eine solche hier nie versucht 
worden ist. 

2) Vermutlich handelt es sich hier aber nicht um Spaltbarkeit, sondern um 
Schalenbau nach dem Oktaeder; denn „eigentliche Spaltbarkeit fehlt“ nach Zirkel 
dem Magnetit. Zirkel, Elemente der Mineralogie. 14. Aufl. 1901. 518. 

®) Dieses Material ist eben von Blumrich als „Hornblendeschiefer“ oder 
„Amphibolit“ bezeichneter Malakolithfels. 

*) Zum ersten Male findet sich bei Jok&ly, aber nur vermutungsweise, die 
Angabe, daß das Hangende des Kalksteines „Magneteisenerz, Blenden und Kiese*“ 
enthalte, bis dann Blumrich zuerst das tatsächliche Vorhandensein von Magnet- 
kies, Magnetit und Zinkblende nachgewiesen hat. 


26* 


196 K. Richter, [28] 


wurden gelegentlich einige Kristallflächen beobachtet, die auf das 
Rhombendodekaeder zu verweisen schienen. Der farblose Epidot ist 
durch seine stärkere Lichtbrechung und durch seine lebhaften Polari- 
sationsfarben von dem ebenfalls farblosen Zoisitmineral gut zu unter- 
scheiden. Ob letzteres, das wie Epidot immer nur in unregelmäßigen 
Körnchen auftritt, rhombisch oder monoklin ist, läßt sich, da infolge _ 
des Fehlens von Spaltrissen die Auslöschung nicht bestimmt werden 
kann, nicht mit Sicherheit feststellen. Der Granat ist in allen Fällen 
förmlich vollgestopft von kleinsten Zoisit- und Epidotpartikelchen, die 
bei der Drehung des Präparates bei gekreuzten Nicols lebhaft auf- 
blitzen. 

In meist kleinen runden Körnchen, aber auch in größeren Schnitten 
mit Längsspaltrissen erscheint ein wasserhelles, im Querschnitt isotropes 
Mineral, dessen zahlreiche Flüssigkeitseinschlüsse bewegliche Libellen 
zeigen: Skapolith. Derselbe bildet auch Einschlüssa in größeren 
Granatkörnern. Neben Malakolith tritt recht häufig eine feinstrahlige 
grüne Hornblende auf. Sie ist wie die schon beschriebene offenbar 
auch ein Glied in der Reihe vom Strahlstein bis zur gemeinen grünen 
Hornblende, steht aber infolge ihrer dunkleren Färbung letzterer, mit 
welcher auch ihr Pleochroismus übereinstimmt, näher als ersterem. 
Zwischen den Leisten dieses Amphiboles liegen auffallend viele abge- 
rundete Körnchen, aber auch Kristalle von Zirkon, und einer der 
letzteren, 0'15 mm lang, zeigte quer zur Vertikalachse Sprünge, die 
ganz den Eindruck einer Querabsonderung machten. Um kleinere ein- 
geschlossene Körnchen und Kriställchen von Zirkon erscheinen in den 
Hornblendesäulen dunkelgrüne pleochroitische Höfe. Weitere unter- 
geordnete Bestandteile dieser rot gefärbten Mineralkombinationen sind 
ein ungestreifter Feldspat, Calcit, Magnetkies und Pyrit. 

Nach Blumrich ist im „Amphibolit“ auch ein brauner Granat 
„in kleinen Nestern und feinen Lagen“ vorgekommen, der, wenn 
ihm genügend Raum zur Verfügung stand, ein bis mehrere Millimeter 
große Kristalle von der Kombination (110) (211) entwickelte. Ich habe 
derartige Vorkommnisse von braunem Granat nicht gefunden. 

Im Malakolithfels werden also außer dem Hauptbestandteile 
Malakolith noch folgende Mineralien gefunden: Caleit, Plagioklas, 
Epidot, dem Strahlstein nahestehende grüne Hornblende, Chlorit, 
brauner Granat, Zinkblende, Magneteisen, Magnetkies, Pyrit. — Lokal 
treten noch auf: roter Granat, Klinozoisit, Skapolith, ungestreifter 
Feldspat, der gemeinen grünen Hornblende nahestehende Hornblende, 
Zirkon. Quarz fehlt). 


2. Der Hornblendeschiefer. 


Nach dem höheren Hangenden zu stellt sich im Malakolithfels 
eine Hornblendevarietät, welche der schon besprochenen, dem Strahl- 
steine nahestehenden Hornblende verwandt ist, immer reichlicher ein. 
Der Malakolith dagegen tritt allmählich zurück, verliert gleichzeitig 
seine prismatische Ausbildung und erscheint endlich nur noch in 


!) Das Fehlen von Quarz erwähnt auch schon Kalkowsky. 


[29] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 197 


kleinen abgerundeten Körnchen, die zuletzt auch noch verschwinden. 
Der richtungslos struierte Malakolithfels geht so in einen Hornblende- 
schiefer über, dessen Hornblendesäulen eine so ausgesprochene 
Parallelstruktur bedingen, daß in genau nach der Schieferungsebene 
geschliffenen Präparaten auch nicht ein Querschnitt zu finden ist. 
In einem der Übergangsglieder, das infolge des UÜberwiegens der 
Hornblende schon deutliche Parallelstruktur besitzt, haben sich braune 
Biotitschüppchen eingestellt, so daß also ein biotitführender 
Pyroxen-Hornblendeschiefer entstanden ist. Ein anderes 
dieser Übergangsgesteine kann infolge des Auftretens von Chlorit 
als chloritischer Pyroxen-Hornblendeschiefer bezeichnet 
werden. 

Die verschiedenen Schichten des reinen, pyroxenfreien Horn- 
blendeschiefers sind durchaus nicht einheitlich beschaffen, wie man 
wohl vermuten möchte; vielmehr bestehen in bezug auf die Art und 
Größe der Hornblende und in bezug auf Accessorienführung Unter- 
schiede. Das Fehlen von Quarz ist dagegen allen gemeinsam. 

Es gibt Lagen des Hornblendeschiefers, die aus einer außer- 
ordentlich feinstrahligen Hornblende zusammengesetzt sind, deren 
Säulchen weder Spaltbarkeit noch Querabsonderung erkennen lassen 
und — nach dem blaßgrünen Aussehen und dem nur schwachen 
Pleochroismus zn schließen — jedenfalls dem Strahlsteine ziemlich 
nahe kommen. Nur untergeordnet erscheinen in einem solchen fein- 
filzigen Gemenge auch größere, mitunter nesterartig angehäufte, dunkler 
grüne und kräftiger pleochroitische Hornblendeindividuen, die ent- 
weder lang und sehr schmal oder kürzer, dafür aber breiter sind; 
und diese zeigen Querabsonderung, aber keine Spaltbarkeit. Sie sind 
offenbar der gemeinen grünen Hornblende mehr genähert. In ihnen 
finden sich gelegentlich farblose, tropfenförmige Körnchen, vielleicht 
Pyroxen. An accessorischen Bestandteilen ist dieser Hornblende- 
schiefer sehr arm. Nur ganz vereinzelt erscheinen farblose, an ihren 
hohen Polarisationsfarben erkennbare Epidotkörnchen, lavendel- 
blau polarisierende und mit Querabsonderung versehene Zoisitleisten, 
sowie grünliche pleochroitische Chloritschüppehen. 

Andere Schichten des Hornblendeschiefers sind zusammengesetzt 
aus Individuen einer größeren Hornblende, welche der in den eben 
besprochenen Lagen nur untergeordnet vorkommenden in bezug auf 
Farbe und Pleochroismus entspricht. Sie zeigt häufig die früher er- 
wähnte fleckige Beschaffenheit. In diesen Schichten nun stellt sich 
mitunter eine noch größer ausgebildete Hornblende ein, die für eigent- 
liche gemeine grüne Hornblende gehalten werden muß. Charakteristisch 
ist für sie das Auftreten eines oft sehr breiten Orthopinakoides, das 
die Prismenflächen weit überwiegt und immer vorhanden zu sein 
scheint, während andererseits das den Hornblenden eigene Klinopina- 
koid niemals beobachtet wurde. So entstehen nach der Orthodia- 
gonale langgestreckte Horizontalschnitte, die in der Richtung von 5 
oft 3—4mal länger sind als in derjenigen von a. Nicht selten findet 
nach diesem Orthopinakoid eine Parallelverwachsung statt. Neben 
den für die gemeine grüne Hornblende üblichen Auslöschungsschiefen 
wurden auch solche von 19—24° gemessen. Auch dieser Hornblende- 


198 K. Richter. [30] 


schiefer ist durch Accessorienarmut gekennzeichnet, und außer zer- 
streut vorkommendem Pyrit und Zirkon wurde nur in einem Falle 
Skapolith etwas reichlicher in ihm gefunden, so daß man also von 
einem Skapolith-Hornblendeschiefer sprechen könnte. Wie 
schon in den roten granatführenden Flecken des Malakolithfels bildet 
der Skapolith auch hier keine Kristalle. Seine rundlichen, manchmal 
sogar elliptischen Körner enthalten Flüssigkeitseinschlüsse und äußerst 
feine Hornblendenädelchen. — Auf einen 0'12 mm langen abgerundeten, 
aber nach einer Richtung gestreckten Zirkon sei noch hingewiesen. 
Derselbe besitzt parallele Risse, welche, da ihnen parallel die Aus- 
löschung erfolgt, als prismatische Spaltrisse zu deuten sind, die be- 
kanntlich an mikroskopischen Zirkonschnitten nicht allzuhäufig beob- 
achtet werden. 

Der Hornblendeschiefer zeigt manchmal die Spuren starker 
Druckwirkungen, und man findet ganz krummschalig gebogene und 
mit glatten und glänzenden Rutschflächen versehene Vorkommnisse, 
die durchaus nicht mehr an ein früher ebenflächig schiefriges Gestein 
erinnern. Präparate von solch gepreßtem Material lassen schon makro- 
skopisch hervortretende Windungen erkennen, die sich unter dem 
Mikroskop in ein Gewirr schmaler Hornblendesäulchen auflösen. Von 
letzteren löschen viele undulös aus; andere aber werden überhaupt 
bei keiner Stellung völlig dunkel, sondern besitzen auch im Maximum 
der Auslöschung noch ein deutliches Grün; wieder andere löschen 
fleckig aus, d. h. sie haben nur einzelne Stellen, die nie ganz 
dunkel werden. Größere Hornblendeindividuen derartig beeinflußten 
Gesteines besitzen oft einen großen Reichtum an Flüssigkeitsein- 
schlüssen. Diese sind entweder regellos verteilt oder bilden ungefähr 
parallele, quer zur Längsachse der Hornblende verlaufende gerade Züge, 
die oft in großer Zahl auftreten. In einer 0‘4 mm langen Amphibolsäule 
wurden zum Beispiel 14 solche Reihen gezählt. — Da der normale, nicht 
dynamisch beeinflußte Hornblendeschiefer nur wenig Flüssigkeitsein- 
schlüsse besitzt, ist vielleicht der Schluß berechtigt, daß ihr reich- 
liches Vorhandensein in dem gepreßten Gesteine mit Druckwirkungen 
in Beziehung zu bringen ist. 

Bei der Verwitterung liefert die dem Strahlsteine verwandte 
Hornblende als Endprodukt Caleit, und in günstigen Präparaten lassen 
sich alle Stadien dieses Prozesses verfolgen, dessen Anfang die Weg- 
schaffung des Eisengehaltes ist. Je nachdem letzterer ganz oder 
erst teilweise verschwunden ist, sehen die Hornblenden farblos oder 
gelblich aus und sind unpleochroitisch geworden. Nun setzt die Aus- 
scheidung von Caleit ein. Dadurch werden die Amphibole in schmale 
Fasern oder zackige Streifen zerlegt, die noch durch gleichzeitige 
Auslöschung und gleichartiges Polarisieren ihre Zugehörigkeit zu einem 
Individuum beweisen. Gelegentlich befindet sich innerhalb einer Caleit- 
partie ein noch nicht ganz umgewandelter Hornblenderest, der mit- 
unter sogar noch grün gefärbt ist und der beweist, eine wie ver- 
schiedene Empfänglichkeit selbst auf so engen Raume gegenüber den 
Verwitterungseinflüssen besteht, jedenfalls veranlaßt durch kleine 
Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung. 

In stark zersetztem und weitgehend dynamisch beeinflußtem 


[31] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 199 


Hornblendeschiefer treten auffallend viel pleochroitische Höfe 
auf, von denen in einem Gesichtsfelde von 0'8 mm Durchmesser zum 
Beispiel gegen 20 gezählt wurden, und ein Amphibolsäulchen von 
0:15 mm Länge zeigte drei pleochroitische Höfe. Die größten haben 
einen Durchmesser von 008 mm, die kleinsten einen solchen von 
etwa 0'02 mm. Die meist vollkommen kreisrund, um längliche Ein- 
schlüsse auch oval gestalteten pleochroitischen Höfe sind dunkel- bis 
schwarzgrün gefärbt, und sie verschwinden bei keiner Stellung voll- 
ständig, sondern besitzen auch im Minimum der Absorption noch ein 
lebhaftes Grün. Manche Höfe haben einen fast unmerklichen Pleochrois- 
mus. Die sichere Entscheidung über die Natur ihrer zentralen 
Interpositionen wird durch ihre dunkle Färbung erschwert, besonders 
wenn diese noch dazu mit einer kaum wahrnehmbaren Aufhellung 
verbunden ist. In einigen Fällen aber sind Zirkonkriställchen als 
Einschlüsse wohl erkennbar. Ob jedoch die winzigen abgerundeten 
Körnchen, die in anderen auftreten, Zirkon- oder Epidotpartikelchen 
sind, läßt sich nicht entscheiden. Meist ist nur eine zentral gelegene 
Interposition vorhanden, mitunter aber zwei, sogar drei. In einigen 
Fällen beobachtet man zwei exzentrische Einschlüsse, die so liegen, 
daß ihre Verbindungslinie einem Durchmesser des pleochroitischen 
Hofes entsprechen würde. Wenn, wie bisweilen zu beobachten ist, 
sich ein Einschluß gerade am Rande einer Hornblendesäule befindet, 
so ist nur ein halbkreisförmiger Hof entstanden. Ziemlich häufig aber 
ist überhaupt kein Einschluß zu sehen. Zur Erklärung hierfür ist 
bekanntlich angenommen worden, der Einschluß liege entweder dennoch 
versteckt darunter, oder der Schliff sei so geführt, das er entfernt 
wurde). 

Da der normale Hornblendeschiefer wenig pleochroitische Höfe 
enthält, das gepreßte und verwitterte Gestein aber auffallend reich 
an ihnen ist, erscheint vielleicht der Schluß berechtigt, daß ihre 
Entstehung durch Druckwirkungen und Verwitterungseinflüsse be- 
günstigt wird. 

Durch den Reichtum zersetzten Hornblendeschiefers an pleo- 
chroitischen Höfen erfährt also die Annahme Romberg’s, nach der 
sie auf ein Verwitterungsprodukt oder eine chemische Verbindung 
des Einschlusses zurückzuführen sind, eine Bestätigung?). Die Er- 
scheinungen, daß manche Höfe überhaupt keine Interposition erkennen 
lassen, daß ferner um größere und scharfflächig umgrenzte Einschlüsse 
Höfe mit einem verhältnismäßig geringen, um kleine abgerundete 
Körnchen aber solche mit einem relativ viel größeren Durchmesser 
liegen, würden dann nur verschiedene Stadien des Prozesses sein, 
den Romberg annimmt. Seine Erklärung würde zugleich verständlich 
machen, warum in der Regel nur in größeren Höfen kein Einschluß 
sichtbar wird, der sich in kleinen fast immer vorfindet. 


Am Schlusse dieses Abschnittes mag noch hervorgehoben werden, 
daß auf keinen Fall an eine Entstehung des Hornblendeschiefers aus 


!) Zirkel, Lehrbuch der Petrographie. 2. Aufl. 1893, I. 92. 
?) Neues Jahrb. f. Min., Beilageband VIII. 354, 


9200 K. Richter. [32] 


Malakolithfels gedacht werden kann, wogegen übrigens auch die mehr- 
fache Wechsellagerung mit dem gleich zu besprechenden Feldspat- 
amphibolit sprechen würde. 


3. Der Feldspatamphibolit. 


Nach der Art des Amphibols, der entweder ein Zwischenglied 
zwischen der gemeinen grünen Hornblende und dem Aktinolith oder 
eigentliche gemeine grüne Hornblende ist, lassen sich hier zwei 
Varietäten von Feldspatamphibolit unterscheiden. 

Derjenige mit der gemeinen grünen Hornblende tritt in einer 
größeren Anzahl von mit den Hornblendeschiefern wechsellagernden 
Schichten auf, deren Mächtigkeit zwischen 2 cm und 20 cm schwankt. 
Sein Material sieht im Handstück ziemlich kompakt aus; unter dem 
Mikroskop aber besitzt es infolge der parallelen Anordnung der Horn- 
blendesäulen eine deutliche Parallelstruktur. Die Hornblende ist 
an ihren Enden und Rändern oft wie angefressen, so daß förmlich 
ausgehöhlte und eingebuchtete Querschnitte entstehen, deren Löcher 
immer mit ungestreiftem Feldspat ausgefüllt sind. Manchmal zeigt 
sie Zonenbau, der infolge des Farbenunterschiedes einer inneren 
dunklen und äußeren helleren Schicht schon in gewöhnlichem Lichte 
zu erkennen ist. In einigen Fällen gelang es, zwischen Kern und 
Rand Auslöschungsdifferenzen von 4° zu messen. Die Neigung c:c 
überschreitet nicht selten 20° und erreichte in einem Falle sogar 26°. 
Wie die zahlreichen einfach -spitzrhombischen Querschnitte zeigen, 
tritt an der Hornblende weder das Ortho- noch Klinopinakoid auf. 
Kleinen Horizontalschnitten fehlen vielfach die charakteristischen Spalt- 
risse. Um Zirkon erscheinen dunkelgrüne pleochroitische Höfe. 

Isoliert und in Verwachsungen mit der Hornblende ist sehr reich- 
lich Biotit vorhanden, dessen größere Lappen von Hornblendeleisten 
oft förmlich durchschnitten werden; und es wurde beobachtet, daß 
dann die pleochroitischen Höfe des Glimmers mitunter auf eine solche 
nahe gelegene Amphibolsäule übergreifen. — Der ungestreifte 
Feldspat, dessen Körner eigentümlich verzahnt ineinandergreifen, 
ist geradezu übersät mit einer Fülle längerer und kleinster Hornblende- 
mikrolithen und feiner Apatitsäulchen, die alle unter sich und den 
größeren Hornblenden parallel eingestellt sind. Ihnen gesellen sich 
zahlreiche runde Apatitkörnchen, Biotitschüppchen, Quarzkörnchen 
und Zirkone bei. Im Gegensatz zu diesem ungestreiften, mit Inter- 
positionen förmlich vollgestopften Feldspat sind die kleinen, ganz 
untergeordnet erscheinenden Körner eines fein lamellierten Feld- 
spates einschlußfrei. — Das eben besprochene Gestein ist infolge 
seines reichlichen Biotitgehaltes als Biotit-Feldspatamphibolit 
zu bezeichnen. In einem Falle ließ sich mikroskopisch ein Ubergang 
desselben in reinen Hornblendeschiefer beobachten, indem Feldspat 
und Biotit allmählich zurücktraten, Hornblende sich aber immer reich- 
licher einstellte. 

Der Feldspatamphibolit, dessen Hornblende zwischen dem Strahl- 
stein und der gemeinen grünen Hornblende steht, wurde nur einmal 
gefunden. Außer Amphibol und ungestreiftem Feldspat, welcher die 


[33] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 201 


Füllmasse zwischen ersterem bildet, enthält er noch Chlorit, so daß 
er ein Chlorit-Feldspatamphibolit genannt werden kann. 
Nicht anstehend, sondern nur in Bruchstücken fand ich ein 
Gestein, dessen Fundstelle mit Sicherheit auf einen Zusammenhang 
mit den Amphibolgesteinen und speziell mit dem Feldspatamphibolit 
verweist und das deshalb hier noch besprochen werden muß. — Sein 
Hauptbestandteil ist eine im Handstück glänzend schwarzgrüne Horn- 
blende, deren Säulen über 1 cm lang werden. Sie ist mit der 
gemeinen grünen Hornblende identisch. Die Lücken zwischen 
den Hornblendeleisten sind von Caleit, Orthoklas und Plagioklas 


Fig. 3. 


Vierfach geknickte Hornblendesäule. 


Die im Text angegebene Zerbrechung und Auffaserung ist hier nicht mehr zu sehen, 
Zwillingslamellierter Calcit (hell) und darin dunkle Hornblendepartikelchen. 
Vergrösserung: 50. 


ausgefüllt. Der erstere, am reichlichsten vertreten, enthält isometrisch 
viereckige, unregelmäßig scharfeckige, auch abgerundete Körnchen 
eines schwach rötlich- violett gefärbten, wahrscheinlich regulären 
Minerals, das infolge seiner hohen Lichtbrechung mit deutlichem 
Relief hervortritt. Seine nähere Diagnose ist nicht möglich. — Der 
Orthoklas ist immer mit einer solchen Menge kleinster Inter- 
positionen, wohl zumeist Flüssigkeitseinschlüssen, erfüllt, daß er 
gelblichgrau erscheint und seine Polarisationsfarben mitunter verdeckt 
werden. Es wurde hier an ihm der ziemlich seltene Fall einer 
Durchkreuzung zweier Bavenoer Zwillinge beobachtet. Im Gegensatz 
Jahrbuch d, k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (K. Richter.) 27 


202 K. Richter. [34] 


zu ihm ist der Plagioklas, von beiden der häufigere, meist voll- 
kommen wasserhell und einschlußfrei. Untergeordnete Bestandteile 
sind Skapolith, Magnetkies und bis 2 mm große Zinkblende- 
plättcehen. Ersterer bildet meist Körner bis fast 1 mm Durchmesser, 
aber auch Individuen mit einigen Kristallflächen. Seine Querschnitte 
zeigen mitunter eine undeutlich ausgeprägte rechtwinklige Spalt- 
barkeit, seine Vertikalschnitte Quersprünge nach oP. Wie Caleit 
und Orthoklas enthält er viele, oft geradlinig angeordnete Flüssigkeits- 
einschlüsse mit Libellen, die in Vertikalschnitten gelegentlich in der 
Form negativer Kristalle, nämlich in Rechtecken mit deutlichem 
Uberwiegen einer Längsachse, gefunden wurden. Merkwürdigerweise 
aber sind diese rechteckigen Flüssigkeitseinschlüsse mit ihrer Längs- 
richtung quer zur Vertikalachse des Skapoliths, also parallel den 
Sprüngen der Querabsonderung, eingestellt. 

Starke Druckwirkungen haben die Hornblende außer- 
ordentlich deformiert, sie in schmale Leisten auseinandergepreßt, 
gebogen, zerbrochen, an den Enden besenartig divergierend aufge- 
fasert. Eine einzige Hornblendesäule hat zum Beispiel eine vierfache 
Knickung, außerdem eine Zerbrechung und seitliche Auseinander- 
pressung in schmale Leisten erfahren. (Fig. 3.) Caleit und Feldspate, 
die infolge des Druckes undulös auslöschen, sind oft übersät von 
einem dichten Gewirr feiner Mikrolithen und unregelmäßiger Fetzen 
von Hornblende, die hier nur durch Zermalmung größerer Individuen 
entstanden sein können, wobei dann allerdings wohl auch Feldspat und 
Caleit als sekundär gelten müssen. Außerdem beobachtet man kleine 
rhombisch gestaltete grüne Partikel. Sie liegen immer in direkter 
Nähe zerquetschter grüner Partien, die sich durch die im Innern 
noch erhaltene charakteristische Spaltbarkeit als Hornblendequer- 
schnitte zu erkennen geben. Es sind also infolge des Druckes 
Amphibole in die durch die Spaltbarkeit gleichsam vorgezeichneten 
Teilstücke zerpreßt worden, deren Querschnitte dann die erwähnten 
rhombischen Partikel geliefert haben. In den aufgefaserten Horn- 
blenden haben sich Caleit, Plagioklas und Orthoklas angesiedelt, 
welche auch die durch Pressung entstandenen Spalten mit einem 
dichten Aggregat ausfüllen. 


4. Der Chloritschiefer. 


Der nur in einer einzigen 3—4 cm mächtigen Schicht gefundene 
schuppig-schieferige, weiche Chloritschiefer besteht aus einer klein- 
schuppigen und aus einer großschuppigen Lage, deren Individuen 
schon makroskopisch unterscheidbar sind. Übergänge bestehen nicht 
zwischen beiden Lagen. Abgesehen vom Größenunterschiede ist der 
grüne Chlorit in beiden Varietäten identisch. Seine dicht lamel- 
lierten Vertikalschnitte sind gut pleochroitisch (a und b grün, c gelblich 
bis fast farblos) und zeigen die üblichen blauen Polarisationsfarben, 
wogegen die Horizontalschnitte unpleochroitisch sind und fast keine 
Farbenerscheinungen erkennen lassen. Immer ist der Chlorit optisch 
negativ. Dieses Verhalten sowie die lavendelblauen Polarisationsfarben 
würden gegen seine Natur als Klinochlor sprechen. Gemeinsam ist 


[35] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 203 


beiden Varietäten des Chloritschiefers das massenhafte Auftreten von 
farblosem Epidot, welcher den ebenfalls vorhandenen Zoisit weit 
überwiegt, so daß also ein Epidot-Chloritschiefer vorliegt. Aber 
die Ausbildung der genannten Mineralien ist in den beiden Lagen 
verschieden; denn während sie in dem großschuppigen Gesteine nur 
in kleinen Körnern auftreten, die nie Spaltbarkeit erkennen lassen, 
erscheint in der kleinschuppigen Varietät der Epidot sowohl in 
Körnern als auch in leistenförmigen Schnitten mit feinen Spaltrissen 
nach o P, der Zoisit in längeren Leisten mit Spaltrissen und Quer- 
absonderung. Um kleine FEpidotpartikelchen zeigen sich im Chlorit 
sehr häufig pleochroitische Höfe, die sich aber nur in Vertikal- 
schnitten aufhellen. Der kleinschuppige Chloritschiefer enthält außer- 
dem noch vereinzelte größere Zirkonkörner, verstreute Säulchen 
einer ganz blaßgrünen, kaum merklich pleochroitischen und einer 
dunkelgrünen und kräftig pleochroitischen Hornblende, welche in 
der anderen Varietät nicht gefunden wurden. 


Oberhalb des Wildner’schen oder oberen Bruches wurde — 
aber nur in Bruchstücken auf einer kleinen Halde — ein Gestein 
gefunden, das als 


Tremolitschiefer 


bezeichnet werden soll. Da es nach seiner Fundstelle nur in eine 
Beziehung zum Komplex der hangenden Gesteine gebracht werden 
kann, soll es hier anhangsweise noch besprochen werden. 


Unter den Bestandteilen dieses Tremolitschiefers wiegen Tremolit, 
ein farbloser Glimmer und Graphit vor. Außerdem enthält es — die 
Reihenfolge soll das ungefähre geschätzte Mengenverhältnis angeben 
— Magnetkies, Korund, Spinell, Apatit, eine serpentinöse Masse, 
Karbonat, Sillimanit. — Das ausgezeichnet schiefrige Gestein zeigt 
einen Wechsel von etwa 1 cm dicken hellen oder Tremolitlagen und 
von dunklen graphitischen Lagen. Die ersteren lassen makroskopisch 
außer dem hell seidenartig glänzenden Tremolit, dessen Individuen 
bis 1 cm lang werden, noch reichlichen Magnetkies erkennen; an den 
letzteren sieht man makroskopisch ebenfalls Magnetkies, aber nur 
einzelne kleinere Tremolitsäulen. 


Der Tremolit, der weitaus überwiegende Bestandteil der 
hellen Lagen, erscheint unter dem Mikroskop in langen farblosen 
Säulen, die nie Endflächen besitzen und meist in paralleler Erstreckung 
nebeneinander liegen. Sie zeigen stets zahlreiche prismatische Spalt- 
risse und Querabsonderung. Die Neigung ce:c beträgt im Durchschnitt 
15—18° doch wurden auch Auslöschungsschiefen von 19% und 20° 
gemessen. Die meisten Tremolitsäulen’ sind reich an Einschlüssen : 
Korundkörnchen, Apatite, Magnetkieskörnchen, Graphitblättchen und 
Karbonat; außerdem sind sie noch mit einer grauen, staubfeinen 
Verunreinigung manchmal dicht erfüllt. Die Lücken zwischen den 
Tremolitleisten sind in den hellen Lagen von Glimmer, Magnetkies 
und Graphit ausgefüllt, zu denen sich stellenweise die Serpentinmasse, 
ein Aggregat feiner Karbonatpartikel, wohl Caleit, und Sillimanit hinzu- 
gesellen. Der Glimmer, der mit dem schon mehrfach angeführten 

27* 


204 K. Richter, [36] 


farblosen, optisch positiven Glimmer identisch ist, tritt in diesen 
Zwischenräumen in großen Blättern auf, während er in den graphiti- 
schen Lagen, in denen er den Hauptbestandteil ausmacht, ein dichtes 
Gemenge von kleinen Schüppchen bildet, die schmale leistenförmige 
Vertikalschnitte geliefert haben. 

Der Graphit ist nächst dem Glimmer der zweithäufigste 
Gemengteil der dunklen Lagen, die ihm ihre Farbe verdanken. 
Bekanntlich erscheint der gesteinsbildende Graphit meist in ganz 
unregelmäßigen Formen, zeigt aber nicht selten in quarzreichen Ge- 
steinen und auch körnigen Kalken kristallographische Umgrenzung. Im 
vorliegenden Falle hingegen entwickelt er gut begrenzte Individuen, 
nämlich sechsseitige Täfelchen, in einem Gesteine, das keine Spur von 
Quarz enthält. Mitunter sind freilich nur einige Flächen voll entwickelt. 
Auch leistenförmige Vertikalschnitte lassen sich beobachten. Die Haupt- 
masse des Graphits allerdings besteht auch hier aus runden Blättchen 
und regellos begrenzten Schüppchen und Flitterchen. Die Angabe von 
Weinschenk, daß Rutil das „charakteristischste Begleitmineral“ 
des Graphits sei, kann für dieses Graphitvorkommen nicht bestätigt 
werden !). Vielmehr fehlt Rutil hier vollkommen. 

Der Magnetkies besitzt im Tremolitschiefer im Gegensatz 
zu seinem Auftreten in der Einlagerung des oberen Bruches und im 
Glimmerkalkstein nie eine Andeutung kristallographischer Begrenzung, 
erscheint vielmehr immer nur in Körnern und zerfetzten Lappen. Er 
schließt Glimmer, zahlreiche Graphitblättehen und manchmal Tremolit 
ein. — Ein reichlich vorhandenes, stark lichtbrechendes, aber schwach 
doppelbrechendes und stets wasserhelles Mineral erwies sich bei einer 
speziellen Untersuchung als Korund; denn es wurde von Säuren, 
auch von HF, nicht angegriffen, färbte sich beim Glühen mit Kobalt- 
solution blau und ritzte den Topas ganz deutlich. Der Korund kommt 
meist in einzelnen Körnchen vor, die aber auch gelegentlich kleine 
Anhäufungen bilden. Nur selten läßt sich eine Andeutung gesetz- 
mäßiger Ausbildung konstatieren, die sich dann in annähernd prismati- 
schen Formen ausspricht, welche eine Art Querabsonderung zeigen. 
Die Körner dagegen besitzen nur ganz unregelmäßig verlaufende 
Sprünge. Der Dünnschliff ließ gar nicht ahnen, in wie reichlicher Menge 
Korund in dem vorliegenden Gesteine auftritt; erst die Isolierung 
mit HF gab davon einen deutlichen Begriff. 

In annähernd demselben Mengenverhältnis wie Korund tritt ein 
grüner Spinell in Körnern auf. Er kommt wie dieser, mit dem 
er übrigens öfters in Verwachsungen erscheint, in einzelnen Individuen 
und kleinen Anhäufungen vor. Der reichlich vorhandene Apatit bildet 
bis 0'15 mm lange, meist gedrungene, entweder gut begrenzte oder 
mangelhaft entwickelte Säulen mit basischer Absonderung, die bisweilen 
Magnetkieskörnchen einschließen. — Über die Natur des Mutterminerals 
des gelblich oder grünlich gefärbten, seltener farblosen Serpentins, 
der in kleinen Aggregaten und größeren Partien vorkommt, ist kein 
Aufschluß zu erlangen. Eine an und für sich mögliche Entstehung aus 


ı) Weinschenk, Die gesteinsbildenden Mineralien. 53. Freiburg im 
Breisgau 1901. 


[37] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 205 


Tremolit, die für den früher beschriebenen flaschengrünen Serpentin mit 
Sicherheit nachgewiesen ist, erscheint hier wohl deshalb ausgeschlossen, 
weil der Serpentin oft direkt neben und zwischen ganz frischen Tremolit- 
säulen liegt. — Der Sillimanit tritt als Haufwerk und Büschel feiner 
Nädelchen auf, die sich auch durch ihren optisch positiven Charakter 
als Sillimanit zu erkennen geben. 

Es soll nun noch eine Vergleichung der zweierlei Lagen dieses 
Gesteines in bezug auf ihren Mineralgehalt vorgenommen werden. 
Daß Tremolit der Hauptbestandteil der hellen Lagen ist, Glimmer und 
Graphit in den dunklen Lagen vorwiegen, ist bereits hervorgehoben 
worden. Ferner wurde schon auf die verschiedene Ausbildung des 
Glimmers in-den wechselnden Lagen hingewiesen. Der Tremolit, der 
in den hellen Schichten als lange Säulen ausgebildet ist, erscheint in 
den dunklen nur vereinzelt in kurzen schmalen Leisten, die aber eben- 
falls sehr einschlußreich sind. Magnetkies, Serpentin und Sillimanit sind 
in ungefähr gleichen Mengen verteilt. Dagegen fehlt den graphitischen 
Lagen das Karbonat, während Apatit umgekehrt fast auf sie beschränkt 
ist und sich in den hellen Lagen nur hin und wieder an den Ein- 
schlüssen im Tremolit beteiligt. Das vom Apatit Gesagte gilt auch 
vom Korund. Die grünen Spinelle sind zwar in den graphitischen 
und Tremolitlagen vorhanden, aber in verschiedener Größenausbildung; 
denn während sie in ersteren nur kleine Körnchen bilden, erscheinen 
sie in letzteren in Individuen, die bis 0'31 mm groß werden. 


Das Liegende des Kalksteines. 


Aus den schon am Anfange dieses Teiles angeführten Gründen 
läßt sich gegenwärtig nicht mehr bestimmen, ob der liegende Mala- 
kolithfels ebenfalls in Hornblendeschiefer übergeht. Die Angaben von 
Joke&ly, welcher allgemein „Amphibolgesteine*, und von Roth, der 
„Hornblendeschiefer“ als Liegendes bezeichnet, machen es aber wahr- 
scheinlich. So kann jetzt auch nicht mehr mit Sicherheit festgestellt 
werden, ob es der Malakolithfels oder Hornblendeschiefer war, dessen 
Gehalt an Magneteisen einst ausgebeutet wurde !). Höchstens darf nach 
Analogie des Hangenden vermutet werden, daß auch hier ersterer 
die erzführende Partie gewesen ist. Außer Magneteisen sind nach 
Jokely im Liegenden „angeblich ebenfalls Blenden und Kiese“ vor- 
gekommen. 


Endlich soll noch auf den am 


Hundshübel anstehenden Hornblendeschiefer 
kurz eingegangen werden. Auch er ist aus einer zwischen der ge- 
meinen grünen Hornblende und dem Strahlsteine stehenden, meist 
ebenfalls sehr feinstrahligen Hornblende zusammengesetzt. Vom Horn- 
blendeschiefer des Kalkberges unterscheidet er sich durch seinen 
Epidot- und Granatreichtum. Epidot, der im Hornblendeschiefer des 
Kalkberges nur in einzelnen farblosen Körnchen auftritt, erscheint 


!) Siehe die geschichtlichen Bemerkungen am Schlusse der Arbeit. 


206 K. Richter. [38] 


hier außerordentlich zahlreich in gelben und deutlich pleochroitischen 
Individuen, denen sich untergeordnet Zoisit und vereinzelte Zirkone 
beigesellen. Mitunter ist der Epidot sogar zu 2—3 cm mächtigen 
gelben Lagen angehäuft, in denen die Hornblende vollständig zurück- 
gedrängt ist. Es entsteht also der sogenannte gebänderte Epidot- 
Amphibolschiefer. 

Ein nur mikroskopischer roter Granat, der im Hornblende- 
schiefer des Kalkberges überhaupt nicht gefunden wurde, erscheint 
hier stellenweise so häufig, daß es lokal zur Bildung eines Granat- 
Hornblendeschiefers kommt. Seine Körner und Kristalle 
(Rhombendodekaeder) sind gewöhnlich nach einer Richtung etwas 
gestreckt und alle parallel dieser Streckung, welche mit der Längs- 
richtung der Hornblendesäulchen zusammenfällt, angeordnet. Die 
höchstens 0:09 mm großen Granatindividuen, die meist keine Sprünge 
besitzen, sind vielfach lagenweise angehäuft, und zwar in solchen 
Mengen, daß zum Beispiel in einem Gesichtsfelde von 0:8 mm Durch- 
messer gegen 200 gezählt wurden. Außer Epidot, der aber im 
Vergleich zur vorigen Varietät hier sehr zurücktritt, enthält der 
Granat-Hornblendeschiefer noch etwas Calcit und ebenfalls verein- 
zelte Zirkone. 


B. Der Glimmerschiefer. 


Der Glimmerschiefer ist nur auf der Ostseite des Kalkberges 
in beschränktem Maße anstehend zu beohachten. Seine Mächtigkeit 
kann nicht festgestellt werden. Er enthält schmale Quarzgänge. 
Schon die makroskopische Betrachtung läßt ihn als Lagenglimmer- 
schiefer erkennen, indem er aus dunklen Glimmerlagen und hellen 
Quarzlagen besteht, die, mitunter außerordentlich dünn, regelmäßig 
miteinander abwechseln. Auf dem Querbruche zeigt er gelegentlich 
eine zarte parallele Fältelung seiner Lagen. Unter dem Mikroskop 
erweisen sich die dunklen Lagen fast immer als eine Anhäufung von 
Biotit und Musecovit (also Zweiglimmerschiefer). 

Der Biotit bildet meist kleinere Schüppchen, seltener auch 
größere Lappen. Er ist vielfach gänzlich in einen grünen pleo- 
chroitischen Chlorit mit lavendelblauen Polarisationsfarben umge- 
wandelt. Es lassen sich ferner die auch sonst beobachteten Erschei- 
nungen wahrnehmen, daß innerhalb einer Chloritpartie eine noch 
ganz frische Biotitlamelle liegt oder daß eine Biotitleiste nur in 
ihrem Innern chloritisiert ist, ihre Ränder aber völlig unangegriffen 
geblieben sind. Die Horizontalschnitte dieses sekundären Chlorites 
zeigen vielfach feine und mitunter recht lange, aber auch kürzere 
und breitere Rutilnädelchen, die oft büschelförmig angeordnet und 
so eingelagert sind, daß sie sich unter einem Winkel von 60° schneiden. 
Da dieser sogenannte Sagenit in den Biotittäfelchen möglichst 
frischen Glimmerschiefers nicht beobachtet wurde, muß er hier wohl 
als sekundäres Produkt bei der Chloritisierung des Biotites aufgefaßt 
werden, dessen Gehalt an 7iO, seine Entstehung veranlaßte. 

Im Gegensatz zum Biotit kommt Muscovit, ungefähr in 


[39] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 207 


gleicher Menge wie dieser vorhanden, fast immer in größeren Blättern 
vor, deren oft breite leistenförmige Vertikalschnitte die Glimmerlagen 
vielfach quer durchsetzen. Mit Biotit ist in manchen Präparaten ein 
im Querschnitt zitronengelbes, im Vertikalschnitt gelblichgrünes Chlorit- 
oder Glimmermineral verwachsen, das als primär gelten muß. 

Die rundlich einander stoßenden Quarzkörner enthalten zahl- 
reiche Interpositionen: Flüssigkeitseinschlüsse, Biotit-, Muscovit- und 
Chloritschüppchen, Apatitnädelchen und Zirkonkriställchen. Feldspat 
fehlt dem Glimmerschiefer gänzlich; dagegen erscheinen accessorisch 
Turmalin, Andalusit, Zirkon (meist Körner) und sechsseitige Täfelchen 
von Eisenglanz, die manchmal unter Erhaltung ihrer Form in Eisen- 
ocker umgewandelt sind. Der grünliche Turmalin kommt außer in 
schlanken, bis 014 mm langen Säulchen, die gelegentlich durch ver- 
schiedene Entwickelung an ihren Enden ihre hemimorphe Natur ver- 
raten, auch in sehr gedrungenen Säulchen vor, die 2—3 mal breiter 
als die vorigen, aber nur wenig länger als breit sind. Er schließt 
schwarze Körnchen und Glimmerschüppchen ein. Der etwas reichlicher 
als Turmalin auftretende Andalusit bildet auch hier wie in der 
Einlagerung des oberen Bruches kurze und dicke Säulchen, die aber 
vielfach recht unvollkommen entwickelt sind und deshalb dann nur 
unregelmäßig begrenzte Querschnitte liefern. Er ist stets farblos und 
enthält wie Turmalin Einschlüsse von runden Glimmerschüppchen 
und dunklen Körnchen, die gewöhnlich zentral angehäuft sind. 

Wie es scheint, kommen außer den aus Biotit, respektive Chlorit, 
Muscovit und dem gelben Chlorit- oder Glimmermineral zusammen- 
gesetzten Lagen auch solche vor, die nur aus Biotit bestehen. 


C. Der Gneisglimmerschiefer. 


Der Glimmerschiefer geht nach oben in ein Gestein über, in 
dem Biotit und das gelbe Chlorit- oder Glimmermineral allmählich 
verschwinden; dafür aber stellen sich kleine runde Körner und Linsen 
von Orthoklas, ein und es entsteht also der Gesteinstypus, den man als 
Gneisglimmerschiefer bezeichnet (Feldspatglimmerschiefer). Im 
Anstehenden sind diese Übergänge allerdings auf keiner Seite des 
Kalkberges zu verfolgen, aber die zahlreich vorhandenen Bruchstücke 
ergeben mit aller Bestimmtheit, daß sie existieren. Die untersten 
Partien des Gneisglimmerschiefers sind, wie Bruchstücke beweisen, 
ausgezeichnet schiefrig. Nach dem höheren Hangenden zu aber, in 
dem die erst nur vereinzelt auftretenden kleinen Orthoklase größer 
werden und sich immer zahlreicher einstellen, wird das Gefüge all- 
mählich minder vollkommen parallel, und der helle Gneisglimmer- 
schiefer, der auf der Höhe des Berges in einigen kleinen Kuppen 
noch ansteht, zeigt dieses Verhalten in noch höherem Grade. Das 
eben erwähnte Gestein wird sowohl parallel als auch quer zu seiner 
Streichrichtung von 20—30 cm mächtigen Quarzgängen durchzogen, 
die das Auftreten von kopfgroßen und noch größere Dimensionen 
erreichenden Quarzblöcken auf den Abhängen des Kalkberges erklären. 
Außer den Quarzbruchstücken finden sich auf den Bergabhängen und 


208 K. Richter, [40] 


den anstoßenden bebauten Feldern zahlreiche Bruchstücke des hellen 
Gneisglimmerschiefers selbst. 

Unter dem Mikroskop gibt sich der eigentliche Gneisglimmer- 
schiefer — von den Ubergangsgliedern soll abgesehen werden — als 
ein Gemenge von vorwiegendem Quarz und ÖOrthoklas zu erkennen, 
zu denen Muscovit und grüner Chlorit als weitere Bestandteile 
treten. Plagioklas fehlt vollständig. Außer dem Biotit des eigent- 
lichen Glimmerschiefers werden hier auch dessen accessorische 
Gemengteile Andalusit und Turmalin gänzlich vermißt; dafür aber 
erscheinen Korund und zahlreiche größere Zirkone. 

Die meist runden bis linsenförmigen, selten eckigen Orthoklas- 
körner, vielfach von Spaltrissen durchsetzt, werden allseitig von einem 
Saume von Chlorit- und Muscovitschüppchen umschmiegt, in dem bald 
das eine, bald das andere Mineral vorwiegt. Dadurch, daß der Saum 
sich meist nach zwei entgegengesetzten Seiten auskeilt, entsteht eine 
deutlich ausgeprägte mikroskopische Augenstruktur. Die bis 3 mm 
großen Feldspate sind in allen Fällen förmlich vollgestopft von einem 
gelblichen Staube, dem sich Muscovitschüppchen, Zirkonkriställchen 
und Apatitnädelchen beigesellen; und sie sind infolge ihrer dichten Be- 
stäubung, welche meist die Polarisationsfarben völlig verdeckt, im 
Präparat schon mikroskopisch als hellgraue Stellen deutlich zu unter- 
scheiden. Nur in einem einzigen Falle wurde eine Verzwilligung des 
Feldspates, und zwar nach dem Bavenoer Gesetz (2 P&) beobachtet. 
Der Quarz zeichnet sich ebenfalls durch großen Reichtum an Ein- 
schlüssen aus, unter denen Chlorit- und Muscovitschüppchen, feine 
Apatitsäulchen, Zirkonkriställchen, dunkle Mikrolithen, Gasporen und 
Flüssigkeitseinschlüsse zu erkennen sind. Die beiden letzteren Arten 
von Interpositionen, besonders die runden, ovalen oder schlauchförmig 
ausgezogenen und mannigfach verästelten Flüssigkeitseinschlüsse, sind 
oft so gehäuft, daß der Quarz stellenweise getrübt wird. Die um die 
Orthoklase den Saum bildenden Mineralien Muscovit und Chlorit 
kommen auch sonst regellos verstreut in den Schliffen vor. Der grüne 
Chlorit ist hier im Gegensatze zu seinem Auftreten im Glimmerschiefer 
ein primärer Gemengteil. 

Der accessorische Korund bildet meist bis 02 mm große, ge- 
wöhnlich von unregelmäßigen Sprüngen durchzogene Körner, erscheint 
aber auch in kleinen sechsseitigen Täfelchen. In biotithaltigen Über- 
gangsgliedern vom Glimmerschiefer zum Gneisglimmerschiefer wurden 
kleine Biotitschüppchen als Einschlüsse in ihm gefunden. Der Zirkon 
tritt in abgerundeten Formen, aber auch in scharf entwickelten 
Kristallen mit Prisma und Pyramide auf. Seine Größe ist eine für ein 
derartiges Gestein manchmal recht bedeutende. So wurde zum Beispiel 
ein 0:21 mm langer und 0°09 mm breiter Kristall gemessen, an dem 
im Gegensatze zu den ebenfalls vorhandenen schlankeren Individuen 
die im Verhältnis zur Breite recht geringe Länge auffällt. Der Zirkon 
beherbergt mancherlei infolge seiner hohen Lichterechung aber nicht 
näher bestimmbare Einschlüsse. In schiefrigen Vorkommnissen des 
hellen Gneisglimmerschiefers wurden nicht selten sechsseitige Täfelchen 
von Eisenglanz, manchmal recht groß, gefunden. 

In direkter Nähe des auf der Berghöhe anstehenden Gesteines 


[41] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 209 


fanden sich Blöcke, die eine Verbindung von hellem und rotem 
Gneisglimmerschiefer zeigten und es wahrscheinlich machen, 
daß letzterer, ebenfalls von minder vollkommener Parallelstruktur, 
untergeordnete Einlagerungen in ersterem bildet. Nach Analogie dieses 
Vorkommens kann geschlossen werden, daß die in tieferen Horizonten 
vielfach gefundenen roten, deutlicher schiefrigen Bruchstücke gleich- 
falls auf untergeordnete Einlagerungen in tiefer gelegenen ausgeprägter 
schiefriger Schichten von hellem Gneisglimmerschiefer verweisen. 

Die Farbe dieses roten Gneisglimmerschiefers rührt von massen- 
haft eingelagertem Eisenglanz her, der in großen unregelmäßigen 
Lappen, sechsseitigen Täfelchen, kleinen Schüppchen und zusammen- 
hängenden Häuten, welche die Quarzkörner voneinander abgrenzen, 
vorkommt. Dieses rote Gestein hat mit der hellen Varietät das Auf- 
treten von dichtbestäubtem Orthoklas, von Muscovit, Zirkon, Korund 
und den großen Einschlußreichtum der Quarze gemeinsam, ferner das 
Fehlen von Biotit, Andalusit, Turmalin und Plagioklas. Auch er besitzt 
die mikroskopische Augenstruktur. Aber die Feldspate werden in ihm 
nicht von einem Chlorit-Muscovitsaum, sondern von einem Hämatit- 
Muscovitsaum umschmiegt. Durch den fast gänzlichen Mangel an 
Chlorit und durch die große Menge seines Eisenglanzes unterscheidet. 
sich dieser rote Gneisglimmerschiefer von dem hellen. Die schiefrige 
rote Varietät besitzt infolge der lagenweisen Anhäufungen von vor- 
wiegendem Eisenglanz und untergeordnetem Muscovit, die regelmäßig 
mit quarzreichen Lagen abwechseln, eine deutliche Parallefstruktur, 
welche die ausgezeichnete Schieferung veranlaßt. 


D. Der gestreifte Gneis. 


Die Bruchstücke des gestreiften Gneises, der sich auf der Süd- 
seite zwischen den Kalkberg und den südlicher angrenzenden Granit 
in einer schmalen Zunge einschiebt, befinden sich meist in einem sehr 
zersetzten Zustande, der sich schon makroskopisch durch die zahl- 
reichen Muscovitblättchen verrät, mit denen sie überstreut sind. Auf 
dem Querbruche erscheinen oft bis 1/; em große Orthoklaskörner. Sie 
sind unter dem Mikroskope ebenso wie der spärlicher vorhandene 
Plagioklas stets sehr unfrisch und enthalten filzige Aggregate kleiner 
sekundärer Muscovitschüppchen. Außerdem treten aber auch größere, 
offenbar primäre Muscovitblätter auf, die meist mit einem grünen, 
lavendelblau polarisierenden Chlorit verwachsen sind, der, wie Über- 
gänge und die eingelagerten Rutilnädelchen beweisen, das Umwandlungs- 
produkt von Biotit ist. Es handelt sich also um einen Zweiglimmer- 
gneis. 

In etwas weniger verwitterteu Bruchstücken ist der Biotit mit- 
unter noch frisch und besitzt außerordentlich kräftigen Pleochroismus, 
der zwischen völlig dunkel und hellgelblich wechselt. Er tritt vielfach, 
und dann immer in Verbindung mit kleinkörnigem Quarz, der sehr 
schön die sogenannte Pflasterstruktur zeigt, in einem dichten Gewirr 
kleiner Schüppchen auf. Außerdem kommen aber, sogar in demselben 
Schliffe, auch größere Quarzkörner mit rundlicher Begrenzung vor, die 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (K. Richter.) 283 


210 K. Richter. [42] 


sehr einschlußreich sind. Accessorisch erscheinen Korund, Zirkon, 
Eisenglanz und andere opake Eisenerzkörnchen. Der Korund bildet 
bis 0'42 mm große, von unregelmäßigen Sprüngen durchzogene Körner, 
die Flüssigkeitseinschlüsse und Biotitschüppchen beherbergen. 


Genetische Auffassung. 


Wenn nun noch etwas über die Entstehung des Kalkkomplexes 
und der zugehörigen kristallinen Silikatgesteine ermittelt werden soll, 
so ist zunächst der Gedanke, es könnte sich um umgewandelte ur- 
sprüngliche Eruptivmassen handeln, gänzlich ausgeschlossen. So bleibt 
nur übrig, an ehemalige Sedimente zu denken, die entweder durch 
Regional- oder Kontaktmetamorphose umgewandelt worden sind. Da 
sich nun südlich vom Kalkberge, nur durch die schmale Zunge des 
zuletzt besprochenen gestreiften Gneises von ihm getrennt, eine ge- 
waltige Granitmasse !) erstreckt, liegt es nahe, der letzteren Annahme 
den Vorzug zu geben und die Entstehung des Kalkkomplexes und 
seiner Nebengesteine auf eine von diesem Granit ausgehende Kontakt- 
metamorphose zurückzuführen. 

Es wäre nun zu erwarten, daß in erster Linie der gestreifte 
Gneis Kontaktwirkungen zeigen müßte, und als solche sind wohl 
auch die deutliche Pflasterstruktur seines kleinkörnigen Quarzes und 
die damit verbundene eigentümlich kleinschuppige Ausbildung des 
Biotites, welche beide ganz den Anblick gewähren wie im kontakt- 
metamorphen sogenannten Quarzglimmerfels, aufzufassen. Ferner 
kann vielleicht auch das Auftreten der bis 0'42 mm großen Korund- 
körner im Gneis als eine Folge der granitischen Einwirkung gedeutet 
werden, um so mehr, als ja bekanntlich der Korund nicht zu den 
gewöhnlichen Accessorien eines Gneises, besonders nicht in dieser 
Größe, gehört. Daß der Gneiß nicht noch mehr Merkmale einer 
Kontaktmetamorphose besitzt, rührt wohl auch mit daher, daß er über- 
haupt nicht besonders empfänglich für ihre Einflüsse ist. Außerdem 
ist zu bedenken, daß das gesamte für die Untersuchung zugängliche 
Gneismaterial nur in Lesestücken besteht. 

Wichtiger ist es, den Kalkkomplex selbst und seine 
hangenden Gesteine zu prüfen, ob und was für Merkmale sie 
besitzen, die für Kontaktmetamorphose sprechen könnten. Die Struktur 
des Kalksteines kann dabei außer acht gelassen werden, da sie kein ent- 
scheidendes Kriterium mehr sein kann, seit Weinschenk?) für den 
kontaktmetamorphen Tiroler Marmor die sogenannte verzahute Struktur 
nachgewiesen hat, die Vogt?) nur für regionalmetamorphen Kalkstein 
in Anspruch nahm, während in kontaktmetamorphem die Kalkspat- 


!) Joke&ly beschreibt diesen Granit im Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. X, pag. 375 
und scheidet ihn infolge seines weißen Orthoklases von dem sogenannten „Granitit“, 
der durch die Führung von fleischrotem Orthoklas charakterisiert ist. (Siehe 
darüber denselben Band des angegebenen Jahrbuches, Seite 370.) 

2) Weinschenk, „Die Tiroler Marmorlager“. Zeitschrift für praktische 
Geologie. 1903, Heft 4. 

®) Vogt, „Der Marmor in bezug auf seine Geologie, Struktur und seine 
mechanischen Eigenschaften“, Zeitschrift für praktische Geologie. 1898. 4 und 43. 


[43] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. a 


körner (nach Vogt) mit verhältnismäßig ebenen Konturen aneinander- 
stoßen sollten. Dagegen kann wohl der stellenweise sehr bedeutende 
Accessorienreichtum des Kalksteines im Sinne von Kon- 
taktmetamorphose gedeutet werden. Es ist hierbei zum Beispiel die 
reichliche Olivinführung und der Granatgehalt der schwarzen und 
grünen Bänder und der Pyroxengehalt eines Teiles der ersteren zu 
erwähnen; und vielleicht kann angenommen werden, daß es sich bei den 
Olivinen der dunklen Bänder, die bei ihrer Serpentinisierung im Gegen- 
satz zu anderen kein Eisenerz ausgeschieden haben, um Forsterit 
handelt, der bekanntlich in kontaktmetamorphem Kalkstein auftritt. 
Ferner kommen der bedeutende Pyroxenreichtum des Pyroxenkalksteines 
und dessen Pyroxen, Biotit, Klinozoisit und Epidot führende dunkle Mine- 
ralkombinationen in Betracht. Auch ist an den reichlichen Pyroxen und 
Apatit des Glimmerkalksteines, besonders aber an dessen Plagopit 
zu denken, den Weinschenk als ein „typisches Mineral kontakt- 
metamorpher Kalke“ bezeichnet‘). Endlich muß auch der in der 
weißen Hauptmasse des Kalksteines gefundene farblose Granat, grüne 
Spinell, Olivin und Chondrodit erwähnt werden, und besonders ist 
die mineralreiche Einlagerung des oberen Bruches (zum Beispiel 
Andalusit, Pyroxen, Rutil, Turmalin, grüner Spinell, Korund) nicht 
zu vergessen. 

Auch die hangenden Gesteine bieten manche Erschei- 
nungen dar, die mit Kontaktmetamorphose zusammenhängen dürften. 
Es sei erinnert an die roten granatreichen Flecken des Malakolith- 
fels, an die von Blumrich in demselben Gesteine gefundenen 
braunen Granaten, an den Epidotreichtum des Chloritschiefers und 
den graphitreichen Tremolitschiefer mit seinem beträchtlichen Gehalt 
an grünem Spinell, Korund und Apatit. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der farblose, optisch posi- 
tive Glimmer, der in der weißen Hauptmasse des Kalksteines, in 
schwarzen und grünen Bändern, in dem schwarzen Hornblendeserpentin 
und im Tremolitschiefer gefunden wurde, als Kontaktprodukt aufzu- 
fassen ist. Schließlich soll auch noch auf den Turmalin und Andalusit 
des Glimmerschiefers, auf den Korund des Gneisglimmerschiefers und 
den außergewöhnlichen Epidot- und Granatreichtum des Hornblende- 
schiefers am Hundshübel hingewiesen werden. 

Es gibt also eine ganze Reihe von Argumenten, die 
sicher mehr für Kontakt-als für Regionalmetamorphose 
sprechen und die mitviel Wahrscheinlichkeitgestatten, 
die EntstehungdesKalkkomplexes und der zugehörigen 
Gesteine auf eine Kontaktmetamorphose des Granites 
zurückzuführen, trotzdem ein direkter Kontakt desselben mit 
den in Betracht kommenden Gesteinen nicht konstatiert werden kann 
und einige typische Kontaktmineralien, zum Beispiel Wollastonit und 
Vesuvian, nicht gefunden wurden ?). 


!) Weinschenk, „Die gesteinsbildenden Mineralien“. 116. Freiburg im 
Breisgau 1901. 

2) Nach Weinschenk fehlen in den „unzweifelhaft kontaktmetamorphen 
Marmorlagerstätten“ Tirols die „gewöhnlichen Mineralien der Kontaktmetamor- 
phose“, Siehe die schon zitierte Abhandlung. 


28* 


212 K, Richter. [44] 


Den Schluß der Arbeit sollen einige kurze 


geschichtliche Angaben 


bilden. Wie weit die Gewinnung des Kalksteines zurückreicht, wird 
sich jedenfalls nicht mehr genau ermitteln lassen. Zippe bringt 
die unbestimmte Angabe, daß in den Raspenauer Kalksteinbrüchen 
„seit Jahrhunderten“ schöner, weißer, grüngefleckter Marmor gewonnen 
und verarbeitet werde!). Die älteste mir bekannt gewordene Nach- 
richt bezieht sich auf das Jahr 1610, in welchem ein bei Raspenau ge- 
brochener „Marmor von weißer Farbe“ für das Mausoleum teilweise 
verwendet wurde, das Katharina von Rädern ihrem Gemahl in der 
Friedländer Stadtkirche bauen ließ ?). Im Urbarium der Stadt Fried- 
land vom Jahre 1631 wird unter der Rubrik „Kalkofen“ erwähnt, 
daß sich in Raspenau ein Kalksteinbruch und daneben ein Kalkofen 
befinde). 1834 sollen nach Zippe „zwei herrschaftliche und fünf 
den Untertanen gehörige Kalköfen“ in Betrieb gewesen sein). Sie 
wurden später durch solche neuer Konstruktion ersetzt, deren es 
jetzt zwei gibt. Der erste derselben wurde 1851 gebaut. Von den 
beiden größten gegenwärtig noch betriebenen Brüchen ist der untere 
oder Ressel’sche (am unteren Ostabhange des Kalkberges gelegen) 
älter als der obere oder Wildner’sche (am oberen Ostabhange des Kalk- 
berges gelegen), welch letzterer nach mündlicher Angabe 1865 ange- 
legt worden ist. Jetzt findet der Kalkstein nur noch als Mauer- und 
Ackerkalk Verwendung. 


Die liegenden und vielleicht auch die hangenden Gesteine 
wurden einst auf Eisenerz ausgebeutet. Zu diesem Zwecke bestand 
in Raspenau ein sogenannter „Eisenhammer“, dessen Gründung in 
das Jahr 1521 fällt. Nach verschiedenem Besitzerwechsel fiel das 
Eisenbergwerk mit der ganzen Herrschaft Friedland an Wallenstein, 
und es war besonders stark in Betrieb etwa von 1627 —1634. Nach 
Wallensteins Tode ging es in den Besitz des Grafen Matthias Gallas 
über. 1699 wurde, wie es heißt infolge des Eindringens von Wasser, 
jedenfalls aber, weil der Ertrag nicht mehr lohnte, die Gewinnung 
von Eisen aufgegeben. Nachdem allerdings in Friedland ein Eisen- 
hammer errichtet worden war, wurde auch — und zwar bis 1709 — 
im Raspenauer Eisenbergwerk der Betrieb wieder aufgenommen, der 
nach einer freilich unverbürgten Nachricht sogar bis 1720 gedauert 
haben soll). 


!) Das Königreich Böhmen. Statistisch-topographisch dargestellt von J. G. 
Sommer. Prag. 2. Bd. 1834. 319. 

2) Ressel, „Geschichte des Friedländer Bezirkes“. Friedland 1902. 91. 

s) Helbig, „Der Eisenhammer in Raspenau“. Erschienen in der „Reichen- 
berger Zeitung“ 1898 in den Nummern vom 6. und 7. Januar. 

*) Diese Angabe, welche sich in dem erwähnten Bande von Sommer’s 
„Böhmen“ findet, soll, wie in Raspenau eingezogene Erkundigungen ergeben haben, 
allerdings nicht auf Wahrheit beruhen. 

5) Speziellere Angaben über den Betrieb und über die Schicksale dieses 
Raspenauer Eisenbergwerkes finden sich in der schon angeführten Abhandlung 
von Helbig. 


[45] Der körnige Kalk des Kalkberges bei Raspenau in Böhmen. 213 


Erst nach langer Pause, nämlich 1890, machte man wieder 
einen und bis jetzt den letzten Versuch, das Eisenerz des Kalk- 
berges auszubeuten, indem man in den hangenden Malakolithfels auf 
der Südostseite des Berges einen Stollen eintrieb!). Aber da der 
Befund den Erwartungen nicht entsprach, stellte man die Arbeiten 
wieder ein. 


Die Untersuchungen zu vorliegender Arbeit wurden im Minera- 
logischen Institut der Universität Leipzig ansgeführt. Es sei mir an 
dieser Stelle gestattet, dem Direktor desselben, Herrn Geheimen 
Rat Prof. Dr. Zirkel, für die Einführung in das Studium der Mine- 
ralogie und für seine vielfachen Unterstützungen herzlich zu danken. 
Ebenfalls spreche ich dem Assistenten des Institutes, Herrn Privat- 
dozent Dr. Reinisch, für seine Unterstützung meinen Dank aus. 


!) Infolge des seitdem weiter vorgeschrittenen Abbaues des Kalksteines ist 
dieser Stollen, dem das von Blumrich als „Hornblendeschiefer“ oder „Amphi- 
bolit“ bezeichnete Material entstammt. gegenwärtig nicht mehr zugänglich. 


214 K.Richter. [46] 
Inhaltsübersicht. 
Seite 
Einletunetiie::, NEN. Le PRIERTREN IST I EREEREE 169 [1] 
Literaiyranfade u „SR RIM. RHEIN TREE SR 169 [1] 
Geologische Übersicht 7... AHA EEE Re SE 170-812] 
A. Der Kalkkomplex nebst seinem Hangenden und Liegenden . . . 171 [3] 
1.De Ko TmIge MRalle re 0 12 12 EEE EEE MEN EEE Wo 
1. Die weiße Hauptmasse des Kalksteines . . . . . 2 = 2 2.0. 177 1 
2. Der dunkle und gebänderte Kalkstein .. . 2... 2 2.. 183 [15] 
3..!Der Pyroxen- und Glimmerkalksten" I 77 SM 185 [17] 
4. Silikatische Einlagerungen im Kalkstein. . . . 2. 2 2 2 2.0. 187 [19] 
II. Die hangenden und liegenden Gesteine... . 2.2... 192 [24] 
Das Hangende: 

1.Der. Malskolithfels’ , 7%. 2 meer ee ee Et 192 [24] 
Der Hornblendeschiefer res ee: 196 [28] 
8:,Der) Beldspafamphibolit 1 LA. 1 Fe A ae £ 200 [32] 
4. Der. Chlozitsehieier 2. Ska ze. Ya ee er 202 [34] 

In den Zusammenhang der hangenden Gesteine gehörig: Der 
Tremolutschieter 000. Sn 203° [33] 

Das Liegende des Kalksteines und der Hornblendeschiefer des 
Höndshübels 7.71: NT RE 205 [37] 
B> Der Glimmerschiefer 2.2 . . wup verlegen > BA m 206 [38] 
6. Der/sneisslimmerschiefer +... 0. 20 a uch ER 2a 207 [39] 
D..Der gestreitte ones... . ... 1. um 0 kan 2 ne . 209 Ja 
Genetische AuffaRaung dee ee ee SE 2 er ma 210 [42] 
Greschichtliche Angaben za TR ne N 212 [44] 


Geologische Beschreibung der Mosor planina. 


Von Dr. Fritz v. Kerner. 


Mit einer geologischen Karte in Farbendruck und 2 Profiltafeln 
(Nr. VI mM—VIN [II1)). 


Vorbemerkung. 


Die im folgenden mitgeteilten Beobachtungen sind das Ergebnis 
von etwa 30 Tagesexkursionen, welche ich teils im Frühsommer 1902, 
teils im Frühlinge und Herbste 1903 unternommen habe. Die über- 
wiegende Mehrzahl dieser Exkursionen erfolgte anläßlich der geo- 
logischen Detailaufnahme des Blattes Sini—Spalato, in dessen Süd- 
hälfte der größere Teil der Mosor planina fällt. Die übrigen Touren 
fanden, soweit sie nicht zur kartographischen Sicherung der Süd- 
grenze jenes Blattes nötig waren, zu dem Zwecke statt, der geologischen 
Untersuchung des Mosor einen Abschluß zu verleihen. 

Der Forschungsreisende ist im Mosorgebiete, sofern ihm nicht 
die zur Installierung eines Zeltlebens erforderlichen Mittel zu Gebote 
stehen, fast ganz auf Gastfreundschaft angewiesen. Dieselbe wurde 
mir dank der die Bewohner von Dalmatien auszeichnenden gast- 
freundlichen Gesinnung in reichstem Maß zuteil. Ich fühle mich 
gedrängt, gleich hier jenen Herren meinen innigsten Dank zu sagen, 
welche mir durch die liebenswürdige Aufnahme, die ich bei ihnen 
fand, die geologische Durchforschung des Mosor ermöglicht haben. 
Es sind dies die Herren P. Petar Mihanovic, Pfarrer in Sitno, 
P. Herceulian Luger, Pfarrer in Srinjine, P. Nathalis Macanovig, 
Pfarrer in Dugopolje. P. Lukas Zuljevic, Pfarrer in Srijani, ferner 
die Herren L. Miotto in Kotlenice und A. Skrivanic in Almissa 
sowie auch Herr Jelid in Dolac. 

Die Mosor planina kann als ein für den Aufnahmsgeologen sehr 
dankbares Arbeitsfeld bezeichnet werden. Hochgradige Aufgeschlossen- 
heit des Untergrundes, Gleichförmigkeit in der Ausbildungsweise der 
einzelnen Schichtglieder und leichte Unterscheidbarkeit derselben von- 
einander, häufige deutliche Erkennbarkeit der Schichtlage und eine 
weitgehende Abhängigkeit des Reliefs von der Art und Lagerungsform 
der Gesteine, all’ diese Wünsche des geologischen Kartographen gehen 
am Mosor in mehr oder weniger vollkommener Weise in Erfüllung 
und machen so dieses Gebirge zu einem Eldorado für den Aufnahms- 
geologen. Die dem Meere zugewandte Seite des Mosor wird in bezug 

Jahrbuch d. k. k, geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 


216 Dr. Fritz v. Kerner. [2] 


auf die Berechtigung, so gerühmt zu werden, von den für die geolo- 
sische Kartierung günstigsten Gebieten des nördlichen Dalmatien, 
wie den Uferlandschaften der unteren Kerka, dem Küstengebiete von 
Sebenico und der zentralen Zagorje, kaum erreicht, gewiß nicht 
übertroffen. 

Der Tektoniker und der Stratigraph werden dagegen in der 
Mosor planina nicht auf ihre Rechnung kommen. Das Dominieren einer 
der einfachsten und klarsten Formen der Gebirgsstruktur, der Faltung, 
und das Fehlen hochkomplizierter und kaum zu ergründender, doch 
eben darum das Interesse im höchsten Maße fesselnder Störungen 
werden dem Tektoniker die Mosor planina als ein nicht sehr an- 
ziehendes Terrain erscheinen lassen, es sei denn, daß ihm schon der 
Anblick des Ideals eines Faltengebirges eine Freude macht. Der 
Stratigraph wird aber am Mosor geradezu sehr unbefriedigt sein, da 
völliger Mangel an organischen Einschlüssen und schlechte, zur Be- 
stimmung unzureichende Erhaltung der Fossilien für die überwiegende 
Mehrheit der am Aufbaue des Gebirges beteiligten Gesteine bezeichnend 
sind, und jene Schichtkomplexe, welche bestimmbare Fossilien führen, 
eine Gliederung auf faunistischer Grundlage nicht zulassen. 

Die eben besprochenen Verhältnisse bedingen es auch, daß der 
Mosor als Gegenstand für die verschiedenen Formen der geologischen 
Publikation sehr ungleich geeignet ist. Dasjenige, was als publi- 
zistisches Resultat einer geologischen Untersuchung des Mosor in 
erster Linie in Betracht kommt, ist eine auf topographischer Grund- 
lage ausgeführte geologische Karte und eine Serie von quer durch 
das Gebirge gelegten Durchschnitten. Für eine geologische Beschrei- 
bung ist die Mosor planina dagegen wenig geeignet, da zu Fest- 
stellungen, deren Mitteilung den Inhalt einer geologischen Abhandlung 
zunächst ausmachen sollen, wie Detailprofile mit genauer Angabe des 
lithologischen Charakters der einzelnen aufeinanderfolgenden Gesteins- 
bänke und mit Aufzählung der in ihnen enthaltenen Fossilien, sowie 
auch zu eingehenden Erörterungen über tektonische Komplikationen 
teils wenig, teils gar keine Gelegenheit gegeben ist; und anderseits 
jene geologischen Verhältnisse, über welche am Mosor Notizen in 
reichster Zahl gesammelt werden können, wie Verlauf von Schicht- 
grenzen, Beziehung derselben zu Relieflinien, Richtung und Grad des 
Schichtfallens, nur in beschränktem Maße der Gegenstand einer Mit- 
teilung durch Worte sein können und viel besser und weit voll- 
ständiger auf einer Karte und in Profilen zur Darstellung gelangen. 

Zu FErörterungen karstmorphologischen Inhaltes, die auch in 
einer geologischen Gebietsbeschreibung nicht ganz beiseite zu lassen 
sind, bietet der Mosor allerdings mehrfachen Anlaß. Die Einschaltung 
solcher Erörterungen nebst Hinweisen auf paläogeographische Gesichts- 
punkte reichen aber höchstens dazu aus, die streckenweise bis zu 
einem unerträglichen Grade sich steigernde Langweiligkeit der Auf- 
zählung von verschiedenen Kalkvarietäten und Einfallswinkeln etwas 
zu mildern, nicht aber dazu, eine im großen und ganzen interessante 
Lektüre herzustellen. Es sei darum gleich hier bemerkt, daß die 
folgenden Zeilen keine Bereicherung der geologischen Literatur um 
eine spannende oder auch nur halbwegs genießbare Abhandlung be- 


[3] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 317 


deuten und nur den Zweck verfolgen, demjenigen zu dienen, der 
eine nähere Orientierung über die geognostischen Verhältnisse irgend- 
einer Region des Mosorgebirges wünscht. 


Lage, Grenzen und Einteilung des Mosor. 


Die Mosor planina ist das nordwestliche Endstück des Gebirgs- 
zuges, welcher die dinarisch streichende Küste von Süd- und Mittel- 
dalmatien begleitet. Der Westfuß des Mosor fällt fast zusammen mit 
der Stelle, an welcher die dalmatische Festlandsküste das im Bereiche 
der Inselvorlagen schon in Mitteldalmatien herrschende lesinische 
Streichen annimmt, dem dann nach Einschaltung einer meridional ver- 
laufenden Küstenstrecke in Norddalmatien wieder normales SO—NW- 
Streichen folgt: 

Gegen seine Umgebung grenzt sich der Mosor ziemlich gut ab. 
Längs der Landseite bilden die Einsenkung von Srijani und Dolac 
und das Dugo polje scharfe Scheiden gegen das benachbarte Terrain ; 
aber auch in dem dazwischen liegenden Gebiete läßt sich eine Grenze 
unschwer ziehen, da der Übergang der flachwelligen Dolinenlandschaft 
von Kotlenice in die unteren Abhänge des Berges ziemlich rasch er- 
folgt. Gegen W bilden der dem Jadro tributäre Zavlic potok und 
weiter küstenwärts der Unterlauf des Stobree potok wohlmarkierte 
Grenzen. _ Nur in dem dazwischen liegenden Gebiete ist ein all- 
mäliger Ubergang des Mosor in das Hügelland der Kila östlich von 
Spalato vorhanden, der eine exakte Grenzziehung illusorisch macht. 

Verhältnismäßig schwerer ist es, das dem Mosor zuzurechnende 
Gebiet gegen SO abzugrenzen. Am nächstliegenden erschiene es, die 
Stelle, an welcher sich der Kamm des Mosor gegen O abflacht, als 
maßgebend für eine Grenzziehung zu betrachten. Da jedoch in den 
dem Hauptkamme land- und meerwärts angeschlossenen Vorbergen 
unterhalb jener Stelle keine natürlichen Grenzen ziehbar sind und 
jene Stelle nur für die Achse des Gebirges einen Markstein darstellt, 
ist dieselbe als Ausgangspunkt für eine Abgrenzung des ganzen Ge- 
birgssystems nicht geeignet. 

Am passendsten erscheint es, als Ostgrenze des Mosor eine Linie 
anzunehmen, die von Almissa über Zakudac und Gata und die Raselka 
nach Dolac gornji verläuft. Längs dieser Linie wird das ganze meer- 
wärts vom Hauptkamme gelegene Gebiet durch einen tiefen Einschnitt 
quer durchtrennt; die tiefe Einsenkung auf der Landseite des Ge- 
birges tritt bei Dolac gornji am nächsten an den Mosorkamm heran 
und letzterer erleidet im Bereiche der Einschnürung, die so im N 
von Almissa das ganze Bergsystem erfährt, eine rasche und bedeutende 
Abnahme seiner Höhe, die es gestattet, den Sattel von RaSelka als 
östlichen Endpunkt des eigentlichen Mosorkammes anzunehmen und 
das noch folgende Kammstück, die LiSnica, als einen Gebirgsausläufer 
zu betrachten. 

Der Anstieg des Geländes vom Meere zum Hauptkamme des 
Mosor vollzieht sich unter wiederholten, sehr verschieden großen Os- 

Jahrbuch d. k. k. geol, Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 99 


DR Dr. Fritz v. Kerner. [4] 


zillationen. Bald senkt sich das Terrain nach früher erfolgtem An- 
stiege wieder so bedeutend, daß eine selbständige Vorkette und ein 
Längstal zustande kommen, bald ist die Senkung im Vergleiche zu 
dem vorher erfolgten Anstiege so gering, daß man nur von einer Ter- 
rasse mit erhöhtem Rande sprechen kann. 

Die Mehrzabl der die Südseite des Mosor durchziehenden Vor- 
ketten, Längstäler und Terrassen erstreckt sich nicht über die ganze 
Längsausdehnung des Gebirges. Zum Teil gehen auch die beiden vor- 
senannten Formen von Bodenwellen ineinander über, indem sich ein 
Terrassenrand zu einem Bergkamm aufwölbt und der Boden der Ter- 
rasse, ohne eine Senkung zu erfahren, sich in ein Längstal fortsetzt 
oder indem sich eine Stufe in ihrer Längsrichtung rasch senkt, ihr 
Rand dagegen in derselben Höhe bleibt und sich die Stufe so in ein 
Tal verwandelt, ihr Rand dagegen, ohne an Höhe zuzunehmen, sich 
zu einer Vorkette umgestaltet. 

Nur die letzte, den Küstensaum begleitende Vorkette erstreckt 
sich ohne Unterbrechung entlang der ganzen Südseite des Haupt- 
kammes und nimmt dadurch, daß sie die anderen Ketten zugleich an 
Breite bedeutend übertrifft, eine Ausnahmsstellung ein, die es zuläßt, 
diese letzte Vorkette vom Mosor im engeren Sinne abzutrennen und 
als Poljicaner Küstengebirge zu bezeichnen. 

Auf der Landseite des Mosor kommt es nur an einer Stelle zur 
Bildung einer Vorkette und eines hinter ihr eingreifenden Längstales; 
auch die Terrassenbildungen sind hier von weit geringerer Entwicklung 
als am Südabhange und stellenweise durch Gehängezonen, in denen 
die Neigungswinkel mehr oder minder stark verringert sind, ersetzt. 

Im Hauptkamme des Mosor hebt sich ein höchster mittlerer Ab- 
schnitt scharf von den beiden Seitenteilen ab. Da auch das Relief der 
land- und meerwärts abdachenden Gehänge unterhalb dieses mittleren 
Kammstückes verschieden ist von dem im W und SO, läßt sich das 
ganze Bergmassiv des Mosor abzüglich des Poljieakammes in morpho- 
logischer Beziehung in drei Teile gliedern. 

Der Kamm des Westmosor erstreckt sich vom Debelo brdo, in 
welchem die auf der Ostseite der Gebirgsbucht von Clissa ansteigenden 
Gehänge gipfeln, bis zum Fuße des Berges Lubljan. Gegen N dacht 
dieses Kammstück mit einem ziemlich monotonen, nur in seiner oberen 
Zone durch unvollkommene Stufenbildung unterbrochenen Gehänge 
gegen das Dugo polje ab. Gegen S erfolgt der Abfall zu dem Tale 
des Stobrec potok unter Einschaltung einer breiten, weit vortretenden 
Terrasse. 

Das Mittelstück des Mosorkammes reicht vom Westfuße des 
Berges Lubljan bis zu der Einsattlung des Luti kamen. In ihm 
erhebt sich der Kulminationspunkt des ganzen Bergmassivs. Gegen 
NO ist diesem Teile des Kammes ein Rücken vorgelagert, dessen 
höchste Kuppe, Jabukovac, den Mosorgipfeln an Höhe nicht viel 
nachsteht. Vom Hauptkamme ist dieser Rücken durch eine an 
Trichtern und Schlünden reiche Einsenkung geschieden, gegen NO 
dacht er mit einem von vielen schmalen Stufen unterbrochenen 
Gehänge zum dolinenreichen, flachwelligen Terrain von Kotlenice ab. 
Die dem Meere zugewandte Seite des zentralen Abschnittes des 


[5] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 219 


Mosorkammes ist der am mannigfaltigsten geformte Teil des ganzen 
Bergmassivs. Längs einer Linie, die durch die Mitte dieses Teiles 
gezogen wird, kann man drei Stufen und (abzüglich des Poljiea- 
kammes) eine Vorkette unterscheiden. Gegen NW erfährt diese 
Konfiguration insofern eine Anderung, als sich die mittlere Stufe zu 
einem Hochtale vertieft und die untere Stufe sich gegen S vorschiebt. 
und senkt. Gegen SO zu tritt eine Modifikation des in der Mittellinie 
vorhandenen Reliefprofils dadurch ein, daß sich der Rand der unteren 
Stufe zu einem hohen Kamme aufwölbt und die Vorkette eine Ab- 
flachung erleidet. 

Der Ostabschnitt des Mosorkammes reicht vom Luti kamen bis 
zum Sattel von RaSelka. Zum größten Teile von geringerer Höhe 
als das Mittelstück des Kammes, steigt er im Kozik fast bis zur 
Höhe des Hauptgipfels der Planina an. Dieser Teil des Kammes 
dacht gegen NO mit einem — ähnlich dem Nordabhange des West- 
mosor — in seiner oberen Zone von Stufen unterbrochenen Gehänge 
zur Einsenkung von Dolac ab. Meerwärts ist ihm ein langer Rücken 
vorgelagert, der die Fortsetzung des vorerwähnten, aus dem Rande 
der unteren Terrasse des Mittelmosor aufsteigenden Kammes bildet. 


Stratigraphische Übersicht. 


Das älteste am Mosor zutage tretende Schichtglied ist der 
mittelkretazische Dolomit, welcher in vielen Teilen Dalmatiens das 
Liegende des Rudistenkalkes bildet. Er ist ein ungleichmäßig körniges 
oder mürbsandiges Gestein von schmutzigweißer bis lichtgrauer Farbe, 
ziemlich gut geschichtet, minder zerklüftet und darum weniger wasser- 
durchlässig als der Rudistenkalk. Bei der Verwitterung bildet er 
stellenweise grotesk geformte Felsen. Durch dunklere Farbe und 
mildere Oberflächenformen hebt sich das Gebiet des Dolomits land- 
schaftlich scharf von dem des umgebenden Kalkes ab. Die Grenze 
gegen letzteren ist zumeist scharf und nicht durch eine petro- 
graphische Ubergangszone vermittelt. Der Dolomit erscheint in einer 
Aufbruchszone in der mittleren Terrasse am Südabhang des mittleren 
Gebirgsteiles und unterhalb des Randes der breiten Terrasse auf der 
Südseite des Westmosor. 

Uber diesem Dolomit folgt der Rudistenkalk, welcher die 
obere Kreide, abzüglich deren oberster Horizonte, vertritt. Dieser 
Kalk zeigt mehrere verschiedene Ausbildungsweisen. Er ist teils sehr 
grobkörnig, teils mehr oder minder feinkörnig bis dicht. Seine Farbe 
schwankt zwischen reinem Weiß und lichtgelblich oder blaßgrau. Von 
organischen Einschlüssen finden sich neben Foraminiferen zumeist 
Bruchstücke von Radiolitenschalen, seltener Reste von anderen 
Bivalven und von Gastropoden. Die Verteilung dieser Einschlüsse ist 
sehr ungleichmäßig. Die grobkörnigen, rein weißen Kalke sind oft 
dicht von Schalenfragmenten erfüllt, die dichten Kalke häufig fossil- 
arm. Stellenweise sind dem Rudistenkalke kleine Dolomitlinsen und 
Zonen von Breccienkalken und mehr oder minder deutlich plattig 

29* 


220 Dr. Fritz v. Kerner. [6] 


abgesonderten Kalken eingeschaltet. Die Hauptmasse der ober- 
kretazischen Kalke ist ziemlich gut in dicke Bänke geschichtet, 
doch erscheint die Schichtung oft durch das wüste Karrenrelief 
undeutlich gemacht oder ganz verwischt. Der Rudistenkalk ist das 
am Aufbaue der Mosor planina am meisten beteiligte Gestein und 
bedingt den wilden Karstgebirgscharakter derselben. Er setzt die 
ganze Landseite, den Hauptkamm und die oberen Teile der dem 
Meere zugewandten Seite der Planina zusammen und erscheint über- 
dies in mehreren langen und breiten Zügen in den unteren Partien 
dieser letzteren Gebirgsseite. 

Der Rudistenkalk wird nach oben hin breccienartig und geht 
dann in Trümmerbreccien und Konglomerate über. Diese Gesteine 
enthalten außer Stücken von weißem, gelblichem und grauem Kreide- 
kalke stellenweise auch Fragmente eines bräunlichen Kalkes, welcher 
eozäne Foraminiferen einschließt. 


Bezüglich der Form der Bestandteile dieser klastischen Gebilde 
zeigen sich alle Übergänge zwischen scharfkantigen Trümmern und 
völlig abgerundeten Kieseln und Geschieben. Die Größe der Frag- 
mente ist sehr wechselnd. Nach unten hin läßt sich hier kein Grenz- 
wert angeben, nach oben hin erscheint er durch Blöcke von zirka 
1 m? Rauminhalt gegeben. Auch das Gefüge ist sehr variabel, teils 
sehr kompakt, teils mehr oder minder locker. 


Bei den kompakten Breccien und Konglomeraten ist nur eine 
sehr spärliche oder gar keine Kittmasse zu sehen; die lockeren Kon- 
glomerate und Breccien haben ein kalkig sandiges Zwischenmittel, 
welches stellenweise vereinzelte Nummuliten führt. Die kompakten 
Breccien und Konglomerate sind sehr dick gebankt, doch wird auch 
bei ihnen die Schichtung oft durch das wüste Karstrelief undeutlich. 
Die lockeren Breccien zeigen eine ausgezeichnete Schichtung in 
ziemlich dünne Bänke. 


Diese klastischen Gesteine erscheinen teils auf der Westseite des 
Westmosor, teils am Nordostabhang des östlichen Mosor als randliche 
Auflagerung auf dem zusammenhängenden Rudistenkalkkomplex des 
Hauptgebirges, teils besäumen sie die vorerwähnten isolierten Streifen 
von Rudistenkalk in der Vorgebirgszone, teils endlich bilden sie selb- 
ständige Züge innerhalb derselben. Ein Teil der Breccien ruht dem 
liegenden Rudistenkalke sehr deutlich diskordant auf. An manchen 
Orten ist dagegen das Vorhandensein einer Diskordanz nur wenig 
ausgesprochen oder gar nicht zu erkennen. 


In enger Verbindung mit den Breccien und Konglomeraten 
erscheint ein bräunlicher, sehr ungleichmäßig gekörnter Kalk, welcher 
eine ziemlich spärliche Mischfauna von Milioliden, Alveolinen, Nummu- 
liten und Orbitoiden aufweist. An vielen Orten läßt sich feststellen, 
daß dieser Foraminiferenkalk eine etwas höhere Position einnimmt 
als die Hauptmasse des Konglomerats, an anderen Stellen hat man 
den Eindruck eines gegenseitigen Ineinandergreifens, beziehungsweise 
einer gegenseitigen Vertretung dieser beiden Gesteine. Am Nordost- 
fuße des östlichen Mosor erscheint in Verbindung mit den Breccien 
des Kreidekalkes ein stellenweise von Alveolinen dicht erfüllter Kalk. 


[7] Geologische Beschreibung der Mosor planina. Dr! 


Während die kompakten Breccien und Konglomerate zur Bildung 
plumper, klumpiger Felsformen neigen, trifit man im Bereiche des 
Foraminiferenkalkes sehr stark zernagte Karrenfelder und Scherben- 
felder mit scharfkantigen Steinen an. Die Breccien und Konglomerate 
des Mosor sind zum größeren Teile ins mittlere Eozän zu stellen 
und als ein ungefähres Äquivalent der tiefsten unter den Promina- 
schichten liegenden Breccien zu betrachten. 

Uber dem mitteleozänen Foraminiferenkalke folgt am Mosor ein 
an Hornsteinknollen ziemlich reicher, lichtgelber, dünn geschichteter 
mergeliger Kalk. Je nach seinem geringeren oder größeren Tongehalt 
ist dieses Gestein noch schlechtweg als Plattenkalk, als plattiger Mergel- 
kalk oder als Mergelschiefer zu bezeichnen. Es hat das Aussehen 
der härteren Mergelschiefer des Monte Promina und des Opor und 
scheint wie letztere keine Pflanzenreste zu führen. An seiner oberen 
Grenze erscheinen stellenweise diekbankige, graubraune, schwach 
bituminös riechende Mergelkalke, welche sehr stark mazerierte Blatt- 
fetzen und Steinkerne von Gastropoden von mitteleozänem Habitus 
enthalten. Den Plattenkalken sind an manchen Orten Bänke von 
Breceien und Konglomeraten eingelagert. Auf der Nordostseite des 
Poljicaner Küstengebirges erscheinen an Stelle der plattigen Kalke 
sehr grobknollige Konglomerate. Das Verbreitungsgebiet der mergeligen 
Plattenkalke sind die unteren Südwestabhänge und die südwestlichen 
Vorketten des mittleren und östlichen Mosor. Sie erscheinen hier in 
langen, zumeist schmalen Zügen an den Rändern der Kalk- und Kon- 
glomeratzone. 

Uber den Plattenkalken folgt als jüngstes von der Gebirgs- 
faltung noch mitbetroffenes Schichtglied der Flysch. Er ist zum Teil 
in reiner Mergelfazies, zum Teil als Mergel mit Sandsteinbänkchen, 
zum Teil in reiner Sandsteinfazies entwickelt. Die Flyschmergel sind 
zumeist engklüftig splittrig und von grünlichgrauer Farbe, seltener 
mehr schiefrig, blättrig und schmutziggelb gefärbt. Die stets sehr gut 
seschichteten Kalksandsteine sind fein- bis grobkörnig und grau oder 
braun gefärbt. Als Einlagerungen in den Mergeln erscheinen dicke 
Bänke von Breccienkalken und Konglomeraten sowie von sandigen 
und mergeligen Kalken. 

Der Flysch repräsentiert ein oberes quellenführendes Niveau. 
Sein Verbreitungsgebiet sind die unteren Teile der Südwestseite des 
Mosor. Er füllt hier das gesamte zwischen den Zonen der älteren 
Gesteine gelegene Terrain aus. Den Plattenkalken liegt er konkordant 
auf. Letztere dürften ungefähr an die Grenze von Mittel- und Ober- 
eozän zu stellen sein und der Flysch demnach dem Obereozän an- 
gehören. 

Von quartären Ablagerungen sind zu nennen, Terra rossa, vor- 
wiegend am Grunde der zahllosen Dolinen im Rudistenkalke, Eluvial- 
schutt, zumeist im Gebiete der lockeren Breccien und Konglomerate 
(sekundäre Geröllfelder), der Foraminiferenkalke (Scherbenfelder) und 
Plattenkalke (Plattenfelder) sowie im Gebiete der Flyschgesteine, 
Gehängeschutt, besonders am Fuße der Steilabstürze der Terrasse 
von Kovatlevi6 stan, der oberen und mittleren Terrasse des Mittel- 
mosor und auf der Südwestseite des Makirinakammes und Poljica- 


2223 Dr. Fritz v. Kerner. [8] 


kammes, Blockanhäufungen im Grunde tiefer Einsturztrichter, Torrenti- 
schotter, hauptsächlich in der Studenica und in der Strana bei Naklice 
sowie in den Rinnsalen des Brisine potok, Veliki potok, Smovo potok 
und Bila, endlich noch Kalktuff in mächtiger Entwicklung am OÖber- 
laufe des Stobrec potok bei Zernovnica. 


Tektonische Übersicht. 


Die Mosor planina ist ein Komplex von Falten und Flexuren 
innerhalb des Gesamtsystems der Dinariden. Das Streichen der 
Mosorfalten ist dinarisch und geht im westlichsten Teile des Gebietes 
rasch in das lesinische Streichen über, so daß ostwärts von Spalato 
ein gegen die adriatische Senkung konkaver Faltenbogen zustande 
kommt. In ihrem Streichen zeigen die Mosorfalten verschiedene Ver- 
änderungen, Aufsteilungen und Abflachungen mit oder ohne Anstieg, 
beziehungsweise Senkung der Faltenachsen und dementsprechenden 
Variationen in der Breite. Auch gegenseitige Übergänge von Falten 
und Flexuren kommen vor. Zumeist sind diese Veränderungen der 
Querprofile mit entgegengesetzten in den Nachbarfalten kombiniert, 
so daß es zu Erscheinungen gegenseitiger Verdrängung und gegen- 
seitigen Ersatzes der Faltenzüge kommt. Die Mehrzahl der Mosor- 
falten ist asymmetrisch und hat einen mäßig steilen diekeren Nordost- 
und einen sehr steilen dünneren Südwestflügel. Streckenweise kommt 
es zu partiellem Schwunde dieses letzteren, doch sind Faltenver- 
werfungen am Mosor eine untergeordnete Erscheinung. 


Anderseits treten auch annähernd symmetrische Schichtauf- 
wölbungen auf. Ihrer Struktur nach sind die Mosorfalten domförmig. 
Man kann bei ihnen völlig flache Lagerung in der Region der Falten- 
achse und allmälige Hinabbiegung der Schichten zu beiden Seiten 
der Achsenregion feststellen. Knickungen (Dachstruktur) und Zer- 
reißungen in der Faltenachse und partielle gegenseitige Vertikalver- 
schiebungen der beiden Faltenflügel kommen nur ausnahmsweise 
vor. Die oft sehr schön entwickelte Domstruktur der Faltenzüge ist 
als tektonisches Charakteristikon der Mosor planina zu bezeichnen. 


In bezug auf die Gesteinsarten, welche am Aufbaue der Falten 
Anteil nehmen, kann man das Gebirgssystem des Mosor in zwei 
Zonen gliedern: in eine äußere, landwärts gelegene Zone, in welcher 
nur kretazische Schichten vorkommen, und in eine innere, meerwärts 
gelegene Zone, in welcher auch eozäne Schichten an der Zusammen- 
setzung der Falten beteiligt sind; und zwar die mitteleozänen Ge- 
steine entweder als Mantelschichten in Falten mit kretazischem Kern 
oder als Faltenkernschichten und die obereozänen Flyschgesteine als 
Muldenkerne. Die erstere Zone entspricht den Hochregionen des 
Mosor und kann demnach als Hauptfaltenzone angesprochen werden, 
die letztere entspricht den küstenwärts angereihten Gebirgsvorlagen 
und ist somit als Vorfaltenzone zu bezeichnen. 

Das älteste Schichtglied des ganzen Gebirgssystems, der mittel- 


[9] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 223 


kretazische Dolomit, tritt nur in der innersten Aufwölbung der äußeren 
Faltenzone auf und gerät dadurch in die nächste Nachbarschaft der 
obereozänen Schichten im äußersten Muldenzug der inneren Falten- 
zone. Es kehrt somit am, Mosor das im norddalmatischen Küsten- 
lande häufige Bild einer UÜberschiebung mit Mittelflügelresten, be- 
ziehungsweise einer Überfaltung mit stark reduziertem Mittelflügel 
in sehr vergrößertem Maßstabe und mit der Modifikation wieder, daß 
die dem oberen und unteren UÜberschiebungsflügel entsprechenden 
Schichtmassen selbst in viele Falten und Flexuren gelegt sind. Man 
darf jedoch, wenn man sich dieser Ausdrucksweise bedient, nicht die 
Vorstellung damit verbinden, daß der Mosor das Ergebnis zweier 
verschiedener posteozäner Faltungsprozesse sei. Er ist vielmehr wie 
alle dalmatischen Gebirge durch die große altmiozäne Faltung gebildet 
worden. 


I. Die Westabhänge des westlichen Mosor. 


Nordwestwärts von den Anhöhen, welche den Salonitaner Golf 
umrahmen, türmt sich über einem aus mehreren Pfeilern zusammen- 
gesetzten Unterbau der Gipfel des Debelo brdo auf. Der südwest- 
liche Eckpfeiler des Gebirgsgerüstes wird durch den Felssporn ober 
Kudine gebildet, welcher in dem Hügellande zwischen dem Jadro- 
flusse und dem Stobrec potok wurzelt. Ober diesem Felssporne zieht 
sich ein Rücken gegen NO hinan, der den der Bucht von Clissa zu- 
gekehrten Westabhang von der gegen Süden abdachenden Terrasse 
von Kovacevi€ stan scheidet. Der nordöstliche Eckpfeiler des Ge- 
birgssockels wurzelt in der Gegend ober Clissa. Von ihm steigt ein 
sehr schroffer Grat gegen OSO empor, der den Westhang des Debelo 
brdo von den dem Vucje polje zugekehrten Nordabhängen dieses 
Berges trennt. An der Vereinigungsstelle der beiden vorgenannten 
Kammausläufer, die den westlichen Endpunkt der Mosorkette bildet, 
erhebt sich, weithin sichtbar, die ganze Gegend von Salona und Spa- 
lato beherrschend, der Westgipfel des Debelo brdo. 


Das Gehängedreieck, dessen Spitze dieser Gipfelpunkt und 
dessen Schenkel die vorgenannten Kammausläufer bilden, wird von 
mehreren, zum Teil schluchtartigen Gräben durchfurcht, zwischen 
welchen die das Mittelstück des Bergabhanges stützenden Grundpfeiler 
aufstreben. Der größte dieser Gräben zieht durch die Mitte des 
Gehänges bis dicht unter die Gabelung des Mosorkammes hinan und 
scheidet so den Abhang in zwei bis zur Spitze hinauf getrennte 
Hälften. 


In jede dieser Abhanghälften dringt wiederum je ein in seinem 
oberen Teile sich gabelnder Graben ein. Vom mittleren Graben sind 
diese beiden seitlichen Talfurchen durch zwei Felsrücken getrennt, 
die in der Einsenkung des Zavlic potok unterhalb Clissa wurzeln. 
Zwischen diesem Potok und dem Jadroflusse erhebt sich noch ein 
Felskamm, der den am meisten gegen W vorspringenden Grundpfeiler 
des Debelo brdo darstellt. 


224 Dr. Fritz v. Kerner. [10] 


In geologischer Beziehung konzentriert sich am Westabhang 
des Mosor das Interesse auf das Vorkommen von Breceien, welche 
speziell diesem Gebiete eigentümlich sind und dem ihre Unterlage 
bildenden Rudistenkalke diskordant aufruhen. Sie bestehen aus zu- 
meist kleinen eckigen Fragmenten dieses Kalkes, die durch eine 
spärliche Kittmasse zusammengehalten werden. 


In dieses Zwischenmittel sind mitunter vereinzelte kleine Num- 
muliten eingeschlossen. Die Dimensionen der Fragmente schwanken 
häufig nur zwischen Nuß- und Apfelgröße. Mehr als faustgroße Stücke 
sind an manchen Orten eine Seltenheit. Stellenweise kommen auch 
Partien vor, die aus nur erbsengroßen Steinchen zusammengekittet 
sind. Die Farbe der Bruchstücke ist zumeist weiß, seltener lichtgrau, 
gelblich oder bräunlich. Die Kittmasse erscheint bald tonig, bald 
mehr sandig und rostrot bis braun gefärbt. 


Das hervorstechendste Merkmal dieser Breccien ist ihre aus- 
gezeichnete Schichtung. Die Dicke der Bänke schwankt zwischen 
einigen Dezimetern und einem Meter, als Mittelwert kann vielerorts 
etwa !/; m angenommen werden. Diese Schichtung in scharf vonein- 
ander abgesetzte dünne Bänke tritt beim Anblick der aus diesen 
Breccien bestehenden Gehängeteile in einer höchst auffälligen Weise 
hervor, und zwar nicht bloß beim Anblick aus der Nähe, aus weiter 
Ferne noch kann man diese Breccien von ihrer Unterlage, dem 
Rudistenkalke, deutlich unterscheiden. Besonders eigenartig gestaltet 
sich das Bild, das man vor sich hat, wenn man den Westabhang des 
Mosor von Clissa aus betrachtet. Man gewahrt hier eine Unzahl von 
dünnen, dicht nebeneinander hinlaufenden, mehrfach gewundenen 
Streifen, die in verschiedenen Richtungen die unteren Abhänge des 
Berges überziehen und an mehreren Stellen zungenförmig in die 
oberen Gehängeteile eingreifen. Es dürfte schwerlich Fälle geben, in 
welchen die Lagerung der Schichten das Bergrelief so vollkommen 
und ausschließlich beherrscht wie hier. 


So scharf die Breccien an der Westseite des Mosor in ihrer 
typischen Entwicklung charakterisiert erscheinen, so gibt es doch 
auch Fälle, in welchen eine Entscheidung schwer ist, ob man noch 
von solchen Breccien sprechen solle oder nicht. Die Notwendigkeit, 
eine solche Entscheidung vorzunehmen, drängt sich bei der geologi- 
schen Kartierung des Gebietes zwingend auf. In lithogenetischer 
Hinsicht kann es nicht befremden, daß Ubergänge zwischen den die 
Kalkmasse des Mosor umhüllenden verschiedenen Gesteinsbildungen 
vorhanden sind. 


An manchen Punkten trifft man Felsen an, die das die Er- 
kennung der Schichtlage oft ganz ausschließende Karrenrelief des 
Rudistenkalkes zeigen, dabei aber eine mehr oder minder deutliche 
klastische Struktur erkennen lassen. Desgleichen gibt es Übergänge zu 
dem Konglomerat von Clissa, so sehr auch dieses letztere in seiner 
typischen Entwicklung (klastisches Gestein aus durchwegs runden, 
sehr verschiedenfärbigen Kalkstücken und kleinen dunklen Horn- 
steinchen) von den Westmosorbreecien abweicht. Als Unterscheidungs- 
merkmal kann hier die Vergesellschaftung mit Mergelschichten gelten, 


[11] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 2925 


welche für die Konglomerate der Clissaner Bucht die Regel, für die 
in Rede stehenden Breccien eine äußerst seltene Ausnahme ist. 

Der nordöstliche Eckpfeiler des Debelo brdo wird durch den 
Rücken dargestellt, welcher sich ostwärts von dem steilen Riffe, den 
das Sperrfort Clissa krönt, erhebt. Dieser Rücken besteht aus Kon- 
glomeraten vom Typus jener, welche man bei Clissa antrifft. Neben 
vielem Schutt und Trümmerwerk bemerkt man kleine Schichtkopfriffe, 
die auf der Kuppe oben ein 50—70° steiles Einfallen gegen Süd 
erkennen lassen. Hinter diesem Rücken beginnt der schroffe Grat, 
welcher die Nord- und Westabdachung des Debelo brdo scheidet. An 
seiner Basis trifft man zunächst noch Breccienkalke und zertrümmerten 
Rudistenkalk, der aber bald in homogenen Kalk übergeht. 

Der landschaftliche Kontrast zwischen dem aus Konglomeraten 
aufgebauten Rücken und dem dahinter sich erhebenden Kalkgrat ist 
äußerst scharf. 

Beim Anstiege auf den letzteren gerät man alsogleich in ein 
sehr wüstes Karstterrain mit großen, von vielen Regenrinnen durch- 
furchten Felsbuckeln, zwischen denen vielverzweigte Löcher und Klüfte 
in die Tiefe gehen. Unterhalb des Felskopfes Jame (637 m) trifft 
man zwei Schlünde. Der größere derselben ist zirka 20 m tief, oben 
spaltartig verengt, unten erweitert und zeigt einen ebenen schuttbe- 
deckten Boden von einigen Metern im Geviert. Was die Lagerungs- 
verhältnisse betrifft, so kann man auf der Nordseite der Gratlinie ein 
200 sanftes Einfallen gegen NW bis N erkennen. Ob die steilen 
Felsflächen auf der Südseite des Grates auch der Schichtung parallel 
sind, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Die Gratlinie selbst 
erscheint zu regellos zerklüftet, um einer bruchlosen scharfen Um- 
biegung der Schichten zu entsprechen. 

Weiter oben passiert man dann am Grate selbst zum Teil 
ziemlich flache Felsbuckeln. Man hat dort mehr den Eindruck, daß 
eine Bogenfalte vorliegt, an deren Südwestseite sich die Schichten 
scharf hinabbiegen. Wo aber gleich unterhalb des Grates steile Ab- 
stürze gegen S. vorhanden sind, scheinen dieselben doch bloßgelegten 
Klüftungsflächen zu entsprechen. Bemerkenswert ist hier und weiter 
oben das sporadische Vorkommen von Ephedragestrüppen in dem fast 
gänzlich kahlen Felsterrain. 

Der oberste Teil des Grates ist wieder schwerer zu passieren. 
Gegen die Korito draga, das kleine Hochtal, in welches sich der 
mittlere der drei in die Westseite des Debelo brdo eindringenden 
Gräben fortsetzt, fällt er mit steilen Hängen ab, an denen, wie weiter 
unten, die Lagerung nicht deutlich zu erkennen ist. Am oberen Ende 
des westlichen der zwei Äste, in welche sich die Korito draga spaltet, 
trifft man große Felsplaques, welche gegen N bis NW abdachen und 
so die Schichtlage markieren. 

Die Südseite des Rückens an der Basis des im vorigen genannten 
Grates ist zum großen Teile mit Schutt bedeckt. Zwischen der oberen 
und unteren Hüttengruppe von Smodlaka treten anstehende Partien 
von Clissakonglomerat zutage. 

Das ostwärts folgende Kreidekalkterrain grenzt sich hier sehr 
scharf gegen die Flyschformation ab. Selten stößt selbst in Dalmatien 

Jahrbuch d. K. k, geol, Reichsanstalt, 1904, 54, Band, 2. Heft. (F, v. Kerner.) 30 


226 Dr. Fritz v. Kerner. [12] 


die Karstformation in ihrer abschreckendsten Entwicklung so unver- 
mittelt an das kultivierte Land wie hier. Nur jüngere Lavaströme und 
im Vorrücken begriffene Gletscherzungen bilden manchmal Anlaß zu 
einem so unvermittelten Zusammenstoßen toter und lebender Natur. 
Ein Vergleich mit Gletschereis, das sich in gut bebautes Land vor- 
wälzt, drängt sich bei den erschreckend wüsten Kalkfelsmassen am 
Westfuße des Mosor auch hinsichtlich der Farbe und Oberflächenge- 
staltung einigermaßen auf. 

Nordwärts vom FEingange in den kleinen Graben unterhalb 
Smodlaka sieht man Mosorbreccien, welche das Liegende von Mergel- 
schichten bilden, dem Rudistenkalke aufruhen. In dem sehr wüsten 
Kalkterrain,. das sich vom unteren Teile des Nordwestgrates herab- 
senkt, trifft man zum Teil jene schon früher erwähnten Gesteine an, 
die eine mehr oder minder deutliche Brececienstruktur mit dem Relief 
des Rudistenkalkes kombinieren. 

Entlang der Drateva draga, dem nördlichen der drei in die 
Westseite des Debelo brdo eingeschnittenen Tälchen, erstrecken sich 
die Mosorbreceien bis in die Nähe des Nordwestgrates hinauf. Sie 
bilden die Seitenwände des unteren Talabschnittes, den Rücken zwischen 
den beiden Ästen, in die sich das Tälchen weiter oben gabelt und 
treten dann noch im Umkreise des obersten Talkessels an drei 
Stellen auf. 

Auf dem flachen Rücken, welcher die Dradeva draga nordwärts 
begrenzt, gelangen die Mosorbreceien zu typischer Entwicklung. Man 
trifft dortselbst sehr ausgedehnte, zumeist genau 20% gegen WSW ge- 
neigte Felsflächen, auf denen stellenweise umfangreiche Felsplatten 
als Reste der nächsthöheren Gesteinsbank aufruhen. Zuweilen liegen 
noch die Reste von mehreren einander folgenden Bänken überein- 
ander, was zur Entstehung sogenannter Ruinenreliefs führt. Die Ober- 
flächen dieser Felsplatten sind — entsprechend der Breccienstruktur. 
— schwach höckerig und oft von vielverzweigten Regenrinnen tief 
durchfurcht. Weiter oben trifft man auf dem Rücken viel Schutt und 
Trümmerwerk und nur vereinzelte Felsflächen, die 20° SW fallen. 

Die Grenze gegen den stark zerfressenen Rudistenkalk am Ab- 
hange unter dem Nordwestgrate ist sehr scharf. Sie nähert sich dann 
dem nördlichen Hauptaste der Drateva draga und folgt hierauf, schief 
absteigend, diesem mit großen abgestürzten Kalkblöcken erfüllten 
Tälchen selbst. Der Farbenkontrast zwischen den mit weißlichgrün- 
blättrigen Kompositen reich bewachsenen Breccienbänken und dem 
fast kahlen Kreidekalkterrain ist hier besonders auffällig. Am Rücken, 
der die obere Drateva draga von ihrem südlichen Seitenaste trennt,, 
reichen die Mosorbreccien weit hinauf. Der untere Teil dieses Rückens 
ist mit vielem Eluvialschutte und einer reichen Kompositenvegetation 
bedeckt; höher oben sieht man große Felsflächen, die 15—20° gegen 
W abdachen. 

Dann folgt ein sehr wüstes Kreidekalkterrain, das nordwärts bis 
zum wiederholt genannten Taleinschnitte hinabreicht. Zur Linken des- 
selben lagert an der Südseite des Felsvorkopfes Jame eine kleine 
isolierte Breccienmasse, die 30° SW einfällt. Ein zweites isoliertes 
Vorkommen von Mosorbreccien, das sich schon aus der Ferne als 


[13] Geologische Beschreibung der Mosor planina, 2397 


srünlicher Fleck von seiner Umgebung abhebt, ist auf der rechten 
Seite des obersten Teiles der Drateva draga anzutreffen. Die Ab- 
hänge, welche hinter dem Anfangsstücke dieser Draga zum Nordwest- 
grate hinansteigen, scheinen aus mäßig steil gegen SW abfallenden 
Kalkschichten zu bestehen. 

Am untersten Teile des Rückens, welcher die Drateva draga 
gegen Süd begrenzt, hat man dasselbe Bild wie am Abhange nord- 
wärts von der Mündung dieses Tälchens. Auch hier sehr ausgedehnte, 
sanft gegen W abdachende Gesteinsflächen, auf denen mehr oder 
minder.umfangreiche Felsplatten als Reste nächst jüngerer Breccien- 
bänke aufruhen. Der unterste Teil der Dradeva draga selbst bietet 
ein geradezu ideales Bild einer kataklinalen Talstrecke. Weiter auf- 
wärts folgt am vorgenannten Rücken zerklüfteter Rudistenkalk, der 
an einer Stelle nordwärts bis gegen die Dradeva draga hinabreicht. 

Talaufwärts von dieser Stelle stehen dann eine Strecke weit 
auch auf der Südseite des Tälchens wieder gut gebankte Mosor- 
breccien an. Dann folgt ein Zug von Kreidekalk, welcher vom Fels- 
kopfe Ostrovac in nordwestlicher Richtung zur Dradeva draga hinab- 
streicht und noch auf die Nordseite derselben übergreift. Diese Stelle, 
wo das Tälchen ganz in Rudistenkalk eingeschnitten ist, befindet sich 
ganz nahe jenem Punkte, an welchem es gegen Süden einen Seiten- 
graben abgibt. Auf der Nordseite des Ostrovac lagert im Bereiche 
dieses muldig erweiterten Grabens eine isolierte Partie von Mosor- 
breccien. Dieselben fallen sanft gegen WNW und sind stellenweise 
sehr dünnbankig. 

Am Rücken des Ostrovac erscheint es besonders schwierig, die 
Grenze zwischen Rudistenkalk und den ihm diskordant auflagernden 
Breccien kartographisch zu fixieren. In ihrer typischen Form heben 
sich diese Auflagerungen durch ihre gute Bankung wohl deutlich von 
ihrer Unterlage ab; es kommen hier aber jene Übergangsgebilde zu 
größerer Entwicklung, welche bei mehr oder minder deutlicher 
‚Breccienstruktur ein wüstes Karrenrelief aufweisen. 

Die Lagerungsverhältnisse des Rudistenkalkes sind hier sehr 
schwer zu erkennen. _ Es dürfte sich beim Rücken des Ostrovac um 
eine kleine Schichtauffaltung handeln, deren beiderseitige Neigung 
geringer ist als jene der beiderseitigen Gehänge. 

Gegen Süden fällt der schroffe Felskopf Ostrovac mit einem 
steilen Abhang zu dem mittleren und größten der drei in die West- 
seite des Debelo brdo eindringenden Gräben ab. Dieser Graben wird 
in seinem schluchtartigen unteren Teile nur mit dem Gattungsbegriffe 
-„na doci“ oder „dol“, in seinem oberen Teile als Korito draga be- 
zeichnet. An der Mündung dieses Grabens trifft man zu beiden Seiten 
typische Mosorbreccien an. Zur Linken (Nordseite), woselbst in einen 
Fels eine römische Inschrift eingehauen ist, fallen diese Brecceien 
sanft gegen Süden ein. 

Weiter taleinwärts wird das steile Nordgehänge durch Rudisten- 
kalk, das Südgehänge durch Breccien gebildet. Die nördliche Schlucht- 
seite ist ein wüstes, schwer passierbares Felsgehänge ohne erkennbare 
Lagerung der Schichten. Die südliche Talseite zeigt dagegen einen 
schönen treppenförmigen Aufbau, Der Grund der Schlucht ist mit 

30* 


228 Dr. Fritz v. Kerner. [14] 


vielem, von Brombeergestrüpp umranktem Blockwerk erfüllt. Unter- 
halb des Ostrovac greifen die Breccien eine kurze Strecke weit auf 
die nördliche Schluchtseite hinüber. Weiter taleinwärts ist dagegen 
die Schlucht, die hier steil ansteigt, ganz in Rudistenkalk einge- 
schnitten, da sich die Basis der Breccien auf der südlichen Schlucht- 
seite hinanzieht. 

Jenseits eines Vorsprunges, den das südliche Gehänge schief 
gegenüber vom Ostrovac bildet, reichen die Breccien wieder bis zur 
Schluchtsohle hinab, welche dort infolge ihres eben erwähnten steilen 
Anstieges viel höher liegt als unterhalb jenes Vorsprunges. Diese 
Senkung der unteren Brecciengrenze erfolgt aber nicht allmälig, 
sondern plötzlich längs einer am Gehänge hinabziehenden Störungs- 
linie, an welcher die Brecceienbänke haarscharf abgeschnitten sind. 
Diese Stelle bezeichnet den Ubergang des unteren schluchtartigen 
Teiles des in Rede stehenden Grabens in den erweiterten oberen 
Teil desselben. Die südliche Begrenzung des ersteren Teiles wird 
durch einen flachen Rücken dargestellt, welcher in seiner Gesamtheit 
aus Mosorbreccien besteht; die Südseite des oberen Grabenteiles 
wird dagegen von den Nordabhängen eines Grates gebildet, welcher 
oberhalb jenes Rückens zum Südwestgrate des Debelo brdo ansteigt 
und fast ganz aus Kreidekalk besteht. Während man daher im unteren 
schluchtartigen Grabenteile beim Anstiege über das Südgehänge stets 
Mosorbreccien passiert, gelangt man ober jenen Breceien, welche an 
der erwähnten Bruchlinie scharf abschneiden, bald wieder auf Rudisten- 
kalk. Man kann dort deutlich sehen, daß die Breccien diesem Kalke, 
welcher 30° NW fällt, diskordant aufliegen. 

Das Breccienlager besteht aus 1/, bis !/; m dicken Bänken, 
welche in ihrem O—W-Streichen eine schwache Senkung gegen W 
erfahren, so daß das zirka 15° sanfte Einfallen gegen WNW gerichtet 
ist. Die Brecceie besteht hier aus zumeist wallnuß- bis erbsengroßen, 
sroßenteils eckigen Fragmenten, die durch ein spärliches Zwischen- 
mittel verkittet sind, in welchem vereinzelte Nummuliten liegen. 
Zufolge seiner außerordentlich regelmäßigen Bankung und scharfen 
Abgrenzung gegen das umgebende Felsgewirre macht dieses Breccien- 
lager am unteren Ende der Korito draga fast den Eindruck einer 
künstlich ausgehauenen gigantischen Felsentreppe. 

Taleinwärts erstreckt sich dieses Breccienlager nicht sehr weit 
und es reicht dann der Rudistenkalk bis zu dem begrasten Schutt- 
saume hinab, welcher den Fuß der südlichen Talseite begleitet. Auf 
der gegenüberliegenden Seite hat man zu unterst eine mit magerem 
Rasen bewachsene Schuttzone, in welcher an vielen Stellen dünn- 
bankige 10—15° W fallende Breccien zutage treten. Weiter oben 
folgt ein abschreckend wüstes Felsgehänge, das zum obersten Ab- 
schnitte des Nordwestgrates des Debelo brdo aufsteigt. 

Die Sohle des Hochtälchens ist von einem zumeist trocken 
liegenden Rinnsale durchfurcht. 

Etwas weiter talaufwärts trifft man vor der Mündung eines 
rechts (Südseite) abgehenden Seitengrabens auch auf der südlichen 
Talseite wieder eine Anzahl Breccienbänke, welche 15° gegen NW 
einfallen. Am Fuße des Grates, der sich zwischen diesen Seiten- 


[15] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 224 


graben und den Hauptast der Korito draga vorschiebt, liegt aber in 
der begrasten Talsohle wieder eine Felsmasse von Rudistenkalk. 

Im ziemlich steil ansteigenden Hauptaste der Korito draga be- 
findet sich ein breiter Wiesenstreif, der sich gegen das zu beiden 
Seiten aufsteigende Felsterrain scharf abgrenzt. Man trifft hier stets 
noch dünnbankige, zirka 20% gegen W geneigte Breccien bis zu einer 
Stelle, wo der Wiesenstreif inmitten einer flachen Felsmulde, die den 
Anfang der Korito draga darstellt, sein Ende findet. Im Grate auf 
der Südseite dieses Talbeginnes befindet sich neben einer schmalen 
Scharte eine kleine Höhle. Der breite Wiesenstreif ist mit vielen 
Blöcken und Trümmern von Rudistenkalk bestreut und in seiner 
Mittellinie von einem Aufrisse durchzogen, an dessen Seiten unter 
einer dünnen Humusdecke Schutt sichtbar ist. 

Der südliche Seitenast der Korito draga steigt in seinem untersten 
Teile steil empor, so daß sein Mittelstück höher liegt und von seiner 
Felsumrahmung weniger hoch überragt wird als der Hauptast. Der 
Boden dieses ziemlich flachen Grabens besteht zum großen Teile 
aus anstehenden Felsmassen, so daß es hier nicht zur Entwicklung 
einer zusammenhängenden, mit Rasen bewachsenen Schuttdecke kommt. 
Typische Mosorbreceien fehlen hier. 

Auf seiner Südseite wird der unterste Teil dieses Seitengrabens 
durch eine Felswand begrenzt, in deren zahlreichen Klüften eine 
reiche Moosvegetation zur Entwicklung kommt. Ober dieser Wand 
steigt das Terrain zu jenem Vorkopfe des Debelo brdo auf, welcher 
den westlichen Endpunkt des Mosorkammes darstellt (939 m) und 
zufolge seiner weit vorgeschobenen Lage einen wundervollen Blick 
auf das dem Beschauer tief zu Füßen liegende Gelände von Salona 
und Spalato gewährt. Das streng westlich streichende Verbindungs- 
stück dieses Vorkopfes mit dem Gipfel des Debelo brdo ist ein 
schwer passierbarer schroffer Grat aus stark zerworfenen Felsmassen. 

Die Lagerungsverhältnisse sind in den Graten zu beiden Seiten 
der Korito draga nicht mit Sicherheit erkennbar. Der mittlere, 
welcher sich zwischen die beiden Wurzeln dieses Hochtales vorschiebt, 
scheint aus gegen W einfallenden Schichten zu bestehen. Dasselbe 
dürfte bei dem eben genannten Grate im Süden der Korito draga 
der Fall sein. An der Westabdachung des letzteren trifft man an 
mehreren Stellen zirka 30° gegen W bis NW geneigte Felsflächen, 
die als Schichtflächen zu betrachten sind. 

Das Schichtfallen wäre dann in jenen Graten parallel zu deren 
Längserstreckung. Daneben dürften aber auch lokale Schichtwölbungen 
mit zur Längsrichtung der Grate paralleler Achse vorhanden sein. 
Am Südabsturz des Grates, welcher die Korito draga im Norden 
begrenzt, ist die Lagerung der Kreideschichten ganz unklar. 

Am Rücken von Vindi, welcher die untere schluchtartige Fort- 
setzung der Korito draga im Süden begrenzt, kommt das durch die 
Mosorbreccien bedingte Relief zu schärfstem Ausdrucke. 

Dieser völlig kahle Rücken zeigt eine höchst auffällige Streifung 
und Bänderung und übertrifft betreffs der Regelmäßigkeit derselben 
womöglich noch die Abhänge zu beiden Seiten der Draleva draga. 
Am Nordabhang des Rückens fallen die Breccienbänke gegen den 


230 Dr. Fritz v. Kerner. [16] 


Berg zu, eine deutliche Treppenform des Abhanges bedingend. Sie 
zeigen aber gleichzeitig in der Streichungsrichtung O—W eine Senkung 
gegen West, so daß das Einfallen südsüdwestlich ist. Auf der Rücken- 
fläche sind sie 10° gegen West geneigt. Höher oben, im Bereich der 
Wurzelresion des Rückens, südlich von der Stelle, wo der schlucht- 
artige untere Abschnitt der Korito draga in den oberen talartig er- 
weiterten Teil übergeht, ist schwach hemizentroklinale Lagerung mit 
WSW—WNW-Fallen zu bemerken. Am Westabhang des Rückens 
Vinöi sind die Breccienbänke gleichfalls 10% sanft gegen NW—WNW 
geneigt. 

Südwärts von dem Rücken Vinci befindet sich der dritte jener 
Gräben, welche in die Westseite des Debelo brdo eindringen. Durch 
eine breite flache Vorwölbung, welche der untere Teil der Westab- 
dachung des wiederholt genannten Vorkopfes des Debelo brdo bildet, 
wird dieser dritte Graben in zwei Aste gespalten. Der größere nörd- 
liche dieser beiden Aste führt zu einer umfangreichen, mit Terra 
rossa erfüllten dolinenartigen Einsenkung hinauf, in welcher sich eine 
reiche Baumvegetation entfaltet. Es ist dies die einzige Oase im 
Bereich der unwirtlichen Westabhänge des Debelo brdo, die einzige 
Stelle, wo der Wanderer in dieser öden Felsengegend Schutz vor 
Sonnenglut und vor Unwetter finden kann. 

Der Graben, welcher zu dieser Baumoase ansteigt, bezeichnet 
ungefähr die südliche Grenze jenes mächtigen Komplexes von Mosor- 
breccien, welcher den Rücken Vindi aufbaut. 

Der Abhang auf der Südostseite des Grabens ist ein sehr wüstes 
Kreidekalkterrain. Die Grenze folgt jedoch nicht überall genau dem 
Talwege. Am Nordabhange des Grabens, beziehungsweise am Süd- 
abfall des Rückens Vindi erscheint innerhalb der Breccienmassen 
ein Streifen von Rudistenkalk, welchem eine schmale, sehr steile 
Gehängezone entspricht. Man sieht die Breccienbänke diesem mauer- 
ähnlichen Kalkzuge deutlich aufliegen und seinem Fuße diskordant 
anlagern. 

Der kleinere südliche der beiden Gräben, welche den Westfuß 
des Debelo. brdo-Vorkopfes zwischen sich aufnehmen, ist ganz in Ru- 
‚distenkalk eingeschnitten. Das Schichtfallen ist hier, soweit es sich 
erkennen läßt, mäßig steil nördlich. 

Etwas westwärts von diesem Graben beginnt das dritte der 
großen Brecceienlager am Westfuße des Mosor. Dieses dritte Lager 
überdeckt die unteren Westabhänge jenes Rückens, welcher die untere 
Kovatevicterrasse gegen West begrenzt. Die Ostgrenze dieses Lagers 
ist ziemlich scharf und zieht sich in einer Entfernung von ungefähr 
150 m vom vorigen Graben am Abhange empor. Die obere Grenze 
ist streckenweise nicht gut im Detail verfolgbar; sie verläuft wellig, 
indem die Breccien bald höher, bald weniger hoch am Abhange 
hinaufreichen. 

Die Mosorbreccien fallen hier 20—25° gegen N bis NNW ein. 
Ihre Schichtköpfe verlaufen in der Neigungsrichtung des Gehänges, 
so daß die durch sie gebildeten Stufen in der Streichungsrichtung 
des Gehänges von WSW gegen ONO aufeinanderfolgen. Größere, 
polygonal zerklüftete Felsflächen trifft man besonders im östlichen 


[17] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 231 


Teile dieses Breceienlagers. Mehr gegen SW zu ist das mit einer 
mäßig reichen Wachholdervegetation bekleidete Gehänge zum großen 
Teile mit den Zerfallsprodukten früherer Breceienbänke überstreut. 

Gegen SW reicht diese Breccienmasse bis zu jener Schlucht, 
welche in der östlichen Verlängerung des Jadrotales liegt. Die Nord- 
ostwand dieser Schlucht zeigt einen sehr markanten treppenförmigen 
Aufbau. Die langen, den Breccienbänken entsprechenden Felsstufen 
senken sich gegen NW in der Richtung gegen die Schluchtmündung, 
so daß das Einfallen mehr nördlich als nordöstlich ist. Der. Steilrand, 
längs welchem die nordöstliche Schluchtseite mit dem gegen NW. ab-: 
dachenden, mit Juniperus bewächsenen Gehänge zusammenstößt, wird: 
durch den mauerähnlichen Schichtkopf einer mächtigen Brecceienbank. 
markiert. An diesem Steilrande trifft man als Einlagerung zwischen 
zwei dicken Brecceienbänken eine schmale Zone von gelbem, im Bruche 
grauem Mergelschiefer. Die Breccien bestehen hier aus kantigen 
weißen Kreidekalkfragmenten von sehr verschiedener Größe. Auch. 
Gesteinspartien aus sehr kleinen Splittern kommen vor. Das Binde- 
mittel ist eine bräunliche, sandige Masse. 

Nach abwärts setzt sich dieser Steilrand in jenen Grat fort, 
dessen Ende sich bis zu der au an des Zavlie Bote mit- 
dem Jadro vorschiebt. 

Dieser Grat baut sich bereits aus einem Seentkompiek auf, 
welcher einen oftmaligen Wechsel von klastischen Gesteinen und 
Mergeln zeigt, wie er für die Gebirgsbucht von Clissa charakteristisch 
ist. Die ersteren sind hier betreffs der Form der Fragmente mehr- 
als Konglomerate denn als Breccien zu bezeichnen und verraten sich 
als fluviatile Bildungen auch durch die lithologische Verschieden- 
artigkeit ihrer Bestandteile. 

Am letzten Vorkopfe des Grates trifft man 45° NO fallende kom- 
pakte weiße Breccien an, dann folgen Sandsteine, grauer Kalk, Flysch- 
mergel und wieder weiße Breccien und grauer Kalk. In der Um- 
gebung der Kapelle Sv. Ivan stehen mäßig steil gegen ONO ein- 
fallende Konglomerate aus weißen, gelblichen und rötlichen Kalk- 
stücken an. Am Südabhang des Grates sieht man viel Flyschmergel 
aufgeschlossen. Der wilde Felszirkus, aus dessen Grund der Jadrofluß 
hervorquillt, besteht aus jenen festen weißen, oft von bläulichen. 
Flecken und Adern durchsetzten Breccien, welche ich nach diesem 
Fluß benannt habe. 


II. Die Nordabhänge des westlichen Mosor. 


Das im folgenden zu schildernde Gebiet umfaßt die Nordseite 
des Grates, welcher aus der Gegend ober Clissa zum Debelo. brdo, 
aufsteigt und die nördliche Abdachung des Kammes, welcher sich von 
dieser Kuppe bis zum Berge Lubljan hinzieht.. Letzterer Kamm dacht: 
gegen das Dugo polje ab, wogegen der von ihm gegen WNW ab- 
gehende Grat zu einer Tiefenzone abfällt, welche in der westlichen. 
Fortsetzung. des Dugo polje liegt. Der östliche Teil dieser von flachen 
Dolinen erfüllten Zone wird durch einen niedrigen Riegel vom nördlich. 


232 Dr. Fritz v. Kerner. [18] 


anstoßenden Vucje polje getrennt. Der westliche Teil der Zone wird 
durch den Ko&ino brdo abgegrenzt. 

Die Nordseite des Westmosor ist wohl der in jeder Hinsicht am 
wenigsten interessante Teil des ganzen Bergmassivs. In geologischer 
Beziehung ist allerdings die ganze Nordflanke des Mosor infolge ihrer 
ausschließlichen Rudistenkalkbedeckung und einfachen Tektonik wenig 
anziehend; am Nordabhange des Mittelmosor bietet aber wenigstens 
die ziemlich mannigfaltige Terraingestaltung einige Abwechslung und 
auch der Nordabfall des Ostmosor gewährt zufolge seiner größeren 
Steilheit einen interessanten Anblick. Das hier zu schildernde Gebiet 
ist aber auch in morphologischer Beziehung ziemlich monoton und 
ohne landschaftliche Reize, 

Der Nordwestgrat des Debelo brdo dacht gegen N mit einem 
sehr einförmigen Gehänge ab, das nur in der Mitte seines Fußteiles 
durch eine isolierte Kuppe, die Gradina sutain, unterbrochen wird. 
In den Nordabhang des Kammes, der sich vom Debelo brdo zum 
Lubljan hinzieht, sind dagegen drei Terrassen eingeschaltet, jene von 
Simi6c staje, jene von RogoSic staje und die Gebirgsstufe westlich von 
der Kuppe Trnavaec nebst der weiter westlich gelegenen Terrasse von 
Korito. 

Der Rücken ober Clissa, welcher die Basis des Nordwestgrates 
des Debelo brdo bildet, besteht, wie schon im vorigen Abschnitte er- 
wähnt wurde, aus Olissakonglomerat. Gegen N dacht er zu jenem 
Taleinschnitte ab, der sich hinter dem genannten Orte in das Karst- 
plateauland vorschiebt und eine Seitennische der Clissaner Bucht 
darstellt. 

Die Ostseite des inneren Teiles dieser Nische wird durch einen 
Sporn von Kreidekalk gebildet, welcher aus dem Karstplateau bei Grlo 
gegen Süden vorspringt. Vom Nordrande des Konglomeratrückens wird 
die Spitze dieses Spornes, auf welcher die Reste eines alten Wacht- 
turmes stehen, durch einen kleinen Paßeinschnitt getrennt, über welchen 
ein Pfad zu den Hütten von Miovilovid hinüberführt. Auf diesem Passe 
stehen sehr stark verbogene und verquetschte Flyschgesteine an, welche 
steil gegen N einfallen. 

In der östlichen Fortsetzung des aus Konglomeraten aufgebauten 
Rückens, dessen Nordabhang von vielen Schichtkopfriffen durchzogen 
ist, liegen terrassierte Acker, in welchen die Humusunterlage aus 
eluvialem Schutt besteht. Die untere Grenze dieses gegen N ab- 
dachenden Kulturterrains ist von der Terra rossa-Mulde am steilen 
Östrande des Kreidekalkspornes bei MioviloviC durch eine schmale 
Zone von anstehendem Konglomerat getrennt. Diese Zone setzt sich 
— einige Terra rossa-Felder in sich schließend — und zum Teil mit 
Gebüsch bewachsen bis halbwegs zwischen Rizvan und Kurtovie gegen 
ONO fort. 

Man hat hier typisches Clissakonglomerat mit kleinen dunklen 
Hornsteinen, welche auf. den Gesteinsflächen häufig ausgewittert sind. 

Südwärts von dieser Zone erhebt sich bei Rizvan ein kleiner 
Felskopf. Am Nordabhange desselben trifft man stark zerrissene Fels 
massen von Rudistenkalk, Auf seiner dem Mosorgrate zugekehrten 
Südseite ist das Gestein mehr breccienartig. Zwischen diesem Felskopfe 


[19] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 233 


und dem Fuße des Gehänges, das zum Grate des Mosor aufsteigt, 
lagern ostwärts von einer sehr umfangreichen Terra rossa-Mulde schön- 
gebankte Breceien, die mehr gegen den Felskopf zu 10° sanft nach 
WNW und mehr gegen den Fuß des Mosorgrates hin noch sanfter 
gegen WSW einfallen. 

Auf der Ostseite des Felskopfes bei Rizvan begrenzt sich dieses 
Breccienlager mit einem gegen O konvexen Bogen. Die diskordante An- 
lagerung der dort 10—15° gegen NW bis WNW einfallenden Breceien- 
bänke an den umgebenden Rudistenkalk ist sehr deutlich zu erkennen. 

Im flachen Steingefilde, das sich zwischen der Glavica bei Rizvan 
und der Gradina sutain am Nordfuße des Mosor ausbreitet, trifft man vor- 
zugsweise lichtgrauen dichten Kreidekalk, der stellenweise zu plattiger 
Absonderung neigt. Dieses von zahlreichen Dolinen erfüllte Karstterrain 
ist reich an großen schönen Karrenformationen. Das Einfallen der 
Schichten ist sanft nördlich. Seine Bezeichnung Zelena verdankt der 
östliche Teil dieser Karstlandschaft der ziemlich reichen Vegetation, 
in welcher hier sommergrüne Eichen stark vertreten sind. 

Am Abhange, der von diesem Steinfelde zum Nordwestgrate des 
Debelo brdo aufsteigt, tritt demjenigen, der die Nordseite des Mosor 
in der Richtung von W gegen SO durchstreift, zum erstenmal ein 
geomorphologischer Typus vor die Augen, welcher weiter ostwärts, vor- 
nehmlich an den Nordgehängen des Lubljan und Jabukovac zu noch 
schärferer Entwicklung kommt und der geradezu als Charakteristikon 
der Nordseite des Mosor zu bezeichnen ist. Es ist diejenige Ober- 
flächenform eines Berggehänges, welche dann zustande kommt, wenn 
ein in dicke Bänke abgesonderter Gesteinskomplex mit einer schwächeren 
Neigung, als jene des Gebänges ist, gleichsinnig mit diesem abdacht. 

Während treppenförmige Gehänge, welche durch sanft gegen das 
Gebirge zu einfallende, gut gebankte Schichten hervorgerufen werden, 
in Norddalmatien häufig in schöner Ausbildung und großer räumlicher 
Erstreckung anzutreffen sind, kommt jene Stufung der Gehänge, die 
infolge exokliner Lagerung der Schichten auftritt, ziemlich selten und 
nur lokal zu deutlicher Entwicklung. Am Nordabhange der westlichen 
und mittleren Mosor planina ist sie aber eine regionale, das ge- 
samte Landschaftsbild oft ausschließlich beherrschende Erscheinung. 
Der Anblick einer solchen durch exokline Lagerung bedingten Stufung 
ist von der durch endokline Schichtlage veranlaßten ganz verschieden. 
Bei letzterer hat man eine deutliche Felstreppe vor sich mit mehr 
oder minder scharf voneinander abgesetzten, weithin verfolgbaren 
Stufen. Bei sanfter exokliner Lagerung nehmen aber Schichtflächen 
und Denudationsflächen von Schichtköpfen abwechselnd an der Zu- 
sammensetzung des Gehänges Anteil. Dieser Wechsel ist indessen 
nicht so regelmäßig, daß man — derselben Isohypse folgend — stets 
über Schichtflächen oder stets über Schichtköpfe schreiten würde. Es 
wechseln infolge ungleichmäßiger Abtragung auch in der Streichungs- 
richtung Schichtflächen und Schichtkopfflächen miteinander ab. 

Letztere lassen ihre Zusammensetzung aus schiefen Durchschnitten 
von aneinanderstoßenden Gesteinsbänken manchmal nur schwer er- 
kennen, indem es zu gar keiner Stufenbildung kommt. Das Karren- 
relief trägt das Seinige dazu bei, die Schiehtung zu verwischen, so 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 31 


234 Dr. Fritz v. Kerner. [20] 


daß es nicht immer möglich ist, mit Sicherheit festzustellen, ob man 
sich auf einer Schichtfläche oder auf einer schiefen Durchschnitts- 
fläche einer Gesteinsbank befindet. An Gehängen mit endokliner 
Lagerung wird man hingegen darüber kaum je im Zweifel sein. 

In vielen Fällen sind aber doch auch bei exokliner Lagerung die 
einzelnen Schichtköpfe voneinander abzugrenzen und beim Gesamt- 
anblicke der Abhänge auf der Nordseite des Mosor tritt der Aufbau 
aus übereinander folgenden Gesteinslagen ziemlich gut hervor. Blickt 
man an einem so beschaffenen Gehänge bergaufwärts, so zeigt sich 
eine mehr oder minder deutliche Segmentierung in horizontale Fels- 
bänder, die den Durchschnittsflächen der einzelnen Kalkbänke ent- 
sprechen, und zwar wird infolge des angenäherten Zusammenfallens 
des Gesichtswinkels mit der Schichtneigung der Anblick einer Quer- 
streifung auch dann vorhanden sein, wenn die Demarkationslinien der 
einzelnen Gesteinsbänke einen sehr welligen Verlauf nehmen, be- 
ziehungsweise dieselben Bänke in sehr wechselnder Höhe abgeschnitten 
sind. An einem Gehänge mit endokliner Lagerung würde letzterer 
Umstand bei bergaufwärts gerichtetem Blicke sich sogleich durch 
Sichtbarwerden einer Nische oder ausgebrochenen Stelle in dem 
Stufenbau verraten. Beim Blick bergabwärts ist dagegen bei exokliner 
Lagerung meist keine Stufung und Quergliederung wahrnehmbar, da 
man dann die Trennungslinien der Bänke größtenteils nicht zu Gesicht 
bekommt. 

Auf eine besondere Eigentümlichkeit dieser exoklinen Abhänge 
der Nordseite des Mosor soll gleich hier aufmerksam gemacht werden. 
Es ist das häufige Erscheinen nasser Streifen oder der Residuen 
derselben, nämlich schmaler, mit feinem eingetrockneten Schlamm 
überzogener schmaler Bänder auf den stärker geneigten Felsflächen. 
Diese Streifen gehen von querverlaufenden feinen Ritzen oder klaffenden 
Spalten aus und finden sich zuweilen in größerer Zahl nebeneinander. 
Im Zusammenhange mit diesen Streifen trifft man zumeist eine reiche 
Laubmoosvegetation. 

Man hat hier jene Erscheinung vor sich, die, wenn sie in größerem 
Maßstabe auftritt, den einfachsten Fall der Quellbildung repräsentiert. 
Die Erscheinung tritt am Mosor in sehr verschieden starker Ent- 
wicklung auf. Neben Stellen, wo sich nur kurze Zeit nach heftigem 
Regen ein nasser Streifen einstellt und die meiste Zeit hindurch nur 
ein trockenes Schlammband sichtbar ist, gibt es solche Punkte, wo 
selbst noch eine Woche nach einem letzten Regen etwas Wasser 
rieselt. Letzterer Fall setzt das Zusammentreffen mehrerer günstiger 
Umstände voraus: das Vorhandensein einer Gesteinsbank, die bis 
weit in den Berg hinein von keiner offenen Spalte durchsetzt ist, und 
eine derartige Gruppierung der Klüfte in den Hangendschichten, daß 
durch dieselben eine möglichst große Menge von Niederschlägen auf 
jene unterste Bank gelangen kann, und eine solche Gestalt der Ober- 
fläche dieser letzteren, daß eine Sammlung der Wassermengen in eine 
einzige Abflußrinne stattfindet. 

Es wird Sache individueller Auffassung sein, ob man die hin- 
sichtlich der Dauer und Quantität der Wasserführung günstigsten Stellen 
am Nordabhang des Mosor (sie gehören dem mittleren Gebirgsteile an) 


[21] Geologische Beschreibung der -Mosor planina. 235 


schon als sehr schwache regellos intermittierende „Quellen“ gelten 
lassen will oder nicht. Es hängt davon die prinzipielle Beantwortung 
der Frage ab, ob man von „Quellen im Rudistenkalk“ sprechen könne 
oder nicht. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen in Gebieten, welche 
nicht die am Nordmosor vorhandenen, für Quellbildung günstigsten 
Bedingungen aufweisen, mußte diese Frage bis jetzt stets in ver- 
neinendem Sinne beantwortet werden. In praktischer Hinsicht ist in 
einem so erschreckend wüsten Felsterrain, wie es der Mosor darstellt, 
jede zutage tretende Wasserspur von hohem Werte. Die Häufigkeit 
des Auftretens der nassen Streifen und Schlammbänder ist der 
Deutlichkeit der Schichtung nicht proportional. Es gibt Regionen, wo 
trotz vollkommener Entwicklung des im vorigen erörterten Gehänge- 
typus nasse Streifen und Moospolster nur sehr selten anzutreffen 
sind; es sagt dies nur, daß gute Schichtung und starke Zerklüftung 
kombiniert sein können. Anderseits sind in verworrenen Felsterrains 
zuweilen viele feuchte Stellen und eine reiche Moosflora zu finden. 
In den letzteren Fällen kann der Moosreichtum als Erkennungsmittel 
der Lagerungsweise dienen. 

Am Nordabhange der Vidakova greda (oberer Teil des Nord- 
ostgrates des Debelo brdo) fallen die Kalkbänke 15—20° gegen N. 
Im Gegensatze zu manchen sehr felsigen Partien der nördlichen 
Gebirgsseite hat dieser Abhang viele zum Teil miteinander in Ver- 
bindung stehende Rasenflecke zwischen den Felsflächen eingeschaltet 
und ist daher leicht zu begehen. 

Die Gradina sutain (der Spezialkarte), auch Sutina gradina und 
Veliki suse (487 m) ist ein zirka 150 m ziemlich steil über seine 
Umgebung aufragender, großer Hügel am Nordfuße des Debelo brdo. 
Die Südseite dieses Hügels besteht aus zerworfenen Felsmassen, an 
denen die Lagerung nicht erkennbar ist; auf der flachen Hügelkuppe 
scheint horizontale Schichtlage vorhanden zu sein. Das Nordgehänge 
ist in tektonischer Hinsicht wieder unklar; vermutlich hat man mäßig 
steiles WNW- und NW-, vielleicht auch N-Fallen vor sich. Im Terrain 
nördlich der Gradina sutain dürfte flache Lagerung vorhanden sein. 
Der kleine Hügel (389 m) nordostwärts von der Gradina scheint aus 
zirka 300 gegen NW geneigten Schichten zu bestehen. Zwischen 
diesem Hügel und dem Doppelhügel, welcher an der Südwestecke 
des Dugo polje aufragt, liegt ein flaches Felsterrain, in welchem man 
die Lagerung nicht erkennen kann. Östlich von diesem Doppelhügel, 
bei Smodlaka ist sanftes nördliches Einfallen konstatierbar. Der Kalk 
ist hier ziemlich gut geschichtet. Weiter ostwärts wird die Schichtung 
weniger deutlich und nimmt an Steilheit zu: 45—60° Einfallen gegen 
Nord. Der ostwärts von Smodlaka in das Dugo polje vorspringende 
Felssporn besteht aus sehr mangelhaft geschichteten Kalkmassen. 

Östlich von der Gradina sutain trifft man teils gut gebankte 
Kalke, die mittelsteil gegen NO fallen, teils undeutlich geschichtete 
Kalkmassen, die zur Entwicklung einer Felswildnis Anlaß geben. In 
dieser Gegend befindet sich unfern der Hütten von Balic eine große 
Höhle. Ihr durch ein flach bogiges Felstor gebildeter Eingang ist 
etwa 25 m breit und 10 m hoch. | 

Von diesem Tore zieht sich in südöstlicher Richtung ein zirka 

312 


236 Dr. Fritz v. Kerner. [22] 


35° geneigter Kanal hinab, der bei 15 m hoch und bis gegen 30 m 
breit ist. Der Eingang und der Boden dieses großen Felskanals ist 
mit wüstem Blockwerk hoch bedeckt, die gewölbte Decke mit spär- 
lichen Tropfsteinleisten überzogen. Dieser Kanal verengt sich dann 
auf 15—5 m Breite und 10—8 m Höhe und ändert zugleich seine 
Richtung in SSO. Der Boden dieses unteren zirka 25 m langen 
Höhlenganges ist sehr uneben und mit großen Sinterklötzen besetzt, 
auf welchen kurze Stalagmiten stehen. Zur Rechten gewahrt man 
eine hohe Tropfsteinsäule und hinter derselben an der Höhlenwand 
einen hübschen Sinterüberzug. Die Höhle ist sehr feucht, da an 
vielen Stellen von der Decke Wasser abtropft. Im Eingangsteile 
trifft man ein üppiges Staudendickicht, im unteren Grottenteile sehr 
viel Moos- und Algenvegetationen an. Man wird hier bezüglich des 
Gesamtbildes an den äußern Teil der später zu erwähnenden Grotte 
von Kotlenice erinnert und möchte fast vermuten, daß, so wie dort, 
auch hier in größeren Tiefen reich mit Tropfsteinbildungen gezierte 
Hohlräume vorhanden seien. Es ist darüber aber nichts bekannt und 
auch am Fond der Höhle keine Spalte offen, die einen Weg ins 
Innere weisen würde. 

Die Hütten von Bali6 stehen am Fuße eines mächtigen Berg- 
vorsprunges, der in einer 663 m hohen Kuppe kulminiert. Oberhalb 
der Gradina sutain wölben sich an der Nordseite des Debelo brdo 
gleichfalls zwei schmale Abhangrücken auf, welche einen tiefen Graben 
einschließen. Zwischen dem östlichen dieser beiden Rücken und dem 
großen Bergvorsprunge ober Balic kommt so eine breite und flache, 
gegen unten sich verschmälernde Einmuldung des unteren Mosor- 
abhanges zustande. Auf der Rückseite derselben trifft man viele um- 
fangreiche 10—15° gegen N einfallende Felsschichtflächen. Da hier 
das Gehänge selbst sehr sanft und durchschnittlich mit dem Neigungs- 
winkel der Schichten abdacht, kommt hier ein anderes morpholo- 
gisches Bild zustande, als an der Vidakova greda weiter westwärts. 
Auf der Kuppe des Gehängevorsprunges ober der Gradina sutain 
liegen die Schichten horizontal und biegen sich gegen N und OÖ sanft 
hinab. An der Ostseite der Kuppe trifft man große flache Felswülste 
mit vielen scharfrandigen, durch Regenwasser ausgewaschenen Becken. 
Auf der Rückenfläche des großen Bergvorsprunges ober Bali6 kon- 
statiert man vorzugsweise sehr sanftes Einfallen gegen NNO bis N 
und völlig horizontale Schichtlage mehr als lokalen Befund. Betreffs 
der lithologischen Beschaffenheit der Kalke, welche diese Region 
aufbauen, sei bemerkt, daß in den untersten Gehängezonen dichte, 
mehr bergaufwärts körnige, rudistenreiche Kalke dominieren; lokal 
kommen auch weiße Breccien mit in die Kittmasse eingeschlossenen 
Rudistentrümmern vor. 

Oberhalb jenes beiläufig bei 600 m liegenden Niveaus, in 
welchem sich die erwähnten Beıgvorsprünge entwickeln, zieht sich 
ein sehr einförmiges, von keinerlei Vorsprüngen und Furchen unter- 
brochenes Gehänge zur Terrasse von Korito hinan. Dasselbe gliedert 
sich in eine untere und obere steile und eine mittlere sanft abdachende 
Zone, welch letztere weiter ostwärts in der Gebirgsterrasse von 
RogoSiö ihre Fortsetzung findet. An diesem Abhange lernt man zum 


[23] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 231 


erstenmal zwei anthropogeographische Eigentümlichkeiten der Nord- 
seite des Mosor kennen. Es sind dies kleine Kornfeldchen und sehr 
primitive kleine mit Stroh gedeckte Steinhütten. Erstere sind mit 
möglichster Ausnützung des gesamten, nicht von Fels bedeckten Bodens 
angelegt und setzen sich, da die mit Erdreich ausgefüllten Zwischen- 
räume der Felsen oft räumlich sehr beschränkt sind, aus winzigen, 
zuweilen kaum 1 m im Geviert messenden, zum Teil getrennten, 
zum Teil konfluierenden Fleckchen zusammen. Stellenweise werden 
allerdings durch Aufführung von kleinen Mauern und künstliche Aus- 
füllung der hinter diesen liegenden Vertiefungen etwas größere Par- 
zellen hergestellt. Dieselben folgen manchmal in größerer Anzahl 
übereinander, eine künstliche Terrassierung der Abhänge bedingend. 
Diese Kornfeldehen am Nordabhang des Mosor bedeuten wohl die 
denkbar fleißigste Ausnützung eines jeder ökonomischen Verwertung 
feindlichen Gebietes für den Ackerbau. 

Im Frühlinge verleihen diese Kornfelder den Abhängen des 
Mosor auf weite Strecken hin einen grünlichen Schimmer. Im Sommer 
weicht derselbe der lichtgelben Farbe des reifenden Getreides, welche 
sich in den Augen der Poeten zum „Ährengold“ verklärt hat. Unter 
den verschiedenen Versuchen, die auffällige Erscheinung zu erklären, 
daß ein so wüstes Karstgebirge wie der Mosor in der Römerzeit den 
stolzen Titel Mons aureus erhielt, befindet sich auch einer, welcher 
die Bezeichnung Goldberg auf den durch reife Kornfelder bedingten 
güldnen Glanz der Abhänge zurückführt, und noch ein anderer, 
welcher das Ährengold im übertragenen Sinne auf den durch Acker- 
bau zu gewinnenden Wohlstand bezieht. Beide Erklärungsversuche 
erscheinen so wenig befriedigend, wie einige andere später zu er- 
wähnende. 

Ober dem vorhin genannten, teilweise mit Kornfeldern über- 
deckten Abhange, in welchem die Schichten mehr oder weniger steil 
gegen N einfallen, breitet sich die Terrasse von Korito aus. Diese 
ist ein etwa 1 km langes und !/; km breites, stark welliges Fels- 
terrain mit vielen von Terra rossa erfüllten kleinen Mulden. 


III. Die Nordostabhänge und der Kamm des 
westlichen Mosor. 


Das ostwärts von dem Bergvorsprunge ober Bali befindliche 
Gehänge steigt zu dem östlichen Teile des Westmosor, dem Grate des 
Plisevae empor. Dieses Gehänge ist durch drei mehr oder minder 
deutlich ausgeprägte Stufen unterbrochen. Vom Südrande des mittleren 
Dugo polje steigt das Terrain ziemlich steil zu einer unteren Gebirgs- 
terrasse an, die sich aus einem tieferen westlichen und einem höheren 
östlichen Teile zusammensetzt. Am Rand des ersteren erhebt sich die 
flache Kuppe Na brdac zu 395 m. Am Nordfuße dieser Kuppe fallen 
die Bänke des Rudistenkalkes zum Teil — wie weiter westwärts — 
steil gegen Nord, zum Teile 30—40% gegen West bis Nordwest ein. 
Man konstatiert einen wiederholten Wechsel dieser beiden Lagerungs- 
weisen. Auf der Ostseite und auf der Kuppe des Na brdae trifft man 


238 | Dr. Fritz v. Kerner. [24] 


einen dünnbankigen, sehr gut geschichteten Kalk mit Einlagerungen 
von Plattenkalken. Derselbe zeigt 30—35° steiles nördliches Einfallen. 
Östlich vom Na brdac sind am Rande des Dugo polje gegenüber 
dem auf der Nordseite des Polje gelegenen Hügel von Sv. Mihol 
mehrere 30—45° gegen NW einfallende Felsflächen zu sehen. Der 
steile Abhang, der von hier zum östlichen höher gelegenen Teile der 
unteren Terrasse aufsteigt, besteht aus sanft, zum Teil nur 10— 15° 
gegen NNO einfallenden Bänken eines blaßbräunlichen dichten, an 
Fossilspuren armen Kalkes. 

Der westliche tiefere Teil der unteren Gebirgsterrasse (zirka 
400 m hoch), auf welchem die Hütten von Simica stehen, ist ein flach- 
welliges, von Terra rossa-Flecken durchsetztes Felsterrain. Die 
Schichten fallen hier sehr sanft gegen N, lokal scheint schwebende 
Lagerung einzutreten. Im östlichen Teile der Simicaterrasse (zirka 
440 m hoch), an dessen Rand ein Felskopf, Vela gradina, zu 480 m 
aufragt, trifft man verworrenes Felswerk; erst am Südrande sind zirka 
50 gegen N geneigte Schichtflächen zu sehen. 

Das Gehänge, welches diese untere Terrasse von der nächst 
höheren trennt, setzt sich aus einem steilen unteren und einem sanft 
geneigten oberen Teile zusammen. Am ersteren trifft man wieder den 
für die Nordseite des Mosor bezeichnenden Gehängetypus angedeutet. 
Die Schichtflächen fallen etwa 15—20° das Gehänge 25--30° zum 
Teil steiler ein. Weiter bergaufwärts, ober einer Gruppe von drei 
kleinen Hütten, ist der genannte Typus ziemlich gut entwickelt. Noch 
weiter aufwärts ist dann eine Koinzidenz von Gehänge- und Schicht- 
neigung wahrzunehmen. Die weiter unten an vielen Stellen sichtbaren 
Sickerwasserstreifen und Moospolster fehlen hier fast ganz. Die 
Einfallswinkel sind hier 20—25°, weiter ostwärts 30—355°. 

Im Bereiche der nun folgenden Terrasse von Rogosi6 staje ist 
eine bedeutende Abflachung des nördlichen Einfallens, lokal selbst 
sanftes südwestliches Einfallen erkennbar. Das Relief des westlichen 
Teiles dieser Stufe ist verschieden von dem der anderen Terrassen 
dieser Gegend und nähert sich mehr demjenigen, das man in den 
höchsten Teilen des mittleren Mosor antrifft. An Stelle seichter, in 
ein Netz von flachen Rücken eingesenkter Mulden treten hier tiefe 
steilwandige Dolinen, die durch ziemlich schmale Felsbrücken von- 
einander geschieden werden. Die steilen Seitenwände dieser letzteren 
zeigen vertikale Trennungslinien, die man stellenweise für Schicht- 
fugen halten möchte. Ihre Rückenflächen sind jedoch auch dann, 
wenn sie quer zum Schichtstreichen verlaufen, oft von langen glatten 
Felswülsten gebildet, ein Umstand, der auf flache Lagerung hinweist. 
Denn würden diese Brücken schmale, aus einem steil gestellten Schicht- 
komplex herausgeschnittene Streifen sein, so müßten sie im letzteren 
Falle (wenn sie quer zum Schichtstreichen verlaufen) doch auch auf 
ihren Rückenflächen Andeutungen von Segmentierung zeigen. Es ist 
in der Tat auch näher liegend, anzunehmen, daß dieses Auftreten 
steiler Oberflächenformen an Stelle der vorherrschenden sanften nicht 
durch eine Einschaltung steil gestellter Schichten, sondern durch eine 
abweichende, zu stärkerer Zerklüftuung neigende Beschaffenheit des 
Gesteines verursacht sei. 


[25] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 239 


Der steile Hang, der die Terrasse von RogoSie von der dritten 
obersten Terrasse trennt, zeigt wieder deutlich den Nordmosortypus. 
An diesem Hange und im Bereiche der seinem Fuße vorliegenden 
Terrasse trifft man da und dort auch Breccien an Stelle homogener 
Kalke, so zum Beispiel bei den westlichen Hütten der RogoSic-Alm. 
Die nun folgende breite Bergterrasse am Westfuße der Kuppe Trnavac 
(999 m) entspricht wieder einer von sekundären Wellungen durch- 
setzten Abflachung der Schichten im Nordflügel der großen Falte, 
welche den Westmosor aufbaut. 

Ebenso wie in der weiter westwärts in fast gleicher Höhe 
gelegenen Stufe von Korito sind auch hier in das flache Felsterrain 
sehr viele kleine Terra rossa-Mulden eingesenkt. Zwischen beiden 
Stufen liegt eine weite Mulde mit unebenem Boden, die nach außen 
durch einen Rücken abgeschlossen wird, der die Ränder der beiden 
Gebirgsstufen verbindet. Dieser Rücken entspricht einer Schichtflexur, 
In seinem westlichen Teile liegen die Schichten in der Mitte völlig 
flach. 

Hinter dem gegen Süden ausgebauchten Südrande des östlichsten 
Dugo polje ist der untere Teil des Mosorgehänges in der Höhe der 
vorhin erwähnten Simicaterrasse durch keine Stufe und auch durch 
keine Zone sanfterer Neigung unterbrochen. Am Rande des Polje 
fallen die Schichten am NO-Fuße der Vela gradina 20° gegen NO, 
südwärts von Gavranovic 300 gegen NNW. Beim Aufstieg über das 
ziemlich gut mit Hopfenbuchen bewachsene Gehänge trifft man hier 
sehr stark zerworfenes Felsterrain; man kann nur mühsam sanftes 
Nordfallen der Kalkbänke erkennen. Das weiter ostwärts gelegene 
Gebiet ist schon dem Mittelmosor zuzurechnen. 

Die Unterscheidung des Mosor in drei Teile gründet sich, wie 
eingangs schon erörtert wurde, auf das Verhalten des Hauptgebirgs- 
kammes, dessen mittlerer Teil hoch über seine beiden Seitenteile 
aufragt. Eine Grenzziehung zwischen dem westlichen und mittleren 
Teile des Mosorkammes wird dadurch noch natürlicher, daß diese 
beiden Kämme gar nicht ihre unmittelbaren gegenseitigen Fort- 
setzungen bilden. Der Kamm des Westmosor läuft gegen Ost in eine 
Kuppenreihe aus, die sich an die Südseite des mittleren Kammteiles 
anlehnt, so daß der westliche Fußpunkt des letzteren nordwärts vom 
ersteren zu liegen kommt. Auf dem Nordgehänge des Gebirges ist 
keine in die Augen springende Grenze zwischen dem westlichen und 
mittleren Gebirgsteile vorhanden. Dagegen ist für den Nordfuß des 
Gebirges eine scharfe Grenze durch den östlichen Endpunkt des Dugo 
polje gegeben. Will man eine Trennung zwischen den dem West- 
und Mittelmosor zuzurechnenden Partien der nördlichen Gebirgsflanke 
vornehmen, so wird man sich deshalb an solche untergeordnete Relief- 
linien halten, die der geraden Verbindungslinie des Westfußes des 
mittleren Mosorkammes mit dem Ostende des Dugo polje möglichst 
nahe liegen. 

Im oberen Teile des Abhanges ergibt sich dann zunächst die 
große, bis nahe an den Kamm einschneidende Vertiefung südöstlich 
von der Kuppe Trnavac als Grenze und weiter abwärts jener Graben, 
der östlich von den Vorstufen des Trnavac zum Westrand der Ter- 


240 Dr. Fritz v. Kerner. [26] 


rassen von Jurenie staje und Peri$iö staje hinabzieht. Von hier kann 
man als Grenze die Ostseite jenes Abhanges betrachten, der hinter 
dem Südrande des östlichsten Dugo polje ansteigt. Bevor jedoch die 
eintönige Darstellung der ostwärts von dieser Grenzlinie gelegenen 
Teile der monotonen Nordseite des Mosor fortgesetzt wird, sollen vor- 
erst der Kamm und die Südseite des Westmosor beschrieben werden. 

Der westlichste, lesinisch streichende Abschnitt der Kammregion 
des Westmosor besteht aus mehreren breiten, flachen Kuppen, die 
ihm die Bezeichnung Debelo brdo oder Debeljak eingetragen haben. 
An der äußersten von diesen Kuppen (1043 m), welche einen weiten 
Rundblick über das Gebiet von Spalato gewährt (der indessen nicht so 
umfassend ist wie jener von dem früher erwähnten Vorkopfe 989 m), 
läßt sich flache periklinale Schichtlage erkennen. Auf ihrem Nord- 
abhange ist an einigen Stellen das Abschneiden der Schichtköpfe am 
Gehänge und im Zusammenhang damit eine ziemlich reiche Moosflora 
vorhanden. Auf der östlichen Nachbarkuppe zeigt sich das Zusammen- 
fallen des morphologischen mit dem tektonischen Bilde in ganz be- 
sonders schöner Weise. Man sieht hier eine schwachgewölbte Kuppe 
mit großen, ringsum sanft abfallenden Felsflächen, in denen große 
scharfrandige Becken ausgewaschen sind. Desgleichen ist auf der 
ostwärts sich anschließenden Kuppe (1017 m) eine flach domförmige 
Lagerung der Schichten deutlich sichtbar. An der Nordseite dieser 
Kuppe findet aber wieder ein Abschneiden der Schichtköpfe an 
einem steilen, moosigen Abhange statt. 

Von der neben ihr aufsteigenden vorgenannten Kuppe zieht ein 
Grat nordwärts zu der Terrasse von Korito hinab. Derselbe scheidet 
die Nordseite des Debelo brdo-Gipfels in zwei Kare. (Dieses Wort im 
morphologischen, nicht im genetischen Sinne gebraucht.) Am Fuße des 
westlichen befindet sich eine umfangreiche Mulde, deren Boden zum 
größeren Teile felsig ist, wogegen im Grunde des östlichen Kares eine 
Wiesenmulde liegt. Gegen Süd dacht der Gipfel des Debelo brdo 
mit einem sehr einförmigen, wüsten Felsgehänge ab, an welchem 
ein mäßig steiles Südfallen stellenweise erkennbar ist. Auf der Süd- 
ostseite der Kuppe, von welcher nordwärts der Grat abzweigt, beob- 
achtet man lokal den grobkörnigen weißen, unvollkommen plattigen 
Kalk, welcher auf dem Kamme des Ostmosor zu größerer Entwicklung 
kommt. Die Hauptmasse des Debelo brdo-Gipfels ist aber dichter, 
weißer, stark zu Schrattenbildung neigender Kalk mit nicht gerade 
spärlichen, jedoch recht schlecht erhaltenen Rudistenresten. 

Durch einen kleinen, zwischen Felsen eingeschnittenen Engpaß 
vom Debelo brdo getrennt, erhebt sich im Kamm des Westmosor ein 
zweiter Gipfel (1061 m), genannt Medovina, der im Gegensatze zu 
dem ersteren schroff aufsteist. Im Bereiche dieses Gipfels vollzieht 
sich die Drehung der Streichungsrichtung des Mosorkammes aus 
W—0O in NW—SO. Die Lagerung der Schichten der Medovina ist 
unklar, vermutlich fallen sie mäßig steil gegen Nord. Am Abhang 
weiter ostwärts, welcher zur Mulde zwischen den Terrassen von 
Korito und Trnavac abdacht, ist 300 steiles nördliches Einfallen zu 
konstatieren. 

Jenseits des vorgenannten Gipfels erhebt sich der lange, schon 


[27] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 241 


dinarisch streichende Grat des PliSevac, auch Kunjevada genannt. 
An diesem Grate ist hemiperiklines Einfallen von N über NW 
nach W vorhanden. Je nachdem sich die Gratlinie mehr gegen NO 
oder SW ausbiegt, fällt sie noch in den Bereich von mehr gegen N 
oder schon in den von gegen W einfallenden Schichten. Dazwischen 
trifft man Stellen, wo die Schichten in der Gratrichtung einfallen 
(gegen NW). An der Südwestseite des Plisevac fallen die Schichten 
gleichsinnig mit dem Gehänge ein. Auf der Ostseite seines Gipfels 
(1077 m) befindet sich eine mit Trümmerwerk erfüllte Mulde. 
Gegen SO setzt sich der Plisevac in einen Grat fort, an dessen 
Nordostseite 20—25° steiles Einfallen der Schichten gegen N zu kon- 
statieren ist. Längs dem nordöstlichen Fuße dieses Grates zieht sich 
eine längliche Einsenkung hin, jenseits welcher ein breiter Rücken 
liegt, dem drei große Felskuppen aufgesetzt sind. Gegen N fällt 
dieser Rücken zu einer zweiten tiefer gelegenen Muldenzone ab, in 
welche viele Rasenflecken eingestreut sind. Trotz ihrer trostlosen Ode 
besitzt diese reich gegliederte Gebirgsregion für denjenigen, der 
totenstarre Felslandschaften in ihrer stimmungsvollen Größe und Er- 
habenheit zu schätzen weiß, einen eigentümlichen Reiz. In geologischer 
Hinsicht wird man hier durch die oft unerwartet großen Schwierig- 
keiten, Klüftung und Schichtung zu unterscheiden, vor Langweile be- 
wahrt. In den Kalkmassen am Nordabhange des Plisevac bemerkt 
man steil zur Tiefe gehende Trennungslinien und ist versucht, die- 
selben für Schichtfugen anzusehen; dann läßt sich ganz nahe von 
diesem Abhange, westlich von einigen Hüttchen, sanftes Nordostfallen 
konstatieren, und es schiene hier so unwahrscheinlich, eine rasche 
Anderung der Schichtlage anzunehmen, daß man sich doch wieder fragt, 
ob jene steilen Trennungsflächen nicht auf eine schief zur Schichtung 
orientierte Klüftung zu beziehen seien. Am Rande jener unteren 
Muldenzone mit den Rasenflecken befindet sich ein Hügel, der, von 
der Westseite gesehen, so deutlich steiles nordöstliches Schichtfallen 
zu besitzen scheint, daß man jedem ins Gesicht lachen würde, der 
hier sanftes Einfallen gegen SW behaupten wollte, und dennoch sieht 
man bei der Östansicht desselben Hügels deutlich große Felsbänke 
sich am Gehänge gegen SSW hinabziehen. Am nächsten Hügel kann 
man das scheinbare steile Nordostfallen und das sanfte Südwestfallen 
kombiniert sehen. Beobachtungen dieser Art müssen begreiflicherweise 
dazu geneigt machen, alle steilen Felsflächen dieser Region als Kluft- 
flächen anzusehen, und man wird nicht fehlgehen, wenn man diese 
Muldenzone unterhalb des PliSevac als eine flache sekundäre Syn- 
klinale im Nordflügel der Westmosorfalte auffaßt. Der Gesamteindruck, 
den man bei eingehender Durchmusterung der Nordseite des Mosor 
gewinnt, ist so sehr der des Vorhandenseins einer mächtigen, sanft 
gegen NO einfallenden, von vielen flachen sekundären Wellen und 
Flexuren durchsetzten Schichtmasse, daß man sich nur in den seltensten 
Fällen zur Annahme einer streckenweisen steilen Aufrichtung der Kalk- 
bänke entschließen könnte. Im Innern der Muldenzone unterhalb des 
Plisevac trifft man große fast ebene Felsflächen, die bestimmt auf 
horizontale Schichtlage hinweisen, zusammen mit steilen Riffen, die 
man für die Köpfe stark aufgerichteter Schichten halten möchte. Am 
Jahrbuch d. k. k. geol, Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 32 


BYE, Dr. Fritz v. Kerner. [28] 


Querriegel, der die vorgeschobene Kuppe Trnavac (999 m) mit dem 
breiten nördlichen Vorrücken des Plisevac verbindet, läßt sich sehr 
flache Lagerung konstatieren. 


IV. Die Terrasse auf der Südseite des westlichen Mosor. 


Das reich gegliederte Gehänge nordwärts des Stobrec potok, 
über welches die Hütten von Zernovnica malerisch verstreut sind, 
wird von einer hohen Felsmauer gekrönt. Die mittleren und östlichen 
Partien dieser Mauer, welche über den Geländen zur Rechten der ost— 
westlich fließenden Teilstrecke des Stobrec potok aufsteigen, bilden 
den Steilabfall am Südrande der Kovacevidterrasse. Der Westabschnitt 
der Felsmauer, welcher die einsamen macchienbedeckten Anhöhen im 
N der Ebene des unteren Stobrec potok überragt, entspricht dagegen 
dem Südabsturze des Felskammes ober Ku&@ine, welcher den süd- 
westlichen Eckpfeiler des Mosor bildet. Gegen N entsendet dieser 
Kamm drei schroffe Seitengrate gegen das Jadrotal und gegen jene 
Schlucht hinab, in die sich dieses Tal ostwärts der Felsnische des 
Jadroquells fortsetzt. Nordwärts von dieser Schlucht erhebt sich jener 
Kamm, der westwärts bis zur Vereinigung des Zavli@ potok mit dem 
Jadro vordringt und von jener Stelle ausgeht, an welcher der west- 
liche Begrenzungsrücken der Kovaöeviöterrasse mit deren Südrand 
zusammenstößt. Die Schlucht in der östlichen Verlängerung des Jadro- 
tales geht ostwärts in eine flache Rinne und weiterhin in eine schmale 
Stufe über, welche den Südrand der Kovatevicterrasse von der öst- 
lichen Fortsetzung des Felskammes bei Ku£@ine trennt und die Fels- 
abstürze oberhalb Zernovnica in zwei Zonen scheidet. 


Der vorerwähnte Felssporn, welcher auf einem ersten Vorsprunge 
die Kapelle Sv. Petar und weiter oben ein verfallenes Gemäuer trägt, 
baut sich aus Breccien auf, die in dem Bahneinschnitte am besten 
aufgeschlossen sind, welcher den von Sv. Petar zum Jadroflusse ab- 
fallenden kleinen Grat durchquert. Man sieht dort ein Gestein aus 
weißen, grauen und dunkelblaugrauen Kalkfragmenten, die durch ein 
bläuliches kalkiges Zwischenmittel fest zusammengekittet sind. Ganz 
dieselben Breccien kann man in dem zweiten Bahneinschnitte kon- 
statieren, der jenen Grat durchquert, welcher in einem oberhalb Sv. 
Petar sich erhebenden Felskopfe gipfelt. Auf diesem Kopfe oben sieht 
man auch rötliche Kalke und rötlichgraue Sandsteine an der Zusammen- 
setzung der Felsmassen Anteil nehmen. 


Diese haben hier wie auch etwas tiefer unten an einer Stelle, 
wo man auf schmalem Pfade um den Grat herumgelangen kann, zum 
Teil mehr den Charakter von Konglomeraten. Der Tobel, welcher 
zwischen den beiden vorgenannten Graten gegen das Jadrotal hinab- 
zieht, ist großenteils mit Schutt erfüllt. Nahe oberhalb der Stelle, an 
welcher ihn die Bahn verquert, ist ein Aufriß von Flyschmergel zu 
bemerken. Die Lagerung der Schichten in den genannten Graten ist 
nicht deutlich zu erkennen, vermutlich hat man mehr oder minder 
steiles nordnordöstliches Einfallen vor sich. 

Ostwärts von dem zweiten Grate befindet sich ein großer Tobel, 


[29] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 243 


der nahe vor der Jadroquelle in das Tal dieses Flusses mündet und 
nach oben in eine breite Mulde übergeht. Gegen Ost begrenzt sich 
diese Mulde durch einen dritten Grat, der von den Kuppen ausgeht, 
die ostwärts vom Felskopfe ober Sv. Petar im Kamme ober Kuline 
aufragen. Längs der Achse dieser Mulde verläuft am Westabhang des 
sie im Osten begrenzenden Grates ein breiter Zug von sanft gegen NNO 
geneigten, gut gebankten Konglomeraten. Gegen abwärts setzt sich 
dieser Zug durch den vorerwähnten Tobel fort und bildet weiterhin 
die viel gewundenen Felsmassen, welche ober der Nische des Jadro- 
quells vorbeiziehen. Nach oben gehen die Bänke dieses Zuges in 
jene über, welche die Felskuppen östlich von Sv. Petar aufbauen. 
Auf der westlichsten derselben, welche steil über dem Dorfe Ku£fine 
aufragt, kann man 35° NNO-Fallen konstatieren; auf der flachen Kuppe 
weiter ostwärts ist die Lagerung ziemlich unklar. Im westlichen Teile 
der vorerwähnten Mulde und am Kamme, der sie im Süden abschließt, 
trifft man Rudistenkalk, dessen zerrissene Oberflächenformen in 
scharfen Gegensatz zu der durch die gutgebankten Konglomerate 
bedingten Stufenbildung im östlichen Muldenteile treten. Der First 
und die Ostseite des Grates, dessen Westseite von den oben er- 
wähnten Konglomeraten eingenommen wird, besteht gleichfalls aus 
Rudistenkalk. Gegen Süd reicht dieser Kalkzug jedoch nicht, wie der 
weiter westlich gelegene, bis an den oberen Rand des Steilabsturzes 
ober Ku£ine hinaus, da, wie bereits erwähnt, die Felskuppen, von 
welchen der genannte Grat abzweigt, aus Konglomeraten und Breccien 
bestehen. In der Richtung gegen den Jadroquell hinab endet der 
Rudistenkalk kurz oberhalb des kleinen Tunnels, mit welchem die 
Bahn den untersten Teil des Grates durchbohrt. Am Westportal 
dieses Tunnels stehen schon Konglomerate an. An der Grenze dieses 
Zuges von Rudistenkalk gegen das ihn im Westen begleitende Band 
von Konglomeraten trifft man im oberen Teile des Tobels unterhalb 
der Mulde einige Blöcke von graubraunem Flyschsandstein. Auf der 
Ostseite des vorerwähnten Tunnels sind gleichfalls Konglomerate und 
Breccien aufgeschlossen. Diese ziehen sich längs der Südseite der 
Schlucht hinan, welche in der östlichen Fortsetzung des Jadrotales 
liegt. Sie fallen hier gleich jenen an der Nordseite der Schlucht sanft 
gegen N bis NNO ein. An der Grenze dieser Konglomerate gegen 
den Kreidekalk, welcher die Nordostabhänge des vorhin wiederholt 
genannten Grates bildet und streckenweise ein 30—40° steiles nörd- 
liches Einfallen erkennen läßt, verläuft ein schmaler Zug von Horn- 
steine führendem Kalk mit Nummuliten. Dieser Zug hebt sich durch 
Bildung sehr großer Felsbuckeln von seiner Umgebung ab und läßt 
sich, zum Teil auch Alveolinen führend, durch den Fond der Schlucht 
in die schmale Muldenzone hinauf verfolgen, welche sich zwischen 
dem Kamme, der gegen Kuäine abstürzt, und dem gleichfalls steil 
abfallenden Südrande der Kovadevidterrasse gegen OSO hinzieht. Er 
ist dort stellenweise von kleinen Partien von Knollenmergel begleitet. 

Im wüsten Kreidekalkterrain auf der Südseite der Schlucht 
öffnet sich kurz vor dem Fond derselben eine Seitenschlucht, deren 
untere Abhänge mit Schutt bedeckt sind. 

Oberhalb der Hauptschlucht, am westlichen Ende der vorhin 

32* 


244 Dr. Fritz v. Kerner. [30] 


erwähnten Muldenzone, in welche die Schlucht übergeht, befindet sich 
eine längliche, mit Eluvien erfüllte Einfriedung. Von dieser führt über 
den Felskamm, welcher in den Vorkopf von Sv. Petar ausläuft, ein 
Weg nach Kuöine hinab. Am Nordhang dieses Kammes passiert man 
hier weißen Kalk mit schlecht erhaltenen Rudistenresten. An der 
Stelle, wo der Kamm überschritten wird, befindet sich in diesem ein 
breiter Einschnitt, gegen welchen die vorerwähnte Seitenschlucht 
hinaufzieht. Auf diesem Einschnitte (430 m) stehen Flyschmergel an. 
Das Vorhandensein einer kleinen Lokva entspricht hier der Undurch- 
lässigkeit des Untergrundes. Westwärts von diesem mit Rasen be- 
deckten Einschnitte erheben sich die aus Breceien und Konglomeraten 
aufgebauten Felskuppen, welche an früherer Stelle besprochen worden 
sind. Die Kreideschichten ostwärts von der Einsattlung scheinen 
mittelsteil gegen SO einzufallen. 

Von der vorerwähnten Einfriedung zieht sich ein breiter Rasen- 
streif gegen SO hinan. Zur Linken erhebt sich der etwa 20—30 m 
hohe Steilrand der Kovaöevicterrasse. Sein Fuß ist hier von Gruppen 
schöner Eichenbäume besäumt. Zur Rechten begleitet den Rasenstreif 
der mächtige Felszug von Hornsteinkalk, welcher hier stellenweise 
viele Alveolinen und Nummuliten führt. In seinem weiteren Verlaufe 
kommt dieser Zug von eozänem Kalk dem oberen Rande des Steil- 
absturzes hinter Ku£ine sehr nahe, da sich die Zone des Rudisten- 
kalkes ostwärts vom früher genannten Wege sehr verschmälert. Ganz 
bis zum Steilrande reicht der Eozänzug aber auch weiter ostwärts 
nicht, da in der Fortsetzung des wüsten Grates, welcher ostwärts vom 
kleinen Paßübergange ansteigt, eine schmale Randzone von Rudisten- 
kalk verbleibt. An der der Mulde (in welcher der Rasenstreif ver- 
läuft) zugekehrten Seite des Zuges von eozänem Hornsteinkalke kann 
man auch hier kleine verquetschte Partien von Knollenkalk bemerken. 
Die Muldenzone ist mit losen Stücken des eozänen Foraminiferen- 
kalkes bestreut, daneben findet sich auch lehmige gelbe Erde, die im 
Vereine mit dem Vorhandensein eines Bunars (roh ummauerte Zisterne) 
darauf hinweist, daß unter dem Oberflächenschutte hier eozäner Mergel 
durchstreicht. Anstehend ist er nicht zu sehen. An der Basis der Kreide- 
kalkmauer zur Linken sind stellenweise auch Felspartien des eozänen 
Hornsteinkalkes anzutreffen. Diese Befunde deuten darauf hin, daß 
hier eine schmale, eng zusammengepreßte alttertiäre Mulde vorliegt. 

Weiter ostwärts flacht sich diese Muldenzone völlig ab und es 
tritt an ihre Stelle ein schmaler, gegen Süden abdachender Gehänge- 
streifen. Uber diesen zieht das Band des Hornsteinkalkes weiter, 
wogegen die Felswände oberhalb und unterhalb des Streifens aus 
Kreidekalk bestehen. Auch in dieser Gegend ist noch stellenweise 
eine lehmige gelbe Erde zu bemerken, wie sie als Verwitterungs- 
produkt von eozänen Mergeln auftritt. 

Oberhalb der westlichsten Gehöfte des Dorfes Zernovnica, süd- 
westlich von dem Punkte, dessen Höhe in der Spezialkarte zu 585 m 
angegeben ist, treten die obere und untere Felswand weiter aus- 
einander, wodurch das zwischen ihnen eingeschaltete Gehänge eine 
Verbreiterung erfährt. Es ist hier großenteils mit Schutt bedeckt, 
unter welchem stellenweise noch anstehende Partien des Hornstein- 


[31] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 245 


kalkes sichtbar sind. Das Gehänge senkt sich zugleich in seiner Längs- 
richtung, so daß die obere Felswand, obschon der Rand der Kovatevid- 
terrasse keine Aufwölbung erfährt, an Höhe zunimmt. Der obere 
Rand der Felsabstürze unterhalb des Schuttgehänges löst sich in eine 
Kette sehr schroffer Riffe auf, zwischen denen steile Runsen ein- 
geschnitten sind. 

Ober dem Gehängevorsprunge mit der Kapelle St. Sebastian ver- 
tauscht die Felsmauer zu Häupten des Gehänges von Zernovnica ihren 
ostsüdöstlichen Verlauf mit einem ostnordöstlichen. Jenseits des 
stumpfen, gegen Süd ausspringenden Winkels, den demzufolge der 
Rand der Kovadevidterrasse macht, hat man plötzlich ganz andere 
geologische Verhältnisse vor sich. War westwärts von der Südecke 
des Kovacevicplateaus eine steile Einklemmung jüngerer Schichten 
in ältere erkennbar, ist im Osten dieser Ecke ein Hervortreten älterer 
zwischen jüngeren Schichten offenkundig. Dort ließ sich eine schmale 
Zone von mitteleozänem Kalk zwischen Rudistenkalken nachweisen, 
hier tritt zwischen Felszügen dieses letzteren Kalkes der Dolomit der 
mittleren Kreideformation zutage. 

Die westlichsten Ausläufer dieser Dolomitvorkommnisse sind in 
der südlichen Randzone der Kovaöevicterrasse anzutreffen. So traver- 
siert man auf dem Wege, der von dem früher erwähnten Gehänge- 
streifen über die oberen Steilwände zur Terrasse aufsteigt, ostwärts 
von Punkt 585 dolomitische Schichten. Auf der Westseite des Tobels, 
welcher unter der Südecke des Kovadevicplateaus in dessen Abstürze 
eingeschnitten ist, sieht man aus den Schuttmassen, welche die mitt- 
leren Gehängeteile einnehmen, eine Kalkfelsmasse aufragen und rechts 
davon zwei größere Gesteinspartien, die sich durch die dem Dolomit 
eigentümliche dunklere Färbung von jener Masse unterscheiden. Auf 
der Ostseite dieses Tobels bildet der Dolomit einen kleinen seltsam 
geformten Felskopf. Am schuttbedeckten Abhang ostwärts davon er- 
scheint er stellenweise in größeren anstehenden Partien. Über diesem 
Abhange türmt sich eine von vielen tief ausgewaschenen Rinnen und 
Höhlen durchsetzte Kalkwand auf. Am Fuß des Abhanges ist gleich- 
falls eine schmale Kalkzone konstatierbar. 

Etwas weiter ostwärts, jenseits der Hütten von Milidevie, dringt 
in den Südabfall der Kovalevicterrasse ein großer Tobel ein, genannt 
PuSte Katice, in dessen Mitte ein kleiner Schrofen aufragt. Die West- 
seite dieses Tobels besteht fast ganz aus Dolomit, welcher hier große, 
mit dem Gehänge abdachende Felsflächen (nicht Schichtflächen) bildet. 
Nur einige kleine Riffe setzen sich hier aus Rudistenkalk zusammen. 
Der Schrofen in der Mitte ist gleichfalls aus Rudistenkalk bestehend. 
Auf seiner Ostseite sieht man den Dolomit mit dem Kalke mehrmals 
wechsellagern und die ganze Schichtfolge sanft gegen Nord einfallen. 
Weiter unten, an der Mündung des Tobels, stehen Dolomite an, 
welche die diesem Gesteine eigentümlichen, an Pilzfelsen erinnernden 
Reliefformen zeigen. Neben diesen Felsen springt rechts von der Tobel- 
mündung ein großer Schrofen vor, welcher gegen Süden mit steilen 
Wänden abfällt. Derselbe besteht aus ziemlich sanft gegen Norden ein- 
fallendem Rudistenkalk. Über diesem Schrofen trifft man an der Ost- 
seite des Tobels wieder Dolomit, zum Teil in Trüämmerwerk zer- 


246 Dr. Fritz v. Kerner. [32] 


fallend, zum Teil grotesk geformte Felsen bildend. Er ist hier von 
einer Kette von kleinen Kalkriffen durchzogen, welche derselben 
Kalkzwischenlage angehören wie der Schrofen in der Mitte des Tobels 
und die kleinen Kalkpartien an seinem Westgehänge. 

Nach oben reicht hier der Dolomit bis nahe an den Terrassen- 
rand hinan. Längs des Südfußes des großen Schrofens, welcher rechts 
von der Tobelmündung aufragt, zieht sich ein Schuttband hin, in 
welchem einige Dolomitfelsen zutage treten. Unter diesem Bande 
folgt wieder ein Zug von 30—45° gegen NNO einfallendem Kalke, 
dessen unterer Rand von Blockwerken besäumt ist. Die Grenze 
zwischen Kalk und Dolomit ist hier an Stellen, wo letzterer unmittel- 
bar über ersterem in anstehenden Partien angetroffen wird, sehr 
scharf und nicht durch Gesteinsübergänge vermittelt. 

ÖOstwärts von PuSte Katice treten die beiden Kalkzüge, von 
denen der obere dem Rande der Kovaöevicterrasse entspricht und 
der untere die Basis des Steilabfalles unter der Terrasse bildet, 
weiter auseinander und werden durch ein breites, steiles Schutt- 
sehänge getrennt. An vielen Stellen tritt innerhalb desselben auch 
anstehendes Gestein zutage — teils Dolomit, welcher eigentümliche 
Pilzfelsen oder flache Felspartien bildet, teils Kalk — und man gewinnt 
den Eindruck, daß hier die Kalkeinlagerung im Dolomit an Mäch- 
tigkeit gewinnt. Am Wege, der über dieses Schuttgehänge von 
Mianovi6G nach Perdic stan auf das Kovatevicplateau hinaufführt, 
gelangt man oberhalb der Baumgruppe, in deren Umkreis Dolomit 
ansteht, an einem Felsvorsprunge vorbei, wo eine Wechsellagerung 
von Kalk und Dolomit schön aufgeschlossen ist. Die Kalkmauer an 
der Basis des Schuttgehänges erfährt im Westen von Mianovic, am 
oberen Ende des Grabens ober Knizie, eine starke vorübergehende 
Erniedrigung, so daß hier der Dolomit fast bis zum Weg hinabreicht, 
welcher längs dem Fuße der Kalkmauer von MilicevicG nach Mianovie 
verläuft. Ostwärts von Mianovic gewinnt die Schuttbedeckung am 
vorgenannten Abhang noch an Ausdehnung und führt streckenweise 
zu völliger Verhüllung des anstehenden Gesteines. Ober Gajne treten 
dann wieder Felsriffe zutage, die größtenteils aus Kalk bestehen. 

Die über dem im vorigen beschriebenen Steilgehänge gelegene 
Terrasse von Kovatevic stan zerfällt in zwei durch einen Abhang 
getrennte Stufen. Die untere ist ein völlig flaches Felsterrain, in 
dessen Bereich man flachwellige bis horizontale Schichtlage kon- 
statieren kann. Noch deutlicher läßt sich letztere im oberen Terrassen- 
teile erkennen. Man sieht da umfangreiche flache Felsplaques, denen 
stellenweise noch die Reste der nächst höheren Gesteinsbänke kappen- 
förmig aufruhen. Aus den Grenzfugen mancher dieser Felsauflagerungen 
gegen ihre Basis treten breite Schlammbänder, die Residuen von Riesel- 
wässern, aus. An vielen Stellen sieht man seichte scharfrandige Becken 
und Rinnen in den Felsflächen ausgewaschen. Besonders gegen den 
Fuß des Abhanges hin, welcher zum Debelo brdo aufsteigt, sind flache 
Felsplaques von großen Dimensionen anzutreffen. Stellenweise sieht 
man dann am Fuße des Abhanges deutlich die Hinaufbiegung der 
zuvor fast horizontal gelagerten Schichten. Die kleinen Hügel und 
Kuppen im Bereiche der Terrasse lassen gleichfalls ihren Aufbau aus 


[33] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 247 


flach liegenden Kalkbänken erkennen. In der Region, in welcher die 
Kovacevidterrasse in das von ihr zur Bucht von Qlissa abfallende 
Gehänge übergeht, trifft man ein sehr zerworfenes Felsterrain. An 
manchen Stellen sieht man jedoch auch hier die vorerwähnten Ober- 
flächenformen und die an ihr Auftreten geknüpften kleinen Becken, 
Schlammstreifen und Moosvegetationen. 

Im östlichen Teile der oberen Terrasse ist ein längliches Terra 
rossa-Feld vorhanden, um welches sich die Hütten von Kovatevic stan, 
Mianovid stan und Baric stan gruppieren. Im östlichen Teile der 
Gebirgsstufe am Südabhang des Westmosor geht die flache Lagerung 
streckenweise in sanftes NNO- und NNW-Fallen über. Der Kalk ist 
hier teils dicht, teils feinkörnig, stellenweise nimmt er eine oolithische 
Struktur an. Neben Rudistendurchschnitten trifft man hier auch un- 
deutliche Korallenreste an. 

Gegen Osten begrenzt sich die Kovacevidterrasse durch den 
Rücken des Golo brdo (909 m). Derselbe scheint einer ziemlich flachen, 
meridional streichenden Schichtwelle zu entsprechen. Es ist an seinem 
der Kovatevicierrasse zugekehrten Abhang westliches Einfallen und 
an seiner der Mokrice zugewandten Seite östliches Einfallen nach- 
weisbar. Gegen den PliSevac zu scheinen die Schichten sanft gegen 
N zu fallen, am Abhange des letzteren aber steil gegen SSW geneigt 
zu sein. Am Südostfuße des Golo brdo liegt die große flache Eluvial- 
mulde von Rastite. Ostwärts vom Golo brdo breitet sich ein sehr 
stark hügliges, von tiefen Mulden durchsetztes, gut bewaldetes Terrain 
aus, welches ohne natürliche Grenze in das schon dem Mittelmosor 
angehörige Gebiet von Mokrice übergeht. 


V. Die unteren Südabhänge des westlichen Mosor. 


Das Gehänge, das sich unterhalb der mächtigen, im vorigen 
beschriebenen Felsmauer hinzieht, geht westwärts in die sanften 
Anhöhen über, welche das Tal des Jadroflusses von der Ebene des 
Stobrec potok scheiden. Vor der Basis des Felsspornes von Sv. Petar, 
in welchen der Steilrand der Kovatevicterrasse ausläuft, streichen 
drei einander parallele Felszüge vorbei, die dem Nordflügel jener 
Schichtaufwölbung angehören, die durch den flachen Rücken von 
Mravince gebildet wird. Dieser Rücken besteht aus Schichten der 
unteren Zone des Spalatiner Flyschkomplexes und der äußere der 
drei genannten Felszüge entspricht ihrer oberen Begrenzung, bezie- 
hungsweise dem Liegendzuge der Mittelzone des Komplexes. Er 
besteht aus feinkörnigen, lichtgrauen Kaiken und Nummulitenbreccien- 
kalken. Der nächste Felszug repräsentiert die Kalkeinlagerung, welche 
für die mittlere Zone des Spalatiner Flysches bezeichnend ist. Diese 
Kalkeinlagerung besteht hier aber nicht, wie weiter westwärts, aus 
einer Kette von Klippen von weißem Nummulitenkalk, sondern aus 
einem mächtigen Riffe jener lichten festen Breccien, welche ich als 
Jadrobreccien bezeichnet habe (Verhandl. d.k.k. geol.R.-A. 1903, Nr. 5). 

Das dritte, dem Fuße des Spornes von Sv. Petar zunächst 
gelegene Felsband entspricht dem Hangendzuge der mittleren Flysch- 


248 Dr. Fritz v. Kerner. [34] 


zone. Derselbe besteht aus einem blaugrauen körnigen Kalke, der 
gegen unten hin in eine lockere, an großen glatten Münzensteinen 
reiche Breccie übergeht. 

Diese drei Kalkbänder ziehen aus dem Jadrotale zum flachen 
Rücken unterhalb des wiederholt genannten Felsspornes hinan, um 
sich dann wieder gegen den Stobrecfluß hinabzusenken. Der Liegend- 
zug und der aus festen Breccien bestehende mittlere Felsriff verlieren 
sich jedoch schon bald in den oberflächlichen Verwitterungsschichten. 
Der nummulitenreiche Hangendzug läßt sich bis Sv. Luka gegen SO 
verfolgen. Alle drei Kalkzüge fallen mäßig steil gegen NO ein. 

Westlich von Sv. Luka trifft man inmitten des mit Weingärten 
überzogenen Geländes auf ein Felsterrain aus sehr zernagtem weißen 
Kalk. In den Steinmauern am Südrande desselben sind große Trümmer 
von typischem oberen Rudistenkalk zu bemerken. An einigen der 
stark zerfressenen Felszacken ist aber Brecciengefüge nachzuweisen. 
Gegen NW verschmälert sich dieses Felsgewirre zu einem Felszuge, 
der fast bis zu den östlichsten Häuschen von Mravince reicht. Er 
liegt in der südöstlichen Verlängerung der Achse des Aufbruches von 
unteren Flyschschichten, welcher von Mravince zum Jadroflusse hinab- 
streicht. Anderseits wird er von der nordwestlichen Verlängerung 
der Achse des Poljieakammes genau getroffen. Es gewinnt daher den 
Anschein, daß hier ein kleiner Aufbruch der Flyschunterlage vorliegt. 

Unterhalb des östlichen Endes dieses Felsgewirres befindet sich 
ein Band von plattigem, grünlichgrauem Kalk, welches mit drei gegen 
W, NW und N gerichteten hemizentroklinalen Schlingen in die Wurzel- 
stücke eines gegen die Stobrecebene hinabziehenden Grabens ein- 
greift. Nahe ostwärts von Sv. Luka verläuft in meridionaler Richtung 
ein steiler Riff von Jadrobreccien, welcher 50—60° NW bis NNW fällt. 
In dem von mehreren Erosionsrinnen durchzogenen, rebenumsponnenen 
Gehänge, mit welchem der flache Rücken von Mravince zur Talmulde 
des Torrente Trstenik abdacht, treten an vielen Stellen kleinere und 
größere Felsmassen von Kalkkonglomerat zutage. An zwei Stellen 
sind auch Jadrobreccien zu konstatieren. Außerdem trifft man noch 
mehrere Flyschaufrisse. Das Einfallen der Schichten ist hier sehr ver- 
schieden. Auf den Terrainvorsprüngen unter Mravince sanftes W- bis 
SW-Fallen, weiter unten mehr oder minder steiles N- bis NO-Fallen; 
auf den Hügeln oberhalb des Austrittes des Torrente Trstenik in die 
Ebene des Stobree potok mittelsteiles Einfallen gegen N. 

An das im vorigen beschriebene Gelände, welches zu der W—O 
verlaufenden Talmulde des Torrente Trstenik abdacht, schließt sich 
als Mittelstück des ganzen Berggehänges unter dem Steilabfalle der 
Kovacevidterrasse ein Abhang an, dessen Basis dem Nordrande der 
Stobrecebene entspricht. Dieser Abhang wird von drei langen Erosions- 
rinnen durchfurcht, welche nahe dem Durchbruche des Stobree durch 
das Nordwestende des Poljieakammes in die vorgenannte Ebene 
münden. Im Gegensatze zu den westlich und östlich anschließenden 
Gehängeteilen, welche großenteils dem Anbau von Reben dienen, ist 
dieser mittlere Gehängeabschnitt mit dichten Macchien bedeckt. Man 
kann hier deshalb über die geologische Beschaffenheit des Unter- 
grundes fast nur an den Seitenwänden der vorerwähnten Rinnen nähere 


[35] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 249 


Aufschlüsse erhalten. Man konstatiert hier einen Wechsel von dickeren 
Sandsteinbänken mit Zonen, in welchen Sandsteine und Mergel in 
dünnen Lagen alternieren. Die Lagerungsverhältnisse sind sehr 
variierend. In der unteren Hauptrinne, welche aus der Vereinigung 
der westlichen und mittleren Rinne hervorgeht, beobachtet man zu- 
meist 80° steiles OSO- bis O-Fallen, im unteren Teile des westlichen 
Torrente steiles Einfallen gegen NNO, im obern Teile desselben 60— 70° 
gegen NW bis N. Im mittleren Torrente hat man zu unterst OSO- 
Fallen, weiter aufwärts 30—60° steiles Fallen gegen W bis N vor sich. 
In der östlichen Erosionsrinne, in welcher vorwiegend Flyschmergel 
aufgeschlossen sind, trifft man zumeist seiger stehende, NNW—SSO 
streichende Schichten an. Stellenweise sind, besonders im westlichen 
Torrente, lokale Biegungen und Knickungen der Flyschschichten vor- 
handen. Man kann hier instruktive Miniaturformen von isoklinalen und 
ortho- oder plagiodiaklinalen Talstrecken sehen. Außer Flyschschutt 
sind auch viele Blöcke und kleine Trümmer von Kreidekalk in den 
Rinnsalen zerstreut. 

Am Abhang zwischen den Anfängen des westlichen und mittleren 
Torrente kann man in den zumeist aus Wacholder, Haidekraut, Myrten, 
Pistazien, Zistrosen und Phyllireen zusammengesetzten Macchien- 
gestrüppen stellenweise die Schichtköpfe von gegen NW einfallenden 
Flyschbänken sehen. Am Abhang zwischen dem mittleren und östlichen 
Torrente kamen mir gegen NO geneigte Schichtköpfe zu Gesicht. 

Die oberste Zone dieses einförmigen Gehänges zwischen Ku£ine 
und Zernovnica ist mit mächtigen Schuttmassen bedeckt, die von den 
darüber aufragenden hohen Felswänden stammen. 

Der Ostabschnitt des Berggehänges unter dem Steilrande der 
Kovateviöterrasse dacht gegen die von OÖ nach W verlaufende Teiil- 
strecke des Stobrec potok ab. Dieser Abschnitt ist in orographischer 
Beziehung reich gegliedert, indem er eine Reihe von Terrainvor- 
sprüngen aufweist, zwischen denen viele kleine Gräben und Schluchten 
eingeschnitten sind. 

In geologischer Beziehung zerfällt der Nordabhang des Stobrec- 
tales in zwei Teile, in einen westlichen, der, gleich dem eben be- 
schriebenen Gebirgsabschnitte, aus Flyschgesteinen aufgebaut ist, und 
in einen östlichen, in welchem die das Liegende des Flysches bildenden 
Schichten in der für die Südseite des Mosor charakteristischen Ent- 
wicklungsart zutage treten. 

Zu Füßen der an früherer Stelle erwähnten Südecke der Kova- 
Gevicterrasse springt ein kleiner Rücken vor, welcher die schon in die 
Stobrecebene ausmündenden Torrenti von jenen trennt, die noch der 
oberen Teilstrecke des Stobrec potok zueilen. Auf der Kuppe dieses 
Rückens (394 m) trifft man eine Felsfläche von Flyschsandstein, die 
45° gegen N einfällt. Die Felsmasse, welche dahinter aufragt, besteht 
aus einem körnigen Nummulitenkalk ; daneben trifft man etwas Kon- 
glomerat und schiefrigen Knollenmergel an. Im westlichen Teile des 
Rückens ist eine Antiklinalstellung der Flyschsandsteine sichtbar. An 
den Südabhängen 70° WSW-Fallen, weiter unten, gegen das auf der 
Westseite des Rückens eingeschnittene Tälchen zu, auch westliches 
Einfallen, höher oben 40° NNO- und 60° ONO-Fallen. Dann folgt eine 


Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner) 33 


350 Dr. Fritz v. Kerner. [36] 


zweite kleine Antiklinale, deren Kern durch eine Konglomeratmasse 
gebildet wird, die anfänglich 40° SSW fällt und dann sich abflacht. 
Südwärts davon fallen die Flyschbänke steil gegen SSW. Weiter gegen 
die hinter dem Rücken aufsteigenden Felswände zu ist wieder mittel- 
steiles Einfallen gegen NO und NNO zu sehen. 

Auf der Südostseite des Rückens konstatiert man an der Stelle, 
wo der hier östlich von der Kapelle St. Sebastian (322 m) am Gehänge 
hinanziehende Weg gegen N umbiegt, einen Synklinalkern aus Flysch- 
sandstein. Seine Bänke fallen zirka 300 gegen NNO und SSW ein. 
Weiter nordwärts stehen die Sandsteinbänke, denen dort auch Mergel 
eingeschaltet sind, fast seiger. Uber den Ostabhang des Rückens ziehen 
zwei steile Riffe von Konglomeraten gegen einen Graben hinab, jenseits 
dessen sich ein zweiter Rücken erhebt, der südwärts von den Hütten 
von Milicevit von der Basis des Steilabfalles der Kovaöevicterrasse 
ausgeht. Dieser Rücken besteht gleichfalls größtenteils aus Flyschsand- 
stein; aufseiner Kuppe (382 m) trifft man auch zerklüftete Brececien an. 

Unter dem Südwestfuße des früher genannten Rückens springt 
ein zweiter Rücken vor, der die Formverhältnisse des ersteren in 
auffälliger Weise wiederholt. Seine Südabdachung bildet die rechte 
Seite jener Strecke des Stobrectales, welche zwischen der Mündung 
des Zernovnicatales und dem Durchbruche des Stobrec durch das 
Nordwestende des Poljieakammes liegt. 

Am Abhang nordwärts von dieser Durchbruchsstelle trifft man 
zunächst einen Wechsel von Flyschmergel und Flyschsandstein, weiter 
aufwärts nur letzteren; er fällt hier, gut gebankt, 30—40° gegen 
NNO ein. Hinter der Kuppe des Rückens, bei der Kapelle St. Antonio 
stehen seine Bänke seiger. Auch weiter taleinwärts ist die Einschal- 
tung von Mergeln auf die unteren Abhänge beschränkt. Ostwärts von 
diesem unteren Rücken breitet sich zu Füßen des oberen Terrain- 
vorsprunges mit der St. Sebastiankapelle ein sanfter Abhang aus, 
welcher von mehreren Erosionsrinnen durchfurcht ist, die gegenüber 
dem Eingange in das Zernovnicatal in den Stobree potok münden. 
Dieser Abhang ist zum größten Teile mit Weingärten bedeckt, so daß 
man, abgesehen von den eben genannten Rinnen, nur an wenigen 
Stellen anstehendes Gestein erblickt. Am Wege, welcher von den 
Hütten von Kosaöi6 hinansteigt, ist eine Synklinale zu bemerken, 
welche durch 20° gegen N und ebenso sanft gegen S geneigte Sand- 
steinbänke gebildet wird. Weiter aufwärts fallen die Kalksandsteine 
mittelsteil gegen NO ein. Im unteren Teile dieses Abhanges tritt zum 
erstenmal die Unterlage der Flyschformation zutage. Man trifft hier 
bei der vorgenannten Hüttengruppe inmitten des rebenbedeckten 
Geländes eine große steinige Fläche an, die aus lichtgelbem, merge- 
ligem Plattenkalk besteht. Derselbe fällt unterhalb der Hütten 20 — 250 
gegen ONO und oberhalb derselben 15° gegen NNW ein. 

Auf der Strecke von dem vorerwähnten Rücken bei Militevie 
bis zu der Schlucht von Studenica springen unterhalb des Steil- 
abfalles der Kovalevidterrasse drei Abhangrücken vor. Diese Rücken 
werden durch die nordwestliche Fortsetzung jenes Faltenpaares auf- 
gebaut, welchem südostwärts von der Studenica der Höhenzug: des 
Gradac und der denselben nordostwärts begleitende Felszug ent- 


[37] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 951 


spricht. Letzterer ist ein kleiner Faltensattel, in welchem vorzugs- 
weise der dem Mosor eigentümliche eozäne Foraminiferenkalk zutage 
tritt. Ersterer repräsentiert ein Schichtgewölbe, das sich aus Breccien 
und Konglomeraten aufbaut. In der Mulde zwischen beiden Sätteln, 
die wegen ihrer nahen Nachbarschaft auch als eine Doppelfalte be- 
zeichnet werden können, lagern lichtgelbe mergelige Plattenkalke. 
Die einander abgekehrten Flanken der beiden Sättel werden gleich- 
falls von schmalen Zonen dieser Plattenkalke besäumt. In dem nord- 
westwärts von der Studenica gelegenen Gebiete beobachtet man nach- 
folgende Verhältnisse. 

Zu beiden Seiten des oberen Teiles jenes Grabens, welcher 
ostwärts von dem Rücken bei Militevic eingreift, stehen Konglo- 
merate an, welche auf der Ostseite des Grabens ein Einfallen gegen 
WNW erkennen lassen. Im unteren Teile des Grabens sind rechts 
(westlich) Flyschsandsteine, links (östlich) Plattenmergel anzutreffen. 
Oberhalb des Grabens stößt man zunächst gleichfalls auf einen Zug 
von Plattenmergeln, die mäßig steil gegen N einfallen. Weiter oben 
trifft man Flysch, dann folgt jenes Blockwerk, welches östlich von 
Milicevi6 dem Fuße der Steilabstürze vorliegt. Ostwärts von diesem 
Blockwerk befindet sich an der Basis des Steilabfalles ein Terrain- 
vorsprung, der aus Flyschmergel im Wechsel mit Flyschsandstein und 
einer stark zerklüfteten Nummulitenbreccie besteht. Unter diesem 
Vorsprunge befindet sich der westliche der drei vorhin genannten 
Abhangrücken zwischen Militevic und Studenica. Beim Abstiege über 
diesen Rücken passiert man mergelige Plattenkalke, wobei man an 
der Ostspitze des vorgenannten Konglomerataufbruches dicht vorbei- 
kommt, tiefer unten ein Scherbenfeld von Foraminiferenkalk, dann, 
schon nahe ober den Hütten von Knizic, wieder Plattenmergel. Der 
Foraminiferenkalk keilt gleich westwärts vom First des Rückens in 
den Plattenkalken aus. Gegen Ost verbreitert er sich aber rasch, so 
daß die zwischen dem westlichen und mittleren Abhangrücken gelegene 
Schlucht zum großen Teile in diesen Kalk eingeschnitten ist. Der- 
selbe läßt hier wie in der ostwärts folgenden Schlucht antiklinale 
Schichtstellung erkennen. 

Am mittleren der drei Abhangrücken hat man zu oberst steil 
gestellte Nummulitenbreccien und Konglomerate, dann folgt eine 
ziemlich flache Mulde von mergeligen Plattenkalken, die sanft gegen 
SSW und NÖ einfallen. In der Achsenregion derselben liegen flach 
synklinal gestellte Flyschsandsteine und Konglomerate mit kleinen 
bunten Kieseln, ein Konglomerattypus, wie er für die Gegend von 
Clissa besonders charakteristisch ist. Weiter abwärts folgen Nummu- 
litenkalke und Konglomerate, zunächst 20° gegen NO, dann steil gegen 
SW einfallend; an der Basis des Rückens, ostwärts von Knizi6, hat 
man wieder steil gestellte Plattenmergel. 

Ein Profil durch den östlichen der drei Abhangrücken ergibt 
von oben gegen unten zunächst Flyschschichten, zum großen Teile 
mit Schutt bedeckt, dann steil gestellten Plattenmergel uud an- 
schließend daran einen Felszug von steil gegen SSW einfallendem 
Foramiiferenkalk. Dann folgt eine Zone von muldig gelagertem 
Mergelkalk. Der Felskopf weiter unten besteht aus mittelsteil gegen 

33* 


252 Dr. Fritz v. Kerner. [38] 


NO, der Abhang zu seinen Füßen aus steil gegen SW einfallendem 
Foraminiferenkalk und Konglomerat. Am Fuße des Rückens stehen 
steil gegen NO geneigte Plattenmergel an. Auf der der Studenica 
zugekehrten Südostseite des Rückens keilt die synklinal gestellte 
Kalkmergelzone hoch über dem Fond dieser Felsschlucht aus. An 
den Wänden zur Rechten des innersten Schluchtteiles, welche durch 
die Liegendschichten dieses Kalkmergelzuges gebildet werden, ist 
der Nordostflügel und die Scheitelregion einer Mulde deutlich auf- 
geschlossen. Der Südwestflügel erscheint hier längs einer gleich neben 
der Muldenachse verlaufenden Bruchlinie in die Tiefe abgesunken. 
Unterhalbdes Zuges von steil gestellten Plattenmergeln, welcher längs 
der Basis der drei Abhangrücken im Westen der Studenica hinstreicht, 
verläuft eine Zone von Flyschmergeln, denen mehrere breite Riffe 
von Konglomeraten und Breccienkalken eingeschaltet sind. Diese 
Mergelzone bildet die rechts vom Stobrec potok gelegene Fortsetzung 
jenes Flyschbandes, das sich am Nordabhange des Brisinetales hin- 
zieht, und geht gegen NW hin in den Flyschkomplex über, welcher 
die Gehängerücken unterhalb Milicevic aufbaut. 

Das zwischen dieser Flyschzone und dem Stobrec potok gelegene 
Terrain besteht zum größten Teile aus mergeligen Plattenkalken. Die- 
selben fallen rechts von dem Torrente unter KniZie, welcher dieses 
Terrain in meridionaler Richtung durchschneidet, mittelsteil gegen 
NO ein. Bei dem kleinen Kirchlein weiter westwärts, woselbst die 
Mergelkalke zwar gut gebankt, aber nicht plattig abgesondert sind, 
beobachtet man 25—30° ONO-Fallen. Auf der Seite gegen den das 
Terrain westwärts abgrenzenden Torrente, jenseits dessen die Flysch- 
region beginnt, ist 20° flaches NO- bis ONO-Fallen der Plattenkalke 
deutlich zu erkennen. 


Das südlichste Endstück des Geländes, welches von den beiden 
eben genannten Torrenti im Ost und West und vom Stobrec potok im 
Süd begrenzt wird und gegen letzteren steil abfällt, besteht aus 
Jadrobreccien. Es entspricht dem Nordwestende jener Falte, welche 
südwärts vom genannten Flusse den Höhenzug der Sridivica bildet. 
(Vergl. Taf. VII [II], Profil I.) 


VI. Die Nordostabhänge des mittleren Mosor. 


Die Nordostseite des mittleren Mosor wird durch eine tiefe 
Querfurche in einen nordwestlichen und südöstlichen Teil geschieden. 
Der erstere stimmt in seinem Habitus ganz mit der Nordseite des 
westlichen Gebirgsteiles überein. Auch hier ein wiederholter Wechsel 
von Abhängen und Terrassen, denen zugleich ein mehrmaliger Wechsel 
von nördlichem Schichtfallen und flacher Schichtlage entspricht, jedoch 
so, daß ersteres hinsichtlich der Steilheit hinter der Gehängeneigung 
zurückbleibt, so daß jener Gehängetypus zu allgemeiner Entwicklung 
kommt, der in betreff seiner morphologischen und hydrologischen 
Eigentümlichkeiten schon früher erörtert wurde. Auch hier die kleinen 
Kornfeldchen und über die Abhänge verstreuten strohgedeckten Stein- 
hütten, welche dazu beitragen, dieser Gebirgsgegend ein charak- 


[39] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 253 


teristisches Aussehen zu verleihen. Ein Unterschied gegenüber dem 
Westmosor besteht nur darin, daß die Wechsel in der Schichtlage 
noch etwas häufiger und stärker ausgeprägt sind und dementsprechend 
auch die Oroplastik reicher ist. Letzterer Umstand komnit besonders 
darin zum Ausdrucke, daß sich der Rand des obersten Gebirgsvor- 
baues mächtig aufwölbt, so daß der höchste Punkt desselben, der 
Berg Jabukovac (1250 m), dem Hauptkamme an Höhe nicht viel nach- 
steht. Südostwärts von der vorerwähnten Querfurche erleidet die 
zwischen dem Hauptkamme und seinem nördlichen Vorbaue gelegene 
Muldenzone eine tiefe Senkung, so daß sich dieser letztere zu einer 
selbständigen Vorkette gestaltet. Gegen Nord fällt dieselbe ziemlich 
steil und ohne Stufenbildung ab. 

Die zunächst südöstlich vom Dugo polje gelegene Randzone des 
Mosor wird durch ein coupiertes Hügelland gebildet. Die Einsen- 
kungen sind hier alle mit Korn bepflanzt, die Abhänge und die 
Kuppen mit ziemlich reicher pontischer Waldvegetation bedeckt. Der 
Umstand, daß die tektonische Fläche hier nur in abgeschwächtem 
Grade den Änderungen der Terrainoberfläche folgt, kommt hier be- 
sonders darin zum Ausdrucke, daß die Hügel keinen periklinalen, 
sondern einen isoklinalen Bau besitzen und ihre dem Mosor zuge- 
kehrten Seiten eine Quergliederung erkennen lassen. Doch handelt 
es sich nicht um reine Isoklinalen; man bemerkt, daß sich die 
Schichten auch im Streichen zu beiden Seiten der einzelnen Hügel 
schwach hinabbiegen, so daß dieselben nicht alleinige Produkte un- 
gleichmäßiger Denudation darstellen und gewissermaßen starke Über- 
höhungen sehr schwacher Schichtaufwölbungen sind. Vorherrschend 
ist hier ein feinkörniger bis dichter weißer Kalk mit Rudisten- und 
Gastropodendurchschnitten. 

In den Mulden der unteren und oberen Perisic-Alm trifft man 
stellenweise ganz schwebende Lagerung an; an den Abhängen er- 
reicht die Schichtneigung 20° Alle steileren Gehänge zeigen den im 
folgenden der Kürze halber als Nordmosortypus bezeichneten Gehänge- 
typus. Die obere Perisic staje befindet sich mit der etwas höher 
gelegenen Jurenid staje auf einer fast 1 km breiten, sehr welligen 
mittleren Gebirgsstufe. Hinter den hübsch gelegenen, von Eichen- 
bäumen überschatteten Hütten der Jurenic-Alm steigt ein Abhang auf, 
an dem die Schichten 25—30° gegen NNO geneigt sind. Würde man 
den Ausdruck isoklin, welcher schon zur Bezeichnung einer Form des 
gegenseitigen Lagerungsverhältnisses von Schichten vergeben ist, für 
eine Form des Verhaltens der Gehänge- zur Schichtneigung — für 
die Übereinstimmung beider — anwenden dürfen und den Ausdruck 
plioklin für ein Gehänge von Nordmosortypus gebrauchen, so könnte 
man den Abhang ober Jurenic staje als Ubergangsform zwischen 
einem isoklinen und plioklinen Abhange bezeichnen. Es folgen sich 
hier nämlich die Schichtkopfstufen in ziemlich großen Abständen, so 
daß verhältnismäßig breite Gehängezonen durch Schichtflächen ge- 
bildet sind. Zudem sind die Stufen zum Teil nur durch einen 
einzigen Schichtkopf gebildet und sehr niedrig. Es kommt so hier 
die Erscheinung der Rinnstreifen bei verhältnismäßig sanfter Ab- 
dachung des Terrains zustande. 


254 Dr. Fritz v. Kerner. [40] 


An diesem Abhange befindet sich die bemerkenswerteste der 
früher erwähnten Andeutungen von Quellbildung im Rudistenkalke. 
Oberhalb einer größeren Felsfläche aus weißem Kalk trifft man einen 
Tümpel von etwa 7 m Länge und 6 m Breite, über dessen Rückwand 
in der nassen Jahreszeit an drei Stellen Wasser rieselt. In diesem 
Tümpel entfaltet sich in einem Dickicht von Wasserpflanzen ein 
reiches Tierleben. Rechts (westlich) von diesem Tümpel sieht man auch 
mehrere nasse Streifen auf ausgehöhlten Felsen. Zur Linken befindet 
sich oberhalb des Tümpels eine kleine Höhle und unter ihr eine 
Reihe von großen breiten Rinnstreifen auf einer stark abschüssigen 
Felswand. Unter dieser Wand liegt eine Felsbarre und unter dieser 
in gleicher Höhe mit dem Tümpel ein Wiesenfieck, der hinten und 
seitlich von stark bemoosten Felsen umrahmt ist. Auch etwas unter- 
halb dieses Fleckes trifft man noch feuchte moosige Stellen an. Vom 
Tümpel rieselt das Wasser durch eine Felsrinne ab, um etwas weiter 
unten im Felsgeklüfte zu versiegen. Die aus weißem, etwas körnigem 
Kalk bestehenden Bänke dieser Region fallen 20° gegen NNO. Das 
Wasserbecken müßte deshalb, sofern es nicht alleiniges Produkt der 
Erosion ist, mit einer lokalen Schichtabflachung in Beziehung gebracht 
werden. 

Der östlich von Perisie staje und Jurenid staje befindliche Teil 
des unteren Mosorgehänges führt den Flurnamen Konoplista. Es ist ein 
sehr coupiertes Terrain, ein wirres Durcheinander von Hügeln und 
Dolinen, Bergvorsprüngen und Gehängenischen. Die Auffassung, daß 
das Oberflächenrelief die Unebenheiten der tektonischen Fläche in 
mehrfacher Uberhöhung wiederhole, dürfte wohl auch hier mit Aus- 
nahmen im allgemeinen zulässig sein. Im Bereiche der ersten Gehänge- 
stufe, welche mit der oberen Perisie staje beiläufig in derselben Höhe 
liegt, trifft man horizontale und selbst sanft gegen SW und S ein- 
fallende Schichten. Auch hier sind neben Radiolitenresten Längs- und 
Querschnitte von Gastropoden, wahrscheinlich Nerineen ziemlich häufig. 

Weiter aufwärts passiert man sanft gegen NNO einfallende, dann 
flach liegende, dann wieder gegen NNO geneigte Schichten. Dann folgt 
die Terrasse von Doman staje, wo man in weitem Umkreise horizontale 
Schichtlage konstatiert. Ober Doman staje kommt man zu einer sehr 
moosigen überhängenden Wand, unter welcher sich einige kleine, von 
einer reichen Vegetation von Quellenpflanzen umgebene Wasserbecken 
befinden, deren eines von einem Mäuerchen umgeben ist. In der 
nächsten Umgebung dieser Stelle sieht man auf geglätteten rost- 
farbigen Felsflächen viele nasse Streifen. Die Speisung dieser klaren 
Becken erfolgt zum Teil durch Wasser, das von der überhängenden 
Wand abtropft, zum Teil durch solches, das durch eine Fuge von 
innen her zurieselt. Die Schichten fallen am Abhang ober Doman 
staje sanft gegen NNO und scheinen zugleich eine schwache Ein- 
senkung im Streichen zu erfahren, deren Scheitel in die Gegend der 
Wasserbecken zu liegen kommt. 

Der Abhang, an welchem ober Doman staje und Jurenid staje 
Tropf- und Sickerwässer zutage treten, bildet den Abfall einer 
Terrainstufe, über welcher ein Doppelrücken aufsteigt, der durch eine 
interessante Einsenkung, das Lubljanski doci, vom Hauptkamme des 


[41] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 255 


Mosor getrennt ist. Im westlichen Teile dieses von vielen Gruben 
durchspickten Rückens erhebt sich der Felskopf Dusna zu 1080 m. 
Beim Aufstiege von Doman staje zum Lubljanski doci passiert man 
zwei sehr flache Schichtaufwölbungen, von denen die untere der 
vorerwähnten Terrasse, die obere dem äußeren Wall des Doppel- 
rückens entspricht. Im Bereiche des östlichen Endes dieses Rückens, 
welches man auf der eben genannten Route traversiert, trifft man 
eine Breccie aus weißen Kalkfragmenten mit grünlichgrauer Kittmasse, 
welch’ letztere stellenweise zu größerer Entwicklung kommt und dann 
kleine Nester im Kalkstein bildet. Desgleichen konstatiert man auf 
der Ostseite der Felskuppe DuSna im Westabschnitt des Doppelrückens 
Breccien mit zum Teil grünlichem Zwischenmittel. 

Das Lubljanski doci ist eine zirka 1 km lange und einige Dutzend 
Meter breite ringsum abgeschlossene Einsenkung in der Hochregion 
des mittleren Mosor. Auf ihrer Nordostseite wird sie von dem vor- 
erwähnten Doppelrücken, auf ihrer Südwestseite vom Abfalle der 
obersten Vorstufe des Mosorhauptkammes begleitet; gegen SO erscheint 
sie durch die westlichen Vorhöhen des Berges Jabukovac begrenzt, 
gegen NW durch einen Querriegel abgeschlossen, welcher den Fels- 
kopf Dusna mit dem mächtigen Kegel des Lubljan verbindet. Der 
Boden dieser Einsenkung steigt gegen NW an und wird durch eine 
Anzahl niedriger Querriegel in eine Reihe flacher rundlicher Partial- 
mulden geschieden. Diesen Mulden, etwa ein Dutzend an der Zahl, 
entsprechen ebensoviele Wiesenflecke, durch deren Anblick man in 
dieser trostlosen Umgebung sehr angenehm berührt wird. Die oberste 
und größte dieser Mulden ist ein sehr hübsches, ganz ebenes Rondeau. 
Die Südwestseite des Lubljanski doci ist ein von seichten Gräben 
durchfurchtes monotones Felsgehänge. Es scheint dasselbe aus mäßig 
steil gegen NO fallenden Schichten zu bestehen und die sehr steilen 
Felsflächen dürften hier auf eine diagonale Klüftung zu beziehen sein. 
Die Nordostseite des Doei ist ein steiler Felshang. Obschon an dem- 
selben keine deutliche Stufung sichtbar ist, besteht derselbe doch 
wahrscheinlich aus einer Aufeinanderfolge von Schichtköpfen ziemlich 
flach gelagerter Kalkbänke. 

Längs der Basis dieses steilen Felshanges tritt Dolomit zutage. 
Derselbe fällt anscheinend ziemlich sanft nach SSW, gegen die benach- 
barte Muldenzone hin. Die Grenze zwischen diesem Dolomit und dem 
darüberliegenden Kalke ist nicht scharf; man sieht beide Gesteine 
ineinander übergehen und dolomitische Linsen innerhalb des Kalkes 
liegen. Es scheint damit zusammenzuhängen, daß man hier keine Spuren 
des Hervortretens von Sickerwässern findet. Da der kretazische Dolomit 
Dalmatiens infolge seiner geringen Zerklüftung das Wasser weniger 
leicht in die Tiefe läßt als der Rudistenkalk und auf der Südseite 
des Mosor sogar zum Auftreten eines Quellenhorizonts Anlaß gibt, 
würde man an einer flachliegenden Schichtgrenze von Kalk und 
Dolomit zum mindesten jene Rinnstreifen vermuten, welche in der 
nördlichen Nachbarregion sogar innerhalb des Rudistenkalkes auftreten. 
Nur dann, wenn sich der Dolomit gleich hinter jener Linie, längs 
welcher er anscheinend unter dem Kalk verschwindet, gegen NO hinab- 
biegen würde, wäre es verständlich, daß längs jener Linie keine Sicker- 


256 Dr. Fritz v. Kerner. [42] 


wässer zutage treten. Es müßte dann aber auch die Kalkmasse, welche 
den inneren Wall des Doppelrückens auf der Nordseite des Lubljanski 
doci aufbaut, gegen NO einfallen. Soweit sich aber dort die Lagerung 
erkennen läßt, scheint sie eher eine flachwellige zu sein. Es erscheint 
darum zweifelhaft, ob die am Nordrande des Lubljanski doci entblößten 
Dolomitflächen bereits die Basis des Rudistenkalkes repräsentieren, 
ob es sich bei diesem Dolomit nicht vielmehr um eine Einlagerung 
in der oberkretazischen Kalkmasse handelt. Allerdings sind dolomi- 
tische Einschaltungen an der Nordseite des Mosor wohl sehr selten 
und auch in den Kalken, welche den Dolomitaufbruch auf der Süd- 
seite des Berges flankieren, nicht zu bemerken. 

Falls dieser Dolomit schon an die Basis der Kalkformation zu 
stellen ist, so kann man sich sein Auftreten durch Annahme eines 
geschleppten Bruches mit Absinken des südwestlichen Flügels ver- 
ständlich machen. Man hätte dann auch auf der Nordseite ein par- 
tielles Einsinken der Gipfelregion des Mosor vor sich, wie es strecken- 
weise auf der Südseite vorhanden zu sein scheint. Wegen der Struktur 
der Nordgehänge des Mosor würde man dann aber auch erwarten, daß 
der Dolomit in den unteren Zonen dieser Abhänge zutage trete und 
man müßte zur Erklärung seines Nichterscheinens Brüche supponieren, 
für deren Existenz sich an jenen Abhängen allerdings kein halbwegs 
deutlicher Beweis erbringen ließe. 

Faßt man den Dolomit des Lubljanski doci nur als eine linsen- 
förmige Einlagerung im Rudistenkalke auf, so fällt der Zwang zur 
Annahme solcher Brüche weg, ja es wäre dann nicht gänzlich aus- 
geschlossen, das Lubljanski doci als flachmuldige Flexur zu deuten. 
Eine sichere Erkenntnis läßt sich nicht erzielen, solange genaue 
Niveaubestimmungen innerhalb des Rudistenkalkkomplexes auf Grund 
von Fossilresten nicht möglich sind und so die Altersbeziehung der 
Kalkbänke aın Boden des Lubljanski doci und jener auf der Höhe 
seines nordöstlichen Begrenzungswalles ungewiß bleibt. Im westlichsten 
Teile der Einsenkung konstatiert man hemizentroklinale Lagerung von 
Süd (Südseite der DuSna) über SO nach NO (Nordfuß des Lubljan) 
und man gewinnt daselbst den Eindruck, daß der westliche Abschluß 
einer flachen Schichtmulde vorliegt. Es schließt dies aber nicht aus, 
daß der mittlere Teil der Mulde von einer Längsverwerfung durch- 
setzt ist. 

Am südöstlichen Ende des Lubljanski doci trifft man Dolomit- 
felsen, die sich durch weniger scharfkantige Formen und dunklere 
Farbe von den umgebenden Kalken unterscheiden und an die später 
zu erwähnenden, seltsam gestalteten Felsen im Dolomitaufbruche auf 
der südlichen Gebirgsflanke erinnern. Ferner sind hier Kalkkonglo- 
merate mit höckerigen Schichtflächen zu beobachten. Das Einfallen 
scheint hier auf der südlichen Muldenseite 30—40° steil gegen Nord 
zu sein. 

Die Westabdachung des Felskopfes Dusna ist ein sehr wüstes 
Felsterrain; auf der Westseite des Grates, der sich zwischen die 
Dusna und den Rücken des Trnavac vorschiebt, beobachtet man ver- 
schiedene Fallrichtungen, N, NW, vielleicht auch WSW; es dürfte 
sich hier um das Westende jener vermutlich aus mehreren sekun- 


[43] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 257 


dären Wellen bestehenden Schichtaufwölbung handeln, die das Lubl- 
janski doci gegen NO begrenzt. 

Der Gehängeabschnitt, welcher die vorhin erwähnte Querfurche, 
die den Nordabhang des Mittelmosor in zwei Teile scheidet, gegen 
West begrenzt, springt stärker vor als der weiter westlich folgende 
Abhang, auf welchem die Almen von JureniC und Doman liegen. Er 
gliedert sich in eine Anzahl Stufen, über welchen sich der Berg 
Jabukovac erhebt, der höchste außerhalb des Hauptkammes gelegene 
Punkt des Mosor, abgesehen vom Lubljan, welcher zwar auch nicht 
in der Gratlinie, wohl aber im Bereich des Hauptkammes gelegen ist. 

Die Basis der Nordabhänge des Jabukovac führt den Flurnamen 
Suplja stiena, auch Supla stina. Es ist dies eine Karstwildnis mit 
mächtigen Felsbastionen und dazwischen eingesenkten Tricht:rn und 
Dolinen. Nahe dem Nordrande dieser Gegend befindet sich der Ein- 
gang zu einer wunderschönen Grotte. Man gelangt hier durch einen 
weiten Felskanal und über eine große Trümmerhalde auf den Boden 
eines mächtigen kuppelförmigen Hohlraumes hinab und von da durch 
einen unscheinbaren Spalt in der Südostwand dieses Raumes in einen 
niedrigen gewölbten Korridor und weiter durch eine mit schönen 
Sinterbildungen gezierte Felskammer zum schmalen Eingange in einen 
umfangreichen Grottenraum, der durch unvollständige Scheidewände 
in mehrere miteinander in Verbindung stehende Abteilungen zer- 
fällt. Die schönen Tropfsteinbildungen, die in den unterirdischen 
Hohlräumen des Karstes unsere Bewunderung erregen, entfalten sich 
hier in ihrer ganzen Pracht und Formenfülle.. Die Wände sind mit 
glitzernden, vielgliedrigen Steinkaskaden übergossen; von dem sehr 
unebenen Boden ragen mannigfach geformte Stalagmiten auf, teils 
schlanken Türmchen, teils knorrigen Baumstrünken vergleichbar. Von 
der Decke hängen Stalaktiten, die zum großen Teile zu Draperien 
konfluieren, in reicher Zahl herab und dort, wo die einander zu- 
wachsenden Tropfsteingebilde längst vereinigt sind, entzücken uns 
gewaltige, reich skulpturierte Säulenschäfte. 

Hinsichtlich der morphologischen Beschaffenheit der untersten 
Mosorgehänge in der Gegend Supla stina gilt dasselbe, was betreffs 
der Nachbargegend Konoplista schon gesagt wurde. Der Kalk ist hier 
zum Teil grobkörnig, rein weiß und reich an Radiolitenresten. Außer- 
dem trifft man hier auch viele, meist nesterweise vorkommende 
Durchschnitte von Nerineen (?), so zum Beispiel am Wege, der von 
Tuki& nach Jurenic staje führt, so daß das Vorhandensein eines 
gastropodenreichen Horizonts am untersten Nordabhang des Mittel- 
mosor festgestellt erscheint. In geringerer Menge werden diese 
Schneckendurchschnitte — zum Teil in Gemeinschaft mit an Rad. 
lumbricalis erinnernden Fossilspuren — auch in den höheren Gehänge- 
teilen angetroffen. 

Die Schichten fallen hier steiler als in Konoplista ein. Man 
konstatiert südwestlich ober Tukic 40 — 50° NNO-Fallen. Im Zusammen- 
hange damit erleidet hier auch die für die Nordseite des Mosor im 
großen und ganzen gültige Regel, daß jede Gehängestufe durch eine 
Schichtenflexur bedingt sei, bemerkenswerte Ausnahmen. Die Terrasse, 
über welche der Weg von Tukic nach Doman staje führt, besteht 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 34 


258 Dr. Fritz v. Kerner. [44] 


nicht aus flachliegenden, sondern aus ziemlich steil gegen NO ein- 
fallenden Schichten. Die in Form von Wällen oder Hügelketten auf- 
gewölbten Terrassenränder sind hier mehr oder minder steile Iso- 
klinalen und die Neigung ihrer Abhänge stimmt streckenweise mit 
dem Einfallswinkel der Schichten überein. Höher oben trifft man 
dann wieder Stellen, wo man sich schwer ein Urteil darüber bilden 
kann, ob steiles Schichtfallen vorliegt oder — wie dies auf der Nord- 
seite des Plisevac der Fall zu sein scheint — eine schwach geneigte 
Schichtmasse vorhanden ist, die durch parallele Klüfte in dicke, 
Gesteinsbänken .ähnliche Platten zerschnitten ist. Dann passiert man 
eine ausgedehnte 25° geneigte Felsfläche, die zugleich einer Schicht- 
fläche entsprechen dürfte. 

In zirka 800 m Höhe gelangt man auf eine breite, sanft an- 
steigende Gehängestufe, über welcher sich der Berg Jabukovac steil 
erhebt. Hier liegen die Schichten zum Teil horizontal, stellenweise 
sind sie sogar sehr schwach gegen SW geneigt. Man bemerkt hier 
außer mehreren Dolinen zwei tiefe Felstrichter mit zum Teil glatten 
Wänden. Noch kurz bevor man die Terrasse erreicht, kommt man 
bei einer mit klarem Wasser erfüllten Felsaushöhlung, einer natür- 
lichen Zisterne, vorbei. 

Hinter dieser Vorstufe baut sich das Gehänge steil empor. Es 
ist hier einer der wenigen Anstiege im Bereich des Mosor, der auch 
alpin-touristisch einigen Reiz besitzt. Seiner Struktur nach scheint 
dieses Gehänge plioklin zu sein. Die steilen Wändchen, über die man 
hier emporklimmt, sind als Kluftflächen anzusehen. Weiter oben kommt 
dann der Nordmosortypus des Gehänges zu deutlicher Entfaltung. 

Am nördlichen Vorkopfe (1165 m) des Jabukovac eröffnet sich 
dann der Blick auf eine interessante Karstlandschaft. Man sieht ein 
unregelmäßiges Netz von schmalen Felsrücken vor sich, in dessen 
Maschen tiefe Trichter eingesenkt sind. Die Wände dieser Trichter, 
beziehungsweise die Abhänge der Rücken sind sehr steil, zum Teil 
durch glatte Felsflächen gebildet, die mit schmutzigen Schlammstreifen 
— den Residuen zeitweiser Überrieselung — beschmiert sind, stellen- 
weise auch von mehr oder minder tiefen, durch Regenwasser aus- 
gewaschenen Rinnen durchfurcht erscheinen. 

Die Felssepten zwischen den Dolinen sind oben nicht zu scharfen 
Graten zugeschnitten, sondern zumeist abgeflacht, stellenweise fast 
geglättet, so daß man ohne Schwierigkeit auf ihnen hinschreiten kann. 
Diese Eigenschaft kommt sowohl den im Schichtstreichen als auch 
den schief oder quer zum Streichen verlaufenden Scheiderücken zu, 
so daß man annehmen muß, daß flachwellige Lagerung vorhanden ist. 
Am Grunde der etwa 10—20 m tiefen Trichter befindet sich teils 
von Stauden überwuchertes Trümmerwerk, teils mit Rasen bedeckte 
Terra rossa. Aus den Klüften in den Seitenwänden der Felstrichter 
sprießt an vielen Stellen Gesträuch hervor; außerdem erblickt man 
da und dort vereinzelte Eibenbäumchen, die im Spätherbst und Vor- 
frühling, wenn die übrigen Gesträucher ein blattloses Gestrüpp bilden, 
durch ihre glänzend dunkelgrüne Farbe auffallen. Einst vermutlich auch 
im mittleren Dalmatien verbreitet, hat sich die Eibe nun in die ver- 
stecktesten Felswinkel der schwer zugänglichen Hochregion des Mosor 


[45] i Geologische Beschreibang der Mosor planina. 259 


zurückgezogen. Man fühlt sich bei dem Anblicke dieser in starrer Fels- 
wildnis ihr Dasein fristenden Eibenbäumchen wehmütig gestimmt, da 
man es deutlich fühlt, daß man hier ein dem Untergange geweihtes, 
schon dem Verschwinden nahes Element der Waldflora vor sich hat. 

Landläufigen Anschauungen würde es entsprechen, auch für den 
Mosor nicht nur ein früheres häufigeres Vorkommen der Eibe, sondern 
überhaupt eine frühere reiche Bewaldung anzunehmen. Es würde dies 
alsdann die Zulässigkeit einer anscheinend nahe liegenden Erklärung 
des Namens mons aureus in Frage stellen. Diese Erklärung — es ist 
diejenige, für welche sich schon Partsch entschied — geht dahin, 
daß der Name Goldberg auf den goldigen Schimmer des Mosor im 
Schein der Abendsonne zu beziehen sei. Wäre der Mosor in der 
Römerzeit mit dichten Wäldern überdeckt gewesen, so hätte er die 
prächtige Erscheinung des Frglühens in den Strahlen der unter- 
gehenden Sonne wohl nicht so auffällig darbieten können, daß ihm 
diese Eigenschaft seinen Namen gab. 

Das im vorigen beschriebene Karstrelief mit schmalen Fels- 
rücken und tiefen Trichtern ist der Hochregion am Nordabhange des 
Mittelmosor eigen und tritt in Gegensatz zu der durch breite flache 
Rücken und seichte Mulden charakterisierten Plastik, welche an den 
oberen Nordabhängen des Westmosor und im Lubljanski doci ange- 
troffen wird. Das vorherrschende Gestein ist auf der Nordseite des 
Jabukovac bis zur Gipfelregion hinauf ein körniger, weißer, rudisten- 
reicher Kaik. Sporadisch trifft man Trümmerkalke und Breccien mit 
grünlicher Kittmasse. Nur an einer Stelle fand ich kleine Putzen von 
Hornstein, wie er auch am östlich benachbarten Lukovo brdo vor- 
kommt. 

Der Gipfel des Jabukovaec ist ein SW—NO streichender, leicht 
zu begehender Grat mit abgerundeter Rückenfläche. Stellenweise hat 
man sehr den Eindruck, daß hier horizontale Felsbänke übereinander 
lagern. Im obersten Trichter auf der Nordseite des Gipfels sind die 
an seinen Seiten ausgewaschenen Rinnen so tief, daß durch sie förm- . 
liche Steinpfeiler aus der Wand herausgeschnitten werden. Am Süd- 
abhange des Jabukovac glaubt man stellenweise 60° NO-Fallen wahr- 
zunehmen; man überzeugt sich aber bald, daB es sich hier um 
Klüftungserscheinungen in einer mäßig steil gegen SW einfallenden 
Schichtmasse handelt. Auf der Westseite des Gipfelkegels trifft man 
Dolomitlinsen im Kalke; die Lage derselben weist gleichfalls auf 
mäßige Schichtneigung gegen SW hin. 

In der Einsenkung zwischen dem Jabukovac und dem Haupt- 
kamme des Mosor nimmt dann die anscheinend steile Stellung der 
Schichten eine regionale Verbreitung an und da möchte man doch in 
Zweifel kommen, ob es sich nicht tatsächlich um steile Aufrichtung 
der Schichten handelt. Dann sieht man aber wieder stellenweise Fels- 
massen, die sich nach oben mit fast horizontaler Fläche abgrenzen 
und von dieser Fläche parallelen Trennungsfugen durchsetzt sind. 
Daß diese letzteren auf Klüftung in seigeren Schichten zu beziehen 
wären, ist nicht anzunehmen. Die Oberseiten der Rücken zwischen 
den Dolinen sind stellenweise durch größere glatte Felsflächen gebildet, 
während doch bei allgemeiner steiler Schichtenstellung dort die 

84* 


260 Dr. Fritz v. Kerner. [46] 


Schichtköpfe als eine Folge von einander parallelen mauerähnlichen 
Felszügen in Erscheinung treten müßten. Bemerkenswert ist ferner, 
daß die wie steil aufgerichtete Bänke aussehenden Felsplatten von 
geringerer mittlerer Dicke sind als jene, welche man in hinsichtlich 
der Tektonik klaren Teilen der Nordseite des Mosor als Schichtbäuke 
erkennt, und daß umgekehrt dort, wo sanftes Einfallen nachzuweisen 
ist, keine dünnen Bänke vorkommen. Naheliegend ist es, daß die den 
ganzen Nordmosor beherrschende Erscheinung, die wiederholte flach- 
wellige Biegung der Schichten, bis zur Gipfelregion hinauf anhalte, 
daß der durch den Jabukovac und Lukovo brdo repräsentierte Vorbau 
des Hauptkammes eine oberste, selbst von sekundären Wellen durch- 
setzte Schichtaufwölbung darstelle und die Einsenkung zwischen diesem 
Vorbau und dem als Antiklinalfalte von Domstruktur erkannten Gipfel- 
kamme einer Schichtmulde entspreche. In den beiden Flügeln dieser 
Mulde könnten immerhin Stellen, wo die Schichten steiler fallen, ein- 
geschaltet sein; eine regionale sehr steile Aufrichtung der Schichten 
in der Einsenkung am Nordfuße des mittleren Gipfelkammes ist jedoch 
sehr unwahrscheinlich. 

Durch einen Querriegel, der vom Südfuße des Jabukovac zum 
Nordostfuße der Signalkuppe, das heißt jenes Mosorgipfels, auf welchem 
die Triangulationspyramide steht, hinüberzieht, wird diese Einsenkung 
in einen westlichen und östlichen Teil geschieden. Am Übergange 
dieses Riegels in die Nordabhänge der Signalkuppe befindet sich ein 
größeres linsenförmiges Dolomitvorkommen. Es handelt sich auch hier 
um eine Einlagerung im Kalke und nicht um einen Aufbruch. Das 
Einfallen scheint hier steil gegen NO zu sein. Das westwärts vom 
vorgenannten Querriegel gelegene Terrain hat in morphologischer 
Beziehung Ähnlichkeit mit dem vorhin beschriebenen nordwärts des 
Gipfels des Jabukovac, doch sind die Felstrichter von bedeutenderen 
Dimensionen. Es präsentiert sich als ein Netz von schmalen, schroff 
abfallenden Felsrücken, zwischen denen weite, steilwandige Schlünde 
gähnen, deren Grund mit Trümmerwerk erfüllt ist. Der Einschluß 
zwischen hohen wüsten Bergen trägt das seinige dazu bei, den wild- 
romantischen Charakter dieser Gegend zu verschärfen. Man fühlt sich 
hier so recht im Herzen einer wüsten Karstgebirgswelt. 

Besonderes Interesse bietet eine Höhle an der Nordwand eines 
der weit geöffneten Abgründe. Man tritt hier durch ein riesenhaftes 
Felstor in einen steil zur Tiefe gehenden weiten Höhlengang, dessen 
Boden eine wüste Block- und Trümmerhalde darstellt. Am unteren 
Ende dieser Halde fanden sich bei meinem zu Anfang Mai erfolgten 
Besuche mehrere große flache Kuchen von körnigem Eis. Der von 
hier nach rechts abgehenden ebenen Fortsetzung der Höhle folgend, 
stieß ich bald auf einige bizarr geformte, vom Boden aufragende Eis- 
zacken, die den Gestalten des Büßerschnees der Anden ähnlich waren. 
Hinter diesen Zacken sah ich den Höhlengang sich unter rechtem 
Winkel in zwei dunkle Nischen von unbekannter Tiefe teilen. Die 
Länge des etwa 35° geneigten Höhlenganges kann zu 30 m, jene seiner 
ebenen Fortsetzung zu 20 m, die Breite des ersteren zu 10, jene der 
letzteren zu 5 m veranschlagt werden. 

Die eben erwähnten Eisgebilde können wohl nicht in Eis um- 


[47] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 261 


sewandelte Reste von durch Stürme weit in die Höhle hinein- 
gepeitschtem Winterschnee sein. 

Es ist bemerkenswert, daß sich unmittelbar über dem Felsentore 
der Ledenicahöhle eine steile, kahle, gegen Süden exponierte Fels- 
wand befindet. Diese Wand muß sich unter dem Einflusse der Beson- 
nung stark erhitzen, dadurch die benachbarte Atmosphäre sehr er- 
wärmen und zur Entstehung eines aufsteigenden Luftstromes Anlaß 
geben. 

Zum Ersatze der aufsteigenden Luftmassen wird — da vor den 
Seitenwänden und vor der dem Höhlentore gegenüberstehenden Süd- 
wand des Ledenicaschlundes sich gleichfalls eine Tendenz zur Luft- 
auflockerung geltend machen muß — vorwiegend Luft aus dem Höhlen- 
gange nachgezogen werden. Dieser Vorgang wird dann weiter eine 
Aspiration von Luft aus den vom Höhlengange in das Innere des 
Berges eindringenden engen Spalten, die wieder durch andere mit der 
Außenwelt kommunizieren mögen, im Gefolge haben. Von der Höhlen- 
decke tropft an mehreren Stellen Wasser nieder und da wäre es wohl 
denkbar, daß die durch den soeben erörterten Luftzug beschleunigte 
Verdunstung stellenweise eine solche Temperaturerniedrigung der 
Felsoberflächen am Höhlenboden erzeuge, daß es daselbst gelegentlich 
zur Bildung dünner Eiskrusten kommen kann. 

Ist einmal die Eisbildung eingeleitet, so wird deren weiteres 
Vorschreiten unschwer vonstatten gehen. 

Es kann hier jedoch diese Entstehungsursache der Eiszacken 
in der Ledenicahöhle nur als eine Vermutung ausgesprochen werden. 
Um sie zu erweisen, wäre ein zu ne Jahreszeiten mehrmals, 
und zwar nach verschiedenen Witterungsperioden wiederholter Besuch 
der Ledenica nötig, da eventuelle, hierbei feststellbare Größen- und 
Formänderungen der Eisgebilde in ihrer Abhängigkeit von meteorischen 
Verhältnissen erkennbar wären. Man müßte, um die ausgesprochene 
Vermutung zu begründen, zunächst finden, daß mit zunehmender 
Insolation die Eisbildung wachse, doch wäre nicht zu erwarten, daß 
sie zur Zeit des höchsten Sonnenstandes ihr Maximum erreiche, weil 
dann die die Eiserhaltung begünstigende nächtliche Abkühlung der 
Höhlenluft geringer ist als im Winter und die Temperatur der Gesteins- 
oberflächen am Höhlenboden etwas höher ist als in der kalten Jahres- 
zeit. Es handelt sich ja um einen relativ kurzen weiten Höhlengang; 
in welchem die Lufttemperatur noch eine tägliche und die ober- 
flächliche Bodentemperatur wenigstens noch eine jährliche Schwankung 
erkennen lassen muß. Auch eine Beziehung der Eisbildung zur stark 
ausgeprägten jährlichen Periode der Niederschläge sollte man nach- 
weisen können. 

Der Aufnahmsgeologe ist jedoch nicht in der Lage, hydrologische 
Probleme, welche zu ihrer Lösung periodische Beobachtungen er- 
heischen, näher zu verfolgen, am wenigsten in einem Gebiete, in 
welchem — wie auf der Nordseite des Mosor — wiederholte Ex- 
kursionen an dieselbe Stelle hin ihm weder an dieser selbst noch auch 
auf den überdies nur wenig variierbaren Hin- und Rückwegen irgend- 
welche Gelegenheit zu nennenswerten ergänzenden Beobachtungen in 
geologisch-kartographischer Hinsicht versprechen. 


262 Dr. Fritz v. Kerner. [48] 


vII. Die nordöstliche Vorkette des mittleren Mosor. 


Die früher erwähnte Querfurche, welche den Nordabhang des 
Mittelmosor in zwei Teile scheidet, setzt sich aus mehreren über- 
einanderfolgenden Teilstücken zusammen. Am Fuße des Mosor dringt 
zunächst eine Nische ins Gehänge ein, an die sich in der Mittelhöhe 
des Gebirges ein Kar anschließt; letzteres setzt sich nach oben in 
eine Felsschlucht fort, in deren Verlängerung eine Muldenzone liegt, 
die bis zum Fuße des Gipfelkammes reicht. 

Ober den Hütten von Tukic, welche an der Mündung der Quer- 
furche liegen, trifft man 40—45° gegen NNO geneigte Kalkschichten, 
welche reich an jenen, wahrscheinlich auf Nerineen zu beziehenden 
Fossildurchschnitten sind, die auch in Supla stina nahe dem Fuße 
des Gebirges zahlreich angetroffen werden. In der untersten Ein- 
muldung des Gehänges passiert man ganz ebene Gesteinsflächen, gegen 
SO begrenzt sich diese Mulde durch einen Hügel, der sehr sanftes 
nördliches Einfallen, zum Teil ganz horizontale Lagerung erkennen 
läßt. An der ihm nordwärts vorgelagerten Kuppe sieht man die 
Schichten aus der schrägen Stellung in die flache Lagerung umbiegen. 
Auf der Westseite der Mulde sieht man die Kalkbänke gleichsinnig 
mit dem Abhange fallen; weiter oben, in der Umgebung einer kleinen 
Staja, scheint mehr flache Lagerung vorzuherrschen. Die Rückseite 
der Mulde scheint dem vorhin als plioklin bezeichneten Gehängetypus 
zu entsprechen. 

Durch eine zwischen zwei weit vortretenden Felsspornen befind- 
liche Enge steht die Mulde hinter Tukic mit einem großen höher 
gelegenen Kare in Verbindung. Der östliche Felssporn scheint aus 
mittelsteil gegen NNO bis O einfallenden Schichten zu bestehen. 
Betrachtet man den Sporn von Westen, so könnte man geneigt sein, 
die steilen Gesteinsfugen, die man sieht, für Kluftlinien zu halten, 
da die Beschaffenheit seiner Kuppe auf flache Lagerung hindeutet. 
Es scheint jedoch, daß letztere beim Anblicke von West nur durch 
das östliche Einfallen vorgetäuscht wird. Unterhalb dieses Felssporns 
befindet sich eine natürliche Zisterne mit klarem, allerdings von 
Amphibien bewohntem Wasser. Etwas weiter unten trifft man noch 
zwei wasserführende Spalten. Bei der kleinen Hütte am Eingange 
in das Kar scheint sanftes NO-Fallen vorzuherrschen, soweit hier die 
Zerworfenheit der Felsen eine Beurteilung der Lagerung gestattet. 

Beim Aufstiege durch das Kar (dies Wort stets nur in rein 
morphologischem Sinne genommen) verquert man alsdann eine Zone 
von steil gestellten Schichten. Besonders auf der Ostseite des Kares 
ist das sehr steile Einfallen der Kalkbänke gegen NNO deutlich zu 
erkennen. Es scheint hier auch eine Längsverwerfung durchzuziehen. 
Weiter oben zeigt die Rückwand des Kares das typische Bild eines 
plioklinen Abhanges. Die vielen nassen Streifen, die sich hier ein- 
stellen und eine reiche Moosflora bedingen, scheinen zum Teil nicht 
von Schichtfugen, sondern von dünnen, zur Schichtung parallelen 
Fissuren ihren Ausgangspunkt zu nehmen. Auf der Ostseite des Kares 
grenzt sich diese feuchte, mit reicherer Vegetation versehene Gesteins- 
zone nach unten durch eine überhängende Wand ab, über welcher 


[49] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 263 


zunächst eine steile, mangelhaft geschichtete Felsmasse folgt. Ober 
diesem moosigen Abhange, an welchem das Gestein zum Teil breccien- 
artig wird, folgt eine wüste Felsmulde. 

Ober dieser Mulde öffnet sich eine wilde Schlucht, die zwischen 
dem Jabukovac und dem Lukovo brdo eingeschnitten ist und in die 
Einsenkung hinaufführt, welche diese beiden Berge vom Mosorhaupt- 
kamm trennt. Am Ostabhange dieser Schlucht sind die Lagerungs- 
verhältnisse der dort befindlichen, sehr stark zerklüfteten Felsmassen 
ganz unklar. Dagegen läßt sich auf der Westseite der Schlucht ein 
35-—-40° steiles Einfallen gegen ONO sehr deutlich konstatieren. Man 
passiert hier sehr umfangreiche schräge Felsflächen, die nach der 
eben genannten Richtung hin geneigt sind. 

Uber eine Felsbarre hinweg gelangt man aus dieser düsteren 
Schlucht in eine Muldenregion, in deren Hintergrund der Gipfelkamm 
des Mosor sichtbar wird. Zur Rechten hat man jenen Querriegel, der 
vom Jabukovac zum Fuße der Signalkuppe hinüberführt, zur Linken 
verläuft gleichfalls ein hoher Wall, der den östlichen Nachbar des 
Jabukovac, den Lukovo brdo, mit dem Fuße des östlichen Nachbar- 
gipfels der Signalkuppe in Verbindung bringt. Die eben erwähnte 
Felsbarre scheint einer Schichtaufwölbung zu entsprechen. Am Fels- 
kopf ostwärts von dem Sattel, in welclıem man die Barre überschreitet, 
glaubt man den Scheitel eines Faltenbogens zu erkennen, wogegen 
am Sattel selbst ein Antiklinalaufbruch vorhanden ist. Man sieht hier 
die Schichten auf der Nordseite gegen ONO und auf der Südseite 
40° steil gegen WSW fallen. 

In den tiefsten Teil der Muldenzone sind hintereinander drei 
Dolinen eingesenkt, in deren Boden Rasenflecken liegen. In den Fels- 
rücken zwischen diesen Dolinen kann man sanftes Einfallen nach 
verschiedenen Richtungen hin konstatieren; mehr gegen den Mosor- 
kamm hin ist steiles Einfallen gegen NÖ bis NNO vorhanden. Zum 
Querrücken unter dem Jabukovae steigt das Terrain wellig und mit 
mäßiger mittlerer Neigung an. In seiner Mitte wölbt sich ein kleiner 
Felsgrat auf. Die Lagerungsverhältnisse sind hier unklar. Ostwärts 
von den drei Dolinen steigt das Terrain sehr steil empor. Die Ver- 
bindung zwischen dem Lukovo brdo und dem Fuße des Mosorgipfels 
Ljubirna wird durch zwei Grate hergestellt, deren Mittelstücke als 
steile Schrofen aufragen und durch einen Quergrat miteinander in 
Verbindung stehen. 

Von den beiden so zustande kommenden Einsenkungen zwischen 
den beiden Graten ist die nördliche, welche an den Lukovo brdo 
grenzt, eine einzige große und sehr tiefe, von jähen Wänden umgebene 
Doline; in der südlichen, welche an den Fuß der Ljubirna stößt, 
befinden sich dagegen mehrere kleinere sehr tiefe Felstrichter. 

Der kleine Verbinduugsgrat zwischen den beiden Schrofen scheint 
einer kleinen domförmigen Schichtaufwölbung zu entsprechen. Am 
westlichen Grate glaubt man steiles NO-Fallen der Schichten wahr- 
zunehmen, doch schiene es nicht ausgeschlossen, daß es sich um 
Klüftungen in einer nicht steil stehenden Schichtmasse handelt. Am 
östlichen Grate gewinnt man den überzeugenden Eindruck, daß etwa 
60° steiles nordöstliches Fallen vorhanden ist. Man sieht hier jene 


264 Dr. Fritz v. Kerner. [50] 


Zackung und Sägezähnung des Grates, deren Fehlen in der Gegend 
von Ledenica ein starkes Argument gegen die vermeintliche steile 
Schichtstellung bildet. Allerdings ist auch im Süden des Lukovo brdo 
die Steilstellung mit Dünnbankigkeit kombiniert. (Vergl. Kapitel VI, 
S. 46.) Beim Anblicke des Ostgrates von Norden aus hat es den An- 
schein, als wenn in dessen mittlerem Teile steile und flache Lagerung 
in nächster Nachbarschaft vorhanden wären. Auf der dem Mosor zu- 
gekehrten Seite des Lukovo brdo fallen die Schichten oberhalb der 
sroßen tiefen Doline zirka 20° sanft gegen SSW ein. In welcher Weise 
das Zusammentreffen der beiden einander entgegengesetzt und ver- 
schieden steil einfallenden Schichtkomplexe sich vollzieht, ob eine 
Umknickung oder eine Verwerfung vorliegt, läßt sich nicht erkennen. 

Südwärts von der Muldenzone mit den drei Dolinen zeigt der 
Nordabhang des Hauptkammes eine Einbuchtung, durch welche man 
ziemlich leicht auf die Kammlinie hinaufgelangen kann. Während weiter 
west- und ostwärts steile, schwer passierbare Felsgehänge aufsteigen, 
zeigen sich in jener Einbuchtung die Felsmassen vielfach durch Wiesen- 
flecken und kleine Trümmerhalden unterbrochen. Diese Halden sowie 
auch die anstehenden Felsen sind reich mit Moos überzogen und mit 
steifstämmigem Gestrüpp bewachsen, während die Abhänge zur Rechten 
und Linken ziemlich kahl erscheinen. 

Etwas östlich von dieser Einbuchtung des Gehänges befindet 
sich die Jama sniega, das auf der Spezialkarte angegebene Schnee- 
loch. An einem steil gegen NNO abstürzenden Felshange Öffnet sich 
ein in dieser Richtung in die Länge gezogener Schlund von 3—4 m 
Breite, dessen Boden steil in den Berg hinein abfällt. Zufolge der 
entgegengesetzten Neigung der Schlundöffnung und des Bodens ist die 
senkrechte Südwand des Schlundes viel höher als seine Nordwand. 
Der tief unterhalb des Südrandes gelegene Nordrand der Schlund- 
öffnung mag etwa 8 m hoch über dem oberen Ende des Schlundbodens 
liegen. Der vertikale Abstand des Südrandes der Öffnung vom Schlund- 
boden mag hingegen bei 30 m betragen. Unten biegt der Felsschlauch 
gegen NNW um, zugleich wird seine bis dahin senkrechte Südwand 
überhängend, so daß eine nach oben geschlossene Nische zustande 
kommt. Die Wände derselben sind stark ausgewaschen und geglättet 
und von ihrer Decke tropft Wasser ab. 

Zur Zeit meines Besuches, anfangs Mai, war dieser Felsschlund 
mit einer Schneemasse erfüllt, die an seiner Nordwand bis etwa 5 m 
unterhalb der Schlundmündung hinaufreichte und sich nach unten bis 
in die von Fels überdachte Nische hinein erstreckte, welche das 
blinde Ende des Schlundes darstellt. Die Schneemasse endete dort 
zungenförmig bei einigen am Nischenboden liegenden Felstrümmern. 
Die Neigung ihrer Oberfläche war etwa 40°, die Dicke der Schnee- 
masse mag kaum mehr als 2 m betragen haben; sie nahm gegen 
unten :nicht zu, an der Stelle, wo der Felsschlot umbiegt, betrug sie 
etwa 1—1!/;, m. An seinen beiden Längsseiten zeigte das Schnee- 
lager scharfe, freie, schwarz gefärbte Ränder, seine Oberfläche war 
dagegen ziemlich rein. Der Schnee war ziemlich weich und von einer 
härteren Firnkruste überzogen. 

Das Persistieren von Schnee in diesem Felsloche zu einer Zeit, 


[51] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 265 


wann derselbe ringsum längst geschwunden ist, erscheint darin be- 
gründet, daß hier eine lokale starke Schneeanhäufung vor Insolation 
ziemlich geschützt bleibt. Verdunstung und Luftwärme zehren, sofern 
sie sich in mäßigen Grenzen halten, im Vergleiche zu Sonnenschein 
und Regen den Schnee nur langsam auf. Zur Zeit des höchsten Sonnen- 
standes, in den Mittagsstunden der Frühsommertage, wird allerdings 
ein Teil des Schlundbodens von den Sonnenstrahlen getroffen. Die 
Luftwärme wird auch im Sommer innerhalb des Schlotes nicht hoch 
sein, da die über den Felsflächen der Umgebung erhitzte Luft auf- 
steigt und keine Tendenz hat, sich mit der kühleren Luft im Schnee- 
loche zu vermischen. Dagegen wird zum Ersatze der bei diesem 
Aufstiege aus dem Schlote mitgezogenen Luft relativ kühle Luft aus 
den Klüften des Berginnern aspiriert werden. Die Ausfüllung des Fels- 
schlundes zur Winterszeit wird teils durch Einwehung von Schnee 
bei Borastürmen, teils, und zwar größerenteils, durch Absturz von 
Schneemassen von dem sehr steilen Felshange oberhalb der Schlund- 
öffnung erfolgen. 

Der Lukovo brdo (ca 1050 m) ist eine umfangreiche Bergkuppe, 
deren abgeflachte Gipfelregion ganz dasselbe Bild darbietet, welches 
man auf der Nordseite des Gipfels des Jabukovac zu Gesicht bekommt: 
ein Gewirre von schmalen Graten und zwischen denselben eingesenkten 
tiefen Trichtern. Die Lagerung ist nicht überall erkennbar. Man sieht 
Stellen, wo die Schichten gegen NO, und solche, wo sie gegen SW 
einfallen, und auch solche Stellen, wo man fast schwebende Lagerung 
vermuten möchte. Auf der Südostseite und Nordostseite des Berges 
dachen die Schichtflächen gleichsinnig mit dem Gehänge ab. Spora- 
disch trifft man in den Kalken des Lukovo brdo Putzen von Hornstein. 
Gegen Osten fällt die Bergkuppe zu einem Sattel ab, an welchem 
der Rücken von Orje seinen Ausgangspunkt nimmt. Auf der Nordseite 
des Sattels fallen zu beiden Seiten eines mit moosbedeckten Trümmern 
erfüllten Grabens die Schichten 35—40° steil gegen NO. Weiter 
unten liegt dem Lukovo brdo eine Terrasse mit wallartig erhöhtem 
Rande vor, in deren Bereich entschieden flachwellige Schichtlage 
vorhanden ist. Unterhalb dieser Terrasse folgt dann ein sehr gleich- 
mäßig geneigtes Gehänge, an das sich erst in der untersten Gebirgs- 
region wieder ein mehr coupiertes Terrain anschließt. 

Die östliche Fortsetzung des Lukovo brdo gestaltet sich, wie 
schon an früherer Stelle erwähnt wurde, zu einer selbständigen Vor- 
kette des Mosor, da sich das Terrain, welches den Nordfuß des 
Hauptkammes begleitet, gegen SO stark senkt, so daß in die süd- 
östliche Verlängerung der muldenreichen Hochstufe von Ledenica ein 
tiefes Tal zu liegen kommt, das bis an den Fuß des Gebirgsstockes 
hinabreicht. Es ist dies der einzige Fall von Vorkettenbildung auf 
der Nordseite des Mosor im Gegensatze zu den Verhältnissen auf 
der südlichen Gebirgsseite, wo selbständige Vorketten eine große 
Rolle spielen. 

Gegen NO dacht der Rücken des Orje, gleichwie die Vorstufe 
des Lukovo brdo, welche in der Verlängerung dieses Rückens liegt, 
mit einem sehr gleichförmigen Gehänge ab, welches so in Gegensatz 
tritt zu den von vielen kleinen Terrassen unterbrochenen Abhängen 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 35 


266 Dr, Fritz v. Kerner. [52] 


unter dem Lubljanski doci und Jabukovac. Zu Füßen dieses Gehänges 
breitet sich ein tief gelegenes hügel- und dolinenreiches, gut be- 
waldetes Terrain aus, jenseits dessen die Bergmasse des Veliki hum 
aufsteigt. 

Am Wege von Cosi6 zu den Hütten von Lutovia, welche am 
Fuße des Nordostabhanges des Orjerückens liegen, fallen die Schichten 
sanft gegen N, unterhalb Lutovia auch 30° gegen NO. Ober Lutovia 
trifft man sehr verworrene Felsmassen und Blockwerke mit reicher 
Staudenvegetation. Im großen und ganzen dürfte hier 30° NO-Fallen 
vorhanden sein, doch kann man lokal auch SW-Fallen konstatieren. 
Weiter oben scheint eine Abflachung einzutreten, der dann wieder 
deutliches ONO-Fallen folgt. Die von vielen Kuppen und Dolinen 
durchsetzte Rückenfläche des Gebirges begrenzt sich gegen SW mit 
einem steil erhöhten gratförmigen Rande. An der Stelle, wo man am 
Wege von Lutovia nach Vrutka staje diesen Grat überquert, glaubt 
man in dem gegen NW hin benachbarten Gratteile den Scheitel eines 
Faltenbogens wahrzunehmen. Dieser Grat ist jedoch im Gegensatze 
zu jenen, die durch solche Bogenscheitel gebildet werden, schwer 
passierbar, so daß es sich wohl um ein zerknittertes Gewölbe handeln 
dürfte. Ostwärts von der Stelle, wo man den Grat oberhalb Vrutka 
staje traversiert, sieht man auf der Rückenfläche des Gebirgszuges 
deutlich sanftwellige Schichtlage. 

Gegen das Tal von Vrutka staje fällt der Rücken des Orje mit 
einem sehr steilen Gehänge ab; es ist eines der steilsten im ganzen 
Mosorgebiete. Beim Abstiege über dieses Gehänge sieht man zunächst 
viele mit demselben gleichsinnig und gleich steil abfallende Fels- 
flächen. Dessenungeachtet hat man hier doch fast den Eindruck, als 
wenn ziemlich sanftes ONO-Fallen vorhanden wäre. Es kombiniert 
sich hier beinahe scheinbare Isoklinie des Gehänges mit Andeutungen 
von Stufenbau. Auf dem in halber Gehängehöhe sich hinziehenden, 
mit Rasen bewachsenen Felsgesimse glaubt man entschieden mäßiges 
ONO-Fallen wahrzunehmen. Weiter unten scheinen die Kalkbänke 
gegen SW einzufallen. Man sieht große Felsplaques am Gehänge 
hinabziehen, auch einige Rinnstreifen und Wasserbecken sind hier zu 
bemerken. Am Fuße des Abhanges trifft man bei den innersten Alm- 
hütten ein Terrain mit deutlich 20° gegen SW einfallenden Schichten. 
Von hier aus fällt beim Anblicke des SW-Absturzes des Orjerückens 
das vorerwähnte Felsgesimse als eine am Gehänge sanft gegen Osten 
abwärts ziehende Linie auf. Sie scheidet deutlich eine obere Zone des 
Gehänges, in welcher man Andeutungen einer jener Linie parallelen 
Streifung wahrnimmt, und eine untere Zone, welche ganz regellos von 
Klüften durchsetzt erscheint. Diese Verhältnisse deuten darauf hin, daß 
der Südabsturz des Orjerückens einem Längsdurchschnitte durch die 
Achsenregion eines unregelmäßig verbogenen Faltenkernes entspricht. 

Der Kalk ist auf der Route Lutovia— Vrutka staje auf der Nord- 
seite des Orjerückens sehr feinkörnig bis dicht, auf der Südseite mehr 
körnig; an verschiedenen Stellen, so am Grate und am schmalen Fels- 
gesimse sind Breccien zu bemerken. Bei den innersten Hütten der 
Vrutka-Alm findet man eine Breccie aus weißen Kalktrümmern, die in 
eine graugrüne körnige Grundmasse eingebettet sind. 


[53] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 267 


Im Muldenterrain in der Umgebung der Vrutka staje sind die 
Schiehten flach wellig gelagert. Die Hügel weiter talaufwärts bestehen 
aus 20—30° gegen Ost geneigten Schichten. Alsdann kommt man zu 
60° steil gegen NO einfallenden Kalkbänken und weiterhin zu einer 
NNW-—SSO streichenden Zone von saigeren Plattenkalken. Dann scheint 
es fast, als ob dieser Plattenkalk unmittelbar an 30° gegen SSO fallende 
Schiehten stoße, beinahe unter sie einfiele. Weiter oben hat man 
wieder eine Zone 'von dünnbankigem Kalk, der 45—50° steil gegen 
ONO fällt. Die oberen Hügel im Hintergrunde des Vrutkatales scheinen 
aus Schichten zu bestehen, die bei 30—35° Neigung zwischen ONO 
und SSO schwankende Einfallsriehtungen besitzen. Der Kalk ist im 
obersten Vrutkatale teils homogen, dicht, lichtgrau, teils zertrümmert 
und mehr oder weniger brecceienartig. In der Nähe der Plattenkalk- 
zone sieht man auch vereinzelte Bänke von Dolomit. 

Am oberen Ende des gegen den Lukovo brdo hinaufziehenden 
Grabens, welcher von der Zone der Plattenkalke durch einen Rücken 
getrennt ist, trifft man auch Kalke mit Hornstein und nahe dabei auch 
Breccien aus zum Teil sehr tossilreichen Rudistenkalkfragmenten. Die 
Nordseite dieses Grabens, welche dem Südabfalle des Anfangsteiles 
des Orjerückens entspricht, wird durch sehr zerklüftete schroffe Fels- 
abstürze gebildet, an denen man die Lagerungsverhältnisse nicht er- 
kennt. Am Grate oben fallen die -Kalke 45—60° steil gegen -NNO, 
vorher, noch etwas unterhalb desselben gegen S. Man gewinnt hier 
deutlich den Eindruck, daß man sich auf dem Scheitel eines Falten- 
bogens befindet. 

Die den eben erwähnten Steilabstürzen gegenüberstehende Nord- 
ostseite des Mosorgipfels Ljubirna ist ein hohes, sehr ödes und mono- 
tones Felsgehänge aus ziemlich steil gegen NO einfallenden Schichten. 

Seinen nordwestlichen Abschluß erhält das Tal von Vrutka staje 
durch den östlichen der beiden Grate, welche den Fuß der Ljubirna 
mit dem Lukovo brdo verbinden. Auf der Ostseite dieses Grates 
herrscht 30° steiles SO- bis SSO-Fallen vor, das dann auf dem Grate 
durch 60° steiles nordöstliches Einfallen ersetzt wird. 

Unterhalb der Hütten von Vrutka staje senkt sich das Terrain 
zum Westende eines schmalen, länglichen. Talbodens hinab, welcher 
die Sohle des unteren Vrutkatales bildet. Der Bergzug Orje wendet 
sich zirka 2!/, km südöstlich von seinem Ausgangspunkte gegen Ost, 
um sich unter sukzessiver Absenkung in die Dolinenlandschaft von 
Okruglice hinein zu verlieren. Aus seinem Südfuße entsendet er unter- 
halb. jener . Wendungsstelle einen Rücken gegen SO. Durch diesen 
Rücken wird die Sohle des unteren Vrutkatales vom tief gelegenen 
Dolac. Polje abgesperrt, dessen Westende in den Winkel zwischen diesem: 
Rücken und dem gegen Ost abgelenkten Endstücke des Orjerückens 
zu liegen kommt. Dieses Endstück führt die Bezeichnung Kamena. 
Am Nordfuße dieses Rückens breitet sich ein sehr coupiertes, reich 
bewaldetes Terrain aus, in dessen. östlichem Teile die Hütten von 
Osoje liegen. Auch der untere Teil der- Nordabhänge des Rückens 
zeigt ein ungemein kompliziertes Relief, ein wirres Durcheinander 
von kleinen Rücken, Kämmen, Hügeln, Gräben und Mulden. An den: 
oberen Nordabhängen des Kamena sieht man am Wege von Lutovia 

35* 


268 Dr. Fritz v. Kerner. [54] 


nach Bravic stellenweise die Schichten deutlich 20—30° gegen ONO 
einfallen. Dazwischen liegen Strecken mit fast ungeschichteten Fels- 
massen. Am Wege von Osoje nach Bravi6 beobachtet man zunächst 
sanftes, im Mittel 200 betragendes O-Fallen, dann 400 NNW- bis 
N-Fallen. Weiterhin führt der Weg zwischen hohen Hügeln hin- 
durch, die aus sehr schroffen Felsmassen bestehen, in denen sich die 
Lagerungsweise nicht entwirren läßt. Der Hauptsache nach dürften 
die Fallrichtungen im Quadranten zwischen N und OÖ liegen. Dort, wo 
man das östliche Ende des Kamenarückens überquert, fallen die Kalke 
30° gegen SO und OSO. Sie enthalten dort Putzen von Hornstein. 

Da Einlagerungen von Hornstein auch am Jabukovac, am Lukovo 
brdo und Orje von mir gefunden wurden, erscheint das Vorhandensein 
eines Zuges von hornsteinführendem Kreidekalk, welcher der nörd- 
lichen Vorkette des Mosor folgt, nachgewiesen. Die Hornsteinknollen 
sind hier jedoch überall sehr spärlich und die Kalke, welche sie ent- 
halten, heben sich noch viel weniger durch sonstige Merkmale von 
den hornsteinfreien Kalken ab, als dies bei den hornsteinreichen 
Kalken der Umgebung von Trau der Fall ist. Es ist nicht anzunehmen, 
daß am Nordmosor die Kalke, welche Hornsteine führen, in gleicher 
Weise wie die hornsteinreichen Kalke bei Trau dem tiefsten Teil des 
Kreidekalkkomplexes angehören. Da sowohl auf der Südseite des 
Mosor, als auch in dem nördlich von ihm gelegenen Berglande von 
Radinje, Dolomit an der Basis des Rudistenkalkes zu Tage tritt, wäre 
es sehr unwahrscheinlich, daß in der dazwischen liegenden Region 
Hornsteinkalk als Vertreter der Cenomanstufe erscheine. Die Lage- 
rungsverhältnisse sprechen ganz dagegen, daß in der nördlichen Vor- 
kette des Mosor viel tiefere Schichten als in anderen Teilen der 
Nordseite des Bergmassivs vorhanden seien. Allerdings entspricht 
diese Vorkette einem unregelmäßigen Faltensattel; die besonderen 
Strukturverhältnisse an der Nordseite des Mosor bedingen es aber, 
daß hier auf der Rückenfläche eines Bergzuges, welcher einer Falte 
entspricht, Schichten anstehen, die eher jünger, denn älter als jene 
sind, welche die unteren Abhänge dieses Bergzuges aufbauen. 

Gegen Süd fällt der Rücken des Kamena steil gegen den west- 
lichsten Teil des Dolac Polje ab. Am Ahhange ober Bravi6 fallen die 
Schichten zu beiden Seiten des Stufensteiges, welcher sich dort 
zwischen den Felsen hinaufwindet, mittelsteil gegen SSO, gegen das 
Polje zu ein; weiter ostwärts, am Wege der nach Osoje führt, scheint 
das Fallen mäßig steil südlich bis südsüdwestlich zu sein. Westwärts 
von den Hütten von Bravi6 fällt der Kamena bis zum Poljenrande 
steil ab; ostwärts von diesem Dörfchen liegt dem Steilhang noch ein 
flacheres Terrain vor, das durch eine schmale Aussackung des Polje, 
welche wieder bis zum Fuß des Steilabhanges eingreift, in zwei Teile 
geschieden wird. 

An diesem südlichen Vorvaue des Kamena trifft man grobe, 
ziemlich lockere Breceien, welche jenen ähnlich sind, die auf der 
Südseite des mittleren und östlichen Dolac Polje (Polje von Srijani 
und Polje von Dolae gornji) zu mächtiger Entwicklung gelangen. Diese 
Breccien beginnen am Poljenrande westwärts von Bravid und reichen 
ostwärts bis in die Nähe der Hütten ober der Kirche von Dolaec dolnji. 


[55] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 269 


In der Gegend von Bravic ist die Zone dieser Gesteine ziemlich schmal; 
ostwärts von der erwähnten Aussackung des Polje reichen sie dagegen 
bis zum Fuße des Steilabhanges des Kamena hinauf. Ein kleines 
isoliertes Vorkommen solcher Breccien befindet sich höher oben an 
der östlichen Abdachung des Kamena unweit der früher erwähnten 
Kalkfelsen mit Hornstein. 

Diese Breccien bestehen zum Teil aus großen, ziemlich locker 
zusammengekitteten Kalkbrocken und sind dann an der grobhöckerigen 
Beschaffenheit der Felsoberflächen schon von weitem zu erkennen. 
Daneben gibt es auch Gesteinspartien aus fest zusammengefügten 
Trümmern, bei welchen der Brecciencharakter erst im Bruche sichtbar 
wird. Diese Breccien werden unmittelbar von jenen Flyschschichten 
überlagert, welche das Dolac polje ausfüllen. Auf der gegenüber- 
liegenden Poljenseite, bei Simunic und DesSisevic, trifft man dagegen 
an der Grenze zwischen der Flyschausfüllung des Polje und dem 
Rudistenkalke der Poljenumrahmung eine schmale Zone eines mit 
Alveolinen dicht erfüllten Kalkes. 

In der Gegend des heutigen Dolac Polje haben sich demnach 
auch zur Mittel- und Obereozänzeit marine Sedimente abgelagert. 
Dieselben besitzen jedoch einen ganz anderen Charakter als jene, 
welche sich einige Kilometer weiter nordostwärts, längs des rechten 
Ufers der Cetina, erhalten haben, Letztere zeigen eine Schichtfolge und 
eine Ausbildungsweise, welche sich jener in den Küstengebieten zwischen 
Trau und Sebenico nähert. Es folgt dort über dem Rudistenkalke 
zunächst eine die Cosinaschichten vertretende Zone von fossilarmen, 
blaßgrauen bis rötlichen Kalken, dann Milioliten-, Alveolinen- und 
Nummulitenkalk, welch’ letzterer vom Knollenmergel überlagert wird. 
Bei Dolac geht dagegen der Rudistenkalk nach oben hin in Breccien 
über, an die sich eine schmale und inkonstante Zone eines stellen- 
weise dicht mit Alveolinen erfüllten Kalkes anschließt, über welcher 
sogleich der Flysch folgt. Während die Tertiärablagerungen am rechten 
Ufer der mittleren Cetina auf eine Meeresbedeckung während des 
größten Teiles der Eozänzeit hinweisen, sind die Grenzschichten 
zwischen Kreidekalk und Flysch am Fuße des Mosor bei Dolae als 
randliche Bildungen aufzufassen, Auf der Südseite des Mosor sind 
zwischen dem bereits zum Obereozän zu rechnenden Plattenkalke, 
welcher das Liegende des Flyschkomplexes bildet, und dem Rudisten- 
kalke gleichfalls vorwiegend Brececien und Konglomerate eingeschaltet, 
die eine inkonstante Begleitung durch schmale Zonen eines Kalkes 
finden, welcher eine spärliche Mischfauna verschiedener eozäner 
Foraminiferensippen aufweist. Es hat demnach einige Wahrscheinlich- 
keit für sich, das Fehlen jedweder Reste von marinen Eozänkalken 
im Bereiche der Nordseite des Mosor nicht ganz auf Rechnung nach: 
träglicher Abtragung zu bringen. sondern, wenigstens zum Teil auf 
gar nicht erfolgte Ablagerung zurückzuführen, oder mit andern Worten, 
anzunehmen, daß in der Gegend des heutigen Mosor die nach der 
protozänen Festlandsperiode in Dalmatien eingetretene allgemeine 
Überflutung keine vollständige war. 

Der Westrand des Dolac Polje ist in hydrologischer Beziehung 
wichtig, weil hier das Innere des Mosor zeitweise größere Wasser- 


270 Dr. Fritz v. Kerner. [56] 


mengen zugeführt erhält: Das Westende des Polje zwischen Bravic 
und DeSisevid bildet den tiefsten Teil desselben und es sammeln sich 
darum hier die Niederschläge, welche in der Regenzeit auf den un- 
durchlässigen Poljenboden fallen. Hierzu kommen die Wassermengen, 
welche die im Dolac Polje vorhandenen Quellen liefern und einen 
bereits durch Erdboden hindurchgegangenen Teil der Gesamtnieder- 
schläge des Polje darstellen. Dicht am Westrande desselben befinden 
sich mehrere Löcher, welche das in das Dolac Polje gelangte Regen- 
wasser wiederum verschlucken und den verborgenen Tiefen des Mosor 
zuführen, solange das Karstwasserniveau tiefer als das Polje liegt. 
Nach anhaltenden Spätherbst- und Frühjahrsregen wird dagegen der 
westliche Teil des Polje zeitweise überschwemmt. Auf der nordsüdlichen 
Teilstrecke des Poljenrandes zwischen DesiSevic und Bravi6 sieht man 
zwei kleine Löcher im Kalkfels unmittelbar am Poljenrande. Der 
Hauptponor befindet sich bei Bravic und erscheint als ein gegen 10 m 
tiefer, an. seiner Mündung zirka 8 m langer und einige Meter breiter 
Trichter in moosüberzogenem Fels. In der Nähe ist noch ein anderer, 
dem vorigen ähnlicher Ponor vorhanden. 

Westwärts von den Hütten von Desisevic trifft man noch Alveo- 
linenkalk am Poljenrande, anstehend und in Trümmern, daneben auch 
Bruchstücke von körnigem Rudistenkalk. In der Gegend der beiden 
kleinen Abzugslöcher reicht der Rudistenkalk bis an die Ebene. Das 
Einfallen ist hier 35° NO. Dann folgt bald Breccienkalk und mehr 
lockere Breccie, jedoch nur die zunächst an die Ebene anstoßenden 
Felsen bildend. Dahinter trifft man homogenen Rudistenkalk. Das 
Einfallen ist hier, soweit es erkennbar ist, steiler. Auf der Nordseite 
des westlichen Poljenteiles wird die Brecceienzone allmälig breiter, 
um dann, wie erwähnt, jenseits der tiefen, schmalen nördlichen Aus- 
sackung des Polje östlich von Bravic fast das ganze hügelige Terrain 
am Südfuße des Kamena aufzubauen. 


VIII. Der Kamm des mittleren Mosor und die obere 
Terrasse auf der Südwestseite desselben. 


Der höchste Teil des ganzen Mosorgebirges ist der zirka 5 km 
lange Abschnitt des Hauptkammes zwischen dem Plisevac und Luti 
kamen. Es erhebt sich dieser Teil noch um ein Bedeutendes über die 
westlich und östlich benachbarten Abschnitte des Kammes und grenzt 
sich gegen dieselben deutlich ab. Es ist ein wüster Felskamm, der 
inmitten einer öden Karstgebirgswelt, dieselbe weithin beherrschend, 
aufragt. Der Gipfelkamm des Mosorgebirges bildet, wie schon erwähnt, 
nicht die direkte Fortsetzung des Westmosorkammes. Sein Fußpunkt 
liegt einige hundert Meter nordostwärts von jener Hügelkette, in 
welche der Grat des PliSevac gegen SO hin ausläuft, in der südöst- 
lichen Verlängerung der Längsmulde, welche sich auf der Nordostseite:. 
des Plisevac hinzieht. 

Man konstatiert hier gleich ostwärts vom Wege, welcher von 
RogoSiö staje nach Mokrice hinüberführt, 20° nördliches Einfallen der 
Schichten. Von da steigt ein schroffer, zum Teil sehr stark zerklüfteter 


[57] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 97 


Grat zur Höhe des Gipfelkammes empor. An diesem Grate ist gleich- 
falls nördliches und nordnordwestliches Einfallen zu erkennen. Oben, 
am westlichen Ende des Gipfelkammes glaubt man 45-60 steiles 
Einfallen gegen NO wahrzunehmen; es scheint sich aber um Klüftung 
in einer nicht steil gelagerten Schichtmasse zu handeln. 

Diesem westlichen Ende des Gipfelkammes liegt nordwärts der 
mächtige Felskegel Lubljan (1261 m) vor. Es ist dies eine weithin 
sichtbare Bergspitze, die besonders beim Anblick des Mosorgebirges 
von Nordwesten sehr in die Augen fällt. Von hier aus erscheint der 
Lubljan als ein auf der Rückenfläche des Mosor vor dem Nordwest- 
ende des Gipfelgrates ziemlich isoliert aufragender, oben abgerundeter 
Kegel. Beim Anblick von Süden her kann der Berg keine solche 
Selbständigkeit vortäuschen, da die Scharte, die ihn vom Westende 
des Gipfelkammes trennt, nicht tief eingeschnitten ist. Vom westlichen 
Abfallgrate des letzteren zweigt gegen N ein Felskamm ab, der in 
einer sehr schroff aufsteigenden Spitze gipfelt. Die Einsenkung zwischen 
diesem Kamme und dem Lubljan wird durch einen steilen Querwall 
in eine rings umschlossene Mulde und in einen nach Nord sich 
öffnenden Graben abgeteilt. Der letztere vereinigt sich mit einem 
zweiten Graben, welcher von dem Sattel zwischen Lubljan und Dusna 
nach West hinabstreicht. In der Gegend, wo diese Vereinigung statt- 
findet, tritt an den Rändern zweier vertiefter Rasenflecke etwas Dolomit 
zutage. Das Terrain westwärts des Lubljan präsentiert sich als eine 
sehr wüste Felslandschaft, in der die Lagerungsverhältnisse nicht 
erkennbar sind. Auch über die Struktur des Lubljan kann man sich 
beim Anblick des Berges von Westen kein bestimmtes Urteil bilden. 
Man sieht wohl Andeutungen eines Faltenbogens, doch kein nur einiger- 
maßen klares tektonisches Bild. Am Nordwestfuße und an dem zum 
Teil mit Schutt bedeckten Nordabhange des Lubljan fallen die Schichten 
40—45° steil gegen Nord. 

Am Gipfel des Lubljan trifft man völlig horizontale Lagerung 
an; man sieht sehr schön, wie sich die Kalkbänke am Nordrande 
der Gipfelkuppe gegen Nord hinabbiegen. Der westliche Teil des 
Gipfelkammes, die Javorska (1272 m), scheint einem großen Falten- 
bogen zu entsprechen. An ihrer Nordostseite dachen die Schichten 
steil gegen die von großen Felstrichtern erfüllte Muldenzone ab, 
welche sich oberhalb des Lubljanski doci hinzieht. Auf der Südwest- 
seite des Kammes sieht man die Schichten ebenfalls gleichsinnig mit 
dem Gehänge einfallen. Ostwärts von der Javorska steigt der Kamm 
allmälig bis gegen 1325 m an und verharrt dann eine etwa | km 
lange Strecke in ungefähr dieser Höhe. Der Punkt, auf welchem das 
Triangulierungszeichen steht, ist zu 1330 ın bestimmt worden und 
befindet sich nahe dem östlichen Ende dieser Strecke. 

An diesem mittleren Teile des Gipfelkammes kann man deutlich 
sehen, daß er einer Falte mit Dornstruktur entspricht. Am Gipfel mit 
der zerfallenen Steinpyramide ist horizontale Schichtlage stellenweise 
mit Bestimmtheit zu erkennen und an anderen Stellen wenigstens 
angedeutet. Der Übergang in das steile SW-Fallen am südwestlichen 
und in das steile NO-Fallen am nordöstlichen Abhange, vollzieht sich 
rasch und man hat beiderseits weit mehr den Eindruck, daß eine 


972 Dr. Fritz v. Kerner. [58] 


scharfe Umbiegung, als daß eine Knickung vorhanden ist. Die Zone 
flacher Schichtlage ist sehr ‘schmal, auf die Kammlinie beschränkt. 
Es handelt sich sonach um einen ganz eigenartigen Faltentypus, um 
eine Bogenfalte mit einer in ihrer Breite auf ein Minimum reduzierten 
Scheitelregion. 

Am Südabhange der mittieren,Partie des Gipfelkammes kommt 
jener Gehängetypus zu großartiger Entwicklung, welcher bei Gelegen- 
heit der Besprechung der am Nordmosor vorherrschenden Gehänge- 
form als Isoklinie bezeichnet wurde, das Koinzidieren von Schicht- und 
Gehängeneigung. Man sieht den Bergabhang auf weite Strecken hin 
durch riesige Felsflächen gebildet, die zugleich Schichtflächen sind. 
Von der Ferne aus gesehen, erscheinen die so beschaffenen Gehänge- 
teile als lichte große Flecke, da hier die vielen starken Unebenheiten 
fehlen, die bei jedem beliebigen Sonnenstande stets die Beschattung 
einer Anzahl kleiner Oberflächenteile bedingen und dann beim Anblick 
aus der Ferne — infolge gleichmäßiger Durchmischung mit besonnten 
Stellen — einen dunkleren Gesamtton der Felsmassen veranlassen. 
Diese riesigen, bei entsprechender Beleuchtung förmlich glänzenden 
Felsflächen bilden ein Charakteristikon der Abhänge des Mosorkammes 
und treten auf der Südseite seines Mittelstückes am auffallendsten 
in Erscheinung. Der An- und Abstieg über solche Isoklinalgehänge 
gestaltet sich nicht leicht. Mein direkter Aufstieg zur Mosorpyramide 
vom Rücken zwischen den beiden Sipacmulden aus gestaltete sich zu 
einer etwas beschwerlichen Kletterei; weiter links, hinter der west- 
lichen Sipacmulde kann man dagegen auf einer von mir zum Abstiege 
gewählten Route den Aufstieg ohne besondere Mühe ausführen. West- 
wärts vongda sind am Gehänge aber wieder sehr ausgedehnte Fels- 
schichtflächen wahrzunehmen. Die steilen Nordabhänge des Pyramiden- 
grates sind gleichfalls zur Begehung wenig einladend. 

Von der Stelle mit der Triangulationspyramide senkt sich der 
Kamm allmälig zu einer Einsattlung hinab, die etwa 1275 m hoch 
liegt. Diese ist von Norden her durch eine breite, wenig felsige Rinne 
des Gehänges unschwer zugänglich. Der Kontrast des mit Mo°s und 
Rasen bewachsenen Nordabhanges gegen den kahlen wüsten Südabhang 
ist hier sehr auffällig. Dieser Sattel entspricht ebenfalls dem Scheitel 
eines scharfen Faltenbogens. 

Südostwärts von diesem Sattel steigt die Kammlinie wieder an, 
um endlich in der Ljubirna ihren Kulminationspunkt zu erreichen. 
Nach der Spezialkarte ist dieser Gipfel noch um 10 m höher als jene 
Stelle des Grates, auf welcher die T'riangulationspyramide steht. Die 
Ljubirna besteht aus zwei durch eine enge Scharte getrennten, nahezu 
gleich hohen Kammstücken. Auf dem westlichen konnte ich horizontale 
Schichtlage erkennen. Weiter ostwärts, gegen die Scharte zu, schien 
es mir, als wenn der Kamm noch aus gegen SW einfallenden Schichten 
bestünde. Auf der östlichen Ljubirna sah ich hauptsächlich kleine 
Felsriffchen, aber auch mehrere, auf horizontale oder flachwölbige 
Lagerung hindeutende Felsplaques. Die Aussicht, welche sich vom 
Grate mit der Steinpyramide und vom Ljubirnagipfel aus darbietet, 
wirkt durch die Weite ihres Umkreises überwältigend. Gegen Westen 
sieht man das rebenreiche Gelände von Spalato in der Ferne tief 


[59] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 275 


unter sich. Gegen Südwesten und Süden schweift der Blick über die 
dem Beschauer zu Füßen liegenden Vorketten und Vorstufen des 
Mosor auf die mitteldalmatische Inselwelt mit ihren langgezogenen 
Rücken und darüber hinaus auf das adriatische Meer. Im Südosten 
erhebt sich hinter dem im Vordergrunde steil aufragenden Grat des 
Kozik der mächtige Biokovo. Gegen Nordost erblickt man jenseits 
öder Karstlandschaften die Ebene der Oetina und den Kamm des 
Prolog, hinter welchem die zum Teil mit Schnee bedeckten Gipfel 
der bosnischen Gebirge sichtbar werden. Nordwärts streift das Auge 
über die Höhen der Svilaja, nordwestwärts über das Hügelgewirre 
der Zagorje. 

Von der Ljubirna senkt sich der Kamm ziemlich rasch zur tiefen 
Einsattlung des Luti kamen, welche die Grenze zwischen dem mittleren 
und östlichen Mosor darstellt. Auf diesem Gebirgspasse (1089 m) stößt 
man auf einen völlig unerwarteten geologischen Befund. Man trifft 
hier einen lichten Kalk mit sehr vielen Alveolinen und Nummuliten. 
Erstere heben sich in Längs- und Querdurchschnitten rein weiß vom 
Blaßgelb des Gesteines ab, letztere erscheinen als graue Auswitterungen. 
Dieses äußerst merkwürdige Vorkommen von Alveolinen und Nummu- 
liten ist auf die Stelle, wo der Pfad von Sitno nach Dolac den Sattel 
überschreitet und auf die nächste Umgebung dieser Stelle beschränkt. 
Die Felsriffe, welche die östliche Fortsetzung der Felsen am Paß- 
übergange bilden, sind ein fossilleerer weißer Kalk. Steigt man west- 
wärts am Grate hinauf, so sieht man die Alveolinen ebenfalls schon 
bald im Gestein verschwinden. Die Felsen zeigen hier an einer 
Stelle quer zur Streichungsrichtung des Kammes eine Trennungs- 
linie, die wohl einer Verwerfung entsprechen kann. Am Nordabbang 
des Luti kamen hinab konstatiert man einen fossilleeren rein weißen 
Kalk, dann einen schmutzig gelblichen, welcher zum Teil Partien des 
ersteren umschließt, zum Teil auch Andeutungen von plattiger Ab- 
sonderung zeigt. Auch Breccienkalke treten hier stellenweise auf. 
Alveolinen und Nummuliten fehlen aber. Am Südabhang des Passes 
trifft man Kreidekalk mit Splittern von Rudistenschalen und feste 
Breccien aus lichtgrauen, weißen und gelblichen Fragmenten. Da die 
Felsen am Luti kamen, welche Alveolinen und Nummuliten enthalten, 
reich an diesen Resten sind, deutet das plötzliche Fehlen dieser so 
charakteristischen Foraminiferen im Umkreise des Sattels darauf hin, 
daß in der Tat nur die unmittelbare Umgebung des Paßüberganges, 
somit ein räumlich sehr beschränktes Terrain dem Tertiär zugehört, 
ein Umstand, der das Vorkommen noch seltsamer erscheinen läßt. 
Die Lagerung ist am Luti kamen ziemlich unklar. Es muß auch hier 
eine Antiklinale vorliegen, da man an den Südabhängen mit Bestimmt- 
heit südliches, an den Nordabhängen sicher nördliches Schichtfallen 
konstatieren kann. Eine scharfe, aber bruchlose Umbiegung der 
Schichten an der Kammlinie, wie sie stellenweise am weiter westlich 
gelegenen Teile des Kammes erkennbar ist, läßt sich nicht feststellen. 
Am Sattel könnte noch südliches Einfallen herrschen. Allem Anscheine 
nach sind lokale Störungen vorhanden. 

Das Vorkommen eines isolierten Restes von tertiärem Kalk 
inmitten des Kreidekalkgebietes des Mosor ist äußerst interessant. 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 36 


274 Dr. Fritz v. Kerner. [60] 


Es wurde an früherer Stelle hervorgehoben, daß die an den Rändern 
des Mosorgebirges zu beobachtende Vertretung der für Dalmatien 
normalen eozänen Schichtfolge durch eine mit Breccien und Kon- 
glomeraten innig verbundene inkonstante Kalkbildung von geringer 
Mächtigkeit und sehr ungleichmäßiger Fossilführung, sowie das auf 
weite Strecken anhaltende Fehlen von eozänen Kalken in den klasti- 
schen Ablagerungen des Mosor darauf hinweisen, daß das Gebiet, 
welches jetzt von diesem Gebirge eingenommen wird, beim Vordringen 
des Meeres nach der Protozänzeit nicht vollständig überflutet wurde. 
Man hätte auf Grund dieser Verhältnisse annehmen können, daß das 
Fehlen eozäner Kalke am Mosor allerorts auf nicht erfolgte Ab- 
lagerung zurückzuführen sei. Der Befund am Luti kamen zeigt, daß 
das nicht berechtigt gewesen wäre, daß das Fehlen eozäner Kalke 
am Mosor stellenweise auch auf nachträglicher Abtragung beruhen 
kann. Denn der Tertiärrest am Luti kamen muß entweder mit den 
Eozänablagerungen bei Dolac am Nordfuße des Mosor oder mit jenen 
bei Dubrava auf der Südseite des Berges oder mit beiden in Zu- 
sammenhang gestanden sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der 
Tertiärrest am Luti kamen seine Erhaltung einem Einbruche verdankt, 
mit welchem zugleich die Depression der Kammlinie in jener Region 
in Beziehung stehen könnte. 

Ich war, als ich auf Grund der an den Südabhängen des Mosor 
gemachten Beobachtungen die Ansicht aussprach, daß am Mosor zur 
mittleren Eozänzeit für Dalmatien abnormale physische Verhältnisse 
bestanden, so vorsichtig, nur von „sehr seichten Meeresstellen und 
wohl auch flachen Inseln“ zu sprechen (Verhdl.d.k.k. geol. R.-A. 1902, 
pag. 422). Rechnet, man mit einer solchen teilweisen Überflutung des 
Gebietes, so wird allerdings das Vorkommen von brackischem Mittel- 
eozän gerade am Luti kamen am wenigsten unbegreiflich sein. Er 
liegt gerade in der Mitte zwischen jenen Stellen, an welchen sowohl 
die nord- als südwärts vom Mosorkamme vorhandenen mitteleozänen 
Ablagerungen demselben am meisten nahe kommen. War irgendwo 
die Verbindung zwischen dem Meere auf der Nord- und Südseite des 
Mosor in keinem Abschnitte der Mitteleozänzeit ganz unterbrochen, 
so ist es aus den eben angeführten Gründen am nächstliegenden, daß 
dies zwischen Dolac dolnji und Dubrava der Fall war. 

Es würde dann am Mosor das heutige Relief zu dem alttertiären 
nicht nur insofern Bezug haben, daß dort, wo heute ein das ganze um- 
liegende Gebiet beherrschendes Gebirge aufragt, zu einer Zeit, da jenes 
umliegende Gebiet noch überflutet war, schon Land vorhanden wär, 
sondern sogar eine nähere Beziehung zu erkennen sein, indem die beiden 
durch ein Depressionsgebiet getrennten Erhebungszentren des Gebirges 
(mit den Kulminationspunkten Ljubirna 1340 m und Kozik 1319 m) 
zweien durch einen Meereskanal getrennten Inseln der Mitteleozänzeit 
entsprechen würden. Es kann dabei der tiefste Teil der Kamm- 
depression, der Luti kamen, doch noch — wie oben als wahrscheinlich 
hingestellt wurde — mit einem späteren Einbruche im Bereiche des schon 
emporgestauten Gebirges im Zusammenhange stehen. Das südostwärts 
von der Meeresstraße des -Luti kamen nicht überflutet gewesene Terrain 
müßte man sich als einen sehr schmalen Inselzug vorstellen 


[61] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 275 


Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine sehr genaue Durchforschung 
des Mosor, auf welche viel mehr Zeit verwendet würde als auf jene, 
welche ich durchführte, noch weitere kleine Tertiärreste in den Hoch- 
regionen des Gebirges aufdecken könnte. Wahrscheinlich ist es bei 
der Dichte des von mir über dieses schwer zu begehende Gebirge 
gelegten Routennetzes allerdings nicht. Aber selbst solche neue Funde 
könnten nur zur Annahme mehrerer seichter, sich kreuzender Meeres- 
kanäle und mehrerer durch sie getrennter Inselchen führen, das 
im vorigen erörterte paläogeographische Hauptresultat jedoch nicht 
alterieren. 

Auf jeden Fall müßte der Nachweis von anstehenden Partien 
eozänen Kalkes geliefert werden, denn dem gelegentlichen Vorkommen 
vereinzelter loser Trümmer von Alveolinen- und Nummulitenkalk in- 
mitten von Rudistenkalkterrains, fernab von den nächsten Tertiär- 
strichen liegt nämlich eine ganz ungeologische Ursache zugrunde. 
Es pflegen die Landleute, wenn sich das Gleichgewicht der auf die 
beiden Seiten eines Tragtieres zu verteilenden Lasten nicht leicht 
erzielen läßt, durch Hinzubinden eines Gesteinstrummes auf die weniger 
beschwerte Seite den Gewichtsausgleich herzustellen und dann dieses 
Gesteinstrumm, sobald es seinen Zweck erfüllt hat, wegzuwerfen, völlig 
unbekümmert darum, ob sie sich noch in demselben geologischen Hori- 
zont befinden, in welchem sie den Stein aufhoben, oder nicht. Dem 
später kommenden Geologen wird im letzteren Falle — sofern er 
ohne Kenntnis dieser Art von Gesteinsverschleppung ist -—- unnützes 
Kopfzerbrechen aufgenötigt. 

Zu Füßen des Südabhanges des mittleren Mosorkammes breitet 
sich die große Gebirgsterrasse von Mokrice und Sipac aus. Dieselbe 
bildet die östliche erhöhte Fortsetzung der Kovacevicterrasse, welche 
dem Kamme des Westmosor im Süden vorliegt. In ihrem westlichen 
Teile ungefähr 1 km breit, verschmälert sie sich gegen SO hin all- 
mälig auf die Hälfte dieser Breite und endet dann mit einem gegen 
SO gekehrten Steilrande am Fuße des Ljubirnagipfels. Die Region 
von Mokrice und Sipae entspricht noch weniger, als es die schmalen 
Stufen auf der Nordseite des Mosor tun, dem engeren Begriffe einer 
Bergterrasse. Sie ist ein äußerst kompliziert gestaltetes Terrain mit 
vielen Rücken und mehr oder weniger isolierten Hügeln und dazwischen 
eingesenkten großen und kleinen tiefen Mulden. Der Umstand, daß 
die Durchschnittshöhe der Basislinie des Mosorkammes mit der mitt- 
leren Erhebung der südwestlichen, durch einen Steilrand dargestellten 
Grenze des Terrains beiläufig übereinstimmt, gestattet aber, von 
einer Gebirgsterrasse im weiteren Sinne des Wortes zu sprechen. 
Die Terrasse am Südfuße des mittleren Mosorkammes gliedert sich 
in einen tiefer gelegenen westlichen und in einen höheren östlichen 
Abschnitt, die beide durch einen gegen NW geneigten Abhang von 
einander geschieden sind. Im ersteren Teile, dem der Flurname 
Mokrice zufällt, liegen die ärmlichen Almhütten von Vickov staje, 
Mandir staje und Smoljane staje; letztere beide an den Rändern 
einer großen, mehrfach ausgebuchteten Vertiefung von zirka 830 m 
Höhe. Im höheren Teile, an dessen Westecke die Kuppe Kitere 
(937 m) aufsteigt, liegen am Fuße des Pyramidengrates zwei große, 

86* 


276 Dr. Fritz v. Kerner, [62] 


von der Isohypse von 1000 m umgrenzte große Mulden, deren öst- 
liche den Namen Sipae führt. 

In diesem dem Kamme des Mittelmosor gegen Süden vorgelagerten 
Terrain sind weitgehende Beziehungen zwischen Gebirgsbau und Relief 
vorhanden. Westwärts von der 882 m hohen Kuppe oberhalb der Hütten 
von Gajne entspricht der südsüdwestliche Rand der Mokriceterrasse 
einer Abflachung der am Abhang unterhalb derselben steil gegen SW 
einfallenden Schichten. Nordwärts von der eben genannten Kuppe 
fallen die Schichten gegen O, ONO und OSO. In der Längsmulde 
nordwestwärts von Vickov staje konstatiert man horizontale Schicht- 
lage und kurz vor dieser Staje eine flache Synklinale: sanftes Ein- 
fallen gegen NNO und SSW. Weiter östlich, am Westfuße der 867 m 
hohen Kuppe zwischen Vickov staje und Smoljane staje, dürfte west- 
liches Einfallen vorhanden sein. Der Hügelwall, zu welchem sich der 
Terrassenrand südwärts von Vickov staje aufwirft, entspricht einer 
Schichtaufwölbung mit sanft gegen NO oder ONO und steil gegen 
SSW einfallenden Flanken. Ähnliche Verhältnisse erkennt man am 
Rande der östlichen höheren Terrasse, woselbst die früher erwähnte 
Kuppe Kitere durch horizontal liegende Bänke in der Mitte einer 
flachen Schichtaufwölbung gebildet wird. In der großen Mulde von 
Sipac ist horizontale Lagerung deutlich zu erkennen. Au den Hügeln 
südwestwärts von Sipac ist nordöstliches, an den weiter gegen den 
Terrassenrand zu gelegenen Kuppen südwestliches Fallen feststellbar. 
Der Boden der Mulde von Sipac ist uneben und nur in seinen tiefsten 
Teilen mit Terra rossa bedeckt. Dazwischen tritt viel anstehendes 
Gestein zutage. Dasselbe ist in der westlichen Nachbarmulde der 
Fall. Die ganze im vorigen beschriebene Region am Südfuße des 
mittleren Mosorkammes ist ziemlich reich mit pontischer Waldvege- 
tation bedeckt. 

Am Fuße des Ljubirnagipfels begrenzt sich die Terrasse von 
Sipac ostwärts mit einem erhöhten Rande, von welchem das Terrain 
steil gegen SO abdacht. Diese Abdachung bildet im Vereine mit den 
Südabhängen des Kammstückes zwischen Ljubirna und Luti kamen 
die Westwand einer ausgedehnten, gegen Süd sich Öffnenden Gebirgs- 
bucht, durch welche die Grenze zwischen dem Mittel- und Ostmosor 
zu ziehen ist. Der westliche, noch dem Mittelmosor zuzurechnende Teil 
dieser Region ist ein gut bewaldetes Terrain mit steil aufstrebenden 
Felshügeln und tiefen Mulden. Die Kalkschichten scheinen hier auch 
eine flachwellige Lagerung zu besitzen. 

Vom Rande der breiten Terrasse von Mokrice und Sipaec fällt 
das Terrain steil zu einer tieferen Gebirgsstufe ab. Dieser Steilhang 
entspricht zugleich einer Zone steil gegen SSW einfallender Schichten. 
Man kann dies an den beiden Fußsteigen, welche vom Zagradjetal 
nach Mokrice hinaufführen, sowie am Abhange östlich von der Kuppe 
Kicere und in der Gegend von Polilina an mehreren Stellen ziemlich 
deutlich wahrnehmen. 


[63] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 277 


IX. Die mittlere Terrasse auf der Südwestseite des 
mittleren Mosor. 


Die Terrainzone, welche sich zu Füßen des soeben besprochenen 
Steilabfalles hinzieht, kann auch nur insofern als eine Gebirgsstufe 
bezeichnet werden, als sie, da unter ihr wiederum ein jäher Absturz 
folgt, zwischen zwei Steilgehänge eingeschoben ist. Dem engeren 
Begriffe einer Gebirgsterrasse entspricht sie keineswegs. Durch einen 
Querrücken, welcher eine Strecke weit ostwärts vom Fuße des Kitere 
liegt, wird diese Zone in zwei Abschnitte geschieden. Der östliche 
zerfällt durch einen zweiten kleinen Querwall in zwei gegen Süden 
offene flache Mulden. 

Im westlichen Abschnitt kommt es aber dadurch, daß der nach 
innen zu, das heißt gegen NO gelegene Teil tief absinkt, der Rand 
dagegen nur eine mäßige Höhenabnahme erfährt, zur Bildung eines 
Längstales und einer selbständigen Vorkette des Gebirges. Dieses Tal, 
das Hochtal von Zagradje liegt in der östlichen Verlängerung des im 
dritten Kapitel beschriebenen Gehänges ober Mianovi6 und Gajne. Die 
Felsmauer, welche jenes Gehänge krönt, setzt sich in die Felsabstürze 
auf der Nordseite des Zagradjetales fort, die Felsmauer, welche unter- 
halb jenes Gehänges verläuft, findet in dem Grate, der das eben 
genannte Tal im Südwesten begleitet, ihre Fortsetzung. Zwischen 
der Felsmauer ober Gajne und dem Westfuße des Grates öffnet sich 
eine enge wilde Schlucht, die hinter diesem letzteren zum unteren 
Ende des Zagradjetales aufsteigt. 

Auf der Nordseite des unteren erweiterten Teiles dieser Schlucht 
sieht man eine große schiefe Felsfläche von Dolomit. Dieses Gestein 
streicht demzufolge aus der Gegend ober Mianovi&, wo es noch in 
anstehenden Partien zutage tritt, unter dem Öberflächenschutte des 
Gehänges ober Gajne gegen Osten weiter. Oberhalb dieser Dolomit- 
fläche steigen Kalkwände an, die aus mäßig steil gegen SSW ein- 
fallenden Schichten zu bestehen scheinen. Im oberen engen Teil der 
Schlucht befinden sich gleichfalls Klippen von Dolomit zwischen Kalk- 
massen eingezwängt. Auf der Nordseite des Schluchtbeginnes trifft 
man eine löcherige, der Nagelfluh ähnliche Breccie an. Diese Schlucht 
entspricht einer Verwerfungskluft ; an ihrer linken Seite ist eine Rutsch- 
fläche sichtbar. 

Das Hochtal von Zagradje zerfällt in einen etwa 1 km langen 
unteren Teil mit schmalem ebenen Talboden und in einen oberen 
grabenartigen Teil, der aus der Vereinigung mehrerer Wurzelgräben 
hervorgeht. Das Gehänge zur Rechten des untersten Talabschnittes 
ist mit viel Schutt und Bergsturztrümmern bedeckt; weiter taleinwärts 
sieht man den Dolomit — teilweise auch noch von Schutt überlagert — 
die untere Gehängezone bilden und sich nach oben hin längs einer 
taleinwärts sanft ansteigenden Linie scharf gegen den Kalk abgrenzen, 
welcher die oberen steileren Gehängeteile aufbaut. Der Dolomit scheint 
mäßig steil nach SSW, der Kalk dagegen sehr steil nach dieser 
Richtung einzufallen. Man gewinnt den Eindruck, daß der Kalk dem 
Dolomit nicht aufliegt, sondern neben ihm sehr steil zur Tiefe geht. 


378 Dr. Fritz v. Kerner. [64] 


Die linkseitige Begrenzung des unteren Zagradjetales bildet 
der früher erwähnte Felsgrat, welcher nach einer ihn krönenden 
Kapelle (717 m) als Grat von Sv. Kuzman bezeichnet werden soll. 
Gegen Süd fällt dieser Grat mit steilen Wänden ab. Gegen das Hoch- 
tal von Zagradje dacht er mit einem mäßig steilen Gehänge ab. Zur 
Linken des untersten Talabschnittes besteht dasselbe ganz aus Rudisten- 
kalk, weiter taleinwärts tritt auch hier am Rande des Talbodens Dolomit 
zutage und nimmt dann, da seine Grenzlinie gegen den Kalk am Ge- 
hänge schief hinanzieht, mehr und mehr am Aufbaue desselben Anteil. 
Die oberen Gratteile bestehen aber auch dann noch aus Rudistenkalk. 
Auf der Südseite des Zagradjetales fällt der Dolomit ziemlich sanft 
segen N bis NNO. Der anstoßende Kalk liegt hier dem Dolomit auf 
und zeigt gleichfalls nördliches Einfallen. Die Südabstürze des Kuzman- 
srates scheinen aber durch steil gegen S einfallende Schichten ge- 
bildet zu sein. Es dürfte deshalb dieser Grat einer Auffaltung mit 
steilem Süd- und sanftem Nordflügel entsprechen. Auf der Südseite 
des untersten Zagradjetales sind die Lagerungsverhältnisse schwer zu 
beurteilen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch im niedrigen nord- 
westlichen Teile des Kuzmangrates eine der eben genannten analoge 
Umbiegung der Kalkschichten stattfindet. (Siehe Taf. Il, Prof. III u. IV.) 

Durch die mit Rasen bewachsene Sohle des unteren Zagradjetales 
schlängelt sich ein großenteils trocken liegendes Bachbett, das die in 
den Talwurzelstücken bei Regengüssen rasch sich sammelnden Ge- 
wässer abführt. An den Seitenwänden dieses Rinnsales sieht man 
feinen, mit roter Erde durchmengten Schutt aufgeschlossen. 

Am oberen Ende des Talbodens ist die synklinale Lagerung der 
Dolomite zu beiden Seiten des Zagradjetales deutlich zu erkennen. 
Der Dolomit bildet bis dahin auf beiden Talseiten schiefe, mit dem 
Gehänge abdachende Felsflächen. Weiter aufwärts formiert er aber 
eine große Zahl grotesker und bizarr gestalteter Felsklippen, welche 
an die Pilzfelseu der Wüste erinnern. Diese Klippen sind von jenen 
Felsbastionen, welche in diekbankigen Rudistenkalken auftreten, im 
Aussehen sehr verschieden und heben sich von den Kalkfelsen auch 
durch ihre dunkelgraue Farbe ab. Mit solchen Klippen ist haupt- 
sächlich der kleine Grat besetzt, welcher die Spaltung des obersten 
Zagradjetales in zwei Hauptäste veranlaßt, von denen der südliche 
noch mehrere Seitenäste abgibt. Die Dolomitpilzfelsen zeichnen sich 
hier sowohl durch Größe als auch durch Formenmannigfaltigkeit be- 
sonders aus. Es sei gleich hier bemerkt, daß der Dolomit des Mosor 
auch einigermaßen wasserhaltend ist und so zum Auftreten von Sicker- 
wässern und zeitweise rieselnden Quellfäden Anlaß gibt und daß er 
die vom Haidekraut bevorzugte Gesteinsart darstellt, auf welcher 
dieser im Blütezustande so schöne Strauch sehr üppig wuchert.. Dies 
alles wirkt zusammen, dem Hintergrunde des Zagradjetales einen 
eigenartigen, gegen die umgebenden Kalkwildnisse kontrastierenden 
Landschaftscharakter zu verleihen. 4 

Die Dolomitzone erstreckt sich über beide Aste des Zagradje- 
tales; das rechtseitige Gehänge des nördlichen Talastes, unterhalb 
der Kuppe Kiöere, ist zum Teil von Kalkschutt überlagert, auf der 
linken Seite des südlichen Astes reicht der Dolomit bis auf den 


[65] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 279 


Rücken hinauf, welcher die östliche Fortsetzung des Kuzmangrates 
bildet. Auf dem Querrücken, welcher das Zagradjetal gegen Ost ab- 
schließt, erheben sich zwei Hügel, zwischen welche sich ein breiter 
Sattel einschiebt. Der nördliche dieser beiden Hügel besteht aus 
Kalk. Es kommt so eine halbkreisförmige Einbuchtung der nördlichen 
Dolomitgrenze zustande, welche, da ihr nur eine sehr seichte Aus- 
bauchung der südlichen Grenze gegenüberliegt, zugleich eine Ein- 
schnürung der Dolomitzone mit sich bringt. Zwischen der Kuppe des 
soeben genannten Hügels und dem Steilgehänge unterhalb der Sipac- 
stufe befindet sich ein zweiter, höher gelegener Sattel. Auf der West- 
seite desselben fallen die Schichten sanft gegen Süden ein und stoßen 
scharf an die steil gegen S einfallenden Kalke am Abhange unter der 
Terrasse von Sipac. Auf der Kuppe des Kalkhügels liegen die Schichten 
flach. Gegen den oberen Sattel hin sind sie sanft gegen NO geneigt, 
auf der Ostseite desselben zeigen sie ein sanftes östliches Einfallen. 
Hier sieht man deutlich, daß der Dolomit unter dem Kalke hervor- 
tritt und somit der wiederholt genannte Hügel eine dem Dolomit flach 
auflagernde Kalkkappe bildet. Am Steilabfalle unterhalb der Sipac- 
terrasse fallen die Schichten ziemlich steil, wenn auch weniger steil 
als an der Nordwand des obersten Zagradjetales gegen SW. Die 
Grenze zwischen diesen Schichten und den sanft gegen NO und OÖ 
geneigten am Hügel ist nicht scharf und deutlich, doch hat man den 
Eindruck, daß eine Störungslinie vorliegt und nicht eine scharfe bruch- 
lose Umbiegung der Schichten stattfindet. Es zieht sich hier somit 
der Längsbruch, welcher auf der rechten Seite des Zagradjetales 
konstatierbar ist, gegen Ost weiter. (Siehe Taf. II, Prof. V.) 

Der südliche der beiden Hügel, welche sich am Rücken, der 
das Zagradjetal gegen Ost abschließt, erheben, ist niedriger und 
flacher als der vorerwähnte. Die Nordhälfte seiner Kuppe baut sich — 
gleichwie der Sattel zwischen den beiden Hügeln — aus Dolomit auf. 
Die Südhälfte seiner Kuppe besteht aus Kalk. Am Südabhang des 
Hügels tritt aber wieder Dolomit zutage. Dieser Dolomit und der 
Kalk, welcher die Südhälfte der Hügelkuppe bildet, formieren schmale 
Felszüge, welche in entgegengesetzten Richtungen zungenförmig in 
den Komplex des benachbarten Gesteines eindringen, und zwar in.der 
Weise, daß sich die Dolomitzunge von Westen her in den Kreidekalk 
vorschiebt und die von letzterem dadurch abgegliederte Randpartie 
als ein von Osten gegen Westen in die Dolomitzone eindringender 
schmaler Keil erscheint. Auf dem schon wiederholt erwähnten Sattel, 
welcher vom Zagradjetale in das östlich benachbarte Dolomitgebiet 
hinüberführt, befindet sich ein halb verfallenes Schurfloch. Hier soll 
in längst vergangenen Tagen nach Gold gegraben worden sein. Dies 
wäre noch nichts Undenkbares. Wunderbar klingt es dagegen, daß 
man am Mosor in alter Zeit auch Gold gefunden haben soll. 

Noch wunderbarer als dieses Märchen ist der Umstand, daß es 
heute noch geglaubt wird. Das heftige Montanfieber, welches im 
letzten Dezennium des verflossenen Jahrhunderts in Dalmatien 
grassierte, scheint zwar etwas nachgelassen zu haben, die angeblichen 
Berge vorzüglichen Beauxits, welche Dalmatien eine führende Rolle 
auf dem Aluminiummarkte hätten verschaffen sollen, scheinen zwar 


280 Dr. Fritz v. Kerner. [66] 


auch in den Augen der Nichtgeologen zu kleinen, wenig mächtigen 
Lagern eines seines größeren Kieselsäuregehaltes wegen technisch 
kaum verwertbaren Beauxits (als was sie den Geologen bereits be- 
kannt waren) herabgesunken zu sein. Die negativen Ergebnisse von 
Bohrungen scheinen die Hoffnung auf Realisierung des heißen, aber 
leider nach Ansicht der Geologen unerfüllbaren Wunsches, im Promina- 
gebiet auf ein dem Flöz von Carpano äquivalentes großes unteres 
Flöz zu stoßen, etwas herabgestimmt zu haben. Auch die Überzeugung 
von der enormen Ausdehnung der Kohlenlager im nördlichsten Dal- 
matien, welche dieses Land einst zur Kohlenkammer Europas machen 
sollten! (obwohl die supponierte große flache Mulde gar nicht existiert), 
scheint an Festigkeit verloren zu haben und selbst betreffs des seiner 
Qualität nach guten Asphaltsteines scheint die Erkenntnis aufzukeimen, 
daß man sich in bezug auf die Ausdehnung und Mächtigkeit seiner 
Vorkommnisse allzu kühnen Illusionen hingegeben hat. Der Gedanke, 
daß Dalmatien auch einen von Goldadern durchzogenen Berg besitze, 
ist aber zu süß, als daß sich die Bewohner dieses Landes dazu ent- 
schließen könnten, ihn aufzugeben. Und doch sind kretazischer Dolomit 
und Rudistenkalk am allerwenigsten dazu geeignet, Hoffnungen auf 
Goldvorkommnisse zu erwecken. Eine Stütze für die Annahme der 
Goldhaltigkeit des Mosor scheint man darin zu erblicken, daß in 
einem Torrente in der Nähe der vom Westfuße des Berges nicht 
weit entfernten Ruinen von Salona lose Goldkörnchen gefunden wurden. 
Ich bekam ein solches zu Gesicht und es schien dasselbe von dem 
slitzernden Geschmeide einer einstigen Bewohnerin des antiken 
Städtchens herzustammen. Was ein zweites dalmatinisches Goldvor- 
kommen anbelangt, das durch seinen chemischen Nachweis blenden 
und diejenigen verstummen machen soll, welche die gelegentlich von 
Landleuten in Dalmatien gemachten Goldfunde auch ungesehen für 
Pyrit erklären möchten, so erhielt ich von dem an der Spalatiner 
chemisch - landwirtschaftlichen Versuchsstation tätigen Fachmanne, 
welcher jenen Nachweis lieferte, die Auskunft, daß es sich in jenem 
Falle um ein zwei Goldschüppchen enthaltendes Quarzstückchen ge- 
handelt hat, welches sehr nahe der dalmatinischen Grenze in Bosnien 
gefunden worden war. 

Diejenigen, die schon auf den Gedanken an Goldadern verzichten, 
möchten wenigstens ein Vorkommen goldhaltigen Pyrits annehmen. 
Doch sind Pyritvorkommnisse im Kalk des Mosor äußerst selten. Ich 
bekam nur einmal bei Gata ein Kalkstückchen mit eingesprengtem 
Eisenkiese zu Gesicht. 

Sobald man übrigens anfängt, in der Angelegenheit des Mons 
aureus zur Annahme des Vorhandenseins bloß von Spuren von Gold 
herabzusteigen, so wird, sobald dieser Abstieg mutig und in aus- 
reichende Tiefe unternommen wird, auch der Geologe nicht unerbittlich 
sein. Gold zählt bekanntlich zu den häufiger verbreiteten Grundstoffen, 
ist es doch im Meerwasser nachgewiesen worden! Da könnte es wohl 
in dem zum größten Teile aus marinen Sedimenten aufgebauten Mosor 
vorhanden sein. Freilich wird mit dem Zugeständnis einer Goldhaltigkeit 
des Mosor in diesem Sinne kein Dalmatiner zufrieden sein. 

Ich gebe mich indessen nicht der Vermutung hin, daß der süße 


[67] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 281 


Traum vom Goldgehalt des Mosor bald ausgeträumt sein wird. Ich 
erinnere mich, wie mein seliger Vater wiederholt erzählte, daß einst- 
mals einer seiner Kollegen an der Universität Innsbruck, ein klassischer 
Philologe, bei einem Widerspruche zwischen den Angaben des Plinius 
und jenen der modernen Forschung in bezug auf das Vorkommen 
einer Pflanzenart in Süddeutschland nach einigem Schwanken sich 
dafür entschied, es mit Plinius zu halten. So würde es mich auch 
nicht wundern, wenn es Leute geben sollte, die der Ansicht wären, 
Plinius müsse die Geologie Dalmatiens doch schon besser verstanden 
haben als Hauer und Stache und diejenigen, die im Anschlusse 
an die grundlegenden Arbeiten dieser beiden Gelehrten nun seit einem 
Dezennium an der harten Arbeit sind, die geologischen Verhältnisse 
Dalmatiens genauer zu erforschen. 

Trotzdem steht es fest, daß sich der römische Name des Mosor, 
Mons aureus, nicht auf eine Goldhaltigkeit dieses Berges beziehen kann 
und daß man unter den an früheren Stellen erwähnten Erklärungen 
dieses Namens wählen muß. 

Da sich im folgenden nicht mehr Gelegenheit ergeben wird, 
auf die Namensfrage zurückzukommen, sei hier noch einer Ansicht 
Erwähnung getan, die dahin geht, der heutige Name des Gebirges 
östlich von Spalato stamme nicht von dessen in der Römerzeit ge- 
bräuchlich gewesenen Bezeichnung. Der Name Mosor sei von einem 
altarnautischen Worte Masaron abzuleiten, welches so viel wie Hügel 
oder Berg bedeute. Es würde dann die von Penck kreierte Ver- 
wendung des Wortes Mosor als karstmorphologischer Gattungsbegriff 
sprachkundlich gerechtfertigt sein. Dem Nichtfachmanne erschiene 
die Ableitung des Wortes Mosor von Masaron viel plausibler als jene 
von Mons aureus. Doch soll angeblich manches gegen die erstere 
Ableitung sprechen. 

Jenseits des Rückens, welcher das Hochtal von Zagradje gegen 
OÖ abschließt, befindet sich eine Mulde, in deren Zentrum ein kleiner, 
völlig ebener Wiesenboden liegt. Nach Süden zu ist diese Mulde offen, 
gegen O begrenzt sie sich durch einen kleinen Querrücken, welcher 
aus dem Steilgehänge unterhalb Sipae gegen SSW vorspringt. Die 
Abhänge im Westen, Norden und Osten dieser Mulde bestehen aus 
Dolomit, gegen Süd liegt ihr ein ganz flaches Kalkterrain vor, in 
welchem sich mehrere niedrige Hügelchen erheben. Man kann hier 
deutlich sehen, daß der Dolomit unter dem flach gelagerten Kalke her- 
vorkommt. Nicht so klar sind die tektonischen Beziehungen zwischen 
Dolomit und Kalk an dem gegenüberliegenden Rande der Dolomitzone, 
welcher sich über das zum Teil mit Schutt bedeckte eingebuchtete 
Nordgehänge der Mulde hinzieht. Man sieht hier hinter der am oberen 
Rande der Dolomitzone befindlichen Quelle Ljubae die unterste Kalk- 
bank einer Felswand aufliegen, welche dem Grenzniveau zwischen 
Kalk und Dolomit entspricht. Am Fuße dieser Felswand ist 30° gegen 
SW einfallender blättriger Dolomit vorhanden. In der Nähe dieser 
Stelle scheint es, daß der Dolomit in den die Felswand bildenden 
dolomitischen Kalk direkt übergeht. Weiter ostwärts wird eine genaue 
Verfolgung der Verhältnisse an der Grenze von Dolomit und Kalk 
durch partielle Schuttbedeckung erschwert. Man gewinnt so den Ein- 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Hett. (F. v. Kerner.) 37 


282 Dr. Fritz v, Kerner, [68] 


druck, daß in der Region der Quelle Ljubac eine Auflagerung des 
Kalkes ‘auf den Dolomit stattfindet. An anderen Stellen kann: man 
dieses Lagerungsverhältnis nicht deutlich erkennen, so daß es möglich 
schiene, daß die Störungslinie, welche weiter westwärts an der Nord- 
srenze des Dolomitaufbruches konstatierbar ist, sich über den Quer- 
rücken hinter dem Zagradjetale nach Ost fortsetzt und hier keine 
Auflagerung, sondern eine Anlagerung des Kalkes an den Dolomit bei 
ziemlich gleicher Neigung und Einfallsrichtung beider stattfinde. Das 
Kalkgehänge ober dem Dolomit zeigt die bei früherer Gelegenheit 
als Plioklinie bezeichnete Strukturform. Am Gehänge westlich von 
der Ljubacmulde und besonders am Fuße dieses Gehänges trifft man 
eine große Menge von bizarr geformten Dolomitfelsen. Auch über das 
Gehänge auf der Ostseite der Mulde sind viele Dolomitfelsen zerstreut. 

Jenseits des kleinen Querrückens, welcher die Ljubacmulde 
gegen O begrenzt, liegt eine zweite gegen Süden offene Einbuchtung 
des Gehänges mit einem ebenen Boden in der Tiefe. Das Eluvium 
liegt hier über der unteren Grenze zwischen Dolomit und Kalk, so 
daß sein Südrand schon von Kalk gebildet wird. Auch zu beiden Seiten 
dieser Mulde kann man schon die Auflagerung des Kalkes auf den 
Dolomit erkennen. An dem Abhange, welcher vom Nordrand- dieses 
Eluvialboden sansteigt, sieht man viele gegen SSW abdachende Dolomit- 
felsflächen. 

Ostwärts von diesem zweiten Eluvialboden tritt eine rasche Ver- 
schmälerung der Dolomitzone ein. Am Wege, welcher von Sitno zum 
Luti kamen führt, passiert man einen noch etwa 15—20 m breiten 
Dolomitstreifen. Nordwärts von dieser Stelle dringt ein tiefer Graben 
in östlicher Richtung in das Kalkterrain von Na metac ein. Dem Höhen- 
zuge, welcher diesen Graben südwärts begrenzt, ist ein schroffer langer 
Felsriff aufgesetzt. Längs der Südseite dieses Riffes verläuft der 
Dolomitzug, schon sehr schmal, noch ostwärts vom vorgenannten Wege 
weiter. Man trifft hier vorzugsweise loses Trümmerwerk, aber auch 
noch anstehende Felspartien. Südostwärts von dem Kalkriffe ragt ein 
Hügel auf, welcher gleichfalls aus Kalk besteht. Der Dolomit zieht 
zwischen Riff und Hügel hindurch und endet dann in einer kleinen 
nordwärts von dem letzteren gelegenen Doline. Der Felsriegel, welcher 
diese Doline gegen Ost begrenzt und von einem tiefen, gegen Süd 
abfallenden Graben scheidet, besteht schon ganz aus Kalk. In dieser 
Grenzzone des Dolomits trifft man Breccien und viele Brocken von 
ziegelrotem Mergel, wie er in den kretazischen Dolomitresionen von 
Norddalmatien nicht selten auftritt. 

Die Dolomitzone auf der Südseite des mittleren Mosor ist ein 
wasserführender Horizont, der durch seine hohe Lage und die Er- 
scheinungsform mehrerer der in ihm befindlichen Quellen besonderes 
Interesse bietet. Ich hatte Gelegenheit, diesen Quellenhorizont in drei 
verschiedenen Stadien der Wasserführung zu betreten. Zunächst im 
Frühsommer, zur Zeit eines ungefähr mittleren Wasserreichtums, dann 
in den letzten Tagen einer langen, völlig regenlosen sommerlichen 
Dürreperiode (1905) im Zustande größter Wasserarmut und unmittel- 
bar nach einem heftigen Gußregen im Beginne der Herbstregenzeit. 
Der das Hochtal von Zagradje durchziehende Potok ist der Abfluß 


[69] Geologische Beschreibang der Mosor planina. 283 


einer Quelle, welche nahe ober dem Ostende der Sohle des genannten 
Tales entspringt. Diese Quelle, Vrutak genannt, entsteht aus jenen 
Regenwassern, welche auf die wahrscheinlich hemizentroklinal gela- 
serten Dolomite des obersten Zagradjetales fallen. Ein Teil dieser 
Wässer tritt schon in den Wurzelgräben jenes Tales aus, um bald 
wieder zu:versiegen und dann noch ein zweitesmal an der Speisung 
einer Quelle teilzunehmen. Das Wasser tritt bei Vrutak an der Grenz- 
fuge zweier flach gelagerter Dolomitbänke aus und füllt dann ein von 
Binsen umstandenes seichtes Becken. Weiter abwärts sind dann noch 
ein. paar:-kleine Tümpelchen im Rinnsale vorhanden. Zu Ende: der 
sommerlichen Trockenzeit war diese Quelle total versiegt, nach dem 
heftigen Regengusse : war sie wasserreich und das Rinnsal des Zagradje 
potok von einem -Bächlein durchrauscht. 

- Beim Anstiege -durch das Felsgeklüft im rechtseitigen Aste 
des Zagradjetales kommt man bald zu einer Stelle, wo unter Dolomit- 
felsen: ein kleines, von nassen Moospolstern umgebenes Wasserbecken 
liegt. - Diese Stelle war die einzige im Bereiche des Zagradjetales, 
wo zu Ende der sommerlichen Trockenzeit Wasser anzutreffen war. 

. Etwas weiter- oben befindet sich eine überhängende Felswand, 
in welcher zwei tiefe glattwandige Nischen ausgewaschen sind. Eine 
derselben ‚setzt sich in einen kleinen runden Felskanal fort. Aus diesem 
Kanal: .schoß bei meinem Besuche der Felsenwildnisse oberhalb der 
Vrutakquellenach dem erwähnten heftigen Regen ein mächtiger Wasser- 
strahl:hervor. Auch von den Wänden der anderen Nische, deren Boden 
mit Wasserpflanzen überzogen ist, tropfte und rieselte viel Wasser 
ab. Etwas höher: oben. brach damals links von einer natürlichen Fels- 
brücke eine gleichfalls starke Quelle hervor. Beim Besuche der Region 
zu Ende der sommerlichen Dürreperiode waren sowohl diese Quelle 
als auch die vorerwähnte, aus einem Felskanal fließende total versiegt. 
Dasselbe war bei einer Anzalıl von kleinen Quelladern der Fall, welche 
nach Beginn der. herbstlichen Regenzeit zu beiden Seiten des Riegels 
aufbrachen, der das Zagradjetal von der Ljubacmulde scheidet. Zwei 
dieser Wasseradern befinden sich auf der Ostseite des eben genannten 
Riegels; die eine, hinter welcher sich ein kleines Steinmäuerchen 
erhebt, liegt etwas unterhalb der märchenhaften alten Goldmine, die 
andere, schwächere, südwestlich von:der vorigen. 

- Eine größere Zahl: von Stellen, an welchen nach röiehkchen 
Niederschlägen Wasser zutage tritt, befindet sich auf der Ostseite 
des vorgenannten Riegels, beziehungsweise am Westabhang der Mulde, 
an. deren Nordabhang die Ljubacquelle liegt. Eine dieser Stellen liegt 
am. oberen Rande des Gewirres von bizarren Felsklippen, welches 
sich am ÖOstfuße des Riegels ausbreitet. Hier kommt das Wasser 
unter einem hohen FErikabusche hervor und fließt über eine schiefe 
Dolomitfelsfläche ab. Eine zweite, durch oberflächlich eingedrungene 
Wasser -gespeiste Quelle tritt am Ostabhang des Riegels unter einem 
zwischen -zwei Dolomitfelsflächen stehenden Erikabusche zutage. Eine 
dritte Quelle liegt nahe der vorigen und ist gleich dieser südöstlich 
exponiert. -Eine weitere kleine Wasserader entspringt nach voraus- 
gegangenen  Niederschlägen am Ostfuße -des Riegels nordwärts von 
dem genannten Klippeugewirre und nahe der in der Regenzeit ver- 

37* 


284 Dr. Fritz v. Kerner. [70] 


sumpften oder inundierten Sohle der Ljubacmulde. Eine andere kommt 
etwas oberhalb der vorigen aus einem Dolomitfels heraus. Zwei weitere 
Quellen liegen endlich höher oben am Nordwestabhang der Mulde und 
nur wenig tiefer als jene, welche am Nordgehänge dieser Mulde ent- 
springen, 

Diese letzteren sind die wichtigsten des ganzen Dolomitgebietes. 
Die Quelle Novak ist ein tiefes, künstlich erweitertes Quellbecken 
von zirka 1 m im Gevierte. In der nassen Jahreszeit ist dasselbe 
mit klarem Wasser ganz gefüllt und letzteres fließt am Beckenrande 
über. In der Trockenzeit liegt der Wasserspiegel in dem Becken 
merklich tiefer und es spielt dann bei der Erhaltung desselben in 
gleichem Niveau wohl auch die Verdunstung eine Rolle. Diese Quelle 
liegt sehr nahe der oberen Grenze der Dolomitzone. 

Die Quelle Ljubac ist die schönste und interessanteste der ganzen 
Dolomitregion. Man sieht hier ein sehr tiefes längliches Quellbecken, 
welches nach rückwärts in eine Felsnische eingreift und nach vorn 
zu durch eine schmale Felsbarriere abgeschlossen wird. Unter dieser 
letzteren befindet sich ein kleines Becken, in welches das Wasser 
des vorhergenannten durch eine in der schmalen Barriere befindliche 
enge Spalte, bei großer Wasserfülle wohl auch über die Barriere ein- 
fließt. Von diesem kleinen Becken gelangt das Wasser durch einen 
kurzen offenen Kanal in eine ovale Wanne. Letztere entleert sich 
durch einen an ihrer vorderen Schmalseite befindlichen Einschnitt in 
eine breite tiefe Rinne; bei hohem Wasserstande fließt das Wasser 
auch über die rechte Längsseite der Wanne in eine sehr flache Rinne 
ab. Die Quelle Ljubac, welche sich gleichfalls an der oberen Grenze 
der Dolomitzone befindet, ist die einzige dauernd fließende Quelle 
in der Dolomitregion des Mosor. Allerdings schrumpft auch bei ihr die 
Wassermenge zu Ende der Sommerszeit auf ein bescheidenes Maß 
zusammen. Noch im Frühsommer sah ich hier das Wasser mächtig aus 
dem Felsen sprudeln, im Herbste rieselte nur ein schwaches Wässerchen 
hervor. Die Quelle Ljubac verdient noch deshalb besondere Erwähnung, 
weil sie — abgesehen von der den Namen Quelle nicht zu Recht ver- 
dienenden Quelle Traposnik im Ostmosor — die höchstgelegene Quelle 
der ganzen Mosor planina ist (zirka 900 m). 

Die Quellen Novak und Ljubac unterscheiden sich von den 
früber genannten dadurch, daß sie nicht innerhalb der Dolomitzone, 
sondern an der Grenze derselben gegen den Kalk entspringen. Während 
die früher erwähnten Quellen der Auflagerung relativ durchlässiger 
verwitterter Schichten auf relativ undurchlässigen frischen Schichten 
desselben Gesteines ihre Entstehung verdanken, liegt beim Novak 
und Ljubac die Ursache der Quellbildung im Kontakt zweier ver- 
schiedener Gesteine. Die einfachste Erklärung des Auftretens dieser 
Quellen bestünde darin, daß sie Kombinationen von Überfall- und 
Schichtquellen darstellen, daß sie durch Wassermengen gespeist seien, 
welche sich auf der undurchlässigen Unterlage der Kalke der Sipac- 
stufe sammeln und über die stark geneigte Basis der Kalke am 
Steilabfalle unter dieser Gebirgsterrasse abfließen. Es ist nicht daran 
zu zweifeln, daß die Oberfläche des Dolomits, welcher die flach 
wellig gelagerten Kalke der oberen Mosorterrasse unterteuft, selbst 


[71] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 285 


sehr uneben ist und einzelne rings umwallte seichte Mulden aufweist, 
welche zu größeren Ansammlungen von Wasser im Geklüft der diese 
Mulden ausfüllenden Kalke Anlaß geben können. An den tiefsten Stellen 
der undurchlässigen Umrandung dieser Mulden wird sodann das Wasser 
in niedriger gelegene Nachbarmulden übertreten und alsdann über 
den flachen Wall, welcher — entsprechend der Aufwölbung der Kalke 
am Rande der Sipacterrasse — auch in der Dolomitbasis vorhanden 
sein wird, abfließen. Es tritt dann in der mittleren Gebirgsterrasse 
an der Grenze des Kalkes gegen den unterlagernden Dolomit zutage. 
Diese Erklärung setzt voraus, daß in der Gegend der in Rede stehenden 
beiden Quellen die Grenze zwischen Dolomit und Kalk einer Schicht- 
grenze entspricht, Zu dieser Auffassung wird man beim Anblicke 
jener Gegend gleich oberhalb der beiden Quellen — dem an früherer 
Stelle Gesagten zufolge — auch geneigt sein. 

Bei der Quelle Novak kommt nun aber das Wasser anscheinend 
von unten herauf und beim Ljubac scheint es sich ebenso zu verhalten, 
Man braucht deswegen noch nicht anzunehmen, daß ein Emporsteigen 
des Wassers aus erößeren Tiefen stattfindet. Es dürfte sich in beiden 
Fällen um Überfallquellen handeln. Man kann aber nicht annehmen, 
daß die beiden Quellen unmittelbar an einer steil abfallenden Schicht- 
srenze zutage treten. Man könnte doch zu der Ansicht neigen, daß 
hier die Grenze zwischen Kalk nnd Dolomit einer steilen Verwerfung 
von allerdings vielleicht nur mäßiger Sprunghöhe entspricht und daß 
das aus der Höhe kommende Wasser an der undurchlässigen Wand 
des Hangendflügels der Verwerfung aufgestaut wird. Die Orte des 
Wasseraustrittes entsprächen dann den tiefsten Punkten der Schnitt- 
linie der Verwerfungsfläche mit dem Abhange oder solchen Stellen, 
wo die Verwerfung durch einen Querbruch abgeschnitten wird. 

Es erscheint nun allerdings nicht unbedingt notwendig, daß das 
Überfallen der Quellen Novak und Ljubaec durch eine Verwerfung 
zwischen Dolomit und Kalk bedingt sei. Es könnten immerhin im 
Dolomit selbst Hohlräume und Klüfte existieren, so daß das Wasser, 
welches über den erhöhten Rand des dolomitischen Grundes der Sipac- 
stufe abfließt, schon oberhalb des unteren Randes der Kalkdecke, 
welche den Steilabfall jener Stufe bildet, in den lolomit eindringt, 
in einem Kluftsystem desselben aufgestaut wird und dicht unterhalb 
jenes Deckenrandes austritt. 

Der östlich von der Ljubacmulde befindliche Eluvialboden ist 
gleichfalls der Sammelort von Wassern, welche in das hinter ihm 
ansteigende Dolomitgehänge oberflächlich eindringen. Nach dem wieder- 
holt erwähnten Regengusse brach hier außer vielen Rieselwässern an 
einer Stelle ein mächtiger Quell hervor. Zu Ende der sommerlichen 
Dürreperiode war dieser Abhang gänzlich wasserlos und nur eine 
große Zahl von ausgetrockneten Schlammstreifen auf den Dolomit- 
felsflächen sichtbar. 

Das Gehänge, welches sich unterhalb der mittleren Mosorterrasse 
hinzieht, besteht aus steil gegen SSW einfallenden Rudistenkalken. 
Am Pfade, welcher von den Hütten von Poliine zur Dolomitregion 
hinaufführt, ist die steile Stellung der Kalkbänke gut erkennbar. 
Streckenweise stehen sie hier beinahe seiger. Am schmalen Steige, 


286 Dr. Fritz v. Kerner. [72] 


welcher :sich ober .den Hütten. von Orisine .emporwindet, fallen: die 
Kalke .60—70° SSW. Sie sind hier gut gebankt und. ziemlich reich 
an'Rudisten. Die engen Beziehungen zwischen Schicht- und. Gehänge- 
peigung, welche man .im Mosorgebiete so häufig. konstatieren kann, 
sind auch. am Rande .der mittleren Mosorterrasse sehr auffällig. -. 

:In- dem .Maße,. in :welchem man nach dem Emporstiege über die 
jähen Felsabstürze. .ober. Politine und Ori&ine bei der Annäherung 
an die Dolomitzone die. Neigung des Terrains abnehmen sieht, ver- 
mindern sich. auch die Neigungswinkel der Kalkbänke. . 
©....Ostwärts.von OriSine nimmt — entsprechend dem Auskeilen der 
Dolomitzone —. das unter ihr verlaufende Kalkgehänge an Breite zu 
und!. zugleich an. :Steilheit ab. Unterhalb des früher beschriebenen 
östlichen Endes des Dolomitzuges schiebt sich sogar eine kleine 
Terrasse in den Abhang ein. .Man trifft in dieser Gegend: weißen 
körnigen Kalk mit vielen.Resten von -Rudistenschalen, aber stellen- 
weise auch Gesteine mit Breccien- und Konglomeratstruktur, welche 
im Gegensatze zu.den. homogenen Kalken Pe ee Fels- 
plagues bilden. 


> x „Die nn Terrassen auf der. Südwestseite des 
mittleren Mosor. 


Die unteren Südwestabhänge des Mittelmosor sind der am kom- 
pliziertesten geformte Teil der. südlichen Gebirgsseite. Es sind hier 
zwei. Terrassen und. eine. selbständige Vorkette zu unterscheiden, 
Von.:den. beiden Terrassen eıstreckt sich jede nur über je eine Hälfte 
der Längsausdehnung des Gehänges. Sie liegen aber nicht in: gleicher 
Höhe. nebeneinander, sondern. sind in: bezug auf Höhe und. Lage 
derart gegeneinander verschoben, daß die nordwestliche die tiefere 
und :weiter vorgeschobene ist. Der in der nordwestlichen Fortsetzung 
der oberen, . weiter. zurückliegenden Terrasse befindliche .Abhang 
kommt so hinter die untere .Terrasse zu liegen und das in der süd- 
östlichen Verlängerung.der letzteren gelegene Gehänge entspricht dem 
Steilabfalle der ersteren. Zwischen beiden Terrassen. schneidet die 
Schlucht von Duplina in das Gebirge ein. Der Rand der nordwest- 
lichen Gebirgsstufe ist nur zu einem flachen. Rücken, dem Gradae. 
(422 m) aufgebogen;.der Rand der südöstlichen Terrasse wölbt sich 
dagegen:hoch empor, so daß eine selbständige Vorkette. des Mosor, 
die. Makirina (702 m) zustande kommt und der Terrassenboden in 
einen: .Talboden. übergeht.. Die Terrasse des Gradac. wird gegen NW 
hin durch .die Schlucht begrenzt, ‚welche sich in der: Verlängerung 
des. Stobrectales gegen die. Mündung. des Hochtales von Zagradje 
hinanzieht.. Diese Schlucht ‚befindet sich ziemlich genau zu -Füßen 
jener Stelle des Hauptkammes, welche als Grenze zwischen dessen 
West- und Mittelabschnitt zu.gelten hat. Der Kamm der Makirina 
und.die hinter.ihr. gelegene Talebene von Dubrava erfahren dagegen 
unterhalb des Luti kamen, welcher für die oberen Regionen. des: 
Gebirges .als.Scheide. zwischen Mittel- und Ostmosor zu betrachten. 
ist,. keine Begrenzung durch eine Querschlucht. Wohl aber findet zu 


73] Geologische Beschreibung der. Mosor planina. DR 


Füßen ‚jenes Sattels eine Umgestaltung der Reliefverhältnisse , statt, 
so daß auch für-die unteren Südabhänge des Gebirges ‘eine natür- 
liche Grenze zwischen dessen Mittel- und Ostabschnitt gezogen werden 
kann. Die breite Talebene von -Dubrava zerspaltet sich dadurch; daß 
sich in ihrer südöstlichen Fortsetzung ein breiter Rücken. aufwölbt; 
in zwei Äste und der Kamm-der Makirina erfährt: im :Passe von 
Rudina eine tiefe Depression. Die früher erwähnte Vorkette,  wetche 
in der Sridivica kulminiert und nordwestwärts bis zum Stobrec potok 
reicht, flacht sich südostwärts ungefähr in jener Gegend ab,: in weicher. 
sich der Rand der Dubravaterrasse zur Makirina aufwirft. -In ihrer 
südöstlichen Fortsetzung zieht sich ein Gehänge hin, in welchem unter- 
halb- des vorerwähnten Rudinapasses eine Hügelmasse, der Kravar, 
vorspringt, in der Region des Gebirgsfußes die Grenze zwischen Mittel« 
und Ostmosor -markierend. 

Zwischen dem Kamme der Sridiviea und dem Rücken des- Guam 
dringt das Tal des BriSine potok ein. Die Südwestseite der Sridivica 
und: das in ihrer östlichen Fortsetzung gelegene Gehänge von Srinjine 
bilden die rechtseitige Wand des Zernovnicatales, welches den Mosor 
im engeren Sinne vom Poljicagebirge trennt. 

Gleich dem Relief ist auch: der geologische Bau der: teren, 
Südabhänge des Mittelmosor ziemlich kompliziert: Es sind hier‘ fünf 
einander pärallele Faltenzüge zu unterscheiden. | 

‘An der .Nordostseite des BriSinetales ‘kann man, gleichwie zu 
beiden Seiten des Sridivicakammes, eine untere mit Weingärten: be- 
deckte Berglehne und ein darüber schroff ansteigendes Felsgehänge 
unterscheiden. Im Bereich der unteren Lehne sind nur wenige Auf- 
schlüsse vorhanden, doch kann man konstatieren, daß sie sich geolo= 
gisch in drei Zonen gliedern läßt, in einen oberen und unteren Mergel- 
schieferzug und in eine dazwischen eingeklemmte Zone von Flysch- 
mergel. Man hat hier die enge vierte Mulde in der Vorfaltenzone des 
Mittelmosor vor sich. (Siehe Taf. II, Prof. IT u. III.)- ER 

An der Westseite der Schlucht unter Sitno sieht man seiger 
stehende Bänke von Flyschsandstein und etwas Mergel aufgeschlossen. 
Die den Muldenkern im NO begleitenden Plattenmergel 'sind hier 
wenig mächtig und steil gegen NNO einfallend. Weiter talauswärts 
beobachtet man beim Anstiege am rechtseitigen Gehänge des Brisine- 
tales zunächst über den Foraminiferenkalken des Bachrinnsales gut 
gebankte Mergelschiefer, die unter 60° und sukzessive steiler gegen 
NNO einfallen, dann seigere Flyschschicehten, streckenweise mit Schutt 
bedeckt, hierauf steil gegen SW einfallende Kalke und dann eine 
Zone von Mergelschiefern, bei denen es sich schwer erkennen läßt, 
ob sie steil gegen NO oder SW einfallen. Der Höhenzug des Gradaec, 
welcher sich über diesen Mergelabhängen erhebt, entspricht: dem 
dritten Sattel in der Vorgebirgszone des mittleren Mosor. Er besteht 
aus groben Konglomeraten und Breceien, aus weißen, lichtgrauen und 
bräunlichen Rudistenkalken, zum Teil auch eozänen Kalken, und aus 
sehr kompakten, von feinen roten Adern durchzogenen Breccienkalken. 
Homogener Kreidekalk, wie er in den Sätteln der Poljica und Sridivica 
vorherrschend ist, tritt dagegen sehr zurück. An der Grenze gegen die 
Plattenmergelhülle treten auch hier Nummuliten führende Kalke auf. 


288 Dr. Fritz v. Kerner. [74] 


Der Faltenzug des Gradac zeigt, wie jener der Sridivica, eine 
vollkommene Domstruktur. Wie dort, sieht man auch hier mit der 
Annäherung an die Sattelachse die Schichtneigung beiderseits mehr 
und mehr abnehmen und in der Achse selbst in horizontale Lagerung 
übergehen. Am Rücken verhindert streckenweise das Karstrelief die 
Feststellung der Lagerungsverhältnisse, sehr schön dagegen ist der 
Gewölbebau der Gradacfalte an der Westwand der Schlucht von 
Duplina erkennbar. Desgleichen läßt er sich von der Schlucht von 
Studenica aus am ÖOrlice, dem nordwestlichen Vorberge des Gradac 
wahrnehmen. 

Nordostwärts vom Felsrücken des Gradac verläuft parallel zu 
ihm ein zweiter Felszug, welcher jedoch nur in seinem Nordwest- 
abschnitte einen flachen Rücken bildet und weiter südostwärts nur 
als eine felsige Gehängezone verfolgbar ist. In der Mitte seiner Längs- 
erstreckung hängt er durch einen Querwall mit dem Gradacrücken 
zusammen, so daß die Einsenkung zwischen den beiden Rücken in 
zwei Teile zerfällt, in ein flaches Tälchen, das sich südostwärts sanft 
gegen die Schlucht von Duplina hinabsenkt und in einen engen 
Graben, welcher gegen NW steil zur Schlucht von Studenica abfällt. 

Der Felszug nordostwärts vom Gradac besteht aus bräunlichem, 
ungleichmäßig gekörntem Nummulitenkalke. In der Gegend der Kuppe 
(452 m) oberhalb des Sattels, der zum Gradacrücken hinüberführt, 
und nordwestlich davon treten auch Konglomerate zutage. Dieser Fels- 
zug repräsentiert die zweite Schichtwelle am unteren Südgehänge des 
Mittelmosor und zeigt, wie die vorher besprochenen, einen Gewölbe- 
bau. In der Gegend der eben genannten Kuppe und weiter im Nord- 
westen sieht man die Schichten auf der dem Gradac zugekehrten 
Seite gegen SW, auf ler dem Mosor zugewandten gegen NO einfallen 
und in der Mittellinie des Rückens stellenweise flach lagern. An 
vielen Punkten verhindert allerdings das wüste Karstrelief, zu dessen 
Entwicklung der Foraminiferenkalk des Mosor Anlaß gibt, die Fest- 
stellung der Lagerungsweise. (Siehe Taf. II, Prof. III.) 

Die Einsenkung zwischen dem Gradac und dem eben genannten 
Felszuge ist mit Mergelschiefern ausgefüllt und entspricht der dritten 
Mulde im System der Parallelfalten am Südabhange des Gebirges. 
Im Bereich des flachen Tälchens, welches den Nordostabschnitt der 
Mergelmulde bildet, fallen die Plattenmergel zumeist 30% gegen NO; 
ein nordöstlicher Muldenflügel ist dort wenig ausgesprochen. Gegen 
den Sattel zu verengt sich die Mergelzone und ist hier von Bänken 
von lichtbraunem, grobkörnigem Kalk durchsetzt. Auf der Nordwest- 
seite des Sattels zieht sich die Mergelzone gegen die Schlucht von 
Studenica hinab und keilt noch hoch über derselben aus. Kurz vorher 
bemerkt man einen Fels mit deutlich synklinaler Schichtstellung, der 
die Lage des Muldenkernes markiert. Die Konglomerate des Orlice 
fallen zur Linken der Schlucht, welche vom vorgenannten Sattel zur 
Studenicaschlucht hinabführt, 40—45° gegen NO ein. Die Kalke des 
benachbarten Faltenzuges biegen sich gleichfalls sehr steil gegen 
SW hinab und formieren zur Rechten der Schlucht eine Felswand. 

Am Wege, welcher sich oberhalb der Schlucht von Duplina 
gegen das untere Ende des Zagradjetales hinanzieht, beobachtet man 


[75] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 289 


zunächst mäßig steil gegen NO fallende lichtgelbe, plattige Horn- 
steinkalke, dann sehr kompakte Breccien vom Jadrotypus. Dann 
folgen Konglomerate mit Rollstücken von außerordentlich wechselnden 
Dimensionen. Neben Geschieben von Faust- bis Kopfgröße liegen 
Anhäufungen von nuß- bis erbsengroßen Steinchen. Die Farbe der 
Fragmente ist lichtgrau, lichtbraun oder weiß. Stellenweise sieht man 
Alveolinen und Nummuliten in diesem Konglomerat. Auch Gesteins- 
partien vom Typus der Clissakonglomerate, für welche die Einstreuung 
kleiner dunkler Kiesel charakteristisch ist, trifft man hier an. Die 
Lagerung ist unklar, vermutlich steiles Einfallen gegen N. Dann folgt 
ein plattiges bis bankiges, dunkelgraues oder schmutzigbraunes, sandiges 
Gestein, welches ein mittelsteiles Einfallen gegen NO bis NNO deut- 
lich erkennen iäßt. Beim weiteren Aufstieg über das Gehänge zu 
Füßen des Kuzmangrates passiert man viel Gebirgsschutt. Der Unter- 
grund wird wohl auch hier durch den soeben genannten dunklen 
Sandstein gebildet. Uber diesem liegt sehr gut geschichteter, plattiger 
Mergelkalk von blaßgelber bis lichtbräunlicher Farbe. Derselbe fällt 
40° NO. An diesen schließt sich ein Zug von mittelgrobem Konglo- 
merat, das eine deutliche Schichtung erkennen läßt und 45° gegen 
NO einfällt. Über letzterem lagern lichte schiefrige Mergel, die sanft 
gegen NO zu fallen scheinen. Schließlich folgen Breccien, die bald 
in den homogenen weißen Kreidekalk übergehen, welcher die Süd- 
abstürze des Kuzmangrates aufbaut. Weiter ostwärts ist das Gehänge 
unterhalb dieser Abstürze großenteils mit Schutt bedeckt, so daß man 
über die Beschaffenheit des Untergrundes nur spärliche Aufschlüsse 
gewinnen kann. (Siehe Taf. II, Prof. III.) 

Das Gehänge, welches sich südostwärts von der Schlucht von 
Dradevice unterhalb der rückwärtigen der beiden unteren Mosor- 
terrassen hinzieht, wird durch die südöstliche Fortsetzung jener Falte 
gebildet, welche den Höhenzug des Gradac aufbaut. Diese Falte er- 
fährt hier eine Absenkung in ihrer Streichungsrichtung, ein Umstand, 
der es mit sich bringt, daß ostwärts von der genannten Schlucht auch 
in der Faltenachse zumeist die Plattenkalke anzutreffen sind und die 
Mosorkonglomerate nur im Grunde der tiefen Gräben auftauchen, 
welche das Gehänge quer durchziehen. Der unterste Teil des Gehänges 
wird von Flysch eingenommen. Im Rinnsale des obersten Brisinetales 
trifft man seiger stehende Bänke von Flyschsandstein. In dem von 
hier nordostwärts sich hinanziehenden Abhange sind nur spärliche 
Aufschlüsse vorhanden,. da derselbe ganz mit Ackern und Gärten 
bedeckt erscheint. Aus der grünlichgrauen Färbung des Ackerbodens 
kann man aber schließen, daß hier Flyschmergel ansteht. 

Die Grenze des Flysches gegen die Plattenkalke wird ostwärts 
von der Schlucht von Dra&evice durch eine dicke Bank von mergeligem 
Kalk bezeichnet, welche eine lange Felsmauer formiert, zu deren 
Füßen sich das Dorf Sitno hinzieht. Die Hütten dieses Dorfes sind 
zum Teil an die reich von Schlinggewächsen umrankte, stellenweise 
überhängende Felswand angeklebt, was sehr malerische Detailbilder 
hervorbringt. Gleich ober dem am Westende des Dorfes gelegenen 
Pfarrhause, woselbst ich zu wiederholtenmalen eine sehr liebens- 
würdige, mir in angenehmster Erinnerung bleibende Aufnahme fand, 

Jahrbuch d. k.K. geol. Reichsanstalt, 1904. 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 38 


290 Dr. Fritz v. Kerner. [76] 


ist dieser Mergelkalk von sehr dünnen Lagen einer braunen, schwach 
bituminös riechenden Substanz durchsetzt, welche aus den Resten 
sehr stark mazerierter Blattfetzen zu bestehen scheint, doch war es 
mir nicht möglich, Bruchstücke mit auch nur andeutungsweise er- 
haltener Nervatur zu finden. Ein paar Steinkerne von Gastropoden 
von mitteleozänem Habitus, welche ich in Sitno zu sehen bekam, 
dürften auch aus diesem Mergelkalke stammen, da eine Provenienz 
derselben aus dem Flysch oder aus den Plattenkalken wenig Wahr- 
scheinlichkeit besitzt. Vom Pfarrhause von Sitno steigt man zur Linken 
der Schlucht von Dratevice zunächst ziemlich steil hinan, wobei man 
an einer kleinen Kapelle vorbeikommt, in deren Nähe nun eine schöne 
neue Kirche erbaut wird. Oberhalb der Kapelle beginnt dann das 
Gehänge sanfter anzusteigen. Man trifft hier plattigen Hornsteinkalk 
in steiler Stellung, dann grobe Konglomerate in flacher Lagerung, 
dann wieder plattigen Kalk mit Hornsteinen, wechselnd mit ungleich 
körnigem, Nummuliten führendem Kalksandstein. Das Einfallen dieser 
Schichten ist 10—30° NO. 

Beim Einstieg in die Schlucht von Dratevice passiert man nur 
eine schmale Zone von steil gegen N einfallendem plattigen Kalk. 
Dann folgen körnige weiße und bräunliche Kalke mit Nummuliten. 
Im Innern der Schlucht stehen sehr grobe Konglomerate an. Am 
Grunde sieht man große glatte Felsflächen, in welchen viele Rinnen 
und Becken ausgewaschen sind. Weiter aufwärts hat man wieder 
körnige Kalke. (Siehe Taf. II, Prof. IV.) 

Die Konglomerate, welche man ostwärts der Schlucht von Draöe- 
vice am sanften Abhang ober Sitno antrifft, keilen bald in der Richtung 
gegen SO aus und weiterhin ist auch in der Achsenregion der Falte 
nur Plattenkalk vorhanden. Man kann hier die Umhüllung des Kon- 
glomeratkernes mit einem Mantel von Hornstein führenden Platten- 
kalk sehr deutlich sehen. Auf der Rückenfläche der Gehängewölbung, 
welche zwischen der Schiucht von Dratevice und dem hinter den 
östlichsten Hütten von Sitno eindringenden Graben sich befindet, liegen 
die Plattenkalke ganz horizontal. Man passiert diesen Gehängerücken 
beim Aufstiege von Sitno zur Kirche Sv. Luka. In der Tiefe des 
soeben erwähnten Grabens östlich von Sitno kommen wieder die 
Mosorkonglomerate heraus. Sie bilden hier den Grund und die unteren 
Seitenwände des mittleren Grabenteiles. An den letzteren begrenzen 
sie sich nach oben hin bogenförmig, so daß die Horizontalprojektion 
ihres Aufbruches die Gestalt einer Linse hat. Ein in seinen Form- 
verhältnissen dem vorigen völlig ähnlicher, an Größe ihm jedoch nach- 
stehender Konglomerataufbruch befindet sich in dem kleinen Graben 
nordwärts von Visak, welcher von dem erstgenannten durch einen 
schmalen Abhangrücken geschieden wird. Auf diesem letzteren fallen 
die Plattenkalke zunächst sehr steil gegen SW und weiter oben 
sanft gegen NO ein. Am Gehänge oberhalb des Dorfes Visak, auf 
der Ostseite des zweiten Grabens, ist die antiklinale Stellung der 
Hornstein führenden Plattenkalke deutlich sichtbar. Auch hier ist der 
Südwestflügel der Falte sehr steil gestellt, der Nordostflügel dagegen 
ziemlich sanft geneigt. (Siehe Taf. II, Prof. V u. VL) 

Gleich weiter ostwärts wölbt sich die Falte wieder stärker auf. 


[77] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 291 


Die Kernschichten derselben, welche — wie soeben erörtert wurde — 
ostwärts von der Schlucht von Draievice nur in tiefen Einschnitten 
des Terrains zutage traten, formieren von Visak angefangen wieder 
einen am Gehänge stark vortretenden Felszug, welcher sich von hier 
dann ohne Unterbrechung bis zur Quelle Rastita erstreckt, welche 
schon in: dem Bereiche des Ostmosor gelegen ist. Dieser Zug formiert 
die hohe schroffe Felsmauer, welche sich zu Häupten des reben- 
umsponnenen Geländes von Srinjine hinzieht. Von den zwei Platten- 
kalkzügen, welche den Konglomeratkern als Faltenflügel beiderseits 
begleiten, bildet der nordöstliche die schmale sanft ansteigende Ter- 
rasse, welche sich oberhalb jener Felsmauer hinzieht. Die Hornstein 
führenden, dünngeschichteten Mergelkalke fallen hier 30—40° NO, 
Unterhalb des im folgenden zu erwähnenden Rudinasattels erfährt 
die Zone des mergeligen Plattenkalkes eine Verbreiterung und die 
vordem durch ihn gebildete Terrasse geht hier in ein gegen SO ab- 
dachendes Gehänge über. 

Der Mergelkalk im Südwestflügel der Falte bildet einen langen 
Felszug, welcher sich zu Füßen der erwähnten schroffen Konglomerat- 
wand hinzieht. Das Einfallen ist hier steil gegen ONO. Stellenweise sind 
die überkippten Bänke umgebrochen, so daß man da und dort auch 
horizontale und gegen SW geneigte Felsflächen wahrnimmt. In dieser 
Gesteinszone verläuft der Weg, welcher von der obersten Hüttengruppe 
von Srinjine (Sirotkovic) nach Raönik führt. (Siehe Taf. III, Prof. I.) 

Nordostwärts schließt sich an den eben besprochenen Faltenzug 
eine alsbald näher zu beschreibende Konglomeratzone. An der Grenze 
gegen diese letztere treten Flyschgesteine auf. Unterhalb Sv. Luka 
fallen dieselben anscheinend ziemlich flach unter die darüber an- 
stehenden Konglomerate ein. Es scheint sich hier jedoch nur um ein 
lokales Umgestürztsein steil gestellter Schichten zu handeln. Ostwärts 
von Sv. Luka sieht man stark zerrüttete Flyschsandsteine steil gegen 
NO unter steil gegen SW geneigte Kalkkonglomerate einfallen. Stellen- 
weise ist auch Flyschmergel das unmittelbar vom Konglomerat über- 
lagerte Gestein. Der Abhang unterhalb der Felsmassen des letzteren 
ist großenteils mit Schutt bedeckt und stellenweise auch mit Kalk- 
blöcken bestreut. Auch ein Gemenge aus kleinen Kalksteinchen und 
roter Erde ist hier in größeren Massen abgelagert. Weiter südost- 
wärts, längs der vorerwähnten schmalen Terrasse ober Srinjine, läßt 
sich dann wieder eine schmale Zone von Flyschsandsteinen nachweisen. 
Sie liegen hier den Plattenkalken konkordant auf und werden von 
Konglomeratmassen, deren Schichtungsweise nicht klar erkennbar ist, 
überlagert. Vermutlich fallen diese Konglomerate sehr steil gegen 
SW ein. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie an der Grenze gegen 
den Flysch eine Zurückbiegung gegen SO erfahren, so daß der letztere 
annähernd konkordant unter sie einfiele. Es kann sich aber auch um 
eine diskordante Überlagerung handeln. Im ersteren Falle läge eine 
gesetzmäßige Faltenverwerfung vor, im letzteren hätte man es mit 
einer steilen Uberschiebung, deren Flügel in der Lagerungsweise 
nicht übereinstimmen, zu tun. Das am Mosor sichtbare Dominieren 
steiler Faltung als Strukturprinzip würde für die erstere Annahme 
sprechen. Am südöstlichen Ende der schmalen Terrasse ober Srinjine 

38* 


292 Dr. Fritz v. Kerner. [78] 


entspringt nahe der Grenze zwischen dem Flysch und dem ihn unter- 
teufenden Plattenkalke die Quelle Rudina. Man sieht hier unter einem 
kleinen efeuumrankten Eichenbaume ein von Brombeerhecken um- 
wuchertes, roh ummauertes Quellbecken voll Algen und Wasserpflanzen. 
Von dem Becken zieht sich ein Rinnsal eine Strecke weit am Abhange 
hinab. Da die Umgebung ganz mit Rasen bedeckt ist, läßt sich die 
am Quellenorte selbst vorhandene Beschaffenheit des Untergrundes 
nicht genau ermitteln. 

Im Graben von Duplina, in welchem sich die Schlucht von 
Dradevice nach oben hin fortsetzt, endet der den Gradae im NO 
begleitende Felszug und es verschwindet hier auch jene kleine schmale 
Falte, deren Kern durch den genannten Felszug repräsentiert wird. 
Es treten alsdann jene beiden Zonen von mergeligem Plattenkalk, 
welche den besagten Zug von Foraminiferenkalk flankieren, zusammen, 
um sich weiterhin am Aufbaue des Nordflügels der südöstlichsten 
Fortsetzung der Gradacfalte gemeinsam zu beteiligen. Kurz vor dem 
östlichen Endpunkte des genannten Kalkzuges tauchen etwas weiter 
oben am Gehänge in der Grenzregion des Plattenkalkes gegen die 
erwähnten sandigen Gesteine, welche am Abhange unter Sv. Kuzman 
anstehen, Kalkkonglomerate auf. Dieselben sind der Beginn eines 
mächtigen Konglomerat- und Breccienzuges, welcher sich von hier bis 
an das südöstliche Ende des Mosor und noch darüber hinaus erstreckt. 
Sein nordwestliches Anfangsstück repräsentiert für jene Region, die 
es durchzieht, die erste an das Hauptgebirge angeschlossene südliche 
Vorfalte des Mosor. Seine weitere Fortsetzung wird durch neue auf 
seiner Nordostseite sich vollziehende Schichtaufwölbungen vom Haupt- 
gebirgskamm abgedrängt. Das Anfangsstück des Faltenzuges bildet den 
höher und weiter rückwärts gelegenen Teil der unteren Mosorterrasse: 
Der steile Südflügel der Falte formiert eine hohe schroffe Felsmauer, 
welche sich zu Häupten des Plattenkalkzuges oberhalb der Schlucht 
von Draßevice hinzieht. Der schwächer geneigte nördliche Falten- 
flügel baut ein oberhalb jener Wand sanft ansteigendes felsiges Ge- 
lände auf. Dann folgt eine völlig flache, zum Teil von Eluvialgebilden 
bedeckte Terrainzone. Auch hier trifft man in den konglomeratischen 
Gesteinspartien Einlagerungen von ungleichkörnigen Kalken mit 
Nummuliten und Alveolinen. Die Verteilung dieser Kalke ist so 
unregelmäßig, daß es kaum möglich scheint, eine kartographische 
Trennung derselben von den Konglomeraten durchzuführen. 

Die Lagerung der Schichten ist hier flach ; oberhalb der Knickung, 
welche die von Sv. Luka nach Sv. Klement führende Straße macht, 
trifft man völlig horizontal liegende Konglomeratbänke an. In der 
Gegend zwischen den eben genannten beiden Kirchen sind in die 
flachwellig gelagerte Schichtmasse viele größere und kieinere, mit 
Terra rossa erfüllte Mulden eingesenkt. 

Am Gehänge, welches von dem eben besprochenen flachen Fels- 
terrain zum Südfuße der Steilabstürze der mittleren Mosorterrasse 
aufsteigt, ist die geologische Beschaffenheit des Untergrundes nur 
teilweise erkennbar. Der westliche Teil dieses Gehänges ist fast ganz 
mit Feldern bedeckt. Es streichen hier wahrscheinlich jene Sandstein- 
schichten aus, welche unterhalb des Kuzmangrates anstehen. Weiter 


[79] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 293 


ostwärts treten neben vielem Schutte auch konglomeratische Gesteine 
und Foraminiferenkalke auf. Oberhalb der früher erwähnten Straßen- 
kniekung springt ein Felskopf vor, auf welchem ziemlich flach liegende 
Konglomeratschichten angetroffen werden. Der am Abhang ober 
Sv. Klement zu Füßen der Felswände zwischen Politine und Orisine 
vortretende Felskopf besteht aus Blöcken von Kreidekalk, zwischen 
denen Partien einer lockeren Breccie aus kleinen Trümmern des- 
selben Kalkes liegen. 

ÖOstwärts von Sv. Luka wölbt sich der Rand der Terrasse zu 
einem Höhenzuge auf. Das gleich ober Sv. Luka ansteigende Anfangs- 
stück desselben ist ein schroffer Felsgrat. Weiter nach oben hin flacht 
sich die Kammregion des Höhenzuges zu einem schmalen Rücken 
ab, welcher in der Kuppe Makirina (702 m) kulminiert. Das in der 
Fortsetzung der früher besprochenen Terrasse gelegene Terrain ge- 
staltet sich zufolge dieser hohen Randaufwölbung zu einem Talboden. 
Derselbe wird durch eine ihn parallel zu seiner Längserstreckung 
durchziehende, gegen NO abfallende Böschung in einen höheren süd- 
westlichen und einen tieferen nordöstlichen Teil zerlegt. Der letztere 
gestaltet sich zu einer kleinen eluvialen Ebene, der erstere ist ein 
flachgewelltes Felsterrain, welches in ungefähr demselben Niveau wie 
die Terrasse liegt. (Siehe Taf II, Prof. VI.) 

Der Makirinarücken ist eine jener Ortlichkeiten, wo man die 
für das Mosorgebiet charakteristische Faltenform besonders schön 
entwickelt sieht. Auf der Rückenfläche selbst liegen die Konglomerat- 
bänke flach und man kann deutlich sehen, wie sie sich zu beiden 
Seiten derselben rasch hinabbiegen. Auch am Sattel östlich von der 
Makirinakuppe ist die Domstruktur des Faltenzuges gut erkennbar. 
Etwas weiter südostwärts vertauscht die Kammlinie auf eine ganz 
kurze Strecke den dinarischen Verlauf mit einem rein west-östlichen. 
An dem’Winkel, an welchem dann neuerdings das NW —SO-Streichen 
einsetzt, befindet sich die breite Einsattlung von Rudina (949 ı).: 
Dieselbe bezeichnet die Grenze zwischen dem zum Mittelmosor und 
dem zum Ostmosor gehörigen Teile des Makirnakammes. Auf diesem 
Sattel trifft man horizontal gelagerte Konglomerate an, welche zur 
Entwicklung ausgedehnter Felsflächen Anlaß geben. 

Streckenweise verlieren die Gesteine, welche am Aufbaue der 
Makirina Anteil nehmen, mehr oder weniger ihren klastischen Charakter 
und nehmen fast oder ganz das Aussehen homogener Kreidekalke an. 
Hand in Hand mit dieser Umgestaltung des Gefüges geht eine Um- 
wandlung des Reliefs. An Stelle der oft umfangreichen, flachen Fels- 
plaques der konglomeratischen Gesteinspartien treten stark zernagte 
und zerfressene Grate. Diese Wechselbeziehung zwischen Gefüge und 
Relief ist allerdings keine durchgreifende Erscheinung. Man trifft 
auch Felsen an, die flach gerundete Formen zeigen und sich gleich- 
wohl als homogener Kalk erweisen. Die weißen Kreidekalke treten 
zum Teil am Nordabhange und insbesondere in der flachen Terrain- 
stufe vor dem Nordfuße des Makirinarückens auf. Sie sind hier steil 
gegen das nahe Blato zu geneigt und es hat den Anschein, daß die 
südwestwärts benachbarten konglomeratischen Gesteinsbänke unter 
diese Kreidekalke einfallen. Ein ganz analoges Lagerungsverhältnis 


294 Dr. Fritz v. Kerner. [80] 


kann man streckenweise an der Nordostseite des zum Ostmosor ge- 
hörigen Teiles des Makirinakammes feststellen. Bei Gelegenheit der 
Beschreibung dieses letzteren Gebietes soll auch auf die tektonische 
Deutung dieser für das Mosorgebiet abnormen Lagebeziehung zwischen 
Rudistenkalk und Kalkkonglomerat näher eingegangen werden. 

Das Blato ist eine kleine eluviale Talebene, welche bei Sv. Klement, 
unterhalb Orisine beginnt, sich gegen SO hin allmälig verbreitert und 
alsdann in zwei Aste spaltet, von denen der linkseitige als Talboden 
von Dubrava den Südfuß des östlichen Mosorkammes eine Strecke 
weit begleitet, der rechtseitige hingegen sich in das Tal des Smovo 
potok fortsetzt, welches entlang dem Nordfuße des Makirinakammes 
bis zum östlichen Gebirgsende verläuft. Das Blato ist ganz mit Ackern 
und Weingärten bedeckt und der Untergrund darum nicht sichtbar. 
Vermutlich besteht derselbe aus undurchlässigen Mergelschichten, da 
in ihm ein kleines Rinnsal zur Entwieklung kommt, welches den 
Beginn des Smovo potok darstellt. In den eluvialen Mulden mit rein 
kalkiger Unterlage pflegen Rinnsale zu fehlen, da die Terra rossa 
zu wenig undurchlässig ist, um horizontale Sickerwasserbewegungen 
in nennenswertem Ausmaße zu ermöglichen. 

Am Beginne des Blato bei Sv. Klement sind Mergel aufge- 
schlossen, mit deren Vorkommen das Erscheinen einer kleinen Quelle 
im Zusammenhange steht. Im Anfangsteile des Smovotales, des linken 
Astes der Blatoebene, sind auch Eluvien von Flyschmergel sichtbar. 
So darf man wohl annehmen, daß auch das zwischen diesen beiden 
Ortlichkeiten gelegene Terrain einen mergeligen Untergrund besitzt. 

Das Gehänge, welches sich vom Nordostrande des Blato zum 
Fuße der Steilwand bei Orisine hinanzieht, erscheint in morpho- 
logischer Beziehung als südöstliche Fortsetzung der Abhänge, welche 
von der Terrasse ober Sv. Luka zu den Felsabstürzen bei Poli&ine 
emporsteigen. In geologischer Hinsicht entspricht es aber einer von 
tertiären Kalken umgebenen Aufbruchszone von Rudistenkalk, welche 
sich zwischen den Konglomeratzug der unteren Mosorterrasse und 
die Kalkabhänge der mittleren Terrasse einschiebt. 

In der unteren Zone des Abhanges auf der Nordseite des Blato 
trifft man sehr zackige Felszüge von steil gegen die Blatoebene zu 
einfallendem, eozänem Foraminiferenkalk. Auch der dem felsigen 
Rande der Ebene vorgelagerte isol.erte Riff besteht aus solchem Kalke. 
Diesen Rand begleitet streckenweise eine schmale Zone von plattig 
schiefrigem, gelblichgrauem Kalk, Im südöstlichen Teile der untersten 
Gehängezone ist die steile Aufrichtung des Foraminiferenkalkes deutlich 
zu erkennen. In der mittleren Gehängezone hat man grobkörnigen 
weißen Radiolitenkalk. Hier sind die Lagerungsverhältnisse schwer 
festzustellen. Höher oben am Gehänge trifft man östlich von den 
Hütten von OriSine Alveolinenkalk, etwas Kalkkonglomerat, graugelben 
schiefrigen Mergel und braunen Flyschsandstein. Der Alveolinenkalk 
bildet Felszüge, die anscheinend sanft bis mittelsteil gegen den Berg 
zu einfallen. Er ist. hier ziemlich fossilreich. 

Die anderen soeben genannten Gesteine sind nur in isolierten 
Felsen oder nur in großen Brocken und kleinen Trümmern sichtbar. 
Letzteres gilt besonders vom Flyschsandstein. Der Alveolinenkalk 


[81] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 295 


formiert dann eine kleine quer zum Streichen verlaufende Felsstufe. 
Man hat es hier mit einer lokalen Querverschiebung. zu tun. : Öst- 
wärts von dieser Stufe folgt Flysch und dann ein Acker auf Flysch- 
eluvium. Unmittelbar vor diesem sieht man dünnbankigen bis plattigen 
Foraminiferenkalk mittelsteil gegen ONO einfallen. Weiter aufwärts 
am Gehänge folgen noch Felsen von Alveolinenkalk und konglomera- 
tische Gesteinspartien und alsdann — die Steilabstürze oberhalb des 
Gehänges bildend — Kreidekalk. Dieser scheint auch hier gleichwie 
ober Orisine steil gegen SW einzufallen. Ohne Zweifel handelt es sich 
bei der im vorigen beschriebenen Terrainzone um eine stark ver- 
quetschte Einklemmung eozäner Schichten. (Siehe Taf. III, Prof. 1.) 

Gegen NW hin keilt der Zug von Radiolitenkalk, welcher die 
Mittelzone des Gehänges auf der Nordostseite des Blato einnimmt, 
unterhalb der östlichsten Hütten von OriSine aus. Beim Aufstiege von 
Sv. Klement nach Orisine befindet man sich schon ganz im eozänen 
Mantel des kretazischen Faltenkernes. Man trifft hier einen körnigen 
bräunlichen Kalk mit vereinzelten Nummuliten und Alveolinen. Der- 
selbe fällt in der nordwestlichen Verlängerung des Kreidekalkzuges 
mäßig steil gegen SW ein. Die Stelle, wo dieser letztere gegen SO 
hin auskeilt, läßt sich nicht ermitteln, da das südöstliche Endstück 
des Gehänges links vom Blato ganz mit Kulturen bedeckt erscheint. 
Westlich von den Hütten von Radicic, woselbst der Kreidekalk unter 
diesen Kulturen verschwindet, schließt sich an seinen Nordrand zunächst 
eine Zone von Weingärten. Dann folgt, einen Steilrand bildend, dünn- 
geschichteter, bräunlicher Kalk mit spärlicher Foraminiferenfauna und 
darüber ein Felshang von Alveolinenkalk. 

Das südöstliche Endstück des im vorigen beschriebenen Gehänges 
oberhalb des Blato dacht gegen die linkseitige Fortsetzung dieser 
Ebene, den Dubravaner Talboden ab. Dementsprechend senkt sich 
auch der Zug von Eozängesteinen, welcher die oberste Zone jenes 
Gehänges bildet, in der Richtung gegen SO hinab, um nach dem 
Abflachen des Geländes den Nordostrand des Talbodens von Dubrava 
zu bilden. Vor den westlichsten Hütten dieses Dorfes trifft man am 
Fuße des Gehänges zunächst einen schiefrigen gelben Kalk, dann 
40° NO fallenden bankigen Kalk mit Milioliten, darüber mangelhaft 
geschichteten bräunlichen Kalk, welcher zunächst Alveolinen, dann 
Nummuliten und weiter aufwärts wieder Alveolinen führt. In dem 
vorhandenen Schutte befinden sich auch Trümmer von Kreidekalk, 
welche von den oberen Partien des steilen Felsgehänges- stammen. 


XI. Die südwestliche Vorkette des mittleren Mosor. 


Der Bergkamm der Sridivica, welcher dem Südwestfuße des 
mittleren Mosor vorliegt, besteht aus einer Kernzone von Rudisten- 
kalk und Breccien dieses Kalkes, um die sich obereozäne Mergel- 
schiefer und Flyschgesteine herumlagern. Im äußeren Zernovnicatale 
kommt diese Bauart sehr deutlich durch eine Gliederung der nord- 
östlichen Talseite zum Ausdruck. Der untere Teil derselben ist eine 
mit Weingärten bedeckte terrassierte Berglehne, der obere ein mit 
spärlichem Gestrüpp bestandener Felshang. Zwischen beiden verläuft 


2965 Dr. Fritz v. Kerner. [82] 


eine gleichfalls schon im Landschaftsbilde erkennbare Grenzzone, 
welche den Verlauf der Plattenmergel bezeichnet. Die untere Berg- 
lehne, welche durch den Flysch gebildet wird, der die Mulde zwischen 
den Kreidekalkfalten der Poljica und Sridivica ausfüllt, erfährt tal- 
einwärts eine allmälige Verschmälerung, so daß etwa 2 Im südostwärts 
vom Talende die Felsgehänge des Rudistenkaikes der Sridiviea bis 
weit gegen die Tahlsohle hinabreichen. Am Nordufer der Zernovnica 
sieht man in jener Gegend stark gefaltete und verquetschte Flyschbänke 
anstehen, am Südufer sind 50—70° gegen NO fallende hornsteinreiche 
Mergelschiefer aufgeschlossen. (Siehe Taf. I, Prof. III u. IV.) 

Dieselben bilden eine Strecke weit einen den Bach begleitenden 
Felswall. Weiter talauswärts sind beide Uferseiten mit vielem Schutt 
bedeckt, auch größere Blöcke liegen umher. Dann kommen dicht am 
Bache Mergelschiefer zutage, die auf der rechten Uferseite völlig 
horizontal liegen, zur Linken sich schon am Ufer etwas aufbiegen 
und oberhalb der dem Fuße des südwestlichen Talgehänges folgenden 
Straße mäßig steil gegen NO einfallen. Etwas später sieht man dann 
die Mergel auch zur Rechten des Bachrinnsales sanft gegen NO fallen. 
Zur Linken ziehen die Plattenmergel längs der Straße weiter, sind 
aber streckenweise durch den Schutt verdeckt. 

Näher gegen die Talmündung zu sieht man dann an der recht- 
seitigen Uferböschung und bald darnach auch auf der linken Bachseite 
Flyschmergel im Wechsel mit Sandsteinbänkchen aufgeschlossen, Sie 
fallen rechts sehr steil gegen W, links sehr steil gegen ONO. Sonst 
trifft man hier zu beiden Seiten des Baches sehr viel Schutt und im 
Rinnsale auch große Kalkblöcke. 

Im Bereiche der mit Weingärten bepflanzten rechtseitigen unteren 
Abhänge des äußeren Zernovnicatales sind nur an wenigen Stellen Auf- 
schlüsse vorhanden. Am besten läßt sich die spezielle Schichtfolge gleich 
rechts vom Taleingange beobachten. Man passiert dort beim Anstiege 
zu den Hütten von Barbaric als Einlagerungen in den Mergeln mehrere 
Bänke von bläulichen körnigen und gelblichen plattigen Kalken und 
grauen Nummulitenbreccienkalken. Das Einfallen dieser Bänke ist 
steil, teils gegen NNO, teils gegen W. (Siehe Taf. II, Prof. I.) 

Das Liegende der Flyschmergel bilden am Nordostgehänge des 
Zernovnicatales Hornstein führende Plattenmergel von grauer bis gelb- 
licher Farbe. Die Hornsteinputzen erreichen stellenweise eine ansehn- 
liche Größe. Sie treten vorwiegend an den Schichtflächen auf und 
bilden darum, wenn sie sehr zahlreich sind und teilweise konfluieren, 
förmliche Zwischenlagen zwischen den Mergelbänken. In Verbindung 
mit diesen Mergeln erscheinen sehr ungleichmäßig gekörnte graue 
Kalke mit einer spärlichen Nummulitenfauna und konglomeratische 
Schichten. Im nordwestlichen Teile der rechtseitigen Talwand fallen 
die Mergelkalke steil gegen WSW ein; streckenweise stehen sie ganz 
seiger. Sie sind hier von einem schmalen Breccienzuge durchsetzt. 
Weiter südostwärts fallen sie 60—40° WSW ein. Dann sieht man 
eine Zone von Breccien und Konglomeraten schief über das Gehänge 
herabziehen. In dieser Zone ist zunächst noch steiles südwestliches 
Einfallen konstatierbar. Dann folgt eine tektonisch unklare Region 
und weiter unten glaubt man flache Lagerung bis sanftes nordöst- 


[83] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 297 


liches Schichtfallen wahrzunehmen. Tiefer unten biegen sich die 
Breceienbänke wieder hinab und es folgen dann zernagte, bankige 
Kalkmergel mit großen Massen von Hornstein. Dieselben scheinen 
steil gegen WSW bis W zu fallen. Man hat es hier mit einer sekun- 
dären Welle im Südwestflügel der Sridivicafalte zu tun. 

Der Kalkzug der Sridivica, welcher die mergelige Ausfüllung 
des Zernovnicatales im NÖ flankiert, entspricht einer Falte mit schön 
entwickelter Domstruktur. Die Felsgehänge, welche über den mäßig 
steil gegen das Tal geneigten Mergelschiefern aufsteigen, bestehen 
aus Bänken von Rudistenkalk, die steil, 55—65° gegen WSW einfallen. 
Weiter gegen oben nimmt die Schichtneigung stetig ab und in der 
Kammregion des Rückens tritt völlig flache Lagerung ein. Jenseits 
der Kammlinie biegen sich die Kalkbänke dann wieder mehr und 
mehr hinab und an der Grenze gegen die Plattenmergel, welche der 
Nordostseite des Rückens angelagert sind, ist steiles NO-Fallen der 
Kalkbänke konstatierbar. Besonders schön ist dieser Gewölbebau in 
der Region der Hauptkuppe des Bergrückens (434 m) zu beobachten. 
Dort trifft man auch noch an den oberen Südabhängen horizontal 
liegende Kalkbänke und zwischen ihnen und den steil gegen WSW 
einfallenden Schichten der tieferen Abhänge ist dort eine Zone ein- 
geschaltet, in welcher das wüste Karstrelief die Lagerungsverhältnisse 
unkenntlich macht. 

Der Rudistenkalkzug der Sridivica tritt südwestlich von Visac 
aus den ihn umhüllenden mergeligen Gesteinen hervor und taucht 
östlich vom Dorfe Zernovnica wieder unter Plattenmergeln hinab. 
Gleich dem Kamme der Poljica wird auch die innere Vorkette des 
Mosor nahe vor ihrem nordwestlichen Ende vom Stobrec potok durch- 
brochen. Dieser innere Durchbruch ist ungefähr dreimal so lang als 
der äußere und dementsprechend auch die isolierte Felsmasse, welche 
nordwärts vom inneren Durchbruche zu liegen kommt, viel umfang- 
reicher als der Felshügel zur Rechten der äußeren Durchbruchsstelle. 
Das Einfallen der Schichten ist in jener isolierten Masse ziemlich 
steil gegen N. Längs der Südwand des Durchbruches ist Antiklinal- 
stellung, Übergang des Einfallens nach W in solches nach NO schön 
aufgeschlossen. Das Gestein, aus welchem sich das nordwestliche End- 
stück des Sridivicakammes aufbaut, ist eine sehr feste Breccie aus 
weißen, lichtgrauen und bläulichgrauen Kalkfragmenten. Diese Breccie 
stimmt in ihrem Habitus ganz mit jener überein, welche zu beiden 
Seiten des äußeren Stobrecdurchbruches und in der Umgebung des 
Ursprunges des Jadroflusses (hinter Salona) ansteht. 

Talauswärts von der westlichen Pforte des engen Durchbruches 
des Stobree durch die Sridivicafalte strömt dieser Fluß zirka !/, km 
weit zwischen steilen Uferwänden von Kalktuff dahin. Diese von 
vielen Höhlungen durchsetzten, teilweise mit Strauchwerk bewachsenen 
lichtgelblichbraunen Uferwände mit dem zwischen ihnen in der Tiefe 
über Klippen rauschenden Gebirgsflusse bilden einen malerischen 
Vordergrund für die bei Zernovnica sich dem Anblicke darbietende 
Gebirgslandschaft. 

Am ersten Vorkopfe des Sridivicakammes trifft man viel loses 
Trümmerwerk von Nummuliten und Alveolinen führenden Kalken und 

Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1904, 54. Band, 2. Heft. (F. v. Kerner.) 89 


298 Dr. Fritz v. Kerner. [84] 


Brocken von Kalkkonglomeraten. Dem Kamme gegen SO weiter 
folgend, kommt man dann allmälig in den Bereich des Rudistenkalkes. 
Die unterhalb der nordöstlichen Felsabhänge der Sridivica sich 
hinziehende Berglehne, welche gegen das Tal des Brisine potok ab- 
dacht, zerfällt in ihrem nordwestlichen Teile in zwei lithologisch und 
tektonisch differente Zonen. Die obere Zone besteht aus Hornstein 
führenden Mergelschiefern, die im äußersten Teile des Bri$inetales 
eine synklinale Lagerung erkennen lassen. Die untere Zone besteht 
aus dem dem Mosorgebiete eigentümlichen mitteleozänen Foramini- 
ferenkalke und zeigt antiklinale Schichtstellung. Aus diesem Fora- 
miniferenkalke besteht auch noch die Basis des nordöstlichen Gehänges 
des BriSinetales, so daß das Bachbett ganz in ihn eingeschnitten ist. 
In der Mündungsregion des BriSinetales stehen jedoch noch zu beiden 
Seiten des Baches Plattenmergel an und der Foraminiferenkalk kommt 
erst etwas taleinwärts unter den Mergeln hervor. Eine kurze Strecke 
unterhalb der Schlucht, welche bei Unter-Sitno rechts in das Brisinetal 
mündet, taucht der Foraminiferenkalk wieder unter die Plattenmergel 
hinab und gegenüber von Sitno sind die unteren Nordostabhänge der 
Sridivica bis zu ihrem Fuße hinab aus Mergeln bestehend. Dieser Auf- 
bruch von Foraminiferenkalk ist der vierte kleine Faltenzug in der 
Vorfaltenzone des mittleren Mosor. (Siehe Taf. II, Prof. H u. III.) 

Auf der Strecke vom oberen Ende des inneren Stobrecdurch- 
bruches bis zum Eingange in das Brisinetal trifft man zunächst unter 
den obersten Konglomerat- und Breccienbänken im Nordostflügel der 
Sridivicafalte wohlgeschichtete, 25—30° gegen NO einfallende blau- 
sraue und gelbe Mergelschiefer, dann jenseits einer Zone mit lokalem 
Lagerungswechsel verschieden steil gegen W bis WNW geneigte 
Mergelschichten. Dann folgt taleinwärts brauner körniger Nummuliten- 
kalk, sanft gegen W einfallend, und dann sehr grobes Konglomerat 
von ebensolcher Fallrichtung. Etwas später ist SW-Fallen auf der 
linken und NO-Fallen auf der rechten Talseite konstatierbar, so daß 
der Brisine potok hier der Achse des Antiklinalaufbruches folgt. 
Weiter einwärts zeigt das Nordostgehänge den für endokline Lagerung 
charakteristischen Treppenbau und stehen auch südwestwärts von der 
Talschlucht 40° gegen ONO geneigte Schichten an, so daß das Bach- 
bett hier einem Isoklinaleinschnitte (im nordöstlichen Flügel der 
BriSinefalte) entspricht. Unterhalb des Sattels zwischen der ersten 
und zweiten Kuppe des Sridivicakammes ist am Südgehänge des 
BriSinetales in der Region der Muldenachse (zwischen dem Sattel der 
Sridivica und dem Antiklinalaufbruche des BriSinetales) ein Querbruch 
mit Absenkung des westlich von ihm gelegenen Terrains zu kon- 
statieren. 

Gegenüber von Unter-Sitno besteht das Gehänge — wie schon 
erwähnt — vom Bachbette bis zu den untersten Kreidekalkfelsen der 
Sridivica hinauf aus Mergelschiefern. Nur vor der Mündung des Bach- 
rinnsales, welches sich unterhalb Sitno mit dem BriSine potok ver- 
einigt, trifft man nochmals Kalkkonglomerate an. Die Mergelschiefer- 
masse fällt 40— 60° steil gegen ONO und entspricht hier drei eng 
aneinandergepreßten Faltenflügeln, den Flanken der fünften Mulde 
und des vierten Sattels in der Vorfaltenzone des mittleren Mosor. 


[85] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 299 


In dem keilförmigen südöstlichen Endstücke des Kreidekalk- 
zuges der Sridivica konstatiert man ein Schichtfallen gegen NNO, OÖ 
und SO. Um diesen Keil legt sich ein Mantel von eozänen, Alveolinen 
und Nummuliten führenden Kalken, Breccien und Konglomeratgesteinen. 

Im Bereiche des kleinen Grabens, welcher sich von der Biegung 
des Zernovnicatales westlich von Srinjine am rechten Talgehänge hinan- 
zieht, kann man in diesen Deckschichten des Kernes der Sridivicafalte 
die hemiperiklinale Lagerung sehr schön feststellen. Auf der Ost- 
seite des Grabens sieht man drei stufenförmig übereinander folgende, 
gegen den Graben konkave Bogen beschreibende Felszüge. Dieselben 
entsprechen den Schichtköpfen dreier mächtiger Konglomeratbänke, 
deren Fallrichtung sukzessive aus NO über O in S übergeht. Auf 
der Westseite des Grabens zieht sich ein breites Band von Platten- 
mergeln hinan, das von einer kleinen Partie von Konglomeraten durch- 
setzt wird. Diese Plattenmergel nehmen innerhalb des eozänen Mantels 
der Sridivicafalte ein tieferes Niveau ein als die früher genannten 
drei Konglomeratbänke. Die oberste dieser Bänke entspricht ihrem 
Niveau nach schon den hangendsten Partien des Plattenkalkkomplexes, 
da sie unmittelbar vom Flysch überlagert wird. Die teilweise Ver- 
tretung des eben genannten Schichtkomplexes durch Konglomerate, 
wie man sie auf dem Südostende der Sridivica wahrnimmt, bildet 
einen Ubergang zu der Faziesentwicklung, welche auf der Nordost- 
seite des Poljieagebirges angetroffen wird. Dort fehlen die mergeligen 
Plattenkalke völlig und besteht die ganze Schichtmasse zwischen dem 
Rudistenkalke und dem Flysch aus Breccien und Konglomeraten. 

Mit den steil gestellten Mergelkalken, welche auf der Südwestseite 
der Sridivicafalte bei Sv. Nikola anstehen, sind die früher erwähnten, 
von Konglomeratbänken überlagerten Plattenmergel am Südostende 
der Falte nicht in Verbindung. 

Die mergelige Umhüllung des südöstlichen Endes des Falten- 
kernes ist hier im Bereiche der Sohle des Zernovnicatales denudiert. 

Unterhalb des Dorfes Sitno tritt auf der linken Seite des Brisine- 
tales Flyschsandstein auf. Derselbe bildet das nordwestliche Ende 
eines mächtigen Sandsteinkomplexes, welcher, gegen SO hin sich ver- 
breiternd, zunächst den flachen Rücken aufbaut, welcher den Berg- 
zug der Sridivica mit den unteren Abhängen des Makirinakammes 
verbindet und weiterhin — nach dem Abflachen des ersteren Berg- 
zuges — den ganzen Raum zwischen dem Makirinakamme und dem 
Poljicagebirge ausfüllt. Der nordwestliche Teil dieser Sandsteinmasse 
entspricht einer steilen Synklinale. Im Rinnsale des obersten Brisine 
potok, welches sich zwischen die Sandsteine und die Mergel am Abhang 
unter Sitno einschiebt, trifft man seiger stehende Bänke von Flysch- 
sandstein. Auf der linken Seite des Baches nehmen die Schichten 
allmälig eine nordöstliche Fallrichtung an. Zunächst sehr steil gegen 
NO einfallend, vermindern sie dann ihre Neigung. Am Anfangsstücke 
des Weges, welcher vom kleinen Talboden unter Sitno nach Visac 
hinaufführt, sind mäßig steil gegen NO geneigte Kalksandsteine auf- 
geschlossen. Westwärts von diesem Wege folgt alsbald der Mergel- 
kalk, welcher die Flyschschichten unterlagert. Dieser Kalk zeigt 
hier die gleiche Lagerungsweise wie der Flysch; am nordwestlichen 

39* 


300 Dr. Fritz v. Kerner, [86] 


Ende der Sandsteinmasse fällt er aber in ostsüdöstlicher Richtung 
unter diese ein. Da, wo der vorerwähnte Weg über den Rücken 
hinläuft, welcher die Gelände von Sitno und Srinjine scheidet, sind 
die Kalksandsteine mittelsteil gegen SW geneigt. Man befindet sich 
hier im Nordostflügel der Sandsteinsynklinale. Die Hütten von Visac 
liegen schon in der südöstlichen Fortsetzung der Zone von Flysch- 
mergeln unter Sitno. Bei der obersten Hüttengruppe von Srinjine sind 
gleichfalls Flyschmergel dominierend. Am Wege von Visac nach Srinjine 
trifft man viele schmale Felszüge, welche den Schichtköpfen steil 
gestellter härterer, kalkigsandiger Einlagerungen in der Flyschmasse 
entsprechen. In der Gegend der kleinen oberen Kirche von Srinjine 
fallen die Flyschbänke 40—50° ONO. (Siehe Taf. II, Prof. V u. VI.) 

Oberhalb des früher erwähnten Grabens am Östende des Sridivica- 
rückens lehnt sich der Südwestrand der Flyschzone an den äußeren 
der drei Konglomeratzüge, welche dortselbst an der Ostseite des 
Grabens sichtbar sind. Die Grenze zwischen Konglomerat und Flysch 
ist hier besonders neben der kleinen Steinhütte vor den westlichsten 
Gehöften von Srinjine schön aufgeschlossen. Weiter ostwärts trifft 
man diese Grenze gleich oberhalb der Steinbrücke an, über welche 
der Weg von der Zernovnicer Straße zur unteren Kirche von Srinjine 
führt. Am rechten Ufer des Veliki potok sieht man hier mäßig steil, 
lokal auch ziemlich steil, gegen NO einfallende Konglomerate. Das 
flache, mit Weingärten bedeckte Terrain oberhalb der steilen Ufer- 
böschung fällt schon in den Bereich des Flysches. An das Rinnsal des 
Veliki potok tritt die eben genannte Schichtgrenze aber erst in der 
Gegend von Cer£ig heran. Bis dahin sieht man auch noch in den Wein- 
särten am rechten Ufer des genannten Potok Konglomeratriffe aufragen. 

Das sanft ansteigende Gehänge südostwärts von Srinjine ist ganz 
mit Weingärten bedeckt, so daß man hier über die Lagerungsweise 
der Flyschschichten keine Aufschlüsse erhält. Im Bereiche der Hügel- 
masse des Kravar, welcher eine inmitten der Rebengelände von Srinjine 
aufragende unbebaute Insel bildet, tritt dann wieder Flyschsandstein 
anstehend zutage. Der steil ansteigende, künstlich terrassierte Abhang 
oberhalb des Kravar ist ganz mit Schuttmassen bedeckt. Es läßt sich 
deshalb nicht ermitteln, ob die Sandsteinmasse auch noch hier nord- 
ostwärts von einer Mergelzone begleitet wird. 

Der Kravar besteht aus zumeist 35—45° ONO bis NO fallenden 
Flyschsandsteinen. Auch der Felsriff an seiner Nordostseite, welchen 
man ob seiner weißen Farbe aus der Ferne für Kalkstein halten könnte, 
verdankt diese Farbe nur einem Überzuge von Krustenflechten. Auf 
der Nordseite des Kravar ist östliches Schichtfallen festzustellen. 
Unterhalb des Hügels sieht man in den Weingärten mehr grünlich- 
graue, lehmige Erde, was darauf hinweist, daß sich hier Flyschmergel 
den Kalksandsteinen einschalten. 

Im Bereiche des großen, im vorigen besprochenen Flyschkomplexes 
treten mehrere Quellen auf. Die bedeutendsten derselben entspringen 
unterhalb des Dorfes Srinjine. Einige hundert Schritte nordwestlich 
von dem Pfarrhause kommt aus einer Ummauerung ein kleiner klarer 
Quellbach hervor. Das sehr sanft gegen S geneigte umgebende Terrain 
besteht aus mäßig steil gegen ONO einfallenden Flyschschichten. 


[87] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 301 


Gleich neben dem Pfarrhause, an welches sich für den Schreiber 
dieser Zeilen die Erinnerung an eine dort genossene äußerst liebens- 
würdige Gastfreundschaft knüpft, bricht eine gleichfalls schöne und 
- reiche Quelle unter ganz analogen Verhältnissen wie die vorige auf. 
Etwas weiter südostwärts befindet sich nahe dem Nordwestfuße des 
Kravar die Quelle Brisnik. Eine andere Quelle entspringt vor dem 
Südwestfuße dieses Hügels am rechten Ufer des Veliki potok. 


XII. Die Nordostabhänge und der Kamm des östlichen 
Mosor. 


Der östliche Mosor stellt sich als ein mächtiger Gebirgskamm 
dar, der im Gegensatz zum Mittelmosor ohne breite Vorbaue aufsteigt. 
Gegen Süden dacht er mit steilen Hängen ab, die keinerlei Andeutung 
von Stufenbildung erkennen lassen; sein Nordabhang weist mehrere, 
jedoch nur schmale und nicht weit in die Länge sich erstreckende 
Terrassen auf. Als Grenze gegen den Mittelmosor ist auf der Nordseite 
des Gebirges eine Linie anzunehmen, die den Luti kamen mit dem 
oberen Ende des Talbodens unter Vrutka staje verbindet. Der Weg 
vom Dolac zum eben genannten Sattel kommt so mit Ausnahme seines 
obersten steilen Stückes noch in den Bereich des Ostmosor zu liegen. 

Der Nordostfuß des östlichen Mosor fällt mit dem Südrande 
des Dolac polje zusammen. Hier treten im Liegenden der Mergel- 
schichten, welche — von Eluvien überdeckt — den Poljenboden 
bilden, alveolinenreiche Kalke und Breccien auf. 

Erstere sind auf eine schmale, mehrmals unterbrochene Randzone 
beschränkt; das von den letzteren eingenommene Gebiet gewinnt 
dagegen gegen SO hin sehr an Breite, so daß sie am östlichen Ende 
des Mosorkammes an dessen Nordabhängen weit hinaufreichen. 

Vom Südrande des westlichen Dolae polje wird die Strecke von 
Simunidc bis etwas westwärts von DeS$iSevic von tertiären Kalken ge- 
bildet. Zwischen MandiC und Simunid reicht weißer Kreidekalk bis 
dicht an die Eluvien des Polje. Gleich westwärts von den Hütten 
von Simunic trifft man am Poljenrande eine Breceie, an deren Zu- 
sammensetzung weißer körniger Rudistenkalk, ein dichter bis blaß- 
gelblicher Kalk, welcher gleichfalls Rudistenreste enthält, und ein licht- 
bräunlicher Kalk mit spärlichen Milioliden Anteil nehmen. Von letzterem 
sind auch kleine Blöcke vorhanden. Weiterhin ist der körnige weiße 
Kreidekalk als Bestandteil der Breceie dominierend. Vor Desisevic, 
bei einem efeuumrankten verfallenen Gemäuer trifft man dieht mit 
kleinen Alveolinen erfüllten Kalk anstehend und in losen Trümmern, 
gleich weiter oben aber schon weißen Kreidekalk. In dem dann folgen- 
den Steinbruche steht eine Breccie an, welche aus Stücken von weißem, 
körnigen und dichtem Kreidekalk, Alveolinen- und Miliolidenkalk, 
sowie aus Trümmern von rötlichen und bräunlichen Kalken ohne 
Fossilien zusammengesetzt ist Die Kittmasse ist grünlicher Flysch- 
mergel. 

Oberhalb Desisevic, vor dem unteren Ende des Talbodens von 
Vrutka staje, stehen grobkörnige, rudistenreiche Kalke an, die 25—30° 
steil gegen NO einfallen. Lokal trifft man hier auch Breccienkalke. 


302 Dr. Fritz v. Kerner. [88] 


Am Abhang südwärts von dem eben genannten Talboden passiert 
man eine Zone von weißem bis lichtgelblichem, dichtem, gut geschichtetem 
Kalk, welcher sehr steil, 55—70° gegen NO einfällt. Das Schichtfallen 
ist hier bedeutend steiler als die Gehängeneigung. ÖOstwärts vom 
Wege zum Luti kamen zieht sich ein sehr einförmiges, mit Gestrüpp 
bewachsenes Gehänge empor. Oberhalb desselben breitet sich auf der 
Ostseite des Grates, der vom Luti kamen gegen SO hinansteigt, eine 
Dolinenregion aus. Am östlichen Rand derselben, wo das Terrain steil 
gegen: das Vrutkatal-abzufallen beginnt, trifft man 100 gegen Ost ein- 
fallenden weißen bis lichtbräunlichen Kalk, der in dünne scharfkantige 
Bänke abgesondert ist. Im Innern dieser Dolinenregion ist die Schicht- 
lage im allgemeinen schwer zu beurteilen. Es scheint zum Teil 
ziemlich flache Lagerung vorhanden zu sein. Südwärts erhebt sich in 
dem Grate, welcher vom Luti kamen zur Botajna, dem ersten Gipfel 
des Ostmosor, hinanzieht, die Kuppe Pulesva (1119 m). Im Südosten 
begrenzt sich die Dolinenzone mit der Kuppe Kosira, welche aus 
jenem Grate gegen NO vorspringt. Bezüglich der Pule$va kann es 
keinem Zweifel unterliegen, daß sie einer Schichtfalte entspricht; 
man sieht die Kalkbänke an ihrem Südabhange deutlich mäßig steil 
(ca. 30%) gegen SW, und an ihrem Nordgehänge 50 —60° steil gegen 
NO einfallen. Die Kosira scheint gleichfalls einer Schichtaufwölbung 
zu entsprechen. Wenn man sie — unterhalb der Nordwände der 
Pulesva stehend — von Westen her betrachtet, so gewinnt man den 
Eindruck, daß eine Falte von Domstruktur vorliege und daß gleich 
südwärts neben ihr noch eine zweite Auffaltung vorhanden sei, die 
dann die östliche Fortsetzung der Pulesvafalte wäre. Der oberste 
Teil des Grates zwischen dem Luti kamen und dem Botajnagipfel, 
südwärts von der Abgangsstelle. der Kosira, hält eine rein meridionale 
Richtung ein. Auf seiner Ostseite sieht man große Felsflächen sich 
gegen das am Nordfuße der Botajna gelegene Hochtal hinabsenken, 
auf seiner Westseite ist ein Abfallen der Schichten gegen die Region 
„Na metac“ zu erkennen. Es scheint sich auch hier um eine Bogenfalte 
zu handeln, doch ist die Gratlinie etwas mühsam zu begehen, was 
gegen eine bruchlose Umbiegung der Schichten spricht. 

Dieser Grat kann nur in hydrographischer Beziehung als ein 
Teil der Hauptkammlinie des Mosor angesehen werden, insofern man 
nämlich diesen Begriff mit dem der Wasserscheide zusammenfallen 
läßt. In orographischer Hinsicht erscheint es weit naturgemäßer, von 
zwei einander parallelen Hauptkämmen des Mosor zu sprechen, die 
durch einen Quergrat miteinander in Verbindung stehen. Der Umstand, 
daß der eine dieser Kämme sich dort abflacht, wo der andere empor- 
zusteigen beginnt, und daß dieselben somit nicht einmal auf eine 
kurze Strecke weit in ungefähr derselben Höhe nebeneinander hin- 
laufen, täuscht bei flüchtiger Betrachtung das Vorhandensein nur eines 
an einer Stelle quer zum Streichen verschobenen Kammes vor. Bei 
näherer Betrachtung ergibt sich aber, daß als östliche Fortsetzung 
des Hauptkammes des Mittelmosor nur die Kuppe Kosira und der in 
ihrer südöstlichen Verlängerung gelegene Rücken gelten können und 
daß die westliche Fortsetzung des Ostmosorkammes in dem Grate von 
Lukaj zu suchen ist, welcher von der Botajna gegen NW abgeht. 


[89] Geologische Beschreibung der Mosor planina. 303 


Noch mehr als in morphologischer Beziehung müßte in tektonischer 
Hinsicht die Annahme einer Einheitlichkeit des Mosorkammes zurück- 
gewiesen werden. Man hat es mit zwei einander parallelen Haupt- 
falten zu tun, die nordwärts des Botajnagipfels durch eine Querfalte 
verbunden sind. 

Bezüglich des Grates von Lukaj kann es kaum einem Zweifel 
unterliegen, daß er einer steilen domförmigen Falte entspricht. Auf 
seiner Südseite sieht man große schiefe Felsschichtflächen, auch im 
Bereich der Gratlinie sind flach gewölbte Felsplaques vorhanden und 
dieselbe ist nicht schwierig zu begehen. An den Nordabstürzen sind 
die Lagerungsverhältnisse allerdings ziemlich unklar. Auch die tieferen 
westlichen Teile des Lukajgrates lassen in ihrem Aussehen auf das 
Vorhandensein einer allerdings scharf gebogenen Falte schließen. Es 
scheint sich bei dem Auseinandertreten der Grate auf der Westseite 
des Botajnagipfels um den seltenen Fall einer Faltengabelung zu 
handeln. Das zwischen dem Lukajgrate und dem Verbindungsgrate 
der Botajna mit der Kosira gelegene Gebiet ist ein äußerst wüstes 
Felsterrain mit zahlreichen Dolinen inmitten eines Gewirres von 
kleinen Kämmen und Kuppen. Es dürfte sich hier um flachwellige 
Schichtlage handeln. Auf seiner Südseite entsendet der Grat von 
Lukaj einen Seitengrat gegen West, mit welchem er ein kleines, sehr 
ödes Hochtal einschließt. Dieser Seitengrat scheint einer Schichten- 
flexur zu entsprechen. 

Die Struktur des Botajnagipfels (1197 m) ist nicht klar erkenn- 
bar. Vermutlich entspricht er einer flachen Schichtaufwölbung. Dicht 
unter ihm befindet sich ein Vorkommen von stengligfasrigem Kalzit. 
Die Lage der Botajna halbwegs zwischen den Kulminationen der 
mittleren und östlichen Mosor planina verleihen der Rundsicht, die 
man von ihrem Gipfel aus genießt, einen besonderen Reiz, insofern 
der Blick nach zwei einander entgegengesetzten Seiten hin durch 
wilde Vordergrundpartien malerisch unterbrochen wird. Im Nordwesten 
ragt der Kamm der Ljubirna — von seiner Schmalseite aus gesehen — 
als mächtiger Felsdom auf. Im Südosten steigt der Grat des Kozik 
— in völliger Verkürzung als kühn geformtes Horn erscheinend — 
steil empor. 

Gegen Norden dacht der Botajnagipfel zum oberen Ende eines 
kleinen Hochtales ab, dessen linkseitige Begrenzung durch den Grat 
gebildet wird, welcher von der Kosira gegen SO abgeht und dessen 
Rückwand die Ostseite des Verbindungsgrates zwischen der Botajna 
und Kosira ist. Der vorgenannte Grat erfährt indessen eine so rasche 
Abflachung zu einem niedrigen Rücken, daß die Bezeichnung Tal nur. 
für das obere Endstück des Terrains am Nordfuße der Botajna_ an- 
gewendet werden kann und dessen übriger Teil als eine Terrasse mit 
schwach erhöhtem Rande zu bezeichnen ist. Dieser wallartig. auf- 
geworfene Rand entspricht einer von lokalen Störungen durchsetzten 
Schichtflexur. In seinem Mittelstücke hat es den Anschein, .als wenn 
die Kalkbänke, die seinen First formieren, schon gegen. SW_ ein- 
fielen und gleich darunter noch nordöstliches Schichtfallen vorhanden 
wäre. An anderen Stellen scheint der ganze Wall aus gegen NO 
geneigten Schichten zu bestehen. In der flach eingesenkten Terrasse 


304 Dr. Fritz v. Kerner. [90] 


neben dem Walle ist teils schwebende Lagerung, teils sanftes SW- 
Fallen vorhanden. Der Kalk ist am Nordabhange der Botajna grob- 
körnig und rudistenführend, im Bereiche der vorgelagerten Terrasse 
zum Teil breccienartig, am erhöhten Rande derselben dicht und ohne 
deutliche Versteinerungen. Der westliche, auf drei Seiten von öden, 
zum Teil schuttbedeckten Abhängen umgebene Terrassenteil wird 
von einem großen Eluvialfelde eingenommen, das zum Teil als Kultur- 
boden Verwertung findet. Der östlichste, tiefst gelegene Teil der 
nördlichen Vorstufe der Botajna ist stark felsig und mit Gestrüpp 
bewachsen. 

Wie schon erwähnt, entspricht die Kozira und der von ihr ab- 
gehende Rücken, welcher den erhöhten Rand der Botajnaterrasse 
bildet, der östlichen sich abflachenden Fortsetzung jener Schicht- 
aufwölbung, welche den Gipfelkamm des Mittelmosor aufbaut. Das 
Nordgehänge dieses niedrigen Endstückes des Gipfelkammes zerfällt 
hinsichtlich seiner Profillinie in zwei Teile. Der westliche Gehänge- 
abschnitt unterhalb der Kozira erfährt in seiner untersten Zone eine 
Unterbrechung durch eine kleine Stufenbildung und baut sich von da 
mit großer Gleichmäßigkeit empor. In den südöstlichen Gehängeteil 
schiebt sich dagegen in dessen Mittelhöhe eine Stufe ein. Die erstere 
Gehängestufe oberhalb DesiSeviö ist ein sehr hügeliges Terrain, in 
das eine große Zahl von Dolinen mit als Ackerboden verwerteter 
Eluvialausfüllung eingesenkt sind. Auch die Stufe in der Mittelhöhe 
des Gehänges ober Simunic, auf welcher eine Anzahl ärmlicher Alm- 
hütten steht, ist ein sehr unebenes, stark welliges Terrain. Beide 
Stufen sind — wie dies bei den Terrassenbildungen am Nordabhang 
des West- und Mittelmosor zumeist der Fall ist — durch eine Abflachung 
de